Der Welsche Gast - X

by Thomasin von Zerklaere

ed. HEINRICH RÜCKERT 
(Quedlinburg/Leipzig 1852)

 machine-readable text by Minoru Shigeto (Tokyo, 1997)
conversion from TUESTEP format by Uta Recker (Tübingen, 1999)
corrections and HTML rendering by Steven M. Wight (Los Angeles, 1999)
Prosa Prolog -
Teil 1 - Teil 2 - Teil 3 - Teil 4 - Teil 5 -
Teil 6 - Teil 7 - Teil 8 - Teil 9 - Teil 10: [10.1] [10.2] [10.3] [10.4] [10.5] [10.6] [10.7] [10.8]




[10.1]    Trût veder, du solt dich niht lân   [13565]
betrâgen, wan ez ist getân
vil schiere, swaz ich schrîben wil.
Daz reht hât mich gemant vil
daz ich nâch im schrîbe von der tugent
diu an alter und an jugent   [13570]
nâch reht behaltn und geben kan:
die hât ein ieglîch milte man.
Milte heizt diu selbe tugent
und ist ein gezierde der jugent
unde ist des alters krône.   [13575]
Si macht die andern tugende schône
unde lieht: daz ist wâr,
si ist der tugende spiegel gar.
Daz reht diu milte ane wint:
diu milte ist gar des rehtes kint.   [13580]
Daz reht von sînr natûre kan
vüegen daz ein ieglîch man
habe daz er haben sol:
diu milt gît ouch nâch rehte wol.
Merket, daz reht von reht zaller vrist   [13585]
gît eim ieglîchen daz sîn ist,
sô wizzet daz diu milte gît
nâch reht niht von reht zaller zît.
    Man mac von rehte gern wol
daz man im gelten sol,   [13590]
ez sî kleine ode grôz.
Einer ist dem andern wol genôz
dar an, daz man im gelte gar
swaz man von im nimt, daz ist wâr. 
Diu milte machts niht alle genôz:   [13595]
dem gît si kleine und disem grôz,
eim ieglîchn nâch sîner werdekeit,
daz ist der milte gewonheit.
    Wizzet, daz man von rehte gît,
daz muoz man geben zaller zît;   [13600]
man welle danne tuon unreht.
Sô ist daz gegeben nâch reht
daz man gît von miltem muot
und daz niht von schulden tuot.
Diu milte gît ze deheiner vrist   [13605]
niwan daz in ir habe ist.
Daz reht gît zetlîcher zît
daz niht in sîner habe lît:
hât ein man mit unreht iht,
daz reht sol im daz lâzen niht   [13610]
und sol ez geben denne
dem derz von rehte het etwenne
ode derz von rehte haben sol,
daz geschiht reht unde wol.
    Daz reht nimt unde gît,   [13615]
sô wizzet daz diu milte lît
an der gâbe mit ir willen gar:
sî nimt niht, daz ist wâr.
Diu milte gît von rîchem muot
kleine unde grôzez guot,   [13620]
daz reht gît an dem geriht
swaz man mit reht mac haben niht.
    Daz reht gît lieb unde leit,
sô wizzet vür die wârheit
daz diu milt gît zaller vrist   [13625]
daz einem manne lieb ist. 
Daz reht wil daz man gelten sol,
diu milt wil daz man gebe wol.
Daz reht wil niht zunrehte hân,
so ist diu milte sô getân   [13630]
daz si daz ir gerne gît
und vrœlîchen zaller zît.
    Diu milte gît mêr dan daz reht.
Ez ist ouch ze verstên sleht
daz daz reht gît etewaz   [13635]
und daz diu milte nien gît daz,
wan daz reht ouch urteil gît:
diu milte gît guot zaller zît.
    Wær niht daz reht und daz geriht,
ein man wær bî dem andern niht,   [13640]
wan einer dem andern unreht tæte.
Sô wær ir vriuntschaft ouch unstæte,
und enwær diu milte niht.
Dâ von verstêt daz ez geschiht
von dem rehte zaller vrist   [13645]
daz ein man bî dem andern ist
und von der milte geschehen sol
daz einer sî bî dem andern wol.
Swie uns daz reht betwungen hât
daz einer den andern bî im lât,   [13650]
sô wær wir doch mit grôzem haz,
wær diu milt niht, wizzet daz.
Swaz daz reht tuon sol,
daz zieret dan diu milte wol,
wan diu milt vert nâch dem reht.   [13655]
Nu hân ichz iu gemachet sleht
wâ von ich nâch dem rehte wol
von der milte schrîben sol, 
wan si habent mit ein ander vil
ze tuon, swerz verstên wil.   [13660]
[10.2]   Ob manz vür guot haben sol,
sô sag ich iu gern unde wol
wâ von ich her ze jungest hân
der milte mâterge verlân:
dâ sol der besten tugende schîn   [13665]
hin nâch schînen, daz ist mîn
rât unde ouch mîn will.
Man sol erzeigen tugende vil
einem man, ê man im gebe iht,
und swenne dan daz geschiht   [13670]
daz er im gevellet wol
ode daz er von im scheiden sol,
sô sol man übergulden gar
mit der milte, daz ist wâr,
swaz tugende man erzeiget hât,   [13675]
deist mîn und der zühte rât.
    Die tugende die sint gar enwiht,
ziert mans mit der milte niht.
Sîn milt hât ouch niht milte kraft,
swer anders ist untugenthaft,   [13680]
wan als ich gesprochen hân,
die andern tugende suln gân
vor und diu milte sol
nâch gên, sô vert diu schar wol.
Daz ist ein reht, dâ von ich hân   [13685]
von der milte unz her verlân,
wan ich von ir nâch sagen sol,
sît si nâch gêt sô wol.
    Der juncvrouwen gesinde hât
reht daz ez ûz der kemenât   [13690]
vor der vrouwen treten sol.
Dâ von stêt ouch daz harte wol
daz man die milte hinder schouwe,
wan si ist der tugende vrouwe.
Diu milte ist wol vrouwe der tugent:   [13695]
swer si hât in sîner jugent,
der hât si vür die wârheit
in alter und in kintheit.
    Swer sich durch ruom twingt ze tugent,
si wert selten vür die jugent.   [13700]
Swer durch ruom gerne gît,
sin milte ist ûz zuo der zît
sô er zem alter komen ist,
wan im der ruom dâ gebrist.
Daz selbe swer ist durch gewin   [13705]
milte, der hât niht den sin
daz er milte müge sîn,
swennerz hât, deist dicke schîn.
Ob im sîn muot die milte bringet
und er durch ruom sich niht endwinget   [13710]
und ob er hât ouch den sin
daz er niht milte ist durch gewin,
sô wizzet daz er milte ist
alter und junger zaller vrist.
    Swem sîn milt von herzen gât,   [13715]
wizzet daz erz glîche hât
beidiu in alter und in jugent,
daz entuot dehein ander tugent.
Swelich man stæte ist,
er ist verre stæter zuo der vrist,   [13720]
swenn er zem alter ist bekomen.
Ich hân gelesen und vernomen 
daz man in sîner kintheit
hât selten volle stætekeit.
Swer mæzic ist in sîner jugent,   [13725]
der hât baz die selben tugent,
swenn er zem alter komen ist,
daz geschiht zaller vrist.
Swer aver milte hât in sîner jugent,
der hât ein sô getâne tugent   [13730]
daz er si niht mac haben baz,
swenner eraltet, wizzet daz:
wan er hât si, daz ist wâr,
er sî junc od alt, gar.
Swelch man in sîner alten zît   [13735]
von rehter milte gerne gît,
im wær ze behalten vil unmære
nâch unreht, ob er junc wære.
Dâ von daz milte gelîch ist
an aller heite zaller vrist,   [13740]
dâ von gevellet si mir baz
dan dehein tugent, wizzet daz.
    Swelich tugent zaller zît
ganz in einem herzen lît,
diu tugent ist volkomen gar   [13745]
an ir namen, daz ist wâr.
Swelch untugent zaller vrist
ganz und zuo nemende ist,
diu heizet ouch von reht untugent,
si schendet alter unde jugent:   [13750]
daz tuot wol diu girescheit
von der ich hân genuoc geseit.
    Dehein vrâz ist sô ungevuoc,
swenne man im gît genuoc, 
in enhunger deste min:   [13755]
sô sî wir des wol worden inn,
swenn man der gird vil guotes gît,
daz si ie mêr hungert zuo der zît.
Daz viuwer und der arge man
die gelîchent sich dar an,   [13760]
daz in bêden niht genüeget.
Daz viuwer brinnt, diu erge vüeget
wie si erviule daz guot.
Mir seit mîn herze und mîn muot,
daz viuwer und der arge man   [13765]
nimmer solden scheiden, wan
daz viuwer allez brennen solde
swaz erge samen und viulen wolde.
Diu erge samnet aller slaht;
ir kelte dwingt.  Des viuwers kraft   [13770]
verbrennet allez zaller vrist.
Diu milte sô getempert ist
daz ir kelte niht erviulen kan.
Ir schât ir hitze ouch niht dar an,
daz si daz ir verwerfe gar:   [13775]
si ist getempert wol ze wâr.
    Noch wil ich iu ein lützel sagen,
sîn ensol iuch niht betrâgen,
von der erge: wizzet daz
man verstêt aver baz   [13780]
der milte güete und werdekeit
bî der erge bôsheit.
Diu erge nimt zuo alle jâr,
des sult ir alle nemen war.
Ez ist nieman in sîner jugent   [13785]
sô bekumbert mit der untugent, 
ern gwinne mêr girescheit,
swenner kumt von kintheit.
    Von kalter natûre kumt diu erge;
dâ von erwehset ouch ir sterke,   [13790]
swenn der man eraltet ist,
wan er ist kelter zuo der vrist.
Daz alter grôze erge bringet:
der kelt natûre ist daz si dwinget.
Dâ von mac der arc sîn baz   [13795]
der kelter ist, wizzet daz.
Ist ein man stæte niht
in sîner jugent, ez geschiht
dick daz im in sîner alten zît
Got stætekeit gît.   [13800]
Daz selbe ist von der unmâze,
von der ich unkiusch niht enlâze:
der in sîner kintheit
hât unmâze und unkiuscheit,
der læzet vil dicke daz,   [13805]
swenner eraltet, und tuot baz.
Anders von der erge ist:
der muoz sîn arc zaller vrist
der in sîner jugent erge hât,
wan in diu erge niht verlât.   [13810]
Er muoz sîn gar ein bœsewiht,
diu erge kumt von im niht,
und sô er ie eraltet baz,
so er ie erger ist, wizzt daz.
Hie bî sult ir verstên wol   [13815]
daz man die erge haben sol
gar vür eine bœse untugent.
Swer si hât in sîner jugent, 
der ist des gewis wol
daz ers in alter haben sol.   [13820]
    Nu merket noch wâ von daz geschiht
daz man die gird mac lâzen niht
weder an alter noch an jugende
sô lîht sô ander untugende.
Diu girde diu hât einen site   [13825]
daz man wænt volkomen dermite:
mit den andern trout man niht volkomen.
Daz sult ir haben sô vernomen:
swie hôhvertic und swie unmæzic,
swie zornic, nîdic und unstætic   [13830]
iemen sî, man kan sich doch versinnen
daz man dermit niht mac gewinnen
daz man habe guotes gnuoc.
Der arge man ist sô ungevuoc
daz er wænt mit erge gewinnen   [13835]
genuoc und kan sich niht versinnen
daz im daz guot niht mac genüegen
daz im diu erge kan gevüegen.
Dâ von muoz er dar nâch immer streben
und volkomt niht bî sînem leben.   [13840]
Nu hœret wâ von dehein guot
niht gnüeget girigem muot.
Des mannes muot ist sô edel
daz er ist Gotes sedel.
Aver swes erge und girescheit   [13845]
und swes untugent und bôsheit
vertrîbet Got von sînem muot,
der mac gewinnen dehein guot
daz sô grôz sî noch sô edel
daz vüllen müge Gotes sedel.   [13850]
Swer mit guote wænet machen vol
daz dâ Got inne sitzen sol,
der wil mit einer bône gar
die werlt vüllen: wan deist wâr
daz diu werlt ist kleine und snœde   [13855]
wider Got, sô ist ouch œde
sîn sedel, swaz dar inne sî,
ern sî danne selbe derbî.
Swer girigen muot vüllen wil
mit guote, der müet sich gar ze vil   [13860]
und machet œde sînen muot:
sô ist im aver wirs nâch guot.
Sîn muot wære niht sô lære,
ob im Got næher wære,
den er vertrîbt mit girescheit.   [13865]
Ir wizzet vür die wârheit,
swer in ie vertrîbet,
sô sîn muot ie lærer blîbet,
und sô ie lærer ist der muot,
sô man ie harter strebet nâch guot.   [13870]
Wan swaz in der werlde ist
lære, daz ziuhet zaller vrist
und wil werden gerne vol.
Daz mac man merken harte wol,
swer hin zeinem vazze siht,   [13875]
daz der wîn vert niht geriht
ûz, ern sî anderswâ
offen: er vert springende dâ;
wan swaz wînes rinnet ûz dem vaz,
dâ muoz vür luft in, wizzet daz.   [13880]
Ein arger muot mac ziehen vil,
sît Got dar in niht komen wil,
daz er muoz doch belîben lære.
Ob aver Got dâ selbe wære,
sô wæren dâ alliu guot.   [13885]
Wê über wê dem argen muot!
Wan er gewinnet nimmer gnuoc,
und daz er des ie gewuoc
daz er sich wânde an girescheit
vüllen, daz mac im wesen leit,   [13890]
wan ern mac nimmer volkomen.
Nu muget ir wol haben vernomen
war umbe man girde kûme lât,
swenn man si rehte erwischet hât.
    Bî der erge bôsheit   [13895]
verstêt der milte werdekeit,
wan si ir widerwertec ist
an allen dingen zaller vrist.
Swaz diu erge behalten kan,
daz gît nâch reht der milte man.   [13900]
Swaz erge samnet bœslîchen,
daz teilet milte bescheidenlîchen.
Von der milte wirt ein man
vil wert, der nâch reht geben kan,
und von der erge unwert vil   [13905]
swer nâch reht niht geben wil.
Diu milte bejaget uns vriunde mêre
dan dehein tugent, wan ir lêre
machet ouch daz man übersiht,
hât ein man die tugende niht   [13910]
volleclîchen dier haben sol,
daz kan machen diu milte wol.
Sô bejaget uns Vînde vil
diu erge, swerz verstên wil.
Ist ein man anders tugenthaft,   [13915]
sîn tugende habent niht die kraft
daz man im spreche wol,
ern habe die milte als er sol.
   Merkt an der erge grôz bôsheit
und an der milt grôz werdekeit:   [13920]
niemen behalt sô gern daz guot,
im entuo wol in sînem muot,
sprichet man daz er gerne gît;
daz geschiht zaller zît. 
Dehein man sô arc ist,   [13925]
im entuo wol zaller vrist,
sprichet man daz er milte sî.
Dâ muget ir ouch wizzen bî
daz milte ein reine tugent ist:
man sol si minnen zaller vrist.   [13930]
    Dâ von daz milte ervüllt die tugent
und ouch gezierde ist der jugent,
dâ von hân ich ze jungest lân
daz ich von ir ze sprechen hân.
Si ist des wert harte wol   [13935]
daz ich besunder sagen sol
von ir; ich tuonz ouch vrœlîchen,
daz geloubet sicherlîchen.
[10.3]   Mich dunket ez sî gezeiget wol
wâ von man nâch dem rehte sol   [13940]
von der milte sagen von reht.
Ich hân ouch daz gemachet sleht
wâ von man ze jungest sol
von der milte sagen wol.
Hinne vür sol ich iu sagen mêr   [13945]
waz milte sî und ob der
der niht enhât müg milte sîn.
Dar nâch ist der wille mîn
daz ich sage wie man geben sol,
swer nâch reht wil geben wol.   [13950]
    Diu milte ist ein tugende guot
und hât ir wurze in rîchem muot.
Nu sage waz milte müge sîn?
Si ist des rîchen muotes schîn.
Daz geben heizet milte niht,   [13955]
doch wizzet daz ez geschiht 
von der milte, der gerne gît.
Die gâbe sint zaller zît
der milte zeichen valsch od wâr.
Gît man von miltem muote gar,   [13960]
die gâbe vür die wârheit
bezeichent milte und vrümkeit.
Gît man aver anders iht,
die gâbe sint wâriu zeichen niht
der milte, wan si valschlîchen   [13965]
die milte bezeichent.  Sicherlîchen,
sæhe ich verre in dem lande
ein gewæfn daz ich erkande,
ich wânde unde spræche sâ
daz der rîter wære dâ   [13970]
ze dem ich diu wâfen hiet gesehen,
und möht sîn doch anders geschehen:
wan der man der si hiete dâ,
der möht si haben anderswâ
verstoln ode sus genomen;   [13975]
ez ist ouch dicke alsô komen.
Dâ von wizzet daz diu gâbe ist
der milte zeichn niht zaller vrist,
wan swelich man durch ruom gît,
sîn ruom hât zuo der zît   [13980]
der milt zeichen verstoln gar,
daz geloubet wol vür wâr.
    Nu habt ir vernomen wol
daz gâbe milt niht heizen sol
und doch von der milte geschiht.   [13985]
Wâ von hât man vür milten niht
den der niht ze geben hât?
Daz machet unser tœrscher rât, 
wan wir erahten niwan daz
daz wir mugen gesehen baz.   [13990]
Man merket niht waz in dem muot
sî: durch girde man daz tuot
daz man merket daz, wie vil
man gebe, und niht merken wil
mit welhem muote man daz tuo:   [13995]
dâ solt man alrêst sehen zuo.
    Swen diu milte ist an geborn,
ist er arm, er hât verlorn
sîner brieve insigel gar.
Dâ von geschiht, daz ist wâr,   [14000]
daz man dem brieve geloubet niht
dâ manz insigel an niht siht.
Ob ich ein brief senden solde
und in niht versigeln wolde,
ez möhte wol alsô sîn   [14005]
daz man spræche er wær niht mîn.
Alsam dem milten manne geschiht
der dâ hât ze geben niht:
man wil im niht jehen,
swenn man die gâbe niht mac sehen,   [14010]
daz er sî ein milte man,
swie wol er halt geben kan.
    Schrîbet ein schrîbære iht,
swenner hât der tinten niht?
Er kan wol sîn kunst gar   [14015]
und schrîbet doch niht, daz ist wâr.
Alsam ist zetlîcher zît
der milte der doch niht engît.
Swie guot buochvel ein schrîber hât
und swie snellt sîn veder gât   [14020]
ûf dem buochvel hin und her,
der mac doch niht haben die lêr
daz er schrîbe ihtes iht,
ist in der veder tinten niht.
Ist eines mannes biutel lære,   [14025]
swie gerne er danne milte wære,
er mac her ûz geschütten niht,
swie lange im daz ze tuon geschiht.
    Swer hât die vrümkeit und den muot
daz er gæb, hiet er daz guot,   [14030]
der ist niht minner tugenthaft
danne der sîner milte kraft
mit gâbe hât gebreitet wît,
wan er hât daz er dâ gît.
Swer sîne triuwe lœsen sol,   [14035]
der hât si gelœset wol,
hât er den willen unde den muot,
ob erz halt niht entuot,
ob in nœtlîch dinc irret,
wizzt daz ez im niht enwirret.   [14040]
    Swaz diu sunne tuot, deist wâr,
ob den wolken, daz tuot gar
eines milten mannes muot
der niene hât grôzez guot.
Her abe muoz vil vinster sîn,   [14045]
swenn diu wolken der sunne schîn
undervâhent: daz ist wâr,
so ist dâ oben lieht gar.
Diu sunne erliuhtet zaller vrist
swaz oberhalbe der wolken ist:   [14050]
daz selbe diu milte tuot
in eins milten mannes muot. 
Si machet sîn herze lieht gar
und mac doch niht, daz ist wâr,
schînen ûz des mannes muot.   [14055]
Diu wolken diu sint armuot,
diu den schîn benement wol,
daz er niene schînt ûz als er sol.
[10.4]   Habt ir mich nâch rehte vernomen,
sô bin ich an die stat komen   [14060]
daz ich iu sol sagen wî
ein man milte sî.
Hie an müet mich und ist mir zorn
daz wir der milte namen hân verlorn
unde heizen milte daz   [14065]
daz man untugent hieze baz.
Wir heizen milte swer daz gît
daz er roubet zaller zît
und daz er nimt übelîchen.
Ir sult wizzen sicherlîchen   [14070]
daz diu girde machet daz,
daz wir niht underscheiden baz
waz sî milte ode niht.
Swer merket unde siht
daz ein man gît vil,   [14075]
ob er dan niht merken wil
von wanne ez komen ist,
der erkennt sîn milte niht zer vrist,
wan im hât diu girescheit
diu ougen der bescheidenheit   [14080]
ûz gestochen, daz ist wâr,
daz er nien mac ersehen gar
waz man an der milte ersehen sol.
Er kan daz ersehen wol 
waz man im gît zaller vrist:   [14085]
ern ruoht wâ ez genomen ist.
    Ez ist ein krût des enkan ich niht
genennen Tiusche, swenn daz geschiht
daz sîn ein schâf izzt, ez ist tôt,
und ist dem schâf doch harte nôt   [14090]
nâch dem selben krût: sîn suoz
machet daz ez sterben muoz.
Al daz selbe uns geschiht:
wir kunnen erkennen niht
daz an der gâb niht milte lît,   [14095]
swenn man uns vrömedez guot gît.
Der gâbe süeze machet daz,
daz wir lâzen âne haz
daz man mit unrehte wît
nimt daz man uns gît.   [14100]
Wir jehen er sî ein milte man,
der uns alsô geben kan.
Daz ist der girescheite site;
wir triegen in und uns dermite.
Ich mac sîn wol vür wâr gejehen,   [14105]
ein schâf weiz niht waz im geschehen
von dem kriutelîne sol:
ein man kan niht gedenken wol
daz der man niht milte ist
der daz nimt zaller vrist   [14110]
daz er durch ruom geben wil:
er hât vür milte untugende vil.
Hât der untugent der niht engît,
swer danne nimt zaller zît,
der hât aver untugende mêr:   [14115]
wie solt dan milte wesen der? 
Der milte materge sint arme liute:
die habe wir verkêret hiute
zer erge materge, wan wir nemen
selten, ob irz welt vernemen,   [14120]
niwan dem armn der niht enmac:
daz machet gar der widerslac.
    Diu milte und daz unreht ist
mit einander deheine vrist,
wan diu milte ist des rehtes kint.   [14125]
Dâ von ist der gar ein rint
der dâ mit volgt der milte rât
daz im daz unreht geben hât.
Ich mac sîn wol vür wâr gejehen,
diu milte mac niht ersehen   [14130]
daz mit unreht genomen ist:
ir wüllet dâ von zaller vrist.
Wie möht ein man daz geleben
daz er von milte möhte geben
daz er mit unreht hât genomen?   [14135]
Ich hân ez selten ie vernomen.
Ob ein man dâ von gerne gît
daz man im vertrage zeiner andern zît,
ob er mêre nemen wil,
an sîner gâb lît girde vil:   [14140]
wizzet vür die wârheit,
diu gâbe kumt von girescheit;
diu gâbe kumt von milte niht,
swem alsô ze geben geschiht.
    Mir ist unwert unde zorn   [14145]
daz der wænt daz im an geborn
diu milte sî, der niht enkan
verstên wer sî ein milter man. 
Der wænet milt sîn der dâ gît
durch üppekeit zaller zît.   [14150]
Swer mir alsô geben wil,
dem wil ich nimmer danken vil,
wan er hât ez vür die wârheit
gar gegeben der üppekeit.
Ich wil gerne den vrumen hân,   [14155]
aver diu durch die erz hât getân,
diu danke im des, ob si wil:
ich wils im nimmer danken vil.
Swer aver durch milte gît,
dem sol man danken zaller zît.   [14160]
    Ein ieglîch man sehen sol
wâ sîn gâbe sî gestatet wol.
Man sol sehen zaller zît
wer der sî dem man dâ gît,
daz man gebe zaller vrist   [14165]
dar nâch unde der man ist.
Jâ sol man geben dem rîchen
seltsæniu dinc sicherlîchen
und dem armen zaller vrist
daz im guot und nütze ist.   [14170]
Swer diu liut niht scheiden wil,
gît umbescheidenlîchen vil.
Swâ unbescheidenunge ist,
dâ ist diu milte niht zer vrist,
wan diu untugent lît   [14175]
verre von der tugent zaller zît.
    Swer bescheidenlîchen geben wil,
gebe niht ze lützel noch ze vil.
Der hât sîn gâb ze sîner hab
gemezzen der nâch rehte gab.   [14180]
Der roubt sich selben, daz ist wâr,
swer daz sîne vertuot gar.
Ich wæn erz mîne ungerne lât,
der sich selben beroubet hât.
Der gît nâch rehte zaller zît   [14185]
der nâch sîner habe gît.
Swelich man mêr geben wil,
der muoz zunrehte nemen vil;
er muoz swern unde liegen
unde rouben unde triegen.   [14190]
Swer zunreht iht hât genomen,
der ist dâ ûz der milte komen;
wan diu tugent schadet niht:
von untugent schade geschiht.
    Man sol einem geben sô   [14195]
daz von der gâb nien werde unvrô
der dem manz genomen hât,
daz ist der milte wille und rât.
Diu milte niemen schaden wil:
si gît ân leit vreude vil.   [14200]
Diu milte entuot niemen leit.
Diu milte ist gar ân girescheit:
swer giresch ist nâch dem guot,
der mac niht hân einn milten muot.
    Hie wil ich iuch wizzen lân   [14205]
daz ein herre und ein ander man
suln ir zerunge ungelîche
zir habe mezzen sicherlîche.
Wan ob ein rîter wil zem jâr
des jâres gelt zern gar,   [14210]
des enist niht ze vil.
Ob ez aver ein vürste tuon wil, 
daz gevellt mir niht ze wol,
wan ein ieglîch herre sol
etwaz zem jâre legen   [14215]
in sîn kamer. Des sol er phlegen
dâ von, daz er niemen tuo wê,
ob in ein urliuge ane gê
durchs landes vrumen unde êre.
Wan solder danne nemen mêre   [14220]
dem vriunde dan der vîent tuot,
der wær weder hüfsch noch guot.
Daz eine behaltent d' herren wol,
daz si ir kamer machent vol,
daz ander behaltents aver niht,   [14225]
wan ob si verzernt iht
durch des landes und ir êre,
si wellent daz man in gebe mêre
und bringent ir liute in grôzez leit,
daz si stiurn ir girescheit.   [14230]
Swie ichz den herren wîze sêre,
sô wil ichz doch den wîzen mêre
diez lobent: ez ist komen dar,
daz man lobt ir geverte gar.
Ist ein herre arc und âne prîs,   [14235]
sô spricht man “Herre, ir sît wîs,
daz ir iuwer guot behalten kunt.”
Sô ist sîn erge wîten kunt,
swenners selbe erkennet niht:
seht, wie in efft der bœsewiht.   [14240]
Ob er daz sîne gar vertuot,
man spricht “Ir habt einn milten muot.”
Mit sô getâner lurzheit
bringt mans in die goukelheit, 
daz si enkunnen sterben noch leben,   [14245]
weder behalten noch geben.
Maniger dunkt sich vil ahtbære
der wol wesse daz erz niht enwære,
seit man vor den herrn als hinder in.
Daz ist an in der meiste unsin   [14250]
daz si wænnt man sage gar
vor in als hinder in.  Zewâr,
daz bringet si in die stricke
daz die herren wænent dicke
daz diu tœrscheit milte sî   [14255]
und erge wîstuom, daz merket wî;
wan ich muoz die rede lân
und heven die dritten regel an.
[10.5]   Swer nâch rehte geben wil,
der sol sich sûmen niht ze vil.   [14260]
Swer sich ze lange biten lât,
wizzet daz er verkoufet hât
swaz er im danne gît.
Man koufet tiure zaller zît
daz man mit scham koufen sol,   [14265]
daz geloubet rehte wol.
Swelch man schiere geben wil,
der gît mit kleinen dingen vil,
wan er in der scham erlât
und der vorhte die man bitende hât.   [14270]
Der gît mit grôzen dingen kleine,
swer gît unde gît seine.
Swer lange den andern biten lât,
wizzt daz er lange den willen hât
daz er im niht geben wil:   [14275]
man sol im danken niht ze vil. 
Swelch man gît und gît drât,
wizzt daz er zwir gegeben hât.
Swen man mit vil bete dwingen sol
daz er gebe, geloubet wol   [14280]
daz er durch milte niht engît.
Swen man bitet zaller zît,
er senftet mit gâbe sîn leben
und hât durch milte niht gegeben:
wande liez man in genesen,   [14285]
er wolt ungebeten immer wesen.
Des tuot niht der milte man,
der nâch rehte geben kan,
wan er suochet wem er sol
unde waz er gebe wol.   [14290]
Swer mit zorn und leide gît,
dem danke ichs zuo deheiner zît.
Er hât durch milte gegeben niht,
swelhem manne daz geschiht.
Swer mit vreude geben wil,   [14295]
er gebe lützel ode vil,
wizzet daz er genuoc gît:
guot herze machet zaller zît
kleine gâbe genæme und guot,
sô machet ein swacher muot   [14300]
sô ungenæm die gâbe grôz
daz si der kleinn niht sint genôz.
Swelich man sô bœse ist
daz er suochet zaller vrist
werwort ze vüresagen   [14305]
unde phlît sîn nôt ze klagen
und wie vil er geben sol,
der verseit niht ze wol. 
Der ist der milte gar unnütze,
swer bœsert sîn antlütze,   [14310]
swenner gît: wizzet daz,
und gæbe er niht, er tæte baz.
Swer mit vorht gît daz er gît
und widerziehent zaller zît,
der ist voller zageheit   [14315]
und ist gelîch dem der verseit.
    Man sol sîn ougen und sîn munt
sô gehaben zuo der stunt,
swenn man gît, daz man sînen muot
sehe, daz manz gerne tuot.   [14320]
Wizzet daz der nâch rehte gît
der sô gît zaller zît
daz er gît mit dem guot
beidiu den willen und den muot.
Der ist wol ein bœsewiht   [14325]
der an den gelt gedenket iht,
swenner iht geben sol:
er mac nâch reht niht geben wol.
Ob er nâch reht niht geben kan,
so ist er niht ein milte man.   [14330]
Der ist ein koufman gar
der durch gewin gît, daz ist wâr.
    Swer durch milte geben wil
ahte ûf gelt niht ze vil.
Der milte reht ist daz si gît,   [14335]
diu girde nimt zaller zît.
Diu milte nimt, swenn si wil
gelten mêr od alsô vil.
Diu milte nimt, daz si gelte mêre,
und hât niht die bœsen lêre   [14340]
daz si gebe dâ si neme iht;
wizzet daz ir daz niht geschiht.
Diu milte gît zaller zît
und lât gar âne nît,
ob man ir giltet niht.   [14345]
Der ist gar ein bœsewiht
der sîn milte derumbe lât
daz man im niht vergolten hât.
Ein man mac niht zeigen baz
sîn girescheit, wizzet daz,   [14350]
dan klagent daz man im niht gît
und daz er gît zaller zît,
wan sô bringt er einn ieglîchen inne
daz er nien gît wan durch gewinne.
    Dehein milte man sol,   [14355]
daz getar ich râten wol,
sîne milte derumbe lân
daz im niht danke lîht der man
dem er vil gegeben hât,
daz ist gar der milte rât.   [14360]
Solt man niht ziehen sîn kint
und solt daz mer und den wint
versuochen niht durch zageheit,
wan si uns dicke tuont leit,
sô wære wir gerlîche zagen.   [14365]
Daz selbe wil ich iu sagen,
ist lîht ein bœs man undancnâm
des ich im hân getân,
dâ von solt ich mîn milte niht
lân, ich enwære ein bœsewiht.   [14370]
Daz gehœrt ze vrîem muot
daz man verliust und rehte tuot. 
Diu milte wære tugende niht,
ob daz geschehe daz niht geschiht,
daz si nimmer würde betrogen.   [14375]
Ir wirt harte dicke gelogen
und muoz doch gelouben wol,
swenne si iht geben sol.
Swer der milte volgen wil,
muoz sîner gâbe verliesen vil,   [14380]
daz er ze etlîcher zît
gebe dâ ez rehte lît.
Doch envliuset er nihtes niht,
derz nâch reht merkt unde siht.
An bœsem acker ungenâmen   [14385]
kan der milte sæn den sâmen
der vil wol birt in des muot
der gerne nâch der milte tuot.
Gib ich einem undancnâmen
manne, ich verlius niht mînen sâmen,   [14390]
wan diu gâb mir tugende gît:
dâ von sô gebe man zaller zît.
Daz ûzerhalbe des lîbes ist,
daz koufet uns zaller vrist
tugent in unserme muot,   [14395]
swer nâch rehte gît sîn guot.
Swelich man niht geben wil,
der hât der schulde alsô vil
sô der der âne danc ist,
swenn man im gît, zaller vrist,   [14400]
wan der arge, daz ist wâr,
machet den undancnæmen gar.
[10.6]   Ich wil iu sagen vür baz
und wil iu ûf tuon daz, 
wâ von zetlîcher vrist   [14405]
ein man undancnæme ist.
Swelich man geheizen wil
und sûmt sich lange unde vil,
daz er enem niht engît
und lât in hangen zaller zît   [14410]
amme gedinge, daz ist wâr,
er wirt undancnæme gar.
Daz gedinge ist niht ze suoze,
kumt diu geheiz mit trægem vuoze.
Man möht sich der gedinge ê   [14415]
ânen: ez tuot harte wê,
swer amme gedinge hangen sol,
daz geloubet rehte wol.
Man sûmet ouch vil sîner dinge,
swer hanget lange amme gedinge.   [14420]
Daz erahtet niht ein bœsewiht,
der dâ geheizet und gît niht,
und ob er gît, er gît ze spât.
Wizzet ir wer den muot hât?
Swelich man unedel ist,   [14425]
kumt er zetlîcher vrist
ze êren, wizzet daz erz tuot,
daz machet sîn unedel muot.
Er sprichet alle tage “morgen”,
wan er wil daz er mit sorgen   [14430]
koufe swaz er im gît,
und müet in alsô zaller zît:
wan im der selbe bœsewiht
wil umbe sus geben niht,
swenner im gedinge gît,   [14435]
und lât in warten zaller zît. 
Er machet mit dem selben list
daz er im dienet gar die vrist.
Er tuot ez ouch dâ von, daz er wil
daz man sehe daz er müge vil   [14440]
tuon swes in dunke guot:
des vreuwet sich sîn swacher muot.
Sumelîch hât ouch die site
daz erz tuot daz man in bite,
swenner phlît sô lange zît   [14445]
lân biten, daz er nien engît.
Etlîcher hât sô bœsen muot
daz erz ouch dar umbe tuot
daz er in erleiden wil
daz man in niene bite vil:   [14450]
wan geben ist ein solher smerze
der nimmer kumt ûz sînem herze.
Ich mac wol sagen daz vür wâr,
umbe swiu erz tuot, er machet gar
daz ein man zaller vrist   [14455]
sîner gâbe undancnæme ist.
Swer niene gît genzlîchen
daz er geheizet, sicherlîchen,
er teilet sîne wârheit
und mischet wâr mit trügenheit   [14460]
und machet undancnæme den
dem erz gehiez etewenn.
Swer verwîzet zaller zît
daz er gap od daz er gît,
der machet undancnæme gar   [14465]
die den er gap, daz ist wâr.
    Swenn ein man gegeben hât,
sô sol er danne alsô drât 
vergezzen daz er hât gegeben.
Swer aver nimt, sol gar sîn leben   [14470]
gedenken harte wol dar an
daz im der man liep hât getân.
Der sol swîgen der dâ gît:
swer nimt, der spreche zaller zît.
Der milt man sol gedenken niht   [14475]
daz er habe gegeben iht,
niwan swenn in der manen wil
dem er hât gegeben vil.
    Swelich man milte ist,
der sol sô geben zaller vrist   [14480]
daz in dunke, er neme daz,
sô mag er nimmer geben baz,
wan er mac niene verwîzen wol
sîn gâbe, swaz halt geschehen sol.
    Gît man eim milten manne iht,   [14485]
sô name ez sam er habe niht
gegeben, daz ist genzlîchen
der milte wille sicherlîchen:
gedenke niht “Ich gab im mêre”:
wan sô hiet er der milte êre   [14490]
an den kouf verkêret gar,
daz geloubet wol vür wâr.
Ein biderbe man sol hân vür guot
swaz man im gît mit guotem muot.
Swaz im sîn armer vriunt gît,   [14495]
daz habe vür vollen zaller zît.
Man sol dem danken vlîzeclîchen
umbe kleine gâbe sicherlîchen
dem man grœzlîchen geben hât,
daz ist gar der milte rât.   [14500]
Swer dâ von danket niht
daz er im mêr gap, daz geschiht
von bœsen andern: daz ist wâr,
er ist ein koufman gar.
Ein milt man sol versagen niht,   [14505]
wil im iemen geben iht,
wan swelich man mir lieb ist,
dem wil ich gern zetlîcher vrist
schuldic sîn, daz ich im mêre
gelte, deist der milte lêre.   [14510]
Gît mir mîn vîent iht,
von dem nim ich sô gerne niht,
wan ich dem ungerne sol
geben dem ich niht getrouwe wol.
Gæbe mir iht ein bœse man,   [14515]
ich næme ez vil ungerne, wan
ich wolt niht wesen sîn schol:
wizzt daz ez tuot niender wol,
swelich man dem schuldec ist
dem er ungern sol zaller vrist.   [14520]
Swer aver sînem vriunde iht sol,
ez tuot im in sîm herzen wol,
wan er im ouch gerne gît
âne schulde zaller zît.
Swelich man biderbe ist,   [14525]
der sol sîn zaller vrist
unser vriunt die wîle er lebe
an den dingen, daz man im gebe.
    Man sol dem gerne schuldic sîn
dem man wil geben, daz ist mîn   [14530]
wille und der milte rât.
Man sol gerne nemen und drât 
von dem dem man wil gelten mêre,
daz ist gar der milte lêre.
Sît mir mîn vriunt getrouwet wol,   [14535]
sô wizzet daz ich niht ensol
versagen ine behalt sîn guot.
Daz er mir gît ist in mîner huot
die wîle ichz im sol gelten gar
und mêre dar zuo, daz ist wâr.   [14540]
Hie wil ich geben eine lêre,
man sol gâhen niht ze sêre
ze gelten daz man hât genomen,
wan sô ist man ûz der schulde komen.
Swer zehant giltet zaller vrist   [14545]
wizzt daz er ungerne schuldec ist.
Swer nimt und zehant wider gît,
der wænet koufen zuo der zît.
Swer gît und nimt alsô drât,
wizzet daz er verkoufet hât.   [14550]
Man sol einz und daz ander vil
schiuhen, swer rehte tuon wil.
    Ein milte man sol haben den muot
daz er volge dem acker guot,
der niht zehant gelten sol   [14555]
und gilt ze sînen zîten wol.
Daz selbe sol ein biderbe man
tuon, der nâch rehte geben kan.
Er sol wol warten der zît,
wenne er gelte und wenner gît.   [14560]
Swelich man milte ist,
der wart der stat und der vrist,
wâ ode wenne er gelten sol
und geben, daz gevellt mir wol. 
    Hât er niht ze gelten guot,   [14565]
sô gebe doch sînen rîchen muot.
Hât er niht ze gelten mêre,
als der acker, sô habe die lêre
und die tugent und den sin
daz er gelt vrœlîchen min.   [14570]
Sumelîche hânt den site,
swenn si niht enhânt wâ mite
si gelten, daz si schiuhent den
der in dâ gap etewenn.
Daz kumt von grôzer zageheit,   [14575]
daz wizzet vür die wârheit.
Ich merke harte wol dâ bî,
sine wizzen niht waz milte sî;
wan diu milte enbitet in niht:
swerz tuot der ist ein bœsewiht.   [14580]
Swer mir erzeigt willigen muot,
ich nim ez vür ein grôzez guot.
Ob si daz selbe tæten iht,
si dorften sich sô pergen niht.
[10.7]   Noch wil ich iu sagen mêre:   [14585]
der macht undancnæme sêre
einn man, der im gît offenlîchen
daz er solde geben tougenlîchen.
    Hie sult ir wizzen daz man sol
sumelîche gâbe geben wol   [14590]
vor den liuten offenlîchen 
und sumelîche tougenlîchen.
Man sol offenlîchen geben
swaz êret eines mannes leben.
Man sol geben sicherlîchen   [14595]
rîterlîche gâbe offenlîchen.
Swaz dem der dâ nimt bringet êr,
daz sol offenlîchen der
geben der dâ geben sol,
daz ist getân rehte wol.   [14600]
Hüfschiu dinc, vederspil,
pirshunde, swer diu geben wil,
der solz offen, swennerz gît,
wan ez ze vreude hœret zaller zît.
Swaz dâ hilft der armuot,   [14605]
phenninge od sô getân guot,
daz sol man tougenlîchen geben:
ez êret niht, ez hilft dem leben.
    Man sol geben deheine vrist
daz einem manne laster ist   [14610]
ode daz im müge schade sîn.
Swer gît dem trunken manne wîn
unde dem derz vieber hât
wazzer und dem kinde den grât
und dem tobenden daz swert,   [14615]
er hât si alle übel gewert.
Der hât in allen mêr genomen
dan gegeben, hât manz reht vernomen.
    Swer mit milte ziert sîn leben,
der sol niht überege gâbe geben:   [14620]
swer wîben wâfen geben wolde,
der gæbe anders danner solde.
Man sol die gâbe gerne geben
die lange wern unde leben,
wan diu vriuntschaft sol lange zît   [14625]
wern die man drumbe gît.
[10.8]   Ein buoch sol lange wern,
dâ von wil ich dâ mit wern 
die der vriuntschaft ich wil hân
vil gerne, wil mir si Got lân.   [14630]
Swer ist ode wirt tugenthaft,
dem gibe ich ze vriuntschaft
mîn buoch, daz er dermite
stiure sîn schœne site.
Er sol ouch mit guoter tât   [14635]
bezzern swaz er hât
an mînem buoche gelesen,
des sol er ermant wesen.
Swer nien hât zuht und schœne site,
der sol niht umbe varn dermite.   [14640]
Dehein lêre hât die kraft
daz si mache tugenthaft
den an dem tugent niht enist.
Man mac daz wazzer slahen zaller vrist,
daz ez doch enviuwert niht,   [14645]
wan im daz viur ze hân niht geschiht.
Swie kalt ein stein ist,
man gewinnet doch mit list
viuwer drûz, wan ez ist drinn.
Ist in einem manne sin,   [14650]
swie træge er sî an guoten dingen,
man mag in doch mit lêre bringen
ze tugende unde vrümkeit.
Daz wizzet vür die wârheit,
der zunder enzündt daz viuwer wol:   [14655]
niemen doch des wænen sol
daz er daz viuwer künne machen.
Alsam macht diu lêre wachen
den sin und kans doch machen niht.
Dâ von ist lêre den tôrn enwiht.   [14660]
Swer dem tôren lêre gît,
tuot im unreht zuo der zît,
wan im bestêt der lêre niht.
Swers birget vor dem wîsen iht,
der tuot im unreht zuo der vrist,   [14665]
wan er nimt im daz sîn ist.
Dehein man sol sîner vriundinne
weder durch lôsheit noch durch minne,
weder sînem herrn noch sîner vrouwen
noch sînem vriunde geben ze schouwen   [14670]
von mir dise rede mîn,
an im ensî tugende schîn.
Man möht von mir mîn buoch geben
dem der alsô phlegt ze leben
daz ichs im niht gunde wol,   [14675]
wan ich sîn niemen gunnen sol
unde wilz ouch niemen geben
wan dem der mit guotem leben
und mit guoter getât
ervüllet daz er gelesen hât.   [14680]
    Mîn buoch heizt der Welhisch gast,
wan ich bin an der Tiusche gast
und kom nie sô verre drin
als ich alzan komen bin.
Nu var hin, Welhischer gast,   [14685]
und hüet durch mînen willen vast
daz du komest ze herberge niht
zuo deheinem bœsewiht,
und ob du im komest zuo,
son sitze niht, wan du tuo   [14690]
daz du schiere komest dan,
wan dich sol ein biderbe man 
müezeclîchen an gesehen:
sitze ûf sîn schôz, daz hab ze lêhen.
Vrume rîtr und guote vrouwen   [14695]
und wîse phaffen suln dich schouwen.
Ob dich begrîft ein bœsewiht,
sô habe des dehein angest niht
daz er dich lange getürre sehen.
Ich mac des harte wol gejehen   [14700]
daz er an dir siht daz im tuot
vil wundernwê in sînem muot.
Sô wirfet er dich in ein schrîn,
dâ solt du ligen, buoch mîn,
unz du dem kumest ze hant   [14705]
dem du wirst lîht baz erkant
und der dich dicke überlist
und dich wol handelt zaller vrist.
    Nu wis gemant, Welhischer gast,
swenn du begrîfst einn edelen ast,   [14710]
sô lâ dich niht einn bœsen dorn
ziehen dervon.  Ez ist verlorn
swaz man dem wolf gesagen mac
pâter noster durch den tac,
wan er spricht doch anders niht   [14715]
niwan lamp.  Alsam geschiht
dem bœsen man; swaz man im seit,
daz vert vür die wârheit
zeim ôren ûz, zem andern in.
Wie möhte dâ belîben sin   [14720]
dâ man dar nâch gedenket niht?
Wizzet daz ein bœsewiht
mac sîne gedanke niht twingen
ze guot von unnützen dingen. 
Wizzet daz man niht vüllen mac   [14725]
einen durchstochen sac
die wîl er niht verschoben ist.
Alsam geschiht zaller vrist
dem der sich durchstochen hât
mit bœsem gedanc, mit valschem rât,   [14730]
mit übelen werken und mit sunde.
Dâ enmac ze deheiner stunde
in sîm willn und sînem muot
belîben dehein rede guot,
ez enwelle unser herre Got   [14735]
verschieben mit sînem gebot
diu löcher dâ ez ûz gât:
sîn mac niht anders werden rât.
Dâ von solt du, mîn buoch, belîben
bî dem der dich geruochet schrîben   [14740]
in sînem herzn und sînem muot.
Swer ist sô ganz und sô guot
und sô mit stæte ensamt gewallen
daz du ûz im niht maht gevallen,
den soltu bezzern mit dîner lêr.   [14745]
Sô sol dich bezzern ouch er,
wan der vrum man sol tuon baz
dan du lêrest, wizze daz.
Hie wil ich dir ende geben.
Got gebe daz wir ân ende leben  [14750]
durch die drî heiligen namen,
vater, sun, heiliger geist.  Âmen.

[colophon]
Der geschriben hat das buoch
himelicher vater den geruoch
durh dem hailige Gothait
schaiden von aller uppichait.  Amen