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B  I  B  L  I  O  T  H  E  C  A    A  U  G  U  S  T  A  N  A

 

 

 

 
Georg Heym
Umbra vitae



 






 




U m b r a  v i t a e

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Georg Heym lernt Hildegard Krohn
im Sommer 1911 kennen.
Als Jüdin wird sie zu Beginn des
2. Weltkriegs von den Nationalsozialisten
deportiert und wahrscheinlich 1942
in einem Konzentrationslager ermordet.




An Hildegard K.

Deine Wimpern, die langen,
Deiner Augen dunkele Wasser,
Laß mich tauchen darein,
Laß mich zur Tiefe gehn.

5
Steigt der Bergmann zum Schacht
Und schwankt seine trübe Lampe
Über der Erze Tor,
Hoch an der Schattenwand,

Sieh, ich steige hinab,
10
In deinem Schoß zu vergessen,
Fern, was von oben dröhnt,
Helle und Qual und Tag.

An den Feldern verwächst,
Wo der Wind steht, trunken vom Korn,
15
Hoher Dorn, hoch und krank
Gegen das Himmelsblau.

Gib mir die Hand,
Wir wollen einander verwachsen,
Einem Wind Beute,
20
Einsamer Vögel Flug,

Hören im Sommer
Die Orgel der matten Gewitter,
Baden in Herbsteslicht,
Am Ufer des blauen Tags.

25
Manchmal wollen wir stehn
Am Rand des dunkelen Brunnens,
Tief in die Stille zu sehn,
Unsere Liebe zu suchen.

Oder wir treten hinaus
30
Vom Schatten der goldenen Wälder,
Groß in ein Abendrot,
Das dir berührt sanft die Stirn.

Göttliche Trauer,
Schweige der ewigen Liebe.
35
Hebe den Krug herauf,
Trinke den Schlaf.

Einmal am Ende zu stehen,
Wo Meer in gelblichen Flecken
Leise schwimmt schon herein
40
Zu der September Bucht.

Oben zu ruhn
Im Hause der durstigen Blumen,
Über die Felsen hinab
Singt und zittert der Wind.

45
Doch von der Pappel,
Die ragt im Ewigen Blauen,
Fällt schon ein braunes Blatt,
Ruht auf dem Nacken dir aus.


Hora Mortis

Gebannt in die Trauer der endlosen Horizonte,
Wo nur ein Baum sich wand unter Schmerz,
Sanken wir, Bergleuten gleich, in das Schweigen der Grube
Unserer Qual. Und von Leere schwoll uns das Herz.

5
Trüb wie die Winde, im Schierling, bei Büschen und Weiden
Haben wir unsere Hände im Dunkel gesenkt,
Und dann gingen wir lässig, und freuten uns unserer Leiden,
Arme Spiegel, darin sich ein düsterer Abend fängt.

Nachtwandlern gleich, gejagt vom Entsetzen der Träume,
10
Die seufzend sich stoßen im Dunkel mit bleicher Hand,
Also schwankten wir in des Herbstes verschwindende Räume,
Der wie ein Riese sich hob in die Nacht und versank.

Aber im Wolkenland, im Finstern, sahn wir die Schatten
Schwarzer Reiher und hörten den traurigen Flug,
15
Und wir schwanden dahin in Schwermut und bittrem Ermatten,
Blutleere Seele, die Lethe durch Höhlen voll Kummer trug.


Die Tauben II

Doch nachts im Schatten ihrer hohen Träume
Wie unter großer Eichen kühlem Dach
Klingt um sie laut das Dunkel hundertfach
Und Sterne fahren singend durch die Räume

5
Vom Hauche Gottes durch das All getrieben
Mit goldnen Federn in die Nacht gespreizt,
Kometen, die mit trübem Schrei zerstieben,
Der traurig ihre schlaffen Ohren beizt.

Sie horchen auf des Waldes Ruhe unten
10
Wie in den Wurzeln blau der Schlummer schwillt
Und auf der Erde schweres Atmen drunten,
Das langsam ihre großen Höhlen füllt.

Und wieder klingt's in ihren Frieden leise,
Wenn das verborgne Silber wachsend schwärt,
15
Und das Geräusch der Sonne auf der Reise,
Die unten über weite Meere fährt.

Auf einmal hören sie die Stürme wehen
Und laute Glocke läuten durch die Nacht.
Sie möchten gern dem Schall entgegengehen,
20
Erhört, entfesselt, in das Licht gebracht.

Doch plötzlich bricht es ab. Und nur ein Zittern
Ist rund im Raum, das sie im Ohre nagt,
[Wie tief in seinem Sarge] im Verwittern
Ein Toter weint und seine Trauer klagt.

25
Ein Lächeln kraut sie dann, daß sie noch leben,
Des Schlummers Sabber hängt sich an ihr Kinn
Und jemand kommt mit Fingern leicht, die schweben
Auf ihrem Rettichkopf wie Fliegen hin.


Die Nacht

Alle Flammen starben in Nacht auf den Stufen.
Alle Kränze verwehten. Und unten im Blute verloren
Seufzte das Grauen. Wie hinter Gestorbener Toren
Manchmal es fern noch hallt von dunkelen Rufen.

5
Eine Fackel noch oben bog aus den Gängen,
Lief im Chor. Und versank wie das Haar der Dämonen
Rot und rauchend. Doch draußen der Waldung Kronen
Wuchsen im Sturm und zerrten sich in die Länge.

Und in Wolken hoch kamen mit wilden Gesängen
10
Weiß die Greise der Stürme, und riesige Vögel scheuchten
Über den Himmel hinab, wie Schiffe mit feuchten
Segeln, die schwer auf den Wogen hängen.

Aber die Blitze zerrissen mit wilden und roten
Augen die Nacht, die Öde der Säle zu hellen,
15
Und in den Spiegeln standen mit Köpfen, den grellen,
Drohend herauf mit schwarzen Händen die Toten.

Bleibe bei mir. Daß unsere Herzen nicht stocken
Wenn die Türen sich auftun ins Finstere leise
Und in der Stille es steht. - Und sein Atem von Eise
20
Unsere Adern verdorrt und die Seelen macht trocken

Daß sie dünn wie ein Hauch aus der Tiefe sich lösen,
Flattern hinaus in die Nacht und sinken und fallen
Dürr wie die Blätter, die traurig am Boden wallen
Schlürfend ins Leere dahin, im Winde dem bösen.

25
Wenn der Donner Gelächter im Dunkel verhallen.


Träumerei in Hellblau

Alle [Landschaften] haben
Sich mit Blau gefüllt.
Alle Büsche und Bäume des Stromes,
Der weit in den Norden schwillt.

5
Blaue Länder der Wolken,
Weiße Segel dicht,
Die Gestade des Himmels in Fernen
Zergehen in Wind und Licht.

Wenn die Abende sinken
10
Und wir schlafen ein,
Gehen die Träume, die schönen,
Mit leichten Füßen herein.

Zymbeln lassen sie klingen
In den Händen licht.
15
Manche flüstern, und halten
Kerzen vor ihr Gesicht.


Die Seefahrer

Die Stirnen der Länder, rot und edel wie Kronen
Sahen wir schwinden dahin im versinkenden Tag
Und die rauschenden Kränze der Wälder thronen
Unter des Feuers dröhnendem Flügelschlag.

5
Die zerflackenden Bäume mit Trauer zu schwärzen,
Brauste ein Sturm. Sie verbrannten, wie Blut,
Untergehend, schon fern. Wie über sterbenden Herzen
Einmal noch hebt sich der Liebe verlodernde Glut.

Aber wir trieben dahin, hinaus in den Abend der Meere,
10
Unsere Hände brannten wie Kerzen an.
Und wir sahen die Adern darin, und das schwere
Blut vor der Sonne, das dumpf in den Fingern zerrann.

Nacht begann. Einer weinte im Dunkel. Wir schwammen
Trostlos mit schrägem Segel ins Weite hinaus.
15
Aber wir standen am Borde im Schweigen beisammen
In das Finstre zu starren. Und das Licht ging uns aus.

Eine Wolke nur stand in den Weiten noch lange,
Ehe die Nacht begann, in dem ewigen Raum
Purpurn schwebend im All, wie mit schönem Gesange
20
Über den klingenden Gründen der Seele ein Traum.


Der Krieg

Aufgestanden ist er, welcher lange schlief,
Aufgestanden unten aus Gewölben tief.
In der Dämmrung steht er, groß und unerkannt,
Und den Mond zerdrückt er in der schwarzen Hand.

5
In den Abendlärm der Städte fällt es weit,
Frost und Schatten einer fremden Dunkelheit,
Und der Märkte runder Wirbel stockt zu Eis.
Es wird still. Sie sehn sich um. Und keiner weiß.

In den Gassen faßt es ihre Schulter leicht.
10
Eine Frage. Keine Antwort. Ein Gesicht erbleicht.
In der Ferne wimmert ein Geläute dünn
Und die Bärte zittern um ihr spitzes Kinn.

Auf den Bergen hebt er schon zu tanzen an
Und er schreit: Ihr Krieger alle, auf und an.
15
Und es schallet, wenn das schwarze Haupt er schwenkt,
Drum von tausend Schädeln laute Kette hängt.

Einem Turm gleich tritt er aus die letzte Glut,
Wo der Tag flieht, sind die Ströme schon voll Blut.
Zahllos sind die Leichen schon im Schilf gestreckt,
20
Von des Todes starken Vögeln weiß bedeckt.

Über runder Mauern blauem Flammenschwall
Steht er, über schwarzer Gassen Waffenschall.
Über Toren, wo die Wächter liegen quer,
Über Brücken, die von Bergen Toter schwer.

25
In die Nacht er jagt das Feuer querfeldein
Einen roten Hund mit wilder Mäuler Schrein.
Aus dem Dunkel springt der Nächte schwarze Welt,
Von Vulkanen furchtbar ist ihr Rand erhellt.

Und mit tausend roten Zipfelmützen weit
30
Sind die finstren Ebnen flackend überstreut,
Und was unten auf den Straßen wimmelt hin und her,
Fegt er in die Feuerhaufen, daß die Flamme brenne mehr.

Und die Flammen fressen brennend Wald um Wald,
Gelbe Fledermäuse zackig in das Laub gekrallt.
35
Seine Stange haut er wie ein Köhlerknecht
In die Bäume, daß das Feuer brause recht.

Eine große Stadt versank in gelbem Rauch,
Warf sich lautlos in des Abgrunds Bauch.
Aber riesig über glühnden Trümmern steht
40
Der in wilde Himmel dreimal seine Fackel dreht,

Über sturmzerfetzter Wolken Widerschein,
In des toten Dunkels kalten Wüstenein,
Daß er mit dem Brande weit die Nacht verdorr,
Pech und Feuer träufet unten auf Gomorrh.


Die Stadt der Qual

      EroV oV en kthmasin pipteiV.

Ich bin in Wüsten eine große Stadt
Hinter der Nacht und toten Meeren weit.
In meinen Gassen herrscht stets wilder Zank
Geraufter Bärte. Ewig Dunkelheit

5
Hängt über mir wie eines Tieres Haut.
Ein roter Turm nur flackert in den Raum.
Ein Feuer braust und wirft den Schein von Blut
Wie einen Keil auf schwarzer Köpfe Schaum.

Der Geißeln Hyder bäumt in hoher Faust.
10
In jedem Dunkel werden Schwerter bloß.
Und auf den Toten finstrer Winkel hockt
Ein Volk von bleichen Narren, kettenlos.

Der Hunger warf Gerippe auf mich hin.
Der Brunnen Röhren waren alle leer;
15
Mit langen Zungen hingen sie darin,
Blutig und rauh. Doch kam kein Tropfen mehr.

Und gelbe Seuchen blies ich über mich.
Die Leichenzüge gingen auf mir her,
Ameisen gleich mit einem kleinen Sarg,
20
Und winzige Pfeiferleute bliesen quer.

Altäre wurden prächtig mir gebaut
Und sanken nachts in wildem Loderschein.
Im Dunkel war der Mord. Und lag das Blut
Rostfarbner Mantel auf der Treppen Stein.

25
Asche war auf der Völker Haupt gestreut,
Zerfetzt verflog ihr hären Kleid wie Rauch.
So saßen sie wie kleine Kinder nachts
In tauber Angst auf meinem großen Bauch.

Ich bin der Leib voll ausgehöhlter Qual.
30
In meinen Achseln rotes Feuer hängt.
Ich bäume mich, und schreie manchmal laut,
In schwarzer Himmel Grabe ausgerenkt.


Fröhlichkeit

Es rauscht und saust von großen Karussellen
Wie Sonnen flammend in den Nachmittagen.
Und tausend Leute sehen mit Behagen,
Wie sich Kamele drehn und Rosse schnelle,

5
Die weißen Schwäne und die Elefanzen,
Und einer hebt vor Freude schon das Bein
Und grunzt im schwarzen Bauche wie ein Schwein,
Und alle Tiere fangen an zu tanzen.

Doch nebenan, im Himmelslicht, dem hellen,
10
Gehen die Maurer rund, wie Läuse klein,
Hoch ums Gerüst, ein feuriger Verein,
Und schlagen Takt mit ihren Mauerkellen.


Die neuen Häuser

Im grünen Himmel, der manchmal knallt
Vor Frost im rostigen Westen,
Wo noch ein Baum mit den Ästen
Schreit in den Abend, stehen sie plötzlich, frierend und kalt,
5
Wie Pilze gewachsen, und strecken in ihren Gebresten
Ihre schwarzen und dünnen Dachsparren himmelan,
Klappernd in ihrer Mauern schäbigem Kleid
Wie ein armes Volk, das vor Kälte schreit.
Und die Diebe schleichen über die Treppen hinan,
10
Springen oben über die Böden mit schlenkerndem Bein,
Und manchmal flackert heraus ihr Laternenschein.


Der Winter

Der Sturm heult immer laut in den Kaminen
Und jede Nacht ist blutig-rot und dunkel.
Die Häuser recken sich mit leeren Mienen.

Nun wohnen wir in rings umbauter Enge,
5
Im kargen Licht und Dunkel unserer Gruben,
Wie Seiler zerrend grauer Stunden Länge.

Die Tage zwängen sich in niedre Stuben,
Wo heisres Feuer krächzt in großen Öfen.
Wir stehen an den ausgefrornen Scheiben
10
Und starren schräge nach den leeren Höfen.


Halber Schlaf

Die Finsternis raschelt wie ein Gewand,
Die Bäume torkeln am Himmelsrand.

Rette dich in das Herz der Nacht,
Grabe dich schnell in das Dunkele ein,
5
Wie in Waben. Mache dich klein,
Steige aus deinem Bette.

Etwas will über die Brücken,
Er scharret mit Hufen krumm,
Die Sterne erschraken so weiß.

10
Und der Mond wie ein Greis
Watschelt oben herum
Mit dem höckrigen Rücken.


Simson

In leeren Sälen, die so weit
Wie leerer Atem, im Abende tot
Stehet er breit mit dem Feierkleid
Und der türmenden Mütze rot.

5
Die Mauern flohen von ihm hinweg,
Die krummen Säulen irrten in Nacht hinaus.
Er ist allein in dem riesigen Haus.
Und niemand ist da, der ihn hält.

Alle sind fort. Und ein Mäusegeschrei
10
Ist oben rund in der Luft.
Und über die Stiege herum
Huscht es wie Hunde vorbei.


Die Nacht III

Jetzt schlafen viele, wie in weißen Särgen,
Und in den Wänden sieht man Betten stehen,
Darin sich schaukelnd große Köpfe drehen.

Doch manche müssen einsam weit noch gehen
5
Um sich in dunkle Nächte zu verbergen
Wo schwer im Himmel sich die Wolken winden.

Sie hören oft ein großes Wagenrollen
Und schattenhafte Pferde schnell verschwinden
In Straßen fort und Mauern dunkelvollen.

10
Und manchmal sehen sie in hohen Stürmen
Den grauen Mond in Falten und verquollen
Und Nachtgevögel [singet in den Türmen.]

Im Irrsal suchen sie den Weg in Fernen
Und tasten mit den Händen rund, den blinden,
15
Und hinter ihnen kichern die Laternen,
Die schnell in trübe Nacht hinab entschwinden.

Doch in der Dächer Sturz und Häuser Engen,
In leerer Giebel ausgebrannten Sparren,
Sind viele Tote, die im Kühlen hängen
20
Und mit dem Fuß das Morgengrauen scharren.


Der Garten der Irren

Am roten Teiche stehen viele Schatten
Bei dünner Bäume schwächlichem Gesichte,
In Stille fort. Nur selten daß sich einer
Herunter zu dem trüben Wasser bücket.

5
Und manche gehn in den entleerten Hecken
In kühlen Gängen, die schon voller Lichte,
Und schleifen mit den Füßen in dem Laube,
Und sitzen wieder sanft in den Verstecken.

Der Strom ist weit hinab im blanken Scheine
10
Bei Erlen und den krumm gebornen Weiden
Und wer mit leichtem Kahn ihn überbrücket,
Er wird im Licht die gelben Blumen pflücken.


Die Menschen stehen vorwärts in den Straßen . . .

Die Menschen stehen vorwärts in den Straßen
Und sehen auf die großen Himmelszeichen,
Wo die Kometen mit den Feuernasen
Um die gezackten Türme drohend schleichen.

5
Und alle Dächer sind voll Sternedeuter,
Die in den Himmel stecken große Röhren.
Und Zaubrer, wachsend aus den Bodenlöchern,
In Dunkel schräg, die einen Stern beschwören.

Krankheit und Mißwachs durch die Tore kriechen
10
In schwarzen Tüchern. Und die Betten tragen
Das Wälzen und das Jammern vieler Siechen,
Und welche rennen mit den Totenschragen.

Selbstmörder gehen nachts in großen Horden,
Die suchen vor sich ihr verlornes Wesen,
15
Gebückt in Süd und West, und Ost und Norden,
Den Staub zerfegend mit den Armen-Besen.

Sie sind wie Staub, der hält noch eine Weile,
Die Haare fallen schon auf ihren Wegen,
Sie springen, daß sie sterben, nun in Eile,
20
Und sind mit totem Haupt im Feld gelegen.

Noch manchmal zappelnd. Und der Felder Tiere
Stehn um sie blind, und stoßen mit dem Horne
In ihren Bauch. Sie strecken alle viere
Begraben unter Salbei und dem Dorne.

25
[Das Jahr ist tot und leer von seinen Winden,
Das wie ein Mantel hängt voll Wassertriefen,
Und ewig Wetter, die sich klagend winden
Aus Tiefen wolkig wieder zu den Tiefen.]

Die Meere aber stocken. In den Wogen
30
Die Schiffe hängen modernd und verdrossen,
Zerstreut, und keine Strömung wird gezogen
Und aller Himmel Höfe sind verschlossen.

Die Bäume wechseln nicht die Zeiten
Und bleiben ewig tot in ihrem Ende
35
Und über die verfallnen Wege spreiten
Sie hölzern ihre langen Finger-Hände.

Wer stirbt, der setzt sich auf, sich zu erheben,
Und eben hat er noch ein Wort gesprochen.
Auf einmal ist er fort. Wo ist sein Leben?
40
Und seine Augen sind wie Glas zerbrochen.

Schatten sind viele. Trübe und verborgen.
Und Träume, die an stummen Türen schleifen,
Und der erwacht, bedrückt von andern Morgen,
Muß schweren Schlaf von grauen Lidern streifen.


Allerseelen

Geht ein Tag ferne aus, kommt ein Abend.
Brennt ein Stern in der Höhe zur Nacht.
Wehet das Gras. Und die Wege alle
Werden in Dämmrung zusammengebracht.

5
Viele sind über die Steige gegangen.
Ihre Schatten sind ferne zu sehn,
Und sie tragen an schwankenden Stangen
Ihre Fackeln, die wandern und wehn.

Mauern sind viele, und Gräber, und wenige Bäume.
10
Manche Tore darin, wo der Lorbeer trauert.
Viele sitzen in Haufen über den Kreuzen,
Ihre Lichter behütend, wenn der Regen schauert.

Und ein Rot steckt im Walde, dürr wie ein Finger,
Wo der Abend hänget in wolkiger Zeit
15
Mit dem wenigen Licht. Und geringer
Rings ist das Nahe, und die Weite so weit.

Doch ewig ist der Wind, der nimmer schweiget
In dunklem Lande, herbstlich schon erbraunet,
Der dunkle Bilder viel vorüber zeiget
20
Und dunkle Worte flüchtig trübe raunet.
 
 
 
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