Georg Heym
1887 - 1912
Umbra vitae
posthum 1912
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Verfluchung der Städte V
Ihr seid verflucht. Doch eure Süße blühtWie eines herben Kusses dunkle Frucht,Wenn Abend warm um eure Türme sprüht,Und weit hinab der langen Gassen Flucht.
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5 | Dann zittern alle Glocken allzumalIn ihrem Dach, wie Sonnenblumen welk.Und weit wie Kreuze wächst in goldner QualDer hohen Galgen düsteres Gebälk.
Die Toten schaukeln zu den Glockenklängen |
10 | Im Wind, der ihre schwarzen Leichen schwenkt,Wie Fledermäuse, die im Baume hängen,Die Toten, die der Abend übersengt.
Und wie ein Meer von Flammen ragt die StadtWo noch der West wie rotes Eisen glänzt, |
15 | In den die Sonne, wie ein Stierhaupt glatt,Die Hörner streckt, [die dunkles] Blut bekränzt.
Georg Heym: Mein Fenster, Tagebuchzeichnung 1910
Die blinden Frauen
Die Blinden gehn mit ihren Wärterinnen,Schwarze Kolosse, Moloche aus Ton,Die Sklaven vorwärts ziehn. Und sie beginnenEin Blindenlied mit lang gezogenem Ton.
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5 | Sie ziehn wie Chöre auf mit starkem Schritte,Im Eisenhimmel, der sie kalt umspannt.Der Wind türmt auf der großen Schädel MitteIhr graues Haar wie einen Aschenbrand.
Sie tasten sich an ihrem großen Stabe |
10 | Die lange Straße auf zu ihrem Kamm.Auf ihrer ungeheuren Stirnen GrabeBrennt eines dunklen Gottes Pentagramm.
Der Abend hängt wie eine FeuertonneAm Horizont auf einem Pappelbaum. |
15 | Der Blinden Arme stechen in die SonneWie Kreuze schwarz am frohen Himmelssaum.
Das infernalische Abendmahl
IIhr, denen ward das Blut vor Trauer bleich,Ihr, die der Sturm der Qualen stets durchrast,Ihr, deren Stirn der Lasten weites Reich,Ihr, deren Auge Kummer schon verglast,
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5 | Ihr, denen auf der jungen Schläfe brenntWie Aussatz schon das große Totenmal,Tretet heran, empfangt das SakramentVerfluchter Hostien in dem Haus der Qual.
Besteigt die Brücke auf dem schwarzen Fluß, |
10 | Darüber wallet der Verfluchten Schar.Und dunkel grüßt euch groß der Portikus,Durch den in Dämmrung glänzt der Hochaltar,
Den tausend Kerzen schmücken, die von BlutUnd Fett der Ungebornen sind gedreht. |
15 | Wo Knochen hängen, und der rote SudTeuflischen Weihrauchs euch entgegenweht.
Wo Priester in der höllischen SoutaneIn Reihen knien, zu hellem Meßgeläut,Wo von den Kanzeln Fahne über Fahne |
20 | Wie rote Höllenflamme euch bedräut.
Ein nackter Abt bläht vor dem GötterbildDen feisten Bauch, da er die Messe singt.Er greift den Kelch, mit rotem Blut gefüllt,Den hoch er auf das Haupt der Menge schwingt.
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25 | «Trinket mein Blut.» Er trinkt den Becher leer,Der in sein Herz wie rote Lava quillt.Sein Gaumen leuchtet wie ein rotes Meer,Der von dem Glanz des Götterblutes schwillt.
Auf euren Schläfen, wo der Horst der Qual, |
30 | Die schwarze Bastion der Hölle droht,Springt eine Flamme auf, die spitz und schmalWie der Skorpione schwarze Zunge loht.
Nachtschwarze Wolken drängen in den DomVoll Sturm und Blitzen durch das große Tor. |
35 | Ein Wetter tost. Im schwarzen RegenstromVersinkt der Orgel Ton im fernen Chor.
Die Gräber springen auf. Der Toten HandStreckt weiß und kalt die Knochenfinger aus.Sie winken euch aus ihrem dunklen Land. |
40 | Und ihr Geschrei erfüllt das Riesenhaus.
Die Fliesen brechen auf. Und Lethe braustTief unten über einen Wasserfall.Der Abgrund schwindelt Meilen tief und saustVoll ungeheurer Stürme weitem Hall.
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45 | Die Höllensöhne fahren ihn herabMit schwarzem Takelwerk durch den Typhon.Sie schauen singend in das weite GrabVom Totenkopfe ihrer Schiffs-Galion.
IIHoch wo das Dunkel seine Schatten türmtDurch Ewigkeiten fern vom Grund der Qual,Hoch oben, wo im Dom der Regen stürmt,Erscheint des Gottes Haupt, wie Morgen fahl.
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5 | Die weiten Kirchen füllt der Sphären TraumVoll Schweigen, das wie leise Harfen klingt,Da, wie der Mond vom großen Himmelsraum,Des Gottes weißes Haupt heruntersinkt.
Tretet heran. Sein Mund ist süß wie Frucht, |
10 | Sein Blut ist, wie der Wein, langsam und schwer.Auf seiner Lippen dunkelroter BuchtWiegt blaue Glut von fernem Sommermeer.
Tretet heran. Wie Flaum von Faltern zart,Wie eines jungen Sternes goldne Nacht, |
15 | Zittert sein Mund, in seinem goldnen Bart,Wie Chrysolith in einem tiefen Schacht.
Tretet heran. Wie einer Schlange HautSo kühl ist er, weich wie ein Purpurkleid,Wie Abendrot so sanft, das übergraut |
20 | Brennender Liebe wildes Herzeleid.
Der Gram gefallner Engel ruht, ein Traum,Auf seiner Stirn, der Qualen weißem Thron,Wie Schläfer traurig, denen floh zum SaumDes blassen Morgens ihre Vision.
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25 | Tiefer als tausend leere Himmel tiefIst seine Schwermut, wie die Hölle schön,Wo in den roten Abgrund sich verliefEin bleicher Sonnenstrahl aus Mittagshöhn.
Sein Leid ist wie ein Leuchter in der Nacht, |
30 | Schauet die Flamme, die sein Haupt umloht,Und doppelhörnig in der düstren PrachtAus seinem Lockenwald ins Dunkel droht.
Sein Leid ist wie ein Teppich, drauf die SchriftDer Kabbalisten brennt durch Dunkelheit, |
35 | Ein Eiland, dem vorbei ein Segler schifft,Wenn in den Bergen fern das Einhorn schreit.
Sein Leib trägt eines Schattenwaldes Duft,Wo großer Sümpfe Trauervögel ziehn,Ein König, der durch seiner Ahnen Gruft |
40 | Nachdenklich geht in weißem Hermelin.
Tretet heran, entflammt von seinem Gram.Trinkt seinen Atem, der so kühl wie Eis,Der über tausend Paradiese kam,Voll Duft, der jeden Kummer weiß.
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45 | Er lächelt, seht. Und eurer Seele BildWird wie ein Weiher, der im Schilfe schweigt,Wo leis des Hirtengottes Flöte schwillt,Der durch die Lorbeerschlucht heruntersteigt.
Schlaft ein. Die Nacht, die schwarz im Dome hängt, |
50 | Verlöscht die Lampen an dem Hochaltar.Der große Adler seines Schweigens senktAuf eure Stirn sein dunkles Schwingenpaar.
Schlaft, schlaft. Des Gottes dunkler Mund, er streiftEuch herbstlich kühl, wie kalter Gräber Wind, |
55 | Darauf des falschen Kusses Blume reift,Wie Mehltau giftig, gelb wie Hyazinth.
Luna (I)
Den blutrot dort der Horizont gebiert,Der aus der Hölle großen Schlünden steigt,Sein Purpurhaupt mit Wolken schwarz verziert,Wie um der Götter Stirn Akanthus schweigt,
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5 | Er setzt den großen goldnen Fuß voranUnd spannt die breite Brust wie ein Athlet,Und wie ein Partherfürst zieht er bergan,Der Schläfe goldenes Gelock umweht.
Hoch über Sardes und der schwarzen Nacht, |
10 | Auf Silbertürmen und der Zinnen Meer,Wo mit Posaunen schon der Wächter wacht,Der ruft vom Pontos bald den Morgen her.
Zu seinem Fuße schlummert Asia weit,Ein blauer Schatten, unterm Ararat |
15 | Des Schneehaupt schimmert durch die Einsamkeit,Bis wo Arabia in das weiche Bad
Der Meere mit den weißen Füßen steigt,Und fern im Süden, wie ein großer Schwan,Sein Haupt der Sirius auf die Wasser neigt |
20 | [Und singend schwimmt hinab den Ozean.]
Mit großen Brücken, blau wie blanker Stahl,Mit Mauern weiß wie Marmor ruhet ausDie große Ninive im schwarzen Tal,Nur wenig Fackeln werfen noch hinaus
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25 | Ihr Licht, wie Speere weit, wo dunkel braustDer Euphrat, der sein Haupt in Wüsten taucht.Die Große ruht, um ihre Stirne saustEin Schwarm von Träumen, die vom Wein noch raucht.
Hoch auf der Kuppel, auf dem dunklen Strom |
30 | Belauscht allein der bösen Sterne BahnIn weißem Faltenkleid ein Astronom,Der neigt sein Szepter dem [Aldebaran],
Der mit dem Monde kämpft um weißern Glanz,Wo ewig strahlt die Nacht, und ferne stehn |
35 | Am Wüstenrand, im blauen Lichte ganzEinsame Brunnen, und im Winde wehn
Ölwälder fern um leere Tempel lind,Ein See von Silber, und in schmaler SchluchtUralter Berge tief im Grunde rinnt |
40 | Ein Wasser sanft um dunkler Ulmen Bucht.
Der Frühling V
Er stirbt am Waldrand. Mit verhaltnem LautKlagt schon sein Schatten an des Hades Tor.Der Kranz von Lattich, den sein Haupt verlor,Fiel unter Disteln und das Schierlingskraut.
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5 | Den Pfeil im Hals, verschüttet er sein Blut,Das schwarze Faunsblut in den grünen GrundDer abendlichen Halde aus dem MundDrauf schon der Tod, ein schwarzer Falter, ruht.
Der Himmel Thrakiens glänzt im Abend grün, |
10 | Ein Silberleuchter seinem Sterbeschrei,Auf fernen Bergen, wo die Eichen glühn.
Tief unter ihm verblaßt die weite Bai,Darüber hoch die weißen Wolken ziehn,Und fern ein Purpursegel schwimmt vorbei.
Die Irren
IPapierne Kronen zieren sie. Sie tragenHolzstöcke aufrecht auf den spitzen Knien.Und ihre langen, weißen Hemden schlagenUm ihren Bauch wie Königshermelin.
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5 | Ein Volk von Christussen, das leise schwebtWie große Schmetterlinge durch die Gänge,Und das wie große Lilien rankt und klebtUm ihres Käfigs schmerzliches Gestänge.
Der Abend tritt herein mit roten Sohlen, |
10 | Zwei Lichtern gleich entbrennt sein goldner Bart.In dunklen Winkeln hocken sie verstohlenWie Kinder einst, in Dämmerung geschart.
Er leuchtet tief hinein in alle Ecken,Aus allen Zellen grüßt ihn Lachen froh, |
15 | Wenn sie die roten, feisten Zungen bleckenHinauf zu ihm aus ihres Lagers Stroh.
Dann kriechen sie wie Mäuse eng zusammenUnd schlafen unter leisem Singen ein.Des fernen Abendrotes rote Flammen |
20 | Verglühen sanft auf ihrer Schläfen Pein.
Auf ihrem Schlummer kreist der blaue Mond,Der langsam durch die stillen Säle fliegt.Ihr Mund ist schmal, darauf ein Lächeln thront,Das sich, wie Lotos weiß, im Schatten wiegt.
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25 | Bis leise Stimmen tief im Dunkel singenVor ihrer Herzen Purpur-Baldachin,Und aus dem Äthermeer auf roten SchwingenTräume, wie Sonnen groß, ihr Blut durchziehn.
IIDer Tod zeigt seine weiße LeichenhautVor ihrer Kerkerfenster Arsenal.Das schwarze Dunkel schleicht in trübem LautGeborstner Flöten durch der Nächte Qual.
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5 | Und weiße Hände strecken sich und klingenAus langen Ärmeln in der Säle Tor.Um ihre Häupter wehen schwarze Schwingen,Rauchende Fackeln wie ein Trauerflor.
Bebändert stürzt ein Mar durch ihre Betten, |
10 | Der ihre Köpfe schlagend, sie erschreckt.Wie gelbe Schlangen auf verrufnen Stätten,So wiegt ihr fahles Haupt, von Nacht bedeckt.
Ein Schrei. Ein Paukenschall. Ein wildes Brüllen,Des Echo dumpf in dunkler Nacht verlischt. |
15 | Gespenster sitzen um sie her und knüllenDen Hals wie Stroh. Ihr weißer Atem zischt.
Ihr Haar wird bleich, und feucht vor kaltem Grauen.Sie fühlen Hammerschlag in ihrer Stirn,Und große Nägel spitz in Geierklauen, |
20 | Die langsam treiben tief in ihr Gehirn.
Die Somnambulen
Schon braust die Mitternacht. Mit langem HaarIn weiße Tücher feierlich gehülltZieht schwankend auf der Somnambulen Schar,Wie Rauch so weiß, der weit den Himmel füllt.
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5 | Aus allen Dächern steigen sie herauf,Irrlichtern gleich auf einem schwarzen Sumpf.Sie tanzen auf der Wetterfahnen Knauf,Mit irren Lächelns fröhlichem Triumph.
Sie schlagen Zimbeln in der leichten Hand |
10 | Und irren singend in der grünen Luft.Vor ihren Brüsten zittert ihr Gewand,Die wild den Mond berauschen, süß, voll Duft.
Sie kitzeln ihn mit ihren zarten HändenUnd zwicken leicht ihn in das gelbe Ohr. |
15 | Sie wiegen sich in ihren magern LendenIm Tanzschritt hin, ein weißer Trauerchor.
Sie fliegen durch die Nacht wie Wolken leiseHoch über spitzer Berge blauem GratHinauf zu ihm auf ihrer leichten Reise |
20 | Zu einem Wiegenlied an Abgrunds Pfad.
Der Mond umfängt sie sanft mit Spinnenarm.Ihr Haupt wird von dem Kusse weiß gemalt.Sie ruhn an ihres Bräutigams Herzen warm,Der tief durch ihre dünne Rippe strahlt.
Die Irren
Variation
Ein Königreich. Provinzen roter Wiesen.Ein Wärter, eine Peitsche, eine Kette.So klappern wir in Nessel, Dorn und KletteDurch wilder Himmel schreckliche Devisen,
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5 | Die uns bedrohn mit den gezackten Flammen,Mit großer Hieroglyphen roter Schrift.Und unsrer Schlangenadern blaues GiftZieht krampfhaft sich in unserm Kopf zusammen.
Daß tausend Disteln unsere Beine schlagen, |
10 | Daß manchen Regenwürmchens Köpfchen knackt,Zu unseres wilden Volks Bacchanten-Takt,Wir hören's ferne nur in unsere Klagen.
Ein gläsern leichter Fuß ward uns gegeben,Und Scharlachflügel wächst aus unserm Rücken. |
15 | So tanzen wir zum Krach der Scherben-Stücken,Durch lauter Unrat feierlich zu schweben.
Welch göttlich schönes Spiel. Ein Meer von Feuer.Der ganze Himmel brennt. Wir sind allein,Halbgötter wir. Und unser haarig Bein |
20 | Springt nackt auf altem Steine im Gemäuer.
Verfallner Ort, versunken tief im Schutte,Wo wie ein Königshaupt der Ginster schwankt,Des goldner Arm nach unsern Knöcheln langtUnd lüstern fährt herauf in unsrer Kutte.
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25 | Wo eine alte Weide, dürr und stumm,Mit Talismanen ihren Bauch behängt,Vor unsrer Göttlichkeit die Arme senkt,Und uns beschielt mit Augen, weiß und krumm.
Aus ihrem Loch springt eine alte Maus, |
30 | Verrückt wie wir. Ein goldner Schnabel blinktAm Himmelsrand. Ein leises Lied erklingt,Ein Schwan zieht in das Feuer uns voraus.
O süßer Sterbeton, den wir geschlürft.Breitschwingig flattert er im goldnen West, |
35 | Wo hoher Pappeln zitterndes GeästAuf unsere Stirnen Gitterschatten wirft.
Die Sonne sinkt auf dunkelroter Bahn,In einer Wetterwolke klemmt sie fest.Macht schnell und reißt aus seinem schwarzen Nest |
40 | Mit Zangen aus den goldnen Wolken-Zahn.
Hui. Er ist fort. Der dunkle Himmel sinktVoll Zorn herab in einen schwarzen Teich,Des Abgrund droht, mit fahlen Wolken bleich,Unheimlich, eine Nacht, die Unheil bringt.
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45 | Und eine Leiche wohnt im tiefen Grund,Um die ein Aale-Volk geschmeidig hüpft.Uralt, ein Fisch, der ein zum Ohre schlüpftUnd wieder ausfährt aus dem offnen Mund.
Ein Unke ruft. Ein blauer Wiedehopf |
50 | Meckert wie eine Ziege in dem Sumpf. -Was werden eure Stirnen klein und dumpf,Was sträubt sich euch der graue Narren-Schopf?
Ihr wollet Fürsten sein? Ich sehe Bestien nur,Die weit die Nacht erschrecken mit Gebell. |
55 | Was flieht ihr mich? Die Arme flattern schnell,Wie Gänsen an dem Messer der Tortur.
Ich bin allein im stummen Wetterland,Ich, der Jerusalem vom Kreuz geschaut,Jesus dereinst. Der nun den Brotranft kaut, |
60 | Den er im Staub verlorner Winkel fand.
Κατά
Ein roter Donner. Und die Sonne tost,Ein Purpurdrachen. Sein gezackter SchwanzPeitscht hoch herauf der weiten Himmel Glanz,Der Eichen Horizont, drin Flamme glost.
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5 | Der großen Babel weiße Marmorwand,Und riesiger Pagoden goldnen SteinZerschmettert fast der ungeheure Schein,Mit lauten Beilen eine Feuerhand.
Musik, Musik. Ein göttlicher Choral. |
10 | Das offne Maul der Sonne stimmt ihn an,Das Echo dröhnt vom weiten Himmelssaal.
Und ruft hervor der dunklen Nacht Tyrann,Den Mond, Tetrarchen, der im WolkentalSchon seltsam lenkt das fahle Viergespann.
Georg Heym lernt Hildegard Krohn im Sommer 1911 kennen: seine letzte und innigste Beziehung. Als Jüdin wird sie 1943 von den Nationalsozialisten in das Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau verschleppt und dort ermordet. (Quelle: Wikipedia)
An Hildegard K.
Deine Wimpern, die langen,Deiner Augen dunkele Wasser,Laß mich tauchen darein,Laß mich zur Tiefe gehn.
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5 | Steigt der Bergmann zum SchachtUnd schwankt seine trübe LampeÜber der Erze Tor,Hoch an der Schattenwand,
Sieh, ich steige hinab, |
10 | In deinem Schoß zu vergessen,Fern, was von oben dröhnt,Helle und Qual und Tag.
An den Feldern verwächst,Wo der Wind steht, trunken vom Korn, |
15 | Hoher Dorn, hoch und krankGegen das Himmelsblau.
Gib mir die Hand,Wir wollen einander verwachsen,Einem Wind Beute, |
20 | Einsamer Vögel Flug,
Hören im SommerDie Orgel der matten Gewitter,Baden in Herbsteslicht,Am Ufer des blauen Tags.
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25 | Manchmal wollen wir stehnAm Rand des dunkelen Brunnens,Tief in die Stille zu sehn,Unsere Liebe zu suchen.
Oder wir treten hinaus |
30 | Vom Schatten der goldenen Wälder,Groß in ein Abendrot,Das dir berührt sanft die Stirn.
Göttliche Trauer,Schweige der ewigen Liebe. |
35 | Hebe den Krug herauf,Trinke den Schlaf.
Einmal am Ende zu stehen,Wo Meer in gelblichen FleckenLeise schwimmt schon herein |
40 | Zu der September Bucht.
Oben zu ruhnIm Hause der durstigen Blumen,Über die Felsen hinabSingt und zittert der Wind.
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45 | Doch von der Pappel,Die ragt im Ewigen Blauen,Fällt schon ein braunes Blatt,Ruht auf dem Nacken dir aus.
Hora Mortis
Gebannt in die Trauer der endlosen Horizonte,Wo nur ein Baum sich wand unter Schmerz,Sanken wir, Bergleuten gleich, in das Schweigen der GrubeUnserer Qual. Und von Leere schwoll uns das Herz.
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5 | Trüb wie die Winde, im Schierling, bei Büschen und WeidenHaben wir unsere Hände im Dunkel gesenkt,Und dann gingen wir lässig, und freuten uns unserer Leiden,Arme Spiegel, darin sich ein düsterer Abend fängt.
Nachtwandlern gleich, gejagt vom Entsetzen der Träume, |
10 | Die seufzend sich stoßen im Dunkel mit bleicher Hand,Also schwankten wir in des Herbstes verschwindende Räume,Der wie ein Riese sich hob in die Nacht und versank.
Aber im Wolkenland, im Finstern, sahn wir die SchattenSchwarzer Reiher und hörten den traurigen Flug, |
15 | Und wir schwanden dahin in Schwermut und bittrem Ermatten,Blutleere Seele, die Lethe durch Höhlen voll Kummer trug.
Die Tauben II
Doch nachts im Schatten ihrer hohen TräumeWie unter großer Eichen kühlem DachKlingt um sie laut das Dunkel hundertfachUnd Sterne fahren singend durch die Räume
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5 | Vom Hauche Gottes durch das All getriebenMit goldnen Federn in die Nacht gespreizt,Kometen, die mit trübem Schrei zerstieben,Der traurig ihre schlaffen Ohren beizt.
Sie horchen auf des Waldes Ruhe unten |
10 | Wie in den Wurzeln blau der Schlummer schwilltUnd auf der Erde schweres Atmen drunten,Das langsam ihre großen Höhlen füllt.
Und wieder klingt's in ihren Frieden leise,Wenn das verborgne Silber wachsend schwärt, |
15 | Und das Geräusch der Sonne auf der Reise,Die unten über weite Meere fährt.
Auf einmal hören sie die Stürme wehenUnd laute Glocke läuten durch die Nacht.Sie möchten gern dem Schall entgegengehen, |
20 | Erhört, entfesselt, in das Licht gebracht.
Doch plötzlich bricht es ab. Und nur ein ZitternIst rund im Raum, das sie im Ohre nagt,[Wie tief in seinem Sarge] im VerwitternEin Toter weint und seine Trauer klagt.
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25 | Ein Lächeln kraut sie dann, daß sie noch leben,Des Schlummers Sabber hängt sich an ihr KinnUnd jemand kommt mit Fingern leicht, die schwebenAuf ihrem Rettichkopf wie Fliegen hin.
Die Nacht
Alle Flammen starben in Nacht auf den Stufen.Alle Kränze verwehten. Und unten im Blute verlorenSeufzte das Grauen. Wie hinter Gestorbener TorenManchmal es fern noch hallt von dunkelen Rufen.
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5 | Eine Fackel noch oben bog aus den Gängen,Lief im Chor. Und versank wie das Haar der DämonenRot und rauchend. Doch draußen der Waldung KronenWuchsen im Sturm und zerrten sich in die Länge.
Und in Wolken hoch kamen mit wilden Gesängen |
10 | Weiß die Greise der Stürme, und riesige Vögel scheuchtenÜber den Himmel hinab, wie Schiffe mit feuchtenSegeln, die schwer auf den Wogen hängen.
Aber die Blitze zerrissen mit wilden und rotenAugen die Nacht, die Öde der Säle zu hellen, |
15 | Und in den Spiegeln standen mit Köpfen, den grellen,Drohend herauf mit schwarzen Händen die Toten.
Bleibe bei mir. Daß unsere Herzen nicht stockenWenn die Türen sich auftun ins Finstere leiseUnd in der Stille es steht. - Und sein Atem von Eise |
20 | Unsere Adern verdorrt und die Seelen macht trocken
Daß sie dünn wie ein Hauch aus der Tiefe sich lösen,Flattern hinaus in die Nacht und sinken und fallenDürr wie die Blätter, die traurig am Boden wallenSchlürfend ins Leere dahin, im Winde dem bösen.
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25 | Wenn der Donner Gelächter im Dunkel verhallen.
Träumerei in Hellblau
Alle [Landschaften] habenSich mit Blau gefüllt.Alle Büsche und Bäume des Stromes,Der weit in den Norden schwillt.
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5 | Blaue Länder der Wolken,Weiße Segel dicht,Die Gestade des Himmels in FernenZergehen in Wind und Licht.
Wenn die Abende sinken |
10 | Und wir schlafen ein,Gehen die Träume, die schönen,Mit leichten Füßen herein.
Zymbeln lassen sie klingenIn den Händen licht. |
15 | Manche flüstern, und haltenKerzen vor ihr Gesicht.
Die Seefahrer
Die Stirnen der Länder, rot und edel wie KronenSahen wir schwinden dahin im versinkenden TagUnd die rauschenden Kränze der Wälder thronenUnter des Feuers dröhnendem Flügelschlag.
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5 | Die zerflackenden Bäume mit Trauer zu schwärzen,Brauste ein Sturm. Sie verbrannten, wie Blut,Untergehend, schon fern. Wie über sterbenden HerzenEinmal noch hebt sich der Liebe verlodernde Glut.
Aber wir trieben dahin, hinaus in den Abend der Meere, |
10 | Unsere Hände brannten wie Kerzen an.Und wir sahen die Adern darin, und das schwereBlut vor der Sonne, das dumpf in den Fingern zerrann.
Nacht begann. Einer weinte im Dunkel. Wir schwammenTrostlos mit schrägem Segel ins Weite hinaus. |
15 | Aber wir standen am Borde im Schweigen beisammenIn das Finstre zu starren. Und das Licht ging uns aus.
Eine Wolke nur stand in den Weiten noch lange,Ehe die Nacht begann, in dem ewigen RaumPurpurn schwebend im All, wie mit schönem Gesange |
20 | Über den klingenden Gründen der Seele ein Traum.
Der Krieg
Aufgestanden ist er, welcher lange schlief,Aufgestanden unten aus Gewölben tief.In der Dämmrung steht er, groß und unerkannt,Und den Mond zerdrückt er in der schwarzen Hand.
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5 | In den Abendlärm der Städte fällt es weit,Frost und Schatten einer fremden Dunkelheit,Und der Märkte runder Wirbel stockt zu Eis.Es wird still. Sie sehn sich um. Und keiner weiß.
In den Gassen faßt es ihre Schulter leicht. |
10 | Eine Frage. Keine Antwort. Ein Gesicht erbleicht.In der Ferne wimmert ein Geläute dünnUnd die Bärte zittern um ihr spitzes Kinn.
Auf den Bergen hebt er schon zu tanzen anUnd er schreit: Ihr Krieger alle, auf und an. |
15 | Und es schallet, wenn das schwarze Haupt er schwenkt,Drum von tausend Schädeln laute Kette hängt.
Einem Turm gleich tritt er aus die letzte Glut,Wo der Tag flieht, sind die Ströme schon voll Blut.Zahllos sind die Leichen schon im Schilf gestreckt, |
20 | Von des Todes starken Vögeln weiß bedeckt.
Über runder Mauern blauem FlammenschwallSteht er, über schwarzer Gassen Waffenschall.Über Toren, wo die Wächter liegen quer,Über Brücken, die von Bergen Toter schwer.
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25 | In die Nacht er jagt das Feuer querfeldeinEinen roten Hund mit wilder Mäuler Schrein.Aus dem Dunkel springt der Nächte schwarze Welt,Von Vulkanen furchtbar ist ihr Rand erhellt.
Und mit tausend roten Zipfelmützen weit |
30 | Sind die finstren Ebnen flackend überstreut,Und was unten auf den Straßen wimmelt hin und her,Fegt er in die Feuerhaufen, daß die Flamme brenne mehr.
Und die Flammen fressen brennend Wald um Wald,Gelbe Fledermäuse zackig in das Laub gekrallt. |
35 | Seine Stange haut er wie ein KöhlerknechtIn die Bäume, daß das Feuer brause recht.
Eine große Stadt versank in gelbem Rauch,Warf sich lautlos in des Abgrunds Bauch.Aber riesig über glühnden Trümmern steht |
40 | Der in wilde Himmel dreimal seine Fackel dreht,
Über sturmzerfetzter Wolken Widerschein,In des toten Dunkels kalten Wüstenein,Daß er mit dem Brande weit die Nacht verdorr,Pech und Feuer träufet unten auf Gomorrh.
Die Stadt der QualἜρως, ὃς ἐν κτήμασι πίπτειςSophokles, Antigone 781
Ich bin in Wüsten eine große StadtHinter der Nacht und toten Meeren weit.In meinen Gassen herrscht stets wilder ZankGeraufter Bärte. Ewig Dunkelheit
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5 | Hängt über mir wie eines Tieres Haut.Ein roter Turm nur flackert in den Raum.Ein Feuer braust und wirft den Schein von BlutWie einen Keil auf schwarzer Köpfe Schaum.
Der Geißeln Hyder bäumt in hoher Faust. |
10 | In jedem Dunkel werden Schwerter bloß.Und auf den Toten finstrer Winkel hocktEin Volk von bleichen Narren, kettenlos.
Der Hunger warf Gerippe auf mich hin.Der Brunnen Röhren waren alle leer; |
15 | Mit langen Zungen hingen sie darin,Blutig und rauh. Doch kam kein Tropfen mehr.
Und gelbe Seuchen blies ich über mich.Die Leichenzüge gingen auf mir her,Ameisen gleich mit einem kleinen Sarg, |
20 | Und winzige Pfeiferleute bliesen quer.
Altäre wurden prächtig mir gebautUnd sanken nachts in wildem Loderschein.Im Dunkel war der Mord. Und lag das BlutRostfarbner Mantel auf der Treppen Stein.
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25 | Asche war auf der Völker Haupt gestreut,Zerfetzt verflog ihr hären Kleid wie Rauch.So saßen sie wie kleine Kinder nachtsIn tauber Angst auf meinem großen Bauch.
Ich bin der Leib voll ausgehöhlter Qual. |
30 | In meinen Achseln rotes Feuer hängt.Ich bäume mich, und schreie manchmal laut,In schwarzer Himmel Grabe ausgerenkt.
Fröhlichkeit
Es rauscht und saust von großen KarussellenWie Sonnen flammend in den Nachmittagen.Und tausend Leute sehen mit Behagen,Wie sich Kamele drehn und Rosse schnelle,
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5 | Die weißen Schwäne und die Elefanzen,Und einer hebt vor Freude schon das BeinUnd grunzt im schwarzen Bauche wie ein Schwein,Und alle Tiere fangen an zu tanzen.
Doch nebenan, im Himmelslicht, dem hellen, |
10 | Gehen die Maurer rund, wie Läuse klein,Hoch ums Gerüst, ein feuriger Verein,Und schlagen Takt mit ihren Mauerkellen.
Die neuen Häuser
Im grünen Himmel, der manchmal knalltVor Frost im rostigen Westen,Wo noch ein Baum mit den ÄstenSchreit in den Abend, stehen sie plötzlich, frierend und kalt, |
5 | Wie Pilze gewachsen, und strecken in ihren GebrestenIhre schwarzen und dünnen Dachsparren himmelan,Klappernd in ihrer Mauern schäbigem KleidWie ein armes Volk, das vor Kälte schreit.Und die Diebe schleichen über die Treppen hinan, |
10 | Springen oben über die Böden mit schlenkerndem Bein,Und manchmal flackert heraus ihr Laternenschein.
Der Winter
Der Sturm heult immer laut in den KaminenUnd jede Nacht ist blutig-rot und dunkel.Die Häuser recken sich mit leeren Mienen.
Nun wohnen wir in rings umbauter Enge, |
5 | Im kargen Licht und Dunkel unserer Gruben,Wie Seiler zerrend grauer Stunden Länge.
Die Tage zwängen sich in niedre Stuben,Wo heisres Feuer krächzt in großen Öfen.Wir stehen an den ausgefrornen Scheiben |
10 | Und starren schräge nach den leeren Höfen.
Halber Schlaf
Die Finsternis raschelt wie ein Gewand,Die Bäume torkeln am Himmelsrand.
Rette dich in das Herz der Nacht,Grabe dich schnell in das Dunkele ein, |
5 | Wie in Waben. Mache dich klein,Steige aus deinem Bette.
Etwas will über die Brücken,Er scharret mit Hufen krumm,Die Sterne erschraken so weiß.
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10 | Und der Mond wie ein GreisWatschelt oben herumMit dem höckrigen Rücken.
Simson
In leeren Sälen, die so weitWie leerer Atem, im Abende totStehet er breit mit dem FeierkleidUnd der türmenden Mütze rot.
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5 | Die Mauern flohen von ihm hinweg,Die krummen Säulen irrten in Nacht hinaus.Er ist allein in dem riesigen Haus.Und niemand ist da, der ihn hält.
Alle sind fort. Und ein Mäusegeschrei |
10 | Ist oben rund in der Luft.Und über die Stiege herumHuscht es wie Hunde vorbei.
Die Nacht III
Jetzt schlafen viele, wie in weißen Särgen,Und in den Wänden sieht man Betten stehen,Darin sich schaukelnd große Köpfe drehen.
Doch manche müssen einsam weit noch gehen |
5 | Um sich in dunkle Nächte zu verbergenWo schwer im Himmel sich die Wolken winden.
Sie hören oft ein großes WagenrollenUnd schattenhafte Pferde schnell verschwindenIn Straßen fort und Mauern dunkelvollen.
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10 | Und manchmal sehen sie in hohen StürmenDen grauen Mond in Falten und verquollenUnd Nachtgevögel [singet in den Türmen.]
Im Irrsal suchen sie den Weg in FernenUnd tasten mit den Händen rund, den blinden, |
15 | Und hinter ihnen kichern die Laternen,Die schnell in trübe Nacht hinab entschwinden.
Doch in der Dächer Sturz und Häuser Engen,In leerer Giebel ausgebrannten Sparren,Sind viele Tote, die im Kühlen hängen |
20 | Und mit dem Fuß das Morgengrauen scharren.
Der Garten der Irren
Am roten Teiche stehen viele SchattenBei dünner Bäume schwächlichem Gesichte,In Stille fort. Nur selten daß sich einerHerunter zu dem trüben Wasser bücket.
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5 | Und manche gehn in den entleerten HeckenIn kühlen Gängen, die schon voller Lichte,Und schleifen mit den Füßen in dem Laube,Und sitzen wieder sanft in den Verstecken.
Der Strom ist weit hinab im blanken Scheine |
10 | Bei Erlen und den krumm gebornen WeidenUnd wer mit leichtem Kahn ihn überbrücket,Er wird im Licht die gelben Blumen pflücken.
Die Menschen stehen vorwärts in den Straßen . . .
Die Menschen stehen vorwärts in den StraßenUnd sehen auf die großen Himmelszeichen,Wo die Kometen mit den FeuernasenUm die gezackten Türme drohend schleichen.
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5 | Und alle Dächer sind voll Sternedeuter,Die in den Himmel stecken große Röhren.Und Zaubrer, wachsend aus den Bodenlöchern,In Dunkel schräg, die einen Stern beschwören.
Krankheit und Mißwachs durch die Tore kriechen |
10 | In schwarzen Tüchern. Und die Betten tragenDas Wälzen und das Jammern vieler Siechen,Und welche rennen mit den Totenschragen.
Selbstmörder gehen nachts in großen Horden,Die suchen vor sich ihr verlornes Wesen, |
15 | Gebückt in Süd und West, und Ost und Norden,Den Staub zerfegend mit den Armen-Besen.
Sie sind wie Staub, der hält noch eine Weile,Die Haare fallen schon auf ihren Wegen,Sie springen, daß sie sterben, nun in Eile, |
20 | Und sind mit totem Haupt im Feld gelegen.
Noch manchmal zappelnd. Und der Felder TiereStehn um sie blind, und stoßen mit dem HorneIn ihren Bauch. Sie strecken alle viereBegraben unter Salbei und dem Dorne.
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25 | [Das Jahr ist tot und leer von seinen Winden,Das wie ein Mantel hängt voll Wassertriefen,Und ewig Wetter, die sich klagend windenAus Tiefen wolkig wieder zu den Tiefen.]
Die Meere aber stocken. In den Wogen |
30 | Die Schiffe hängen modernd und verdrossen,Zerstreut, und keine Strömung wird gezogenUnd aller Himmel Höfe sind verschlossen.
Die Bäume wechseln nicht die ZeitenUnd bleiben ewig tot in ihrem Ende |
35 | Und über die verfallnen Wege spreitenSie hölzern ihre langen Finger-Hände.
Wer stirbt, der setzt sich auf, sich zu erheben,Und eben hat er noch ein Wort gesprochen.Auf einmal ist er fort. Wo ist sein Leben? |
40 | Und seine Augen sind wie Glas zerbrochen.
Schatten sind viele. Trübe und verborgen.Und Träume, die an stummen Türen schleifen,Und der erwacht, bedrückt von andern Morgen,Muß schweren Schlaf von grauen Lidern streifen.
Allerseelen
Geht ein Tag ferne aus, kommt ein Abend.Brennt ein Stern in der Höhe zur Nacht.Wehet das Gras. Und die Wege alleWerden in Dämmrung zusammengebracht.
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5 | Viele sind über die Steige gegangen.Ihre Schatten sind ferne zu sehn,Und sie tragen an schwankenden StangenIhre Fackeln, die wandern und wehn.
Mauern sind viele, und Gräber, und wenige Bäume. |
10 | Manche Tore darin, wo der Lorbeer trauert.Viele sitzen in Haufen über den Kreuzen,Ihre Lichter behütend, wenn der Regen schauert.
Und ein Rot steckt im Walde, dürr wie ein Finger,Wo der Abend hänget in wolkiger Zeit |
15 | Mit dem wenigen Licht. Und geringerRings ist das Nahe, und die Weite so weit.
Doch ewig ist der Wind, der nimmer schweigetIn dunklem Lande, herbstlich schon erbraunet,Der dunkle Bilder viel vorüber zeiget |
20 | Und dunkle Worte flüchtig trübe raunet.
Die Stadt
Sehr weit ist diese Nacht. Und WolkenscheinZerreißet vor des Mondes Untergang.Und tausend Fenster stehn die Nacht entlangUnd blinzeln mit den Lidern, rot und klein.
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5 | Wie Aderwerk gehn Straßen durch die Stadt,Unzählig Menschen schwemmen aus und ein.Und ewig stumpfer Ton von stumpfem SeinEintönig kommt heraus in Stille matt.
Gebären, Tod, gewirktes Einerlei, |
10 | Lallen der Wehen, langer Sterbeschrei,Im blinden Wechsel geht es dumpf vorbei.
Und Schein und Feuer, Fackeln rot und Brand,Die drohn im Weiten mit gezückter HandUnd scheinen hoch von dunkler Wolkenwand.
Mit den fahrenden Schiffen . . .
Mit den fahrenden SchiffenSind wir vorübergeschweift,Die wir ewig herunterDurch glänzende Winter gestreift. |
5 | Ferner kamen wir immerUnd tanzten im insligen Meer,Weit ging die Flut uns vorbei,Und Himmel war schallend und leer.
Sage die Stadt, |
10 | Wo ich nicht saß im Tor,Ging dein Fuß da hindurch,Der die Locke ich schor?Unter dem sterbenden AbendDas suchende Licht |
15 | Hielt ich, wer kam da hinab,Ach, ewig in fremdes Gesicht.
Bei den Toten ich rief,Im abgeschiedenen Ort,Wo die Begrabenen wohnen; |
20 | Du, ach, warest nicht dort.Und ich ging über Feld,Und die wehenden Bäume zu HauptStanden im frierenden HimmelUnd waren im Winter entlaubt.
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25 | Raben und KrähenHabe ich ausgesandt,Und sie stoben im GrauenÜber das ziehende Land.Aber sie fielen wie Steine |
30 | Zur Nacht mit traurigem LautUnd hielten im eisernen SchnabelDie Kränze von Stroh und Kraut.
Manchmal ist deine Stimme,Die im Winde verstreicht, |
35 | Deine Hand, die im TraumeRühret die Schläfe mir leicht;Alles war schon vorzeiten.Und kehret wieder sich um.Gehet in Trauer gehüllet, |
40 | Streuet Asche herum.
Die Morgue
Die Wärter schleichen auf den Sohlen leise,Wo durch das Tuch es weiß von Schädeln blinkt.Wir, Tote, sammeln uns zur letzten ReiseDurch Wüsten weit und Meer und Winterwind.
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5 | Wir thronen hoch auf kahlen Katafalken,Mit schwarzen Lappen garstig überdeckt.Der Mörtel fällt. Und aus der Decke BalkenAuf uns ein Christus große Hände streckt.
Vorbei ist unsre Zeit. Es ist vollbracht. |
10 | Wir sind herunter. Seht, wir sind nun tot.In weißen Augen wohnt uns schon die Nacht,Wir schauen nimmermehr ein Morgenrot.
Tretet zurück vor unserer Majestät.Befaßt uns nicht, die schon das Land erschaun |
15 | Im Winter weit, davor ein Schatten steht,Des schwarze Schulter ragt im Abendgraun.
Ihr, die ihr eingeschrumpft wie Zwerge seid,Ihr, die ihr runzelig liegt auf unserm Schoß,Wir wuchsen über euch wie Berge weit |
20 | In ewige Todes-Nacht, wie Götter groß.
Mit Kerzen sind wir lächerlich umsteckt,Wir, die man früh aus dumpfen Winkeln zogNoch grunzend, unsre Brust schon blau gefleckt,Die nachts der Totenvogel überflog.
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25 | Wir Könige, die man aus Bäumen schnitt,Aus wirrer Luft im Vogel-Königreich,Und mancher, der schon tief durch Röhricht glitt,Ein weißes Tier, mit Augen rund und weich.
Vom Herbst verworfen. Faule Frucht der Jahre, |
30 | Zerronnen sommers in der Gossen Loch,Wir, denen langsam auf dem kahlen HaareDer Julihitze weiße Spinne kroch.
Wir, Namenlose, arme Unbekannte,In leeren Kellern starben wir allein. |
35 | Was ruft ihr uns, da unser Licht verbrannte,Was stört ihr unser frohes Stell-Dich-Ein?
Seht den dort, der ein graues Lachen stimmtAuf dem zerfallnen Munde fröhlich an,Der auf die Brust die lange Zunge krümmt, |
40 | Er lacht euch aus, der große Pelikan.
Er wird euch beißen. Viele Wochen warEr Gast bei Fischen. Riecht doch, wie er stinkt.Seht, eine Schnecke wohnt ihm noch im Haar,Die spöttisch euch mit kleinem Fühler winkt.
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45 | - Ein kleines Glöckchen -. Und sie ziehen aus.Das Dunkel kriecht herein auf schwarzer Hand.Wir ruhen einsam nun im weiten Haus,Unzählige Särge tief an hoher Wand.
Ewige Stille. Und des Lebens Rest |
50 | Zerwittert und zerfällt in schwarzer Luft.Des Todes Wind, der unsre Tür verläßt,Die dunkle Lunge voll vom Staub der Gruft,
Er atmet schwer hinaus, wo Regen rauscht,Eintönig, fern, Musik in unserm Ohr, |
55 | Das dunkel in die Nacht dem Sturme lauscht,Der ruft im Hause traurig und sonor.
Und der Verwesung blauer GlorienscheinEntzündet sich auf unserm Angesicht.Eine Ratte hopst auf nacktem Zehenbein, |
60 | Kommt nur, wir stören deinen Hunger nicht.
Wir zogen aus, gegürtet wie Giganten,Ein jeder klirrte wie ein Goliath.Nun haben wir die Mäuse zu Trabanten,Und unser Fleisch ward dürrer Maden Pfad.
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65 | Wir, Ikariden, die mit weißer SchwingeIm blauen Sturm des Lichtes einst gebraust,Wir hörten noch der großen Türme Singen,Da rücklings wir in schwarzen Tod gesaust.
Im fernen Plan verlorner Himmelslande, |
70 | Im Meere weit, wo fern die Woge flog,Wir flogen stolz in Abendrotes BrandeMit Segeln groß, die Sturm und Wetter bog.
Was fanden wir im Glanz der Himmelsenden?Ein leeres Nichts. Nun schlappt uns das Gebein, |
75 | Wie einen Pfennig in den leeren HändenEin Bettler klappern läßt am Straßenrain.
Was wartet noch der Herr? Das Haus ist voll,Die Kammern rings der Karawanserei,Der Markt der Toten, der von Knochen scholl, |
80 | Wie Zinken laut hinaus zur Wüstenei.
Was kommt er nicht? Wir haben Tücher anUnd Totenschuhe. Und wir sind gespeist.Wo ist der Fürst, der wandert uns voran,Des große Fahne vor dem Zuge reist?
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85 | Wo wird uns seine laute Stimme wehen?In welche Dämmerung geht unser Flug?Verlassen in der Einsamkeit zu stehenVor welcher leeren Himmel Hohn und Trug?
Ruhen wir aus im stummen Turm, vergessen? |
90 | Werden wir Welle einer Lethe sein?Oder, daß Sturm uns treibt um Winteressen,Wie Dohlen reitend auf dem Feuerschein?
Werden wir Blumen sein? Werden wir Vögel werden,Im Stolze des Blauen, im Zorne der Meere weit? |
95 | Werden wir wandern in den tiefen Erden,Maulwürfe stumm in toter Einsamkeit?
Werden wir in den Locken der Frühe wohnen,Werden wir blühen im Baum, und schlummern in Frucht,Oder Libellen blau auf den See-Anemomen |
100 | Zittern am Mittag in schweigender Wasser Bucht?
Werden wir sein wie ein Wort von niemand gehöret?Oder ein Rauch, der flattert im Abendraum?Oder ein Weinen, das plötzlich Freudige störet?Oder ein Leuchter zur Nacht? Oder ein Traum?
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105 | Oder - wird niemand kommen?Und werden wir langsam zerfallen,In dem Gelächter des Monds,Der hoch über Wolken saust,Zerbröckeln in Nichts, |
110 | - Daß ein Kind kann zerballenUnsere Größe dereinstIn der dürftigen Faust.
Die Tänzerin in der Gemme
Lange verschlossen, tief im runden SteineMit einem Trauerbaum und wenig Zweigen,Noch dreht sie um den Hals den sanften SchleierUnd geht in leisem Tanz in stiller Feier.
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5 | Immer noch fort, wo schon die Götter starbenÜber den Inseln, und draußen gezogenIst das Meer unter schläfrigen Wolken,Unter den Ufern murrte die Woge.
Orpheus ging einst. Und sie sann seiner Schritte |
10 | Durch die Schluchten herunter zur stillen EbeneDa sie lag im Schilf mit den wolligen Herden.Aber ferne ging die Flöte des Gottes
Über der grünen Ruhe der toten Fluren,Die so einsam sang ihre Traurigkeit, |
15 | Grauen Gewölben, über den Weiden weit,Wo die Tiere lagen mit tiefem Horne.
Spitzköpfig kommt er . . .
Spitzköpfig kommt er über die Dächer hochUnd schleppt seine gelben Haare nach,Der Zauberer, der still in die Himmelszimmer steigtIn vieler Gestirne gewundenem Blumenpfad.
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5 | Alle Tiere unten im Wald und GestrüppLiegen mit Häuptern sauber gekämmt,Singend den Mond-Choral. Aber die KinderKnien in den Bettchen in weißem Hemd.
Meiner Seele unendliche See |
10 | Ebbet langsam in sanfter Flut.Ganz grün bin ich innen. Ich schwinde hinausWie ein gläserner Luftballon.
Pilatus
Ein Lächeln schiefen Grames, das verschwindetHinein in seiner Stirne weißes Tor.Er sitzt auf seinem Stuhl. Seine Hände erhobenBrechen den Stab und fallen von oben.
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5 | Aber wie eine Blume voll grüner HelleLeuchtet im Dunkel der Höfe der König der Juden.Und die Stirn, die sie schattig mit Dornen beluden,Brennt wie ein Stein in fahler Grelle.
Und der Gott steigt hinauf, von den Schultern gehoben |
10 | Riesiger Engel, er singet, ein Schwan,Leicht und klein fährt er auf in der strahlenden BahnUnd der Vater, im Glanze, wartet sein droben.
Aber der Richter am blauen GebirgeHänget im riesigen Mantel wie faltige Frucht. |
15 | Wild kommt der Abend über die hallenden Öden.Schweigsame Wasser fallen in grüner Schlucht.
Judas
Die Locke der Qual springt über der StirneDrin wispern Winde, und viele StimmenDie wie Wasser vorüberschwimmen.
Doch er rennet bei Ihm gleich einem Hunde |
5 | Und er picket die Worte hervor in dem Kote.Und er wieget sie schwer. Sie werden tote.
Ach, der Herr ging über die Felder weißSanft hinab am schwebenden AbendtagUnd die Ähren sangen zum Preis, |
10 | Seine Füße waren wie Fliegen klein,In goldener Himmel gelbem Schein.
Der Garten
Der Mund ist feucht. Und wie bei Fischen breitUnd leuchtet rot in dem toten Garten.Sein Fuß ist glatt und über den Wegen breit.Winde gehen hervor aus dem faltigen Kleid.
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5 | Er umarmet den Gott, der dünn wie aus SilberUnter ihm knickt. Und im Rücken die FingerLegt er ihm schwarz wie haarige Krallen.Quere Feuer, die aus den Augen fallen.
Schatten gehen und Lichter, manchmal ein Mond. |
105 | Ein Gesause der Blätter. Aus warmer NachtTrübes Tropfen. Und unten rufen die HörnerWandelnder Wächter über der gelben Stadt.
Der Baum
Sonne hat ihn gesotten,Wind hat ihn dürr gemacht,Kein Baum wollte ihn haben,Überall fiel er ab.
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5 | Nur eine EberescheMit roten Beeren bespicktWie mit feurigen Zungen,Hat ihm Obdach gegeben.
Und da hing er mit Schweben, |
10 | Seine Füße lagen im Gras.Die Abendsonne fuhr blutigDurch die Rippen ihm naß,
Schlug die Ölwälder alleÜber der Landschaft herauf, |
15 | Gott in dem weißen KleideTat in den Wolken sich auf.
In den blumigen GründenRingelte Schlangengezücht,[In] den silbernen Hälsen |
20 | Zwitscherte dünnes Gerücht.
Und sie zitterten alleÜber dem Blätterreich,Hörend die Hände des VatersIm hellen Geäder leicht.
Hymne
Unendliche Wasser rollen über die Berge,Unendliche Meere kränzen die währende Erde,Unendliche Nächte kommen wie dunkele HeereMit Stürmen herauf, die oberen Wolken zu stören.
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5 | Unendliche Orgeln brausen in tausend Röhren,Alle Engel schreien in ihren Pfeifen,Über die Türme hinaus, die gewaltig schweifenIn ewiger Räume verblauende Leere.
Aber die Herzen, im unteren Leben verzehret, |
10 | Bei dem schmetternden Schallen verzweifelter FlötenHoben wie Schatten sich auf im tödlichen Sehnen,Jenseits lieblicher Abendröten.
Die Städte
Der dunkelnden Städte holprige StraßenIm Abend geduckt, eine HundescharIm Hohlen bellend. Und über den BrückenWurden wir große Wagen gewahr,
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5 | Zitterten Stimmen, vorübergewehte.Und runde Augen sahen uns traurig anUnd große Gesichter, darüber das späteGelächter von hämischen Stirnen rann.
Zwei kamen vorbei in gelben Mänteln, |
10 | Unsre Köpfe trugen sie vor sich fortMit Blute besät, und die tiefen BackenDarüber ein letztes Rot noch verdorrt.
Wir flohen vor Angst. Doch ein Fluß weißer WellenDer uns mit bleckenden Zähnen gewehrt. |
15 | Und hinter uns feurige AbendsonneTote Straßen jagte mit grausamem Schwert.
Der Nebelstädte winzige Wintersonne . . .
Der Nebelstädtewinzige WintersonneLeuchtet mir mitten ins gläserne Herz.Das ist voll vertrockneter Blumen |
5 | Gleich einem gestorbenen Garten.
[Alles, was ehe war,Ist hinter den Mauern des SchlafesSchon zur Ruhe gebracht.Viele Winde der sausenden Straßen |
10 | Haben inzwischen auf frierenden KöpfenEin Wind-Spiel gemacht.]
Wohl war in Dämmerung nochBlutiger Wolken KampfUnd der sterbenden Städte |
15 | Schultern zuckten im Krampf.Wir aber gingen von dannenZerrissen uns mit einem Mal,Dumpf scholl ein Zungen-GestreiteIn Finsternis - Unrat - siebenfarbiger Qual.
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20 | Doch niemand rühret das starreGestern noch mit der HandDa der rostige MondKollerte unter den [Rand]Zu wolkiger Wolken Geknarre.
Die Vögel
Wie trübe Morgen langsamer TageÜber den Seen und Sümpfen voll KlageÜber dem schillernden Schilf ruht die NachtRegen [. . .]. In den Bäumen erwacht
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5 | Ein Geschrei. Und huschen die HundeRund um die Mauern mit heiserem Munde.Aber die Türme steigen von Bergen, bleichen,Hockend stumm um die verschrumpften Teiche.
Eine Fackel brennt auf Und die Vögel der Öden |
10 | Hoch herauf zu Himmels-BödenSchwer flattern von den kahlen HorstenRiesiger Bäume mit großen Schwingen zerborsten,
Langsam mit ihren gewaltigen HändenFassend die Nacht an den dunkelnden Enden |
15 | Drohend wie Schatten und böse Gedanken,Die in brechenden Wolken schwanken.
Plötzlich stürmet vorbei an dem Mond ein Geschwirre.Und er schreit wie ein Kind vor der Federn Geklirre.Schlagend den Flügel, nisten sie über ihm, |
20 | Und krähen ein Lied aus den Schnäbeln so grün.
Meine SeeleGolo Gangi gewidmet [Erich Loewenson]
Meine Seele ist eine Schlange,Die ist schon lange tot,Nur manchmal in Herbstesmorgen,Entblättertem Abendrot |
5 | Wachse ich steil aus dem Fenster,Wo fallende Sterne sind,Über den Blumen und KressenMeine Stirne spiegeltIm stöhnenden Nächte-Wind.
Die Meerstädte
Mit den segelnden Schiffen fuhren wir quer hereinIn die Städte voll Nacht und frierender Häfen Schein.Tausend Treppen leere hingen zum Meere breit,Dunkel die Schiffer schwangen den Feuerscheit.
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5 | [Die Gärten der Meere mit silbernen Straßen gefülltDehnten sich [. . .] unter der Sterne BildUnd die riesigen Fische gingen im goldenen KleidMit blitzenden Speeren über die Wasser weit.]
Glocken nicht brummten. Und Bettler nicht saþen am Pfad. |
10 | Rief kein Horn, und niemand den Weg uns vertrat.Und die Städte alle waren wie Wände bloß.Sterne nur gingen über den Zinnen sehr groß.
Seebäume saßen geborsten im Mauergestrüpp.Salzig, und weite [Türme] vor unserem Fuß. |
15 | Brücken zerbrochen standen wie Knochengerüpp,Ferne Feuer warfen sich über den Fluß.
Die Höfe luden uns ein . . .
Die Höfe luden uns ein, mit den Armen schmächtig,Faßten unserer Seelchen zipfeliges Kleid.Und wir entglitten durch Tore nächtigIn toter Gärten verwunschene Zeit.
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5 | Von Regenrohren fiel Wasser bleiern,Ewig, Wolken flogen so trübe.Und über der Starre der frostigen WeiherRosen hingen in Dürre vom Triebe.
Und wir gingen auf herbstlichen Pfaden, geringern, |
10 | Gläserne Kugeln zerrissen unser Gesicht,Jemand hielt sie uns vor auf den spitzigen Fingern.Unsere Qualen machten uns Feuer-licht.
Und wir schwanden so schwach in die gläsernen Räume.Riefen voll Wehmut, da dünne das Glas zerbrach. |
15 | Wir sitzen nun ewig, in weißlichen Wolken, zu träumenSpärlichem Fluge der Falter im Abendrot nach.
Die Schlösser
Alt von Blute, und manches im toten MundeKauen sie Dunkel - Wo große Schwerter geblitzt.Trübe Gelage zur Nacht in der Könige Runde -Draußen die Sonne die späte[n] Pfeile noch spritzt.
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5 | Wir auch gingen herum. Und kamen durch Stiegen und Gänge.Mancher Vorhang tat sich auf und fiel zu.Viele Schatten auf bleichen Dielen in LängeKamen um unseren Fuß wie Hunde in Ruh.
Über den Höfen, den dunklen voll Trauer, begannen |
10 | Windfahnen oben das knarrende Abendlied.Und hoch in dem Licht der Götter große GespanneSchnelle rollten dahin in den festlichen Süd.
Die Messe
Bei dreier Kerzen mildem LichteDie Leiche schläft. Und hohe Mönche gehenUm sie herum, und legen ihre FingerManchmal über ihr Angesicht.
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5 | Froh sind die Toten, die zur Ruhe kehrenUnd strecken ihre weißen Hände aus,Den Engeln zu, die groß und schattig gehenMit Flügelschlagen durch das hohe Haus.
Nur manchmal schallt ein Weinen durch die Wände, |
10 | Ein tiefes Schluchzen wälzt sich in der Lust.Man kreuzet ihre hageren Finger-HändeZum Frieden sanft auf die verhaarte Brust. |