[7.1] Nâch mînem sinne und mînem wân
hân ich iu kunt
getân
war umbe man sîn jugent
und sîn alter mit der tugent
zieren
sol. Ich hân geseit [8475]
waz kumbers und waz arbeit
man durch die tugent haben sol
und wie ez uns kumt allez
wol.
Under wegen ist niht beliben,
ich enhabe ouch daz
geschriben [8480]
daz man sîn wîp und sîn kint sol
und sîn liute haben wol.
Nu solt ir wizzen daz ich schrîbe
von der
sêle und von dem lîbe.
Ich sage iu des lîbes kraft [8485]
und
sage iu waz meisterschaft
diu sêle im lîbe müge hân.
Wirt ez schier niht
ûf getân,
ir sult mirz güetlîch vergeben
und sult mir eine vrist
geben, [8490]
wan ich muoz undersprechen
daz dâ
mit ich müge swechen
untugende unde bôsheit.
Mich hât mîn muot dar
beleit
swâ ich mac gevüeclîche, [8495]
daz ich ûz mînr materje
slîche
und die untugende sô bereit
daz ez den bœsen werde leit.
Hie wil ich iuch wizzen lân
daz ein iegelîch man [8500]
von sêle und lîbe geschaffen ist.
Dâ von sô muoz er zaller vrist
von in bêdn die krefte hân
die in
bêdn sint undertân.
Die tugende der sêle krefte sint; [8505]
den
lîp diu sterke ane wint,
diu snelle und diu behendekeit,
daz wizzet vür
die wârheit.
Alsô diu sêle tiwerre ist
danne der
lîp zaller vrist, [8510]
alsô ist ouch der sêle kraft
tiwerre danne des lîbes maht.
Ein ieglîch wîse man seit
daz vür
sterke gê bescheidenheit,
sô ist der sin zaller vrist [8515]
tiwerre dan diu snelle ist.
Bescheidenheit gewinnt uns mêre
beidiu
guotes und ouch êre
dan uns des lîbes sterke gewinne.
Wir handeln
sneller mit dem sinne, [8520]
daz ein grôz dinc wirt bereit,
dan
mit des lîbes snellekeit.
Hie bî muget ir wizzen wol
daz man der sêle
kraft hân sol
verre vür des lîbes kraft: [8525]
der
sêle kreft hânt meisterschaft.
Von sinne und von bescheidenheit
sol
sterke und snelle werdn beleit.
Sterke und snelheit sint enwiht,
ob siu
der sin beleitet niht. [8530]
Man vindet in dem walde wilde
diu sneller sint
ûf dem gevilde
unde sterker danne dehein man,
und mugen sich niht wern,
wan
des mannes bescheidenheit [8535]
hât vil schier diu netze
bereit
diu sô gevlohten sint mit sinne
und sô gedræt, swaz kumt dar
inne,
daz muoz des mannes meisterschaft
dulten durch der sêle
kraft. [8540]
Swaz vliuget, gât
ode swebet
und swaz in der werlde lebet,
daz dult des mannes
meisterschaft:
daz machet niht des lîbes kraft.
Solt ein man mit sterke
ringen, [8545]
er möhte niht alsô betwingen
einen
lewen daz er tæte gar
nâch sînem willen, daz ist wâr.
Daz möht uns ouch
wesen leit,
solde man mit snellekeit [8550]
die
vogel imme lufte ersnellen:
man möht dervür einn slâf wellen.
Der vogel
würde gevangen niht,
ez enkœme von ungeschiht.
Nu seht daz uns der sin
gît [8555]
daz ez allez vor uns lît:
swaz
lebt daz stêt zunserm gebot,
alsô hât uns geêret Got.
Sin unde
bescheidenheit
tuont mit lîhter arbeit [8560]
daz
sterke und snelle niht enmac
getuon unz an den suontac.
Swer wænet daz eins mannes prîs
an der sterke sî, der ist unwîs.
Swer wænet an der
snellekeit [8565]
vinden eins mannes vrümkeit,
der
ist ouch ein tôre gar,
daz geloubet wol vür wâr.
Solden sterke und
snellekeit
geben tugende und vrümkeit, [8570]
sô
wære ouch tugenthaft ein rint,
wan ez ist starc: eins gouches kint
vliuget vaste, sô wær ouch
tugenthaft der selbe gouch.
Ir sult aver
wizzen wol [8575]
daz man daz niht gelouben sol,
wan uns sol komen vrümkeit
von sinne und von
bescheidenheit.
Swaz niht mannes sêle hât,
wizzet daz ez âne sin
bestât. [8580]
Dâ von ist unbescheiden gar
daz
vihe, daz geloubt vür wâr.
Hie bî muget ir wizzen wol
daz diu
bescheidenunge sol
von reht heizen der sêle kraft. [8585]
Hiet
der lîp sinnes meisterschaft,
sô hiet ein vihe und ein gouch
sin und
bescheidenunge ouch.
Nu seht wie uns Got hât gewert,
daz er uns dâ
mit hât geêrt [8590]
dâ mit er di engel hât gekleit,
mit sinne und mit bescheidenheit.
Von unsern sünden daz geschiht
daz
wirz sô volleclîchen niht
mugen hân in unserm leben [8595]
als
erz hât den engeln geben.
Doch ist ez ein grôziu êre,
muge wirs ouch niht haben mêre,
daz wir sîn haben doch ein teil:
ez
kumt uns ze ganzem heil, [8600]
ob wir an der tugende gwin
wellen
kêren unsern sin.
Dar umbe hât uns Got sin geben
daz wir suln
unser leben
zieren harte wol dermite. [8605]
Man
sol tugent und guote site
dermite suochen, daz ist reht.
Sin machet uns
den wec sleht,
daz wir mugen harte schier
sîn
tugenthaft, und welle wir. [8610]
Wie kumt dan daz wir verkêren
mêr
nâch untugent und nâch unêren,
nâch erge und nâch gewinne
danne nâch
êren unser sinne?
Ez wær mîn wille und ouch mîn rât [8615]
daz
wir gedæhtn wie uns Got hât
gehêret mit bescheidenheit:
wan wizzet vür
die wârheit
daz niht in der werlde ist
daz haben müge sinnes
list, [8620]
niwan der man, die engel unde Got,
daz ist von sînem gebot.
Got machet uns nâch sîner getât,
do er uns gap
des sinnes rât:
solt wir danne daz verkêren [8625]
ze
bœsen dingen und zunêren,
daz an uns Gotes bilde hât,
sô volgte wir niht
wîsem rât.
Swer wil an êre und an gewin
nâch rehte wenden sînen
sin, [8630]
der sol sînn sin kêren dar
danne
ez im ist komen gar.
Er sol sînn sin hin ze Got
wenden, daz ist sîn
gebot,
al dar nâch unde er kan: [8635]
man mag im niht verwîzen
dan.
Ein ieglîcher hât sinnes sô vil
daz er weiz daz Got wil
daz man
tuo daz man tuon sol,
daz weiz ein ieglîcher rehte wol. [8640]
[7.2]
Wir haben sîn genuoc swâ
wirn wellen haben,
aver dâ
dâ niht enist unser will,
dâ habe wir sinnes niht ze vil.
An
bœsen dingen und an gwinne, [8645]
dâ habe wir genuoc sinne,
und an
der erge und nâch dem guot,
dâ habe wir vil listegen muot,
und wie wir
triegen ein wîp,
dâ wetze wir sin unde lîp, [8650]
und wellen dan niht
haben sin
an der tugende gewin.
Swer den andern triegen mac,
der sûmt sichs
niht einn halben tac.
Die phaffen und die leien sint [8655]
aller
meist nu worden blint
nâch dem guot, wan girescheit
hât der
bescheidenheit
ougen niht. Bî unsern zîten
ir unêre ist gebreitet
wîten. [8660]
Der phaffe solt guot bilde geben,
sô solt der leie nâch im leben.
Sus gêt der phaffe am unreht vor,
der leie blîbt niht vorme tor.
Der phaffe solt an guotem
bild [8665]
tragen vor den êrsten schilt:
daz
solt sîn sîn guotiu lêre,
dâ mit er tegelîch bekêre
die übelen: mit dem
schilde sol
er vor dem vînt uns schermen wol. [8670]
Sô sol
dar nâch der rîter wert
an guoten dingen sîn swert
gebiderben unde amme rehte.
Er solde durch arme knehte,
durch wîsen
und durch armiu wîp [8675]
wâgen sîn guot und sînen lîp.
Daz
ist allez nu verkêrt:
der phaffe wil des rîters swert
nuo haben ze sînem
sinne,
daz er sî sterker an gewinne. [8680]
Sîn
sin der genuogt im niht
dâ mit er abe den liuten briht:
er wil darzuo
haben gewalt,
daz er alsô mit manicvalt
kerge und sterk kom hin zem
guot, [8685]
volgende sînem gireschen muot.
Der
leie dunkt sich ouch niht wert,
ern habe zuo sînem swert
diu buoch, wan
der schrift sin
wil er ouch haben an gewin. [8690]
Er
heizet im schrîben harte wol
daz wuocher daz man im geben sol.
Swa im
gebristet sîner sterke,
dâ kêrt er ane list und kerge.
Nu seht wie daz eim rîter
guot [8695]
stêt, daz er dar an sînen muot
kêrt, daz er wetzet sînen sin
nahtes
wachende ûf gewin,
der niwan an rîterschaft
solde vrumen sîne
kraft [8700]
und an tugende und an reht:
er wær
noch verre baz kneht,
swelich rîter alsô tuot,
daz er ist rîter durch
daz guot.
Ist der rîter durch daz guot
niht, [8705]
dem niht anders ze tuon geschiht
wan lantrehten nâch gewinne?
Swenner solde sîne sinne
bringen an die
gewonheit
der zuht und der hüfscheit, [8710]
sô
sitzet er mit bein über beine
in einem winkel alterseine
und ervindt vil
manege kerge,
dar zuo hilft im sîn vrowe, diu Erge,
wie er den müge
geswechen [8715]
unde dem sîn guot abe brechen,
ein
hüebel ode einen acker.
Sô dunket er sich vil wacker,
swenne er ervunden
hât
die kündekeit und den rât. [8720]
Swenne dan die rîter guot,
die dâ tragent hôhen muot,
gar ze rîterschefte sint,
sô schrîet der
bœs dort umb ein rint
“Herre, ir sult mir vernemen mêr!
[8725]
Unser reht wil daz der
habe sînen ohsen, daz ist reht.
Man tuot gewalt dem kneht!”
Und swenner vol geschriren hât,
sone ruoht er wem der ohse bestât. [8730]
Ob im der zagel werden
sol,
er wænt gewert sîn harte wol.
Seht wie wir wenden unsern sin,
den uns Got gap, daz wir in,
deste baz erkennen solden,
[8735]
ob wir an reht gedenken wolden.
Daz er uns gap durch der liute
vrum, daz kêre wir gar hiute
beidiu zir schaden und zir leit
und
rüemen uns der nerrischeit, [8740]
swenn wir den betrogen hân:
daz
ist vil nerrischen getân.
Swer an guoten dingen ruom hât,
in hilfet niht
sîn guot getât;
swerz aver an bœsen haben wil, [8745]
dem
muoz ez danne schaden vil.
Wir machen daz ein arm man
verliuset vil, der
niht enkan.
Durch einn vil kleinen gewin,
seht wie wir wenden unsern
sin, [8750]
und wellen des wizzen niht
daz uns
verliesen geschiht
grœzer guot vil ungelîche
in unsers herren Gotes
rîche.
Vil kleine unser wîstuom ist, [8755]
den
kêre wir doch zaller vrist
zunnützen und ze bœsen dingen,
dâ von muoz
uns dicke misselingen.
Von Got kumt aller sin:
swer sînen muot verlæt
an in, [8760]
der muoz wîse werden gar.
Sant
Pêter wart ein predigâr,
der vor des manige stunde
niht anders niwan
vischen kunde.
Der scheidet sînen sin von Got, [8765]
der
niht enleistet sîn gebot.
Swenner von der vreude wunne
unde von des
sinnes brunne
ie verrer und ie verrer gêt,
sîns
sinnes ie minner bi im bestêt, [8770]
unz er wirt zeinem tôren
gar.
Sô wænet er dan alrêst vür wâr
daz er sî ein wîse man:
der vînt
uns alsô triegen kan.
Swelich man wænt haben sin, [8775]
der
sich verlæzet an gewin
und an erge und an guot,
der wân kumt von
tœrschem muot.
Der tôre der mac wizzen niht,
swenne im ze toben
geschiht, [8780]
daz er tobe: daz selbe enkan
ouch
niht verstên ein trunken man.
Alsam sprich ich, swer sich verlât
gerlîchen an der werlde rât,
der hât die besten krefte
verlorn [8785]
die den man sint an geborn.
Dâ von
weiz er niht waz er tuot:
er wænt daz übel heize guot.
Ein ieglîcher vier krefte hât
von den er sol suochen rât. [8790]
Die vier kreft sint sô
getân
daz in sint undertân
aller wîstuom und alle tugent
beidiu an
alter und an jugent.
Swaz man in der werlde kan, [8795]
daz
muoz man immer kêren an
die vier krefte od etlîche
der vier, daz wizzet
sicherlîche.
Einiu heizt Imaginâtiô,
diu ander heizet
Râtiô, [8800]
diu drite Memorjâ
ist,
diu phleget der kamer zaller vrist,
die vierd ich Intellectus heiz.
Von der êrsten man nimêre weiz
wan daz si bringet die
gedanke [8805]
zer dinge getât, die man lange
vor
des niht gesehen hât.
Daz kumt von der krefte rât
diu dâ Memorjâ ist
genant.
Si habent vil nâch ein amt, [8810]
wan si sint swester, die
zwô,
Memorjâ und Imaginâtiô.
Imaginâtiô ir swester gît
swaz vor den
ougen lît.
Memorjâ behalten kan [8815]
wol swaz ir swester ê
gewan.
Intellectus und Râtiô
hânt ane Imaginâtiô
und an ir swester
meisterschaft:
die dienent ir nâch eigenschaft. [8820]
Swaz Imaginâtiô begrîft,
ez
sî anders od mit gesiht,
ez sî wâzend ode rüerent,
ez sî smeckend ode
hœrent,
daz sol si hin zir vrouwen bringen, [8825]
sô mag
ir niht misselingen.
Râtiô bescheiden sol
waz stê übel ode wol,
und
sol enphelhen swaz ist guot
der Memorjâ ze huot. [8830]
Intellectus sol wesen bot
hin zen engeln und ze Got.
Dâ von ich gesprochen hân,
swer sînen muot wil
verlân
nâch gewinnunge ze hart, [8835]
er verliust an solher vart
die besten krefte die er hât
und die im solden geben rât
ze
hüfscheit und ze guoten dingen,
wan anders mag im niht gelingen.
[8840]
Als ich gesprochen hân,
Râtiô diu kraft kan
bescheiden daz übel vomme guot.
Die verliust
swer sînen muot
an gewinnunge wenden wil. [8845]
Er
weiz niht wenner hât ze vil,
er weiz niht, wan er ensol,
waz stê übel
ode wol.
Der Intellectus ist verlorn
der uns alln ist an
geborn, [8850]
wan er wil niht erkennen Got,
leistent sînen willn und sîn gebot.
Imaginâtiô ist im bliben,
wan
daz habe wir geschriben
daz iegelîch vihe die kraft hât [8855]
von
der gemeinn natûre rât.
Nu merket waz sinne der müge hân
der dise
krefte muoz verlân.
Swer nâch gewin lât sînen muot,
der muoz dâ mit
lâzen grœzer guot, [8860]
und dunket in doch er habe sin,
swer sich verlæzet an gewin.
Wê, jâ wil ich sprechen mêre,
dehein man volle
lêre
hie nimmer gewinnen mac, [8865]
und
lebt er unz an den suontac:
die lêre sint uns dort behalten.
Swer hie
wil vrumen unde walten
sîn rede sô er beste kan,
der mac wol sîn ein
sælic man. [8870]
In dirre werlde niemen ist
der
leben müge sô lange vrist
daz er eine kunst müge gar
gelernen alliu
sîniu jâr.
Dâ von spricht ein wîser man [8875]
“Ich weiz daz ich nimêre kan
wan daz eine daz mir niht
hie ze wizzen geschiht.”
Er seit wâr, wan sage mir waz
man
alsô wizz, man mügez baz [8880]
wizzen: man vindet daz niht
dar an
ze wizzen niht gebriht.
[7.3] Swer wol schâchzabel spiln kan,
der vindet dannoch einen man
der sîn als vil kan ode mêre:
[8885]
ez ist dehein sô kleiniu lêre,
man möhte sî lernen baz,
vür wâr sult
ir gelouben daz.
Waz mac danne sîn beliben
der grôzen künst die wir
geschriben [8890]
haben, sît die kleiner
nimmer
begrîfet unser deheiner?
Wir wellen sîn alle wîs;
an erge suocht man
sinnes prîs.
Der wil nu sîn ein wîser man [8895]
der
einem man abe brechen kan.
Het er versuochet grœzern
sin,
in diuht ein tœrscheit sîn gewin.
Wir haben künste vil geschriben,
der sint ûz erwelt siben. [8900]
Liste heize wir die künst
und heizens vrî, wan niemen wünscht,
der sich dran verlât, haben mêre:
man vindet dâ wünneclîche lêre.
Dem argen wirt niht baz ze
muot, [8905]
swenn er an siht sîn eigen guot,
enem werde alsô wol
der an den listen vlîzen sol.
Si heizent ouch
dar umbe vrî,
swer sich dran verlât, muoz sîn [8910]
ân
sorge und muoz doch haben guot,
aver sô daz er sînen muot
deheine wîse
dar an kêre,
wan guot verstœzt der liste lêre.
Diu êrste heizt
Grammaticâ, [8915]
diu ander Dîalecticâ,
diu drite
Rhetoricâ ist genant,
sô sint die vier dar nâch zehant
Arismeticâ und
Gêometrie
Musicâ und Astronomie. [8920]
Grammaticâ lêrt sprechen rehte;
Dîaleticâ bescheidt daz slehte
vome krumben, die wârheit
vom
valsche; Rethoricâ kleit
unser rede mit varwe schône; [8925]
Arismeticâ diu gît ze lône
daz man von ir kunst zelen sol;
Gêometrie
lêrt mezzen wol;
Musicâ mit wîse schœne
gît uns
wîstuom an die dœne; [8930]
Astronomie lêrt âne wanc
der
sterne natûre und ir ganc.
Wir envinden niht geschriben
daz dehein man
kund die siben
noch der liste einen gar, [8935]
daz
solt ir wizzen wol vür wâr.
Die besten die wir an Grammaticâ hân
daz was
Dônâtus und Priscjân:
Aristarchus man von rehte sol
under die besten
zelen wol. [8940]
Dîaleticâ hât ouch ir diet:
die
sint die besten die si hiet,
Aristôteles, Bôêcjus
Zênô und Porphirjus,
Rethoricâ diu hât niht gar [8945]
ân vrume liute bewist ir
schar.
Die besten wâren Tulljus
Quintiljân, Sîdônjus.
An Arismeticâ
der beste was
Crisippus und Pîtâgoras. [8950]
An
Musicâ Grêgorjus,
Timothêus, Millesjus.
An Gêometrie was Thâles
der
tiurist und Euclydes.
Der Astronomîe schar [8955]
was
meister Albumasar,
Ptolomêus vaner was
und vorvehter Atlas.
Seht, der deheiner möht nie vür wâr
jehen er kunde sîn kunst
gar: [8960]
wie wil dan sîn wîse
der
der nie gevleiz an deheiner lêr,
weder an zuht noch an vrümekeit,
niwan an bœser kündekeit,
und der niht anders enkan [8965]
wan
wie er triege einen man?
Salomôn der wânde nie
er wær
ze wîs: sô wænent die
wîse sîn den nihtes niht
anders ze wizzen
geschiht [8970]
wan sprechen nâch einer gewer,
und
wellent dâ von sîn sô hêr.
Si wellent daz ze rehte hân
daz si lange übel
hânt getân.
Ich wil in lâzen ir gewinne [8975]
die si
behabent mit dem sinne.
Ich wil si zuo der bûren kint
zeln, die nie ûz
komen sint,
und zel si ouch zuo dem der
nie kom ûz einem
karkær [8980]
unde dem niemen hât geseit
der
werlde lenge noch ir breit.
Waz wesse der ob iht wære
anderswâ der werlde mêre?
Alsam ist ouch umbe den man
[8985]
der deheine kunst enkan
wan lantrehten nâch gewonheit,
der weiz niht
des wîstuomes breit,
weder sîn tiefe noch sîn hô
und wænet volkomen sîn
alsô. [8990]
Der erkennt des sinns hœh tiefe breit
der sich
in dirre werlde beleit
sô daz im niht enslîft der
vuoz
und daz er hôhe stîgen muoz.
Der erkennet niht des sinnes
wît, [8995]
weder hœh noch tiefe, der dâ lît
mit bœsen werken zaller stunt
der hœhe verre in der Helle grunt.
Der kan Grammaticâ wol
der
rehte lebet als er sol. [9000]
Ob er niht rehte sprechen kan,
so
ist er doch ein wîse man.
Der kan Dîaleticâ ze reht
der an guoten dingen
ist sleht
und sich vor lügen hüeten kan, [9005]
daz er
niht triege einn andern man.
Der kan Rethoricâ garwe
der mit der
einvalte varwe
verwen sîne rede kan:
wizzet daz er ist ein wîse
man. [9010]
Ob er ez tuot ân bœsen list,
sô
weiz ich daz er wîse ist.
Der kan Gêometrie wol
der nimêre tuot danner
sol
und der niht minner ze tuon muot [9015]
danne
er von rehte tuot.
Swer Arismeticâ kunnen wil,
der sol âne zal harte vil
guotes tuon nâch sîner maht
beidiu tac unde naht. [9020]
Der
kan die Musicâ ze reht
der sîn leben sô machet sleht
daz er machet sîner
worte dône
mit den werken eben hellen schône.
Ir
sult wizzen daz der man [9025]
wol Astronomîe kan,
swer sich
zieret mit der tugent
sterne an alter und an jugent.
Geschiht daz, daz ein man
dâ von wol Grammaticâ kan [9030]
daz er sprichet reht, sô
kan ez baz
der rehte tuot, wizzet daz.
Ob der ein Dîaleticus ist
der
daz valsche erkennet zaller vrist,
so ist Dîaleticus vil gar
[9035]
swer zallen zîten sprichet wâr.
Ob der Rethoricus heizen sol
der
verwen kan sîn rede wol,
so ist der Rethoricus gar
der sîn rede machet
einvar: [9040]
ich meine des rede einvaltec ist,
ob erz tuot ân bœsen list.
Ob der Gêometer heizen sol
der einn anger
kan mezzen wol,
so ist der Gêometer baz [9045]
der
wol kan erahten waz
er haben sul ze sînem leben:
der kan behalten unde
geben.
Ob der Arismeticus ist
der wol zelt zaller vrist,
[9050]
so ist der Arismeticus gar
an dem man zelt der tugende schar.
Ob der
Musicus heizen sol
der die dœne machet hellen wol,
so ist der Musicus
der sînen muot [9055]
macht gehellen mit dem und er
tuot.
Ob der Astronomicus ist
der die sterne
zaller vrist
erkennet, so ist derz aver baz
der Got erkennet, wizzet
daz; [9060]
wan der stern ist des rehtes sunne
und bringt uns aller liehte wunne.
[7.4] Ân die siben liste breit
von den ich iu hân geseit
sint ander zwô künste grôz
[9065]
die enen sint übergenôz:
die heizent dâ von liste niht,
wan in ze
hêrschen geschiht
über die siben: ir küneginne
sint si und ir
gebieterinne. [9070]
Diu ein Divînitas ist genant,
diu
ander Physicâ. Ir bêder amt
ist vil süeze unde guot:
swer dar an
kêret sînen muot,
der mac vreude genuoc gewinnen [9075]
und
kurzwîle an tiefen sinnen.
Diu Physicâ lêrt uns harte wol
wie man sînen
lîp behüeten sol
an guotem stal und an gesunt,
daz man niht sieche
zaller stunt, [9080]
und lêret, ob man siech sî,
waz
ezzens und waz erzenî
zeim ieglîchem siechtuom sî guot,
und wâ vor sich
der sieche behuot.
Divînitas lêrt harte wol [9085]
wie
man die sêle behüeten sol,
daz man niht valle in die sunde
mit bœsen
werken zaller stunde,
und ob man drin gevallen sî,
daz man bîht vür erzenî [9090]
neme zehant: daz ist guot;
sus ist
diu sêle wol behuot.
Man möht gerner gesunt sîn
dan man dar nâch suoche
erzenî:
swenn man von schulden siech ist, [9095]
sô
muoz mans suochen zaller vrist.
Man möht sich ouch gerner behuoten
vor
sünden danne dar nâch muoten
daz man im lœse die hende
von dem sîner
sünde gebende. [9100]
Swem in daz ouge vellet iht
sî lange ân erzenîe
niht,
wan sûmt er sich, er mac vil drât
verliesen ez ouge daz er hât.
Niemen sol sîner sêle wunden [9105]
heln dem priester, wan von
sunden
kumt dicke diu geschiht
daz man nimt bîhte niht.
Der sieche
vordert zaller stunt
daz man im gebe spîse ungesunt: [9110]
der
sündære ouch niht anders gert
wan daz im sîne sünde mêrt.
Jâ sult ir noch hœren mêre
von der zweier künste lêre.
Von Physicâ man wizzen sol
[9115]
aller ding natûre wol,
swaz niderhalbe des mânen ist.
Divînitas gît
uns den list
daz wir die engel unde Got
erkennen, unde sîn
gebot. [9120]
Nu merket, swaz ûf dem Himel
ist,
dâ gît uns an kunst unde list
diu ie der künste vrouwe was,
diu
vil edel Divînitas.
Und swaz niderre ist dan der mân, [9125]
dâ gît
uns kunst und list an
diu schœne Physicâ, wan von ir
erkennet man diu
element vier.
Swaz zwischen mân und Himel gêt,
die
natûre man verstêt [9130]
von der wârhaftn Astronomie.
Arismeticâ und Gêometrie
helfent derzuo: diu ein mit zal,
diu ander
mizzt des Himels sal.
Als ich sprach in dirre vrist, [9135]
aller künste vrouwe ist
Divînitas, wan si seit
wie man daz êwiclîche leit
in dirre werlde
vertrîben sol
und wie man immer lebe wol. [9140]
Von
wanne kumt daz man deheine kunst
ze wizzen minner niht enwunscht
dan
dise diu aller beste ist
an tiefem sinne und guotem list?
Daz kumt dâ
von daz si niht enmuot [9145]
wertlîchen ruom und werltlîch guot.
Wir vlîzen uns lützel an sinne
und ouch an deheiner minne:
verworfen
ist Divînitas
diu ie der künste vrouwe was. [9150]
Daz wir Decrête und Lêges
hôren,
daz kumt dâ von daz wir die tôren
mügen
effen deste baz.
Und wil iemen sprechen daz
des niht ensî, der
antwurte: [9155]
zwiu lâze wir der lêre porte,
daz
ist diu Divînitas
diu ie meisterinne was,
niwan daz wir unsern sin
haben verlâzen an gewin? [9160]
Diu Decrête ich niht
enschilt:
si solden sîn des rehtes schilt,
nu mach wir dermite daz
unreht
dunket sumelîche sleht.
Dar ûf wurdns niht gemachet:
[9165]
swer dar ûf sorget unde wachet
daz er verkêret guote lêre,
ez riuwet
in dar nâch vil sêre.
Die phaht machten mit wîsem rât
die keiser, swers
gelesen hât. [9170]
Die phaht man verkêren mac:
man
tuot ez ouch alle tac.
Decrête und diu phaht sint guot,
swer in niht
unrehte tuot,
wan diu Decrête sint komen [9175]
von
Got, als wir hân vernomen.
Ez wart dô durch guot getân,
nu hab wirz
verkêrt dar an
daz wir wenden gar nâch gwinne
der phaht und der Decrête
sinne. [9180]
[7.5] Ich seite harte gerne mêre
der künste geverte und ir lêre,
und seite ouch gerne wî
einiu under
der andern sî,
wan daz wær ze vernemen
schône [9185]
und gæbe uns wîstuom doch ze lône:
ez möht aver niht gezemen
den diez niht kunnen vernemen.
Tæt ichz,
mîn rede wær unwert
den die der buoch sint ungelêrt. [9190]
Dâ von
ichz niht tuon wil:
ich sol niht übergên daz zil
daz der leie gereichen
mac.
Jâ sint nu stunt vür die tac
daz die leien wârn gelêrt:
[9195]
diu lernunge ist nu wordn unwert.
Bî den alten zîten was
daz ein ieglîch kint
las:
dô wâren gar diu edeln kint
gelêrt, des si nu niht
ensint. [9200]
Dô stuont ouch diu werlt baz
âne
nît und âne haz;
dô het ein ieglîch man êre
nâch sîner kunst und sîner
lêre.
Die herren wâren wol gelêrt, [9205]
dâ von wâren si ouch wert.
Nu ist der herrn vil lützel wîs,
dâ von bejagent si nimmer prîs.
Alexander was der schrift
gelêret wol: dem nihtes niht [9210]
der werlde widerstên
kunde,
er het sîne meister zaller stunde.
Vil wol was gelêrt Ptolomêus
und der künic Neptanêbus,
sô daz man redet hiute von in
[9215]
daz si hieten grôzen sin.
Salomôn der ist mêre
erkant der werlde durch sîn lêre
danne durch sîn künicrîche,
daz
geloubet sicherlîche. [9220]
Durch sîne sinne ist ouch wît
erkant der guote künec Dâvît.
Die wîsen künege drî, Caspâr,
Melchjôr
unde Balthasâr,
die kômen ouch von ir kunst [9225]
dâ ir
herze hine wunscht.
Daz in der stern wart erkant,
des sint si ouch noch
hiute genant.
Julîus der was ouch gar
wol gelêrt, deist wâr,
[9230]
der alrêst daz rœmische rîche
beherte, er was ouch tugende rîche.
Wær an im niht gewesen
sin unde vrümkeit, als wir lesen,
sô hiet er
niht gehabt die kraft [9235]
daz under sîner meisterschaft
sô
wîse liute wæren komen
und sô vrume sô wir hân vernomen.
Nu waz würre den vrumen herren
daz si ir kint hiezen lêren? [9240]
Swenn sis dâ lâzent spilen
gên,
sô solt mans lêren ze verstên
waz übel stüende ode wol
und wes
man gerne phlegen sol
und waz sî zuht, êre unde guot [9245]
und wâ
vor man sol sîn behuot
und waz sî reht ode unreht
und waz sî krump ode
sleht
und waz sî valsch ode wâr,
daz solt man
siu lêren gar. [9250]
Dar zuo solde ein
herre wert
haben die meister wol gelêrt
in sînem hove, daz sîniu kint
und ouch die andern die dâ sint
sich möhten vürdern an der
lêre: [9255]
daz wær in beidiu vrum und êre.
Daz ich von der herren site
gesprochen hân, dâ meine ich mite
ouch ander liut die edel sint,
daz
si ir vil liebiu kint [9260]
heizen lêren in ir jugent,
wan von
kunst gewinnt man tugent.
Die zaller zît vlîzec sint
wie si ir vil
liebiu kint
lâzen rîche amme guot, [9265]
die solden rîchen ouch ir
muot
an zuht und an hüsscheit.
Man mac dehein erbe sô
breit
sînn kinden lâzen, noch sô guot
als wol gelêrten muot,
[9270]
wan von der kunst vindt man wol
wie man Got gevallen sol.
Diu kunst
phlegt ouch wol ze geben
wie man sol zer werlde leben.
Ez hilfet ouch
dem vater baz [9275]
dan ob er im lieze daz
dâ mit er
würde ein wuocherære
ode sus ein bœse samenære.
Jâ mant uns nihtes niht
daz guot
daz wir kêren unsern muot [9280]
an unser
vorvarn: wizzt vür wâr,
uns muoz der sin des manen gar,
wan guot verirrt
uns harte dicke
mit dem sînn unstæten blicke,
daz wir niht kêren unsern
muot [9285]
an unsern vater, der uns daz guot
liez, und vergezzen sîn gar.
Dâ von sô wizzet wol vür wâr
daz man
kinden læt dehein guot
bezzer danne gewizzen muot. [9290]
Swer verderbt sîns kindes sin
durch sparunge und durch gewin,
daz ern ze schuole niht ensendet,
und ze hove, wizzt daz er wendet
ze grôzer vlust sînen gwin.
[9295]
Swer sînem kinde niht læt sin
und læt im guot, er weiz niht wol
waz
er dâ mit tuon sol.
Lîht daz ein unwîser man
der nihtes niht od
lützel kan [9300]
noch lernen wil durch trâkeit
mit
solher rede sich bereit:
er gît mir zantwürte daz
die ungelêrten tuont
baz,
wan der dâ ist gelêret wol, [9305]
der tuot niht des er tuon
sol.
Der phaffe der dâ ist wol gelêrt
mit ungelêrten leien gert
bœser dinge unde sunde
und gewinnunge zaller stunde.
[9310]
“Zwiu solt wir danne lernen iht,
sît wir sehen daz ditze
geschiht?”
Ich wil im geben antwurte
ze der rede mit einem
worte:
wænestu, swer wol lesen kan, [9315]
daz er sî ein gelêrter
man?
Jâ ist der phaffen harte vil,
vür wâr ich iu daz sagen wil,
die
lesent daz si mugen sehen
und mugen doch des niht gejehen
[9320]
daz si iht verstên die schrift.
Alsam eim gebûrn geschiht
daz er in
die kirchen gêt
unde vor den bilden stêt:
swie wol er daz gemælde
siht, [9325]
waz ez bediute, des weiz er niht.
Ern weiz waz daz bilde meine:
daz verstên ist niht gemeine.
Wie wil
du danne daz der baz
danne ein ander wizze waz [9330]
er
tuon sol, der nihtes niht
kan verstên waz mein diu schrift.
Nu lâ daz er gelêret sî,
sô
nim doch bilde dâ bî
daz ein arzât wol gelêrt [9335]
dicke
ungesunder spîse gert
und weiz wol daz si tuot im leit
und volget doch
sîner leckerheit:
alsam tuot lîhte ein man
der wol die schrift verstên
kan, [9340]
daz in ziuhet dar sîn leckerheit
da er gewinnet müe unde leit.
Uns sol diu kunst liep sîn:
der arzât kan mit
erzenî
machen daz er wirt gesunt,
[9345]
wirt er siech ze deheiner stunt.
Swer in ein gruobe vellet, wizzet daz,
daz er kumt dar ûz baz,
gesiht er, dan ob er gesehe niht.
Al daz
selbe dem geschiht [9350]
der wol gelêrt ist: tuot er sunde,
er gedenket zeiner andern stunde
daz er tuot wider Got,
und kumt
wider ze sîme gebot
dâ mit daz er bîhte gert: [9355]
daz
tuot selten der ungelêrt.
Ein tôre der wil lernen niht,
wan im sîn tœrschez herze giht
“Ich entuon niht wider
Got,
wan ich enweiz niht sîn gebot. [9360]
Wesse ich waz wider in wære,
daz wær mir ze tuon unmære,”
und wænet sô Got betriegen
dem niemen ein wort mac geliegen.
Von Got
ist unerkant der man [9365]
der durch sîn trâkeit niht enkan.
Wir haben alsô an der schrift
“Der niht weiz, den enweiz Got
niht”:
swer niht enkan von sîner schulde,
der tuot wider Gotes
hulde. [9370]
Daz reht gebiutet daz der man
ervar swaz er niht enkan.
Swennerz dan ervarn hât,
sô volge danne
dem besten rât.
Swer guoten rât erkennen kan, [9375]
der
ist niht gar ein tœrsche man.
Man ervert daz man wil ervarn,
daz man niht wil, daz læt man varn.
Næme dir iemen dîn rint
ode
slüege dir iemen dîn kint, [9380]
du vüerest hin zeim andern man,
kundestu dich niht verstên dar an,
daz er dir seit waz des reht wære,
und læst dir wesen unmære
ze ervarn umbe die gewarheit
[9385]
dîner sêle, deist ein nerrischeit.
Jâ wil man halt vernemen niht,
swer von Got wil
sagen iht,
wan swen der vînt gebunden hât,
wizzet daz er in niht
enlât [9390]
sô getâne rede vernemen
dâ von er
müge guot bilde nemen,
und machet daz er hât vür spot
swaz man im sagen
mac von Got.
Swer nâch Gote varn welle [9395]
und
von dem vîent scheiden snelle,
der hœre gern von der Gotes güete,
von
sîner marter und diumüete,
wan daz enzündet in vil gar
ze dienen Got,
daz ist wâr. [9400]
Swenne mich dürstet, ob mîn muot
gedenkt an küelez wazzer guot,
so enzündet mich der durst vil gar,
ich hânz ervarn wol vür wâr.
Swer über eine brükke gât,
[9405]
ob er dan durch vorhte lât
daz er nider niht ensiht,
im geschiht
lîht diu geschiht
daz im slîfet der vuoz
und daz er dâ vallen
muoz [9410]
dar er niht getorste sehen:
alsô
muoz dem geschehen
der niht hœren wil Gotes geriht,
wan er mac ez doch
schiuhen niht.
Swer mîn wort niht wil vernemen, [9415]
ich
möht ez wol vür übel nemen:
vür wiu mac ez dan enphâhen Got,
daz man
niht hœret sîn gebot?
Wie sol er mîn war genemen,
ob ich sîn wort niht
wil vernemen? [9420]
Swer sînem wort besliuzt diu ôren,
er wil sîn bete niht erhôren.
Gehabt sich ein sieche bœslîche,
swenner izzet, sicherlîche
daz zeichen ist niht ze guot.
[9425]
Alsô habt umbe den siechen muot:
ist ez einem manne leit,
swenn man
im von Gote seit,
und ob erz hœret iht,
ob er sich danne bezzert
niht, [9430]
er müge merken wol dâ bî
daz umbe
in grôz zwîvel sî.
Der leie gedenkt in sînem muot
“Sît der phaffe übel
tuot
derz an dem buoche siht [9435]
waz
übel sî ode niht,
sô ist daz niht mîn schulde,
tuon ich
wider Gotes hulde,
wan ich kan niht ersehen waz
unserm
herrn gevalle baz [9440]
ode waz im gevalle niht.
Ich erkenne niht die schrift.”
Ouwê, wie sich der selbe triuget
der sô offenlîchen liuget!
Gêt ez dem phaffn zen ougen in,
[9445]
sô gêt doch der selbe sin
den leien durch diu ôren:
wie triegent
sich die tôren!
[7.6]
Jâ hât ieglîch man und wîp
vümf tür in sînem
lîp. [9450]
Ein ist gesiht, diu ander gehœrde,
diu dritte wâz, diu vierde gerüerde,
die vümften ich gesmac heiz.
Swaz man in der werlde weiz,
daz muoz in uns immer vür
[9455]
ze etlîcher der vümf tür.
Sô nimt ez Imaginâtiô
und bringetz der
vrouwen Râtiô,
wan si bescheiden sol,
als ich hân geseit
wol. [9460]
Dâ von sprich ich, swaz zeiner tür
niene gêt dem leien vür,
daz gêt im doch zer andern in,
wil er haben
guoten sin.
Ervert er niht waz mein diu
schrift, [9465]
sîn trâkeit beredet in niht
ern sî
schuldic wider Got,
und leistet er niht sîn gebot.
Der leie sol durch
der ôren tür
lâzen die guoten lêre vür: [9470]
sperret er der ôren tür vast,
dar in kumt niht der lêre gast.
Die vümf tür heizent vümf sin
und habent ûzerhalbe gewin.
Der vier krefte meisterschaft
[9475]
diu hât innerthalben kraft.
Die vümf sinne dienent in
mit ir ûzerme
gewin.
Die vümf sinne sint der krefte kneht:
die vier krefte habent
grôzez reht, [9480]
die vier kreft sint râtgebinne,
diu sêle ist ir küneginne.
Nu merket daz dehein man
ân den vümften sin
niht leben kan,
den wir dâ heizen gerüerde. [9485]
Er mac
leben ân gehœrde,
ân smac, ân wâz und ân gesiht,
aver ân gerüerd niemen
geschiht
daz er müge lange leben:
er muoz dermit sînn lîp
geben. [9490]
Dar umbe sprach ein wîse man
von
dem man vil dinges kan:
“Von den vieren lebt man wol,
aver von
dem vümftn man leben sol,
wan deheiner niht enmac
[9495]
ân gerüerde leben einen tac.”
Nu hüetet
daz iu hie nützer ist,
daz ez nien werde zeiner andern vrist
wirs und
unnützer michels mêre.
Dâ vor sol sich behüeten sêre [9500]
ein
wîse man, daz er niht
komen sol dâ im geschiht
an der gerüerd vil
wundernwê
von viuwer und von kaltem snê.
Mit slegen weckt man sîn gerüerde,
[9505]
sîn wâz mit
stanc, und sîn gehœrde
mit grôzem drôn, und sînen smac
mit bitterre
galle naht und tac.
Der tac schînt ze Helle niht,
wan dâ muoz dem
gesiht [9510]
diu vinster werden und diu naht:
dâ hât niht wan unvreude kraft.
Hie sint entslâfen unser sin,
aver swelch man
kumt dar in,
dem werdnt erweckt unsæleclîchen [9515]
die
vümf sinne sicherlîchen.
Entslâfen ist unser geruorde
an linden dingen
diu man ruorde,
unser gehœrde an süezem dône,
unser gesiht an wîbes
schône, [9520]
an sanftem wâze unser wâz;
den
gesmac ich niht verlâz,
der ist entslâfen gar an suoz.
Ein ieglîch sin
haben muoz
der in weck nâch sînem rehte; [9525]
wan
als ich sprach, si sint knehte
der vrowen Imaginâtiô,
der Memôrje und
der Râtiô.
Den dienent si hie niht ze wol,
wan
slâfent dienet niemen wol. [9530]
Vil ofte wirt der herren reht
versûmet durch
die bœsen kneht.
Alsam den vier kreften geschiht,
wan si habent ir reht
niht
durch die bœsen vümf sinne [9535]
die sich versûment durch
gewinne.
Aver daz ist billîch unde reht
daz der herre slahe den kneht,
swenner sich versûmt ze hart
an sîner træclîcher vart.
[9540]
Alsam sol tuon vrou Râtiô
mit samt Imaginâtiô;
si
suln zühtigen die sinne,
daz si niht toben nâch gewinne.
Si sint
verschoben mit dem guot, [9545]
dâ von siht niht unser muot.
Die
vümf sinne sint verschoben sô
daz bêde Imaginâtiô
und ouch Râtiô sint
verirret,
daz ist daz der hûsvrouwen wirret. [9550]
Ich mein die sêl, die küneginne
des lîbs, sît si die râtgebinne,
die vier krefte verlorn hât,
des
muoz bœser sîn ir rât.
Si mag ez aver verliesen niht, [9555]
ez
ensî daz ez geschiht
von ir willn und von ir schulde,
wan Râtiô wider ir
hulde
niht in der werlde tuon getar.
Wan diu sêl diu hât vil
gar [9560]
an den vier kreften gewalt;
si vrumt dermit vil
manicvalt
ræte, beidiu übel unde guot.
Der lîp nâch dem gedanke tuot
swaz er getuot, reht und unreht: [9565]
jâ tuot dicke übel der
kneht,
swenn imz der herre verbiutet niht.
Alsam umbe den lîp geschiht:
verbüte ez im diu sêle wol,
er lieze des er niht tuon sol.
[9570]
Ez ist wâr daz ich schrîbe,
daz wîbes unde mannes lîbe
sint zem valle bereitet gar.
Sô solde mit
der tugende schar
diu sêle vaste strîten wider [9575]
und
læt sich ouch ziehen nider.
Des muoz si enkelten wol,
wan si læt daz si
tuon sol.
Im lîbe solden haben meisterschaft
diu sêle
und die vier kraft [9580]
die si ze râtgebinne hât,
und
volget doch des lîbes rât,
wan der lîp und die vümf sinne
ziehent die
sêle nâch gewinne.
Die vümf sinne hânt meisterschaft, [9585]
die
vier krefte sint âne kraft.
Seht wie geêrt die râtgebinne
sint mit samt
ir küneginne!
Niemen sol des nemen wunder
daz diu sêl muoz
haben kumber: [9590]
sît si volgt des lîbes rât,
von
reht si ouch den kumber hât,
wan si solt mit
widerstrît
betwingen den lîp zaller zît.
[7.7] Umbe die sêle ist zaller
vrist [9595]
als umbe einen künec ist.
Vil rehte der künec rihten sol,
so ist
beriht sîn lant wol.
Rihtet er niht wol in sînem lant,
sîn lantliut
tuont unreht zehant. [9600]
Læt er sich an die trâkeit,
sîn
lantliut schiuhent arbeit.
Daz selbe umb die sêle ist:
ist si træge
deheine vrist
und daz si niht berihtet wol [9605]
ir
lîp, als si in rihten sol,
sô tuot der lîp von ir schulde
dicke wider
Gotes hulde.
Dâ von sol niemen sprechen “Waz
tuot diu sêle,
daz ir daz [9610]
ze schaden kumt daz der lîp ist
træge und bœse zaller vrist?”
Wan der künec enkelten sol
des,
daz sîn liut niht lebent wol.
Sîn liute koment niht sô hin,
[9615]
sine haben ouch ir nâchgewin.
Daz selbe ouch der sêle geschiht
diu
ir lîp hât niht wol beriht:
si koment bêde an arbeit;
wan dô der lîp was
bereit [9620]
ze bœsen dingn und zungeschiht,
dô
wert ez im diu sêle niht.
Der künec der muoz ez wirser hân
danne die im
sint undertân:
er gêt an bœsen werken
vor [9625]
und kumt ê hin ze der Helle tor.
Alsam umb die sêle geschiht:
der lîp der enlîdet niht
unz an den
suontac ander nôt,
sît er ist zeinem mâle tôt. [9630]
Wan
swaz im imme grabe geschiht,
dâ weiz er umbe nihtes niht.
Diu sêl diu
ims verhenget hât
vert zungnâden alsô drât.
Swenn aver der suontac komen
sol, [9635]
sô wirt ensamt brâht wol,
als ez
nu ist, sêle unde lîp.
Sô muoz man unde wîp,
swer sich ze hart versûmet
hât,
ze Helle, des mac niht werden rât: [9640]
sêle
und lîp dar varen muoz,
ist er beliben âne buoz.
Ein wîse man sprichet ez sî
sleht
ze verstên, daz ez ist reht
daz der sêle mit dem lîbe
sol [9645]
geschehen übel ode wol,
wan si bêd
vor langer stunde
tâten ensamt reht ode sunde.
Ez sol niht dunken wunderlîche
daz der verworht sol êweclîche [9650]
verlorn sîn, wan sîn will
benam im niht, ern hete vil
dannoch gesündt, wær niht sîn tôt:
dâ
von hât er êweclîche nôt.
Daz sol ouch niht dunken seltsân
[9655]
daz ze Helle
ein ieglîch man
der drin kumt niht vurwerde,
wan
unser herre, der gar die werlde
und swaz drinne ist geschaffen hât,
den
verworhten er die unkraft lât [9660]
daz si müezen sterbent
leben,
daz ist in zunsælde gegeben.
Lîht daz ein man sprechen mac
“Du hâst mir
hiute disen tac
geseit von vil tiefen dingen,
[9665]
von vier kreften, von vümf sinnen,
von einlef künstn: wie möht
ich gar
wizzen die? Ich engetar
noch enwil komen in
ir lêre:
ich wil mir hin vür immer mêre [9670]
mit
gemache samfte leben:”
dem wil ich antwürte geben.
Vriunt, ich wil dîner trâkeit
kürzen ein lange arbeit:
wil du wîse sîn kurzlîche, [9675]
sô
habe geloubn und werc gelîche
wol mit stæte nâch ir reht,
sô ist dir der
wec sleht
der dich bringet hin zem sinne
und zaller hande vreude
gewinne. [9680]
Du maht den glouben lîhte hân,
wil
du wol gedenken an
Got und an sîne kraft
und wie grôze meisterschaft
er hât erzeigt in dirre werlde [9685]
beidiu oben und ûf der
erde.
Nu lâ ez ander und gedenke an
einen
man dern lîp hât harte kleinen
und hât
doch grôze meisterschaft.
Got der hât im gegeben kraft [9690]
daz er
alliu dinc hât
undermacht mit sînem rât.
Nu lâze wir sîn sinne belîben,
von den ich möhte vil geschrîben,
und merke waz man unde wîp
[9695]
wunders hânt in ir lîp
von âdern unde von gebeine.
Du solt wizzen
daz niender eine
âder ist überec; der lîp ist
harte wol geworht mit
list. [9700]
Daz diu sêl dar inne bestât
und
doch ander natûre hât,
daz ist ein grôziu meisterschaft
die dar geleit
hât Gotes kraft.
Sît er an uns daz hât getân, [9705]
sone sol dehein
werltlîch man
des wunder hân, ob er an sich
behalten hât vil wunderlîch
wunder unde vil seltsân.
Swer aver niht verstên kan [9710]
daz
man seit von sîner Gotheit
und ouch von der menscheit,
der geloube mit
einvalt
diu Gotes wunder manicvalt
unde kumt gewislîchen
[9715]
zallen sinnen volleclîchen.
[7.8] Waz wunders und waz
meisterschaft,
welhe kunst und welhe kraft
diu sêle im lîbe müge hân,
daz hân ich iu ûf getân. [9720]
Ich hân
ouch daz derzuo geseit,
daz sterke, snelle und pendekeit,
die drîe sint
des lîbes kraft
hât an den drin niht meisterschaft
diu sêle mit der
bescheidenheit, [9725]
si bringent dicke grôziu leit.
Wizzet daz diu sêle rihten sol
ouch diu sehs dinc wol
von den ich iu
ê hân geseit:
si solz tuon mit bescheidenheit. [9730]
Beidiu man unde wîp
hânt vümf dinc in ir lîp
und vümfiu
ûzem lîp; vür wâr,
diu muoz diu sêle rihten gar,
ode si bringent grôze
untugent [9735]
beidiu an alter und an jugent.
Diu
vümf man imme lîbe treit:
sterk, snelle, glust, schœne, behendekeit.
Ûzem lîbe hânt vümf kraft:
adel, maht, rîchtuom, name,
hêrschaft. [9740]
Swer diu zehen niht
rihten kan
mit sinne, der sol niht heizen man.
Swer sterke, snelle und
pendekeit,
glust, schœne, mit bescheidenheit
niht zieren und niht rihten
wil, [9745]
si bringent im untugende vil.
Swer
rîchtuom, adel, maht, namen, hêrschaft,
niht enriht mit sinnes kraft,
der ist ungeslahter vil
dan ein vihe, swerz verstên wil.
[9750]
Hât ein man ân sin grôzez guot,
der gwinnet dâ von übermuot:
des entuot ein vihe niht.
Würde ein ros tumber iht,
swer dem rosse wær sô holt [9755]
daz er im macht einn zoum
von golt?
Ez würde niht tumber, daz ist wâr,
swerz mit golde bedahte
gar.
Mache einn tœrschen man rîche,
er wirt im selben
ungelîche: [9760]
er wænt zehant ein keiser wesen:
mit im kan niemen genesen.
Lobe einen hunt swie vil du wil,
daz er
vâhe hasen vil,
er wirt dâ von tump niht. [9765]
Ob
aver dir daz geschiht
daz du lobest einn tœrschen man,
der sich niht
verstên kan,
der wirt dan sô nœtlîch
daz er wænet niemen hân
gelîch. [9770]
Der hase hât grôze snelheit,
sô
wizzet vür die wârheit
daz der olbent starc ist
und ist doch senfte
zaller vrist.
Ist aver snel ein tœrsche man [9775]
und
starc der niht verstên kan,
der versuocht sich zaller zît,
unz er ze
jungest under lît.
Der bedarf dinges vil
der sich ân durft versuochen
wil. [9780]
Diu tûbe ein schœner vogel ist
und
ist doch senfte zaller vrist.
Hât ein man ode ein wîp
vlætigen und
schœnen lîp,
die vallent zehant an
übermuot, [9785]
des ein vihe niht entuot.
Dâ von
hân ich iu geseit,
swer niht mit bescheidenheit
diu zehen dinc berihten
kan,
ist baz ein vihe dan ein man: [9790]
er ist wirs danne ein rint
vil,
swerz nâch reht verstên wil.
Ein vihe sîn untugende hât,
sone
wil der tôr niht haben rât
ern habe aller vihe untugent [9795]
beidiu
an alter und an jugent.
Swer sîn maht niht riht mit sinne,
der hât dâ
von solhe gewinne
daz er dem wolve gelîch ist
an gewalte zaller
vrist. [9800]
Swer sîn gelust niht rihten wil,
der volget dem vihe gar ze vil,
dem esel an der trâkeit,
dem swîne
an unreinekeit.
Er ist an leckerheit ein hunt, [9805]
an
zorn ein marder zaller stunt.
Noch volget er dem vihe mêre
mit
untugenden harte sêre.
Swer niht wil haben mannes sin,
der sol von rehte
hân den gwin [9810]
daz er verre bœser ist
danne ein
vihe zaller vrist,
wan ein vihe mac haben wol
âne sin daz ez haben sol.
Swer ist ân bescheidenheit, [9815]
diu zehen dinc tuont im
leit
von den ich iu geseit hân.
Si sulen sîn
undertân
der bescheidenheite wol.
Ein ieglîch man rihten sol
[9820]
mit sinne und mit bescheidenheit
diu zehen dinc, als ich hân geseit.
Nu merke wie grôze meisterschaft
müeze haben der sêle kraft,
wan
beidiu man unde wîp [9825]
müezen inne und ûzem lîp
diu zehen
dinc rihten wol,
ob in niht misselingen sol.
Vümf ûzen und vümf innen,
daz kumt von grôzen sinnen: [9830]
daz
einleft wil ich niht verlân,
ich het sîn niht wol war getân,
wan ez ist
ûzen unde inne:
man sol ez ouch rihten mit sinne.
Daz ist diu rede, wan
diu ist [9835]
ein wîl inne, zeiner andern vrist
ist si ûzen: swer si niht enkan
rihten, ist ein unsælec man.
Riht
mans niht innerthalben wol,
si vert ûz anders dan si sol.
[9840]
Si wirvet ûzen bœse gewinne,
sin werde mit sinne beriht dainne.
Dâ
von hân ich iu geseit
daz man sin und bescheidenheit
niene wend ze bœsen
dingen. [9845]
Vome sinne sol uns wol gelingen:
swaz wir haben, daz ist enwiht,
wirt ez mit sinne berihtet niht.
Daz sibende teil
ist nu vür,
dem ahtoden trite ich
an die tür. [9850]