BIBLIOTHECA AUGUSTANA

 

Adolf von Düring

1880

 

Die Canterbury-Erzählungen

 

Fragment IV

 

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Erzählung des Klerk.

Vers 57 - 1217

 

 

Dem kalten Berge Vesulus zu Füßen

Im fernsten West Italiens liegen Gau'n,

Wo üppigreiche Saatgefilde sprießen,

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Und manche Stadt ist, mancher Thurm zu schau'n

– Der Väter Werk, der Vorzeit dauernd Bau'n. –

Wohin Du blickst, ein herrlich Bild sich weist

Der schönen Gegend, die Saluzzo heißt.

Ein Markgraf lebte vormals in den Landen,

Wie vor ihm seine Ahnen dies gethan;

Gehorsam war und willig ihm zu Handen

Der erste wie der letzte Unterthan.

Vom Glück begünstigt auf der Lebensbahn,

War er gefürchtet und geliebt zugleich

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Von Herr'n und Knechten und von Arm und Reich.

Was seines Stammes Blut betraf, so galt er

Als Edelster der ganzen Lombardei;

Voll Schönheit, Kraft und jugendlichem Alter,

War höflich er und ehrenwerth dabei;

Und wenn auch nicht von jedem Fehler frei,

So lenkte doch verständnißvoll sein Land

Der junge Herr, den Walther man benannt.

Indessen dieses muß ich an ihm rügen,

Daß er zur Zukunft nie den Blick gewandt,

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Dem Augenblick nur lebend, sein Vergnügen

Allein in Jagd und Falkenbeize fand,

Und aller andern Sorgen sich entwand;

Das Schlimmste war: um keinen Preis der Welt

Hätt' er ein Weib sich eh'lich beigesellt.

Höchst mißvergnügt ob dieser Sache nah'te

Sich eines Tages seines Volkes Schaar,

Und der als Klügster galt in ihrem Rathe

Und dem der Herr zumeist gewogen war,

Machte des Volkes Wunsch ihm offenbar;

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Und so sprach der geschäftserfahr'ne Mann,

Wie ihr vernehmen sollt, den Markgraf an:

„O, edler Markgraf, Deine Herzensgüte

Ermuntert uns und giebt uns Zuversicht.

So oft wir mit bekümmertem Gemüthe

In schwerer Zeit, gehorsam unsrer Pflicht,

Vor Dir erschienen, nahmst Du den Bericht

Stets gnädig auf, und Du wirst unsern Klagen

Darum auch heute nicht Gehör versagen.“

„Ich selber habe freilich mit der Sache

100

Nicht mehr zu thun, als jeder Andre hier;

Und wenn ich mich zu ihrem Anwalt mache,

Geschieht es nur, weil Du so gnädig mir

Dich stets bezeigtest; und so darf ich Dir

Auch heute nah'n, damit den Wunsch von Allen

Du prüfest und entscheidest nach Gefallen.“

„Gewißlich, Herr, wir haben Dein Bestreben

Von ganzem Herzen immer anerkannt

Und thun es noch; und ein zufriedner Leben

Uns zu erdenken, sind wir kaum im Stand.

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Ein Wunsch indessen sei Dir noch genannt:

Geruhe, eine Gattin Dir zu wählen,

Dann wird Dein Volk das höchste Glück beseelen.“

„Beug' Deinen Nacken diesen Segensjochen!

Der Herrschaft Zier und nicht der Knechtschaft Schmach

Ist in dem Wort ›Vermählung‹ ausgesprochen.

Bedenk' es Herr, und sinne weislich nach:

Wie wechselreich der Mensch auch seinen Tag

Verbringt mit Wachen, Schlafen, Gehen, Reiten,

Es flieht sein Leben in der Flucht der Zeiten.“

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„Grün't Dir auch jetzt der Jugend Frühlingsschimmer,

Kriecht doch das Alter still und stumm heran,

Und jeder Zeit droht uns der Tod, dem nimmer

Ein Mensch, wie hoch gestellt er sei, entrann.

Und so gewiß – das weiß ein jeder Mann –

Ist ihm der Tod, wie ungewiß der Tag,

An dem begegnen ihm sein Ende mag.“

„Beherzige den treuen Rath von Allen,

Die stets gehorchten, wenn Dein Ruf erklang;

Was wir begehren, laß auch Dir gefallen:

130

Nimm Dir ein Weib und zaudere nicht lang'.

Das beste wähle von dem höchsten Rang

Im ganzen Land; denn, wie wir Alle meinen,

Kann Gott und Dich dies nur zu ehren scheinen.“

„Nimm diese Furcht von unserem Gemüthe!

Um Gottes Willen, bleib' nicht unvermählt.

Denn wären – was in Gnaden Gott verhüte! –

Die Tage Deines Lebens bald gezählt,

So folgt ein Fremder, wenn der Erbe fehlt.

Und weh' dem Volke, wenn dies je geschähe!

140

Drum laß Dich bitten, schreite rasch zur Ehe!“

Ihr tiefbewegtes Fleh'n, ihr bittend Dringen

Der edle Markgraf mitleidsvoll vernahm.

„Ihr wollt,“ – so sprach er – „liebes Volk, mich zwingen

Zu dem, was nimmer in den Sinn mir kam.

Noch bin ich nicht der holden Freiheit gram,

Die selten ist im Ehestand zu finden;

Stets war ich frei – und nun wollt Ihr mich binden!“

„Doch muß ich Euren treuen Rathschlag bill'gen,

Denn Eurer Klugheit hab' ich stets vertraut.

150

Ich will aus freien Stücken darein will'gen,

So rasch ich kann, erwähl' ich eine Braut!

Doch von dem Vorschlag bin ich nicht erbaut,

Die Auswahl ganz in Eure Hand zu geben;

Der Sorge, bitt' ich, laßt mich Euch entheben.“

„Denn das weiß Gott, höchst ungleich sind an Güte

Die Kinder oft dem würd'gen Elternpaar.

Werth kommt von Gott und stammt nicht vom Geblüte,

Das uns erzeugte, oder uns gebar.

Auf Gottes Huld vertrau' ich! Ihm, führwahr,

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Geb' ich anheim in Anbetracht der Ehe

Rang, Stand und Alles. – Was Er will, geschehe!“

„Gestattet, daß mein Weib ich selber wähle!

Wie sehr die Last den Rücken auch beschwert,

Ich trage sie. – Doch bitt' ich und befehle

Bei Eurem Leben, daß mein Weib Ihr ehrt,

Wer sie auch sei, so lang' ihr Dasein währ't,

In Wort und That – und dies versprecht auf Ehre! –

Als ob sie Tochter eines Kaisers wäre.“

„Und ferner sollt Ihr schwören, nie zu klagen

170

Und nie zu spötteln über meine Wahl;

Denn soll ich meiner Freiheit mich entschlagen,

Wie Euer Rath so dringend mir empfahl,

Will ich auch wählen aus der Weiber Zahl

– Bei meinem Heil! – nach eignem Wunsch und Neigen!

Sonst thut Ihr besser, davon still zu schweigen.“

Und schwörend stimmten sie in allen Dingen

Ihm herzlich bei, und Niemand sagte Nein,

Und baten zu bestimmen, eh' sie gingen,

So bald als thunlich und von vorn herein

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Den Tag, an welchem Hochzeit solle sein;

Da sich das Volk mit steter Sorge quälte,

Daß sich der Markgraf ungern nur vermählte.

Den Tag bestimmend, wie's ihm einfiel eben,

Als der Vermählung äußersten Termin,

Sprach er, daß ihrem Wunsche nachgegeben

Auch hierin sei. – Und Alle priesen ihn,

Und ehrfurchtsvoll bedankte auf den Knie'n

Sich Jedermann. Erfüllt war ihre Bitte,

Und Alle lenkten heimwärts ihre Schritte.

190

Den Hofbeamten hieß dann unverweilt er,

Zum Hochzeitsfest zu rüsten sich sofort,

Und nach Gefallen rings Befehl ertheilt' er

Bald hier den Rittern, bald den Pagen dort;

Und allesammt gehorchten ihm aufs Wort,

Und dienstbeflissen thaten sie ihr Bestes,

Um beizutragen zu dem Glanz des Festes.

Pars Secunda.

Nicht weit vom stolzen Schlosse, wo zum Tage

Der Hochzeit sich zu rüsten hieß der Graf,

200

Gewahrte man in reizend schöner Lage

Ein Dorf, und in den niedern Hütten traf

Ein Volk man an, das ärmlich, aber brav

Sich und den Viehstand von den Früchten nährte,

Die seinem Fleiß des Bodens Gunst gewährte.

An Armuth aber übertraf fast Alle

Ein Mann im Dorf, Janikola genannt;

Doch, wie einst jenem kleinen Ochsenstalle

Des höchsten Gottes Gnade zugewandt,

Man in der Hütte dieses Mannes fand

210

Das schönste Bild der reinsten Lieblichkeit,

Ein holdes Kind. – Griseldis hieß die Maid.

Die Sonne sandte nie vom Himmelsbogen

Auf solchen keuschen Liebreiz ihren Schein.

In größter Armuth war sie auferzogen,

Von üpp'ger Lust blieb ihre Seele rein;

Der Trunk der Quelle labte sie statt Wein.

Der Tugend hold und gram dem Müßiggang,

Ward keine Arbeit ihr zu schwer und lang.

Kaum übertretend ihrer Kindheit Schranken,

220

Erfüllten schon den jungfräulichen Sinn

Ein reifer Muth und ernste Pflichtgedanken,

Und als des alten Vaters Pflegerin

Gab sie sich liebend voller Ehrfurcht hin;

Und ging im Felde hüten ihr' paar Schafe,

Und wollte rastlos wirken bis zum Schlafe.

Auch Wurzeln oder andre Kräuter brachte

Sie machmal heim, zerschnitt sie und begann

Daraus ihr Mahl zu kochen, und sie machte

Ihr dürftiges und hartes Lager dann.

230

Und auf den Unterhalt des Vaters sann

Sie so besorgt und mit dem freud'gen Wollen,

Das ihren Vätern brave Kinder zollen.

Griseldis aber, diesem armen Kinde,

War längst des Markgrafs Sinnen zugewandt;

Denn oft geschah's, daß, jagend durch die Gründe,

Durch Zufall sie sein spähend Auge fand.

Indessen nicht zu wilder Lust entbrannt

Durch ihren Reiz, nein, nur mit ernster Regung

Blickt' er auf sie und zog oft in Erwägung:

240

Empfohlen sei dem Herzen sie durch Tugend;

Durch Weiblichkeit in Blick und Wort bewährt,

Sei sie vor Allen in so zarter Jugend. –

Und wenn der Mensch der Einsicht oft entbehrt,

Was Tugend ist; er sah auf ihren Werth,

Und er beschloß, wenn er je freien solle,

Daß er nur sie und keine Andre wolle.

Der Tag der Hochzeit kam. Indessen wußte

Noch Niemand, welches Weib er sich erkor;

Und da dies Jeden Wunder nehmen mußte,

250

So flüsterte man leise sich ins Ohr:

„Bleibt unser Herr denn immerdar ein Thor?

Will er nicht frei'n? O, Jammer, welch Verschieben!

Will er uns narr'n? Hat er nur Spott getrieben?“

Doch längst gefaßt war schon zum Brautgeschmeide

Der Gemmen Pracht in Gold und in Azur.

Das Maß zu nehmen von dem Hochzeitskleide

Ward eine Magd gewählt, die an Statur

Griseldis glich, soweit als möglich nur;

Und von dem Markgraf vorgesorgt aufs Beste

260

War jeder Schmuck, entsprechend solchem Feste.

Schon nah'te mit des Tages neunter Stunde

Sich die zur Hochzeit festgesetzte Zeit,

Des Schlosses Räume standen in der Runde

Schon zum Empfange reichgeschmückt bereit.

In Küch' und Keller welche Herrlichkeit!

Da wirst Du keinen einz'gen Leckerbissen,

Den nur Italien liefern kann, vermissen!

Gefolgt von seinem Hofstaat und den Schaaren

Der Edelfrau'n und Ritter, die durch ihn

270

Zum Fest der Hochzeit eingeladen waren,

Der Markgraf dann im Fürstenschmuck erschien,

Um unter Klang und Sang von Melodien

Sich gradewegs zum Dorfe, das soeben

Von mir erwähnt ist, festlich zu begeben.

Bei Gott! Griseldis mochte wenig träumen,

Daß ihr bestimmt sei soviel Glanz und Pracht.

Zum Brunnen gehend, schöpft sie ohne Säumen

Dort Wasser und kehrt heimwärts mit der Tracht.

Denn wie sie hörte, war der Graf bedacht,

280

Sich an dem heut'gen Tage zu vermählen;

Und ungern möchte sie den Zug verfehlen.

Sie dachte: Mit den andren Mädchen stell' ich

Mich vor die Thür von unsrer Hütte hin.

Drum will ich eilen, damit rasch und schnell' ich

Mit meiner Arbeit heute fertig bin,

Und mich des Anblicks unsrer Markgräfin

Erfreuen kann in Muße und in Ruh',

Lenkt sich der Festzug dem Palaste zu.

Doch kaum erreichte sie die Flur der Hütte,

290

Als schon der Markgraf nah'te und sie rief;

Worauf sie – hastig ihre Wasserbütte

Im Viehstall bergend – ihm entgegenlief;

Und vor ihm beugte sie die Kniee tief,

Und ernsten Blicks verharrte sie dann stille,

Bis sie erfahren, was des Herren Wille.

Und an das Mädchen wandte seine Frage

Gedankenvoll der Markgraf mit dem Wort:

„Wo mag dein Vater sein, Griseldis? sage!“

Und ehrfurchtsvoll gab Antwort sie sofort:

300

„Er weilt, o Herr, in nächster Nähe dort!“

Und ohne Zögern sprang sie dann empor

Und führt' dem Grafen ihren Vater vor.

Der Graf ergriff die Hand des armen Mannes,

Zog ihn bei Seite und sprach tiefbewegt:

„Janikola! nicht länger mag und kann es

Ich Dir verhehlen, was mein Herz erregt;

Und sagst Du ›Ja‹ zum Wunsche, den es hegt,

Nehm' ich Dein Kind – was immer auch geschehe –

Bevor ich scheide, lebenslang zur Ehe!“

310

„Ich kenne Dich als treuen Hausvasallen

Und weiß, Du liebst mich; und was mir gefällt

– Das darf ich sagen – ist auch Dein Gefallen;

Drum auf die Frage, welche Dir gestellt,

Erwidre mir und sprich, wie sich's verhält,

Gieb Deine Absicht offen zu erkennen:

Bist du geneigt, mich Schwiegersohn zu nennen?“

Kaum wußte sich der arme Mann zu sammeln;

So unerwartet brach's auf ihn herein.

Beschämt, erröthend, zitternd konnte stammeln

320

Er nur die Worte: „Lieber Herre, mein,

Was Euch gefällt, soll mein Gefallen sein!

Herr, Euren Willen ich zu meinem mache;

Wie's Euch beliebt, entscheidet in der Sache!“

Sanft sprach der Markgraf: „Weitern Rath zu pflegen,

Laßt uns zusammen in Dein Zimmer geh'n,

Du, sie und ich. – Und fragst Du mich weßwegen?

Nun wohl! in Deinem Beisein soll's gescheh'n,

Vor Deinem Ohr soll sie mir Rede steh'n,

Auf meine Frage: ob sie ewig mein

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Treu und gehorsam Eheweib will sein?“

Und als im Zimmer sie beisammen waren

Um – wie dies später näher dargelegt –

Die Sache zu besprechen, drang in Schaaren

Das Volk ins Haus; und Staunen rings erregt,

Wie sorgsam sie den theuren Vater pflegt.

Doch höchst verwundert stand Griseldis da,

Die nie zuvor ein solches Schauspiel sah.

Kein Wunder war's, daß sich ihr Staunen regte,

Und daß beim Anblick von solch hohem Gast,

340

Wie sie im Hause nie zu sehen pflegte,

Ihr Angesicht so ganz und gar erblaßt.

Doch um die Sache kurz zu machen, laßt

Mich melden, was vom Grafen ward gesagt

Der guten, holden, vielgetreuen Magd.

„Griseldis!“ – sprach er – „wisse und verstehe,

Daß Deinem Vater, so wie mir es paßt,

Daß Du mein Weib wirst, ist zu dieser Ehe,

Wie ich vermuthe, Dein Entschluß gefaßt.

Doch da die Werbung Eile hat und Hast,

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So bitt' ich Dich, daß Du mir Antwort schenkest,

Ob Du mir beistimmst oder anders denkest?“

„Ich frage Dich: bist Du mit Herz und Willen

Bei Tag und Nacht zu meiner Lust bereit?

Willst Du Dich fügen jeder meiner Grillen,

Ob sie Dir Freude machen oder Leid?

Entsagst Du jedem Widerspruch und Streit?

Willst Du in Wort und Mienen niemals schmälen?

So schwör's, und ich beschwöre, Dich zu wählen.“

Verwundert sprach mit Zittern und mit Beben

360

Griseldis: „Herr! unwürdig und nicht werth

Bin ich der Ehre, wenn ich auch ergeben

Das thuen will, was Ihr von mir begehrt.

Ich schwör' es hier: gehorsam, treu bewährt

Sollt Ihr mich finden stets in That und Sinn,

Sonst nehmt mein Leben, das so lieb mir, hin!“

„Das ist genug, Griseldis mein!“ – die Worte

Sprach froh der Markgraf und, gefolgt von ihr,

Enteilte rasch er aus des Hauses Pforte

Und sprach zum Volk in folgender Manier:

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„Seht, die von mir erwählte Braut steht hier!

Habt Ihr mich lieb, so tragt sie auf den Händen,

Verehrt und liebt sie! – damit laßt mich enden!“

An alten Kleidern sollte sie beim Scheiden

Nichts mit sich nehmen, und so übertrug

Den Kammerfrau'n der Graf, sie zu entkleiden;

Und waren sie auch zimperlich genug,

Das zu berühren, was am Leib' sie trug,

Sah man die Maid mit freuderothen Wangen

Doch neugeschmückt vom Kopf zu Fuße prangen.

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Das rauhe Haar begannen sie zu strählen,

Mit zarten Fingern ward aufs Haupt gedrückt

Ihr eine Krone, während mit Juwelen

Von jeder Art und Größe man sie schmückt.

Genug vom Anzug! – Jeder ist entzückt

Von ihrer Schönheit, obschon Glanz und Pracht

Sie für die Leute fast unkenntlich macht.

Ein Ringlein gab der Markgraf ihr zu eigen

Zum Zeichen, daß sein Eheweib sie sei,

Ein schneeweiß Rößlein hieß er sie besteigen,

390

Und hin zum Schloß, vom Volk mit Jubelschrei

Begrüßt, begleitet, zogen rasch die Zwei,

Und froh verbrachten sie den Tag mit Festen,

Bis daß die Sonne niedersank im Westen.

Um in die Länge nicht den Stoff zu ziehen,

Sei kurz erwähnt, daß Gottes Gnadenhand

Der Markgräfin so reiche Gunst verliehen,

Daß Jedermann es schier unglaublich fand,

Sie sei geboren in so nied'rem Stand,

In einer Hütte, einem Ochsenstalle,

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Anstatt entsprossen einer Kaiserhalle.

In Ehrfurcht aber und in Liebe wandte

Sich jedes Herz stets wärmer zu ihr hin.

Das Volk im Dorf, das sie zeitlebens kannte,

Beharrte steif und fest auf seinem Sinn

Und wollte schwören, daß von Anbeginn

Sie nie das Kind Janikola's gewesen,

Vielmehr ein andres, ganz verschied'nes Wesen.

Wie sie die Tugend stets zuvor bewahrte,

Schien sie an Güte und Vortrefflichkeit

410

Mit ihrem Stand zu wachsen, und sie paarte

Die Kunst der Rede mit Verschwiegenheit,

Anstand und Würde mit Leutseligkeit;

Und jedes Herz sie so zu fesseln wußte,

Daß, wer sie sah, auch liebgewinnen mußte.

Indessen blieb nicht auf Saluzzo's Wälle

Ihr guter Namensruf allein beschränkt;

Nein, das Gerücht davon ward in der Schnelle

– Da Einer immer wie der Andre denkt –

Durch alle Lande so umhergesprengt,

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Daß Herr'n und Frau'n, die jungen, wie die alten,

Um sie zu sehen, nach Saluzzo wallten.

Und Walther, der in Niedrigkeit zwar freite,

Doch königlich und überglücklich, fand

Den Frieden Gottes an der Gattin Seite

Und anderweitig Huld und Gunst im Land;

Und da er sah, daß unter niederm Stand

Auch Tugend wohne, ließ für weise gelten

Ihn rings das Volk – und das geschieht höchst selten.

Griseldis aber war nicht nur erfahren

430

In jeder Weibespflicht der Häuslichkeit;

Nein, wo es Noth that, wußte sie zu wahren

Des Reiches Nutzen, schlichtend jeder Zeit

Im ganzen Lande Zwiespalt, Zank und Streit.

Und was in ihrer Weisheit sie entschieden,

Damit gab sich auch jedes Herz zufrieden.

Und war zugegen oder nicht ihr Gatte,

Erzürnten sich zwei Herr'n in ihrem Land,

Vermittelte sie deren Streit und hatte

Verständ'ge, reife Worte gleich zur Hand,

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Und unparteiisch man den Schiedsspruch fand.

Ein Jeder hielt sie für ein himmlisch Wesen,

Dem Recht zum Schutz, dem Volk zum Heil erlesen!

Nicht lang', nachdem die Hochzeit war begangen,

Gebar Griseldis ihm ein Töchterlein

Trotz ihrem Wunsch, ein Söhnchen zu empfangen;

Froh war der Markgraf, sowie allgemein

Sein ganzes Volk. Dem Mädchen hinterdrein

Ließ, da ihr Schoß so fruchtbar schien und offen,

Sich auch mit Recht ein Knabe noch erhoffen.

450

Pars Tertia.

Und als sie kurze Zeit an ihren Brüsten

Das Kind gesäugt, geschah – was oft gescheh'n –

Daß ihr Gemahl, der Markgraf, von Gelüsten,

Sie zu versuchen, sich erfaßt geseh'n.

Zu schwach, dem tollen Wunsch zu widersteh'n,

Sann er auf Mittel, wie zu diesem Zwecke,

Griseldis er – Gott weiß, umsonst! – erschrecke.

Durch manche Probe war von ihrer Treue

Ihm längst zuvor schon der Beweis geschenkt.

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Was nützt es ihm, daß er sie stets aufs Neue

Versuchen will? – Ach! wenn auch Mancher denkt,

Es sei höchst geistreich, daß sein Weib man kränkt,

So sag' ich Euch, ein schmähliches Betragen

Ist, ohne Nutzen es in Furcht zu jagen.

In solcher Absicht war zur Nacht erschienen

Der Markgraf einst in ihrem Schlafgemach,

Wo er mit düstren und verstörten Mienen

In dieser Weise zu Griseldis sprach:

„An jenen Tag, an dem aus Noth und Schmach

470

Ich Dich einst zog, Dir Glanz und Rang zu schenken

Wirst Du, Griseldis, sicherlich noch denken.“

„Griseldis, daß ich Dich mit Ehren schmückte

Und zu dem Rang und zu der Würdigkeit,

Die jetzt Dich ziert, aus niederm Stand entrückte

Und tiefer Armuth, als ich Dich gefreit,

Vergißt Du, denk' ich, wohl zu keiner Zeit.

Doch bitt' ich aufmerksam mich anzuhören;

Wir sind allein; kein Lauscher kann uns stören.“

„Du weißt es selber, wie Du eingezogen

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In dieses Haus bist – kurze Zeit ist's her.

Zwar lieb ich Dich und bin Dir treu gewogen,

Doch meine Ritter sind Dir's nimmermehr,

Und sagen jetzt, es kränke sie zu sehr,

Daß ich ergäbe mich so ganz zum Knechte

Dir, die entstammt so niederem Geschlechte.“

„Und da Du mir ein Töchterlein beschieden,

So liegen sie beständig mir im Ohr.

Ich lebte gern in Ruhe und in Frieden

Mit meinem Adel ferner, wie zuvor.

490

Dies leicht zu nehmen, bin ich nicht der Thor;

Und muß daher mit Deiner Tochter schalten

Nach meiner Ritter, nicht nach meinem Walten.“

„Jedoch, weiß Gott, zuwider und verdrießlich

Bleibt mir der ganze Handel immerhin;

Und darin vorgehn will ich nicht, bis schließlich

Ich Deiner Zustimmung versichert bin.

Darum bethätige geduld'gen Sinn,

Wie Du mir hoch und theuer hast geschworen,

Als ich im Dorf zum Weibe Dich erkoren.“

500

Sie hörte jedes Wort. Doch im Benehmen,

In ihrer Haltung und Geberde stand

Sie ruhig da und schien sich kaum zu grämen.

„Mein Herr“ – sprach sie – „wir sind in Deiner Hand.

Sei Tod, sei Leben über uns erkannt,

Ich und mein Kind sind Dir von ganzer Seele

Gehorsam stets und, was Du willst, befehle.“

„So wahr ich hoffe, selig einst zu werden,

Was Dir nicht lieb ist, das mißfällt auch mir.

Ich wünsche nichts, hab' ich nur Dich auf Erden,

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Ich fürchte nichts, als den Verlust von Dir!

Das ist mein Herzenswille für und für,

Den unverändert ich durch Zeit und Lage

Bewahren werde bis zum Todestage.“

Wie immerhin der Markgraf sich verstellte,

Ihn freute dennoch, was Griseldis sprach.

Dem Anschein nach voll Mißmuth und voll Kälte

Verließ indessen er ihr Schlafgemach,

Um seine Pläne kurze Zeit hernach

Ganz heimlich einem Manne mitzutheilen,

520

Dem er befahl, zu seiner Frau zu eilen.

Ein' Art Profoß war der vertraute Diener,

Den er stets treu in großen Dingen fand,

Und auch, um Böses auszuführen, schien er,

Wie Leute solchen Schlages, ganz zur Hand;

Und da in ihm sich Lieb' mit Furcht verband

Für seinen Herrn, stahl er, als dessen Wille

Bekannt ihm war, in ihr Gemach sich stille.

„Madam,“ – sprach er – „laßt mir es nicht entgelten,

Wenn ich vollführe, wozu man mich zwingt.

530

Ihr seid so klug und wißt, daß Herren schelten,

Wenn ihren Auftrag man nicht unbedingt

Gehorsam ausführt und genau vollbringt.

Man muß es thun, trotz Jammer und trotz Klagen;

Und so will ich! – Mehr bleibt mir nicht zu sagen.“

„Dies Kind zu holen, ist mir aufgegeben.“

Mehr sprach er nicht. Jedoch, zur Thür gewandt,

Ergriff er es, als wenn er ihm das Leben

Entreißen wollte mit entmenschter Hand.

Still ließ Griseldis ohne Widerstand,

540

Fromm, wie ein Lamm, mit unterdrückten Zähren

Den rohen Schergen klagelos gewähren.

Verdächtig war des Mannes Ruf und Wandel,

Verdächtig gleichfalls war sein Blick und Wort,

Verdächtig war der Zeitpunkt von dem Handel!

Ach! zu der heißgeliebten Tochter Mord

– So wähnte sie – sei er bereit sofort.

Doch ruhig blieb sie, keine Thräne floß,

Und willig trug sie, was der Graf beschloß.

Indessen Worte fand sie doch am Ende,

550

Und fleht so sanft, als ob ein Edelmann

In der Person des Schergen vor ihr stände,

Daß sie ihr Kind noch einmal küssen kann

Vor seinem Tod; und nimmt betrübt es dann

Auf ihren Schoß und lullt es auf und nieder

Und segnet es und küßt es immer wieder.

Mit milder Stimme hub sie an zu sagen:

„Leb' wohl, mein Kind, auf Nimmerwiederseh'n!

Nun, da mein Kreuz ich über Dich geschlagen,

Kann Dir des Himmels Segen nicht entgeh'n.

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Ich will zum Herrn am Marterholze fleh'n

Für Dich, mein Kind! Denn Deiner Mutter wegen

Gehst Du dem Tode diese Nacht entgegen!“

Wohl hätte jede Wärterin mit Schmerzen

Dies angesehn, und, sicher, Wehgeschrei

Hätt' es entlockt jedwedem Mutterherzen.

Und dennoch blieb sie ernst gefaßt dabei,

Geduldig tragend alle Quälerei;

Und sprach zum Schergen mit ergeb'nem Sinn:

„Nimm hier mein kleines Mädchen wieder hin!“

570

„Nun geh'!“ – sprach sie – „und thu', was Dir geboten!

Doch eine Bitte sei Dir noch gestellt:

Ist Dir's erlaubt, so grab' der kleinen Todten

Ein Grab an irgend einem Platz der Welt,

Damit zum Raub sie nicht den Vögeln fällt.“

Doch aus des Schergen Munde kam kein Wort;

Er nahm das Kind und zog des Weges fort.

Der Scherge lief zum Grafen ohne Weilen,

Um, was sie sprach, wie ihr Benehmen war,

Ihm Punkt für Punkt in Kürze mitzutheilen,

580

Und reichte dann sein Töchterlein ihm dar.

Etwas ergriff des Grafen Herz es zwar,

Doch wollt' er trotzdem sich beharrlich zeigen;

Denn stets ist Starrsinn großen Herren eigen.

Den Schergen hieß das Kind in weiche Decken

Er heimlich hüllen und es wohlverwahrt

In einen Kasten oder Korb zu stecken

Und fortzutragen schonungsvoll und zart;

Doch sich zu hüten – auf daß ihm erspart

Der Galgen sei – daß Niemand Argwohn finge,

590

Woher er käme und wohin er ginge.

Doch nach Bologna hin zu seiner Schwester,

Der Gräfin von Panago, schickt' er ihn,

Um sie zu bitten, dieses Kind in bester

Und liebevollster Weise zu erziehn;

Und, da für seinen Plan es nöthig schien,

In jedem Falle strenge zu verschweigen

Vor aller Welt, wem dieses Kind zu eigen.

Der Scherge ging, den Auftrag auszuführen;

Doch kehren wir zum Grafen jetzt zurück.

600

Stets trieb ihn Neugier, weiter nachzuspüren,

Ob nicht sein Weib in Worten oder Blick

Verändert scheine durch ihr Mißgeschick.

Doch keinen Wechsel nahm er an ihr wahr,

Ernst aber freundlich blieb sie immerdar.

Sie schien ihn unverändert noch zu lieben;

Demüthig, freundlich, thätig, dienstbereit,

In jeder Hinsicht war sie gleich geblieben;

Doch von dem Kind sprach sie zu keiner Zeit,

Und nie verrieth sie irgendwie ihr Leid;

610

Und selbst in frohen Stunden, wie im Grame

Blieb unerwähnt stets ihrer Tochter Name.

Pars Quarta.

Vier Jahre waren dergestalt verflossen,

Eh' sie vom Grafen wieder schwanger war

Und ihm durch Gottes Fügung einen Sprossen,

Den anmuthreichsten, schönsten Sohn gebar.

Und mit dem Vater jubelte die Schaar

Des ganzen Volks und pries für seine Güte

Den lieben Gott aus dankbarem Gemüthe.

620

Als nach zwei Jahren von der Amme Brüsten

Das Kind entwöhnt war, ließ zu jener Zeit

Der Markgraf sich zum zweiten Mal gelüsten,

Zu prüfen und versuchen fernerweit

– O, nutzlos Thun! – der Gattin Festigkeit.

Doch, Maß zu halten, leicht der Mann vergißt,

Sobald sein Weib allzu geduldig ist.

„Weib!“ – sprach der Graf – „Du wirst vernommen haben:

Man hat mir unsre Heirath stets verdacht;

Doch ist mein Volk seit der Geburt des Knaben,

630

Wie nie zuvor darüber aufgebracht.

Den Muth sein Murren mir verlieren macht;

Zu Ohren kommen mir so scharfe Klagen,

Daß mir ins Herz sie Todesschrecken jagen.“

„Sie sprechen: Ruht einst Walther in der Grube,

So folgt, da uns ein andrer Erbe fehlt,

Aus dem Geblüt Janikolas der Bube.

Fürwahr! das ist's, was murrend man erzählt

In meinem Volk und was mit Furcht mich quält.

Doch sicher muß Gewicht ich darauf legen,

640

Obschon sie schweigen, bin ich selbst zugegen.“

„Wo möglich, wünsch' ich Frieden zu bewahren;

Und fest hab' ich mir deßhalb vorgesetzt,

Wie ich mit seiner Schwester bin verfahren,

Ganz so verfahr' ich heimlich mit ihm jetzt.

Drum sei gewarnt, wie schwer es Dich verletzt,

Nicht plötzlich leidenschaftlich aufzuflammen,

Nein, bitte, nimm Dich in Geduld zusammen.“

„Ich sagte“ – sprach sie – „und ich werde sagen

Es immerdar: Dein Wunsch ist mein Gebot!

650

Wenn Du befiehlst, werd' ich geduldig tragen

Den Tod des Sohnes, wie der Tochter Tod.

Ich litt um sie schon Schmerz in Kindesnoth,

Als ihnen Dasein dieser Schoß gegeben,

Und Schmerz um sie blieb auch mein Loos im Leben.“

„Du bist mein Herr, und mit den Deinen schalten

Kannst Du nach Willkür! Laß mich ungefragt!

Wie ich von meiner Kleidung nichts behalten,

Als ich Dich nahm, hab' mit der Tracht der Magd

Ich meiner Freiheit auch zugleich entsagt,

660

Und nahm Dein Kleid, drum thu', was Du beschlossen,

Gehorsam folg' ich Dir stets unverdrossen.“

„Wo je zuvor nur die geringste Ahnung

Ich hegen konnte, was Dein Herz begehrt,

Bedurft' ich auch gewißlich keiner Mahnung;

Und jetzt, nachdem Dein Wille mir erklärt,

Wirst Du mich standhaft finden und bewährt

Bis an den Tod. Mir sei zu Deinem Frommen

Und Deinem Wohl er jederzeit willkommen!“

„Mehr gilt mir Deine Liebe, als mein Leben!“

670

Die Worte sprach sie. – Und der Markgraf schlug

Die Augen nieder, staunend, wie ergeben

Und fest und standhaft sich sein Weib betrug,

War auch die Prüfung schmerzensvoll genug.

Mit finstren Blicken, doch erfreuten Sinnen

Ging dann der Markgraf wiederum von hinnen.

Und wieder trat der garst'ge Mann ins Zimmer

Und wiederum ergriff er, wie er schon

Einst ihre Tochter holte, ja, noch schlimmer,

Wenn's möglich wäre, ihren schönen Sohn.

680

Geduldig trug sie fort und fort den Hohn;

Sie klagte nicht, sie setzte nichts entgegen;

Nein, gab dem Knaben Abschiedskuß und Segen.

Sie bat ihn nur, wenn es sein Amt erlaube,

Für ihres Söhnchens feinen, zarten Leib

Ein Grab zu graben, daß er vor dem Raube

Der Vögel und der Thiere sicher bleib'.

Doch keine Antwort fand das arme Weib.

Fort ging er, scheinbar mit verstocktem Sinn,

Doch sorgsam trug er's nach Bologna hin.

690

Des Markgrafs Staunen wuchs mit jedem Tage,

Je mehr er sah, wie sie geduldig blieb;

Und ständ' es nicht so gänzlich außer Frage,

Ihr wären beide Kinder mehr als lieb,

So hätt' er wähnen können, daß ein Trieb

Nach Rache heimlich ihr am Herzen zehre,

Und Maske nur die Duldermiene wäre.

Er wußte ja, es hing ihr Herz beständig

Zunächst nach ihm allein den Kindern an.

Mich an die Weiber nunmehr fragend wend' ich:

700

Ob diese Probe nicht genügen kann?

Ist's möglich, daß ein unbeugsamer Mann

Noch mehr ersinnt, von ihr Geduld und Treue

Und Weiblichkeit zu prüfen stets aufs Neue?

Doch solche Leute trifft man oft im Leben,

Die, wenn sie einen Vorsatz erst gefaßt,

Daran mit solchem Eigensinne kleben,

Als ob sie gleichsam fest an einen Mast

Gebunden wären. Und dies Gleichniß paßt

Auch auf den Grafen. Stets blieb er gesonnen,

710

Es fortzutreiben, wie er es begonnen.

Er lauerte, ob sie in Wort und Wesen

Sich nicht verändert zeige gegen ihn.

Doch, wie in ihren Zügen nichts zu lesen,

Blieb ohne Wechsel auch ihr Herz und schien,

Je mehr und mehr der Jugend Jahre fliehn,

Wo möglich noch mit größerem Verlangen

Nach seiner Liebe fest an ihm zu hangen.

Und somit schienen nur von einem Willen

Die Zwei beseelt. Vergnügt und wohlgemuth

720

Entsprach Griseldis jeder seiner Grillen;

Und so ging Alles – Gott sei Dank! – auch gut.

Sie zeigte, daß ein Weib am Besten thut,

Dem Mann zu folgen und in allen Dingen

Den eignen Willen gänzlich zu bezwingen.

Doch wunderweit durch alle Lande drangen

Bald die Gerüchte seiner Grausamkeit.

Daß an den Kindern heimlich Mord begangen,

Weil er ein Weib aus niederm Stand gefreit,

Erzählte man im Volke weit und breit.

730

Kein Wunder war's, da Niemand es erfahren,

Daß beide Kinder noch am Leben waren.

Stand er bei Allen in der höchsten Achtung,

Eh' dies Gerücht dem Volk zu Ohren drang,

So fiel er jetzt in niedrige Verachtung;

Verhaßt vom Mörder war des Namens Klang.

Er aber trieb es weiter wie bislang,

Stets blieb bei ihm der böse Vorsatz oben:

Sein Weib noch mehr zu prüfen und erproben.

Als etwa in dem Alter von zwölf Jahren

740

Die Tochter stand, entsandte Botschaft er

Zum Hof nach Rom, in der Art zu verfahren,

Wie listig abgekartet war vorher,

Und wie ein Schreiben zu ersinnen wär',

Daß ihm der Papst gestatte zum Gedeih'n

Und Wohl des Volks ein andres Weib zu frei'n.

Das heißt, gefälscht, wie er befohlen hatte,

In einer Bulle ward des Papstes Hand,

Indem man schrieb, daß ihm der Papst gestatte,

Zu lösen seiner Ehe Bund und Band,

750

Damit geschlichtet zwischen seinem Land

Und ihm der Zwiespalt sei, der sich entzündet.

– So sprach die Bulle – und so ward's verkündet.

Das rohe Volk – kein Wunder war es – dachte,

Es hätte durchaus seine Richtigkeit.

Mich aber dünkt, das schwerste Herzweh machte

Griseldis sicher diese Neuigkeit.

Indeß sie trug die Widerwärtigkeit,

Zu welcher sie vom Schicksal war erlesen,

Mit immer gleichem und geduld'gem Wesen.

760

Sich jeder Laune fügend, blieb ihr Sinnen

Und ganzes Denken stets ihm zugewandt.

Doch, den Bericht nicht länger auszuspinnen,

Erzähl' ich kurz, daß von des Grafen Hand

Ein Schreiben nach Bologna war entsandt,

In welchem alle Pläne, die er hegte,

Er im Vertrauen klar und offen legte.

Dem Grafen von Panago, seinem Schwager,

War dringend das Ersuchen übermacht,

Die Kinder wieder an des Hofes Lager

770

Ihm heimzusenden in der größten Pracht,

Ganz öffentlich, jedoch mit Vorbedacht,

An keinen Menschen und auf kein Befragen

Von ihrer Herkunft irgend was zu sagen;

Doch auszusprengen, daß zur Braut erwählte

Der Markgraf von Saluzzo diese Maid. –

Und nachzukommen seinem Wunsch, verfehlte

Auch nicht der Graf. Denn zur bestimmten Zeit

Sah man ihn unter stattlichem Geleit

Mit ihr und ihrem Brüderchen daneben

780

Sich nach Saluzzo auf den Weg begeben.

Man schmückte sie mit Gemmen und Gesteinen

Wie eine Braut zum Hochzeitsfeste dann,

Und kleidete in gleicher Art den kleinen,

Nur sieben Jahre alten Bruder an;

Worauf der Festzug feierlich begann.

Im höchsten Glanze ritten froh und heiter

Von Tag zu Tag sie nach Saluzzo weiter.

Pars Quinta.

Inzwischen blieb des Grafen böses Sinnen,

790

Sein Weib zu prüfen immer mehr und mehr.

Und um die Ueberzeugung zu gewinnen,

Ob sie sich standhaft zeige wie zeither,

Ersann die schwerste aller Proben er,

Und sprach zu ihr im öffentlichen Kreise

Des ganzen Hofs in dieser schnöden Weise:

„Gewiß, Griseldis, nimmer fühlt' ich Reue,

Daß ich dich hab' zu meinem Weib erwählt;

Denn Deine Güte, Folgsamkeit und Treue

Ersetzen, was an Blut und Reichthum fehlt.

800

Doch auch die Wahrheit blieb mir nicht verhehlt,

– Und allzutief hab' ich sie jetzt empfunden –

Daß Herrschaft stets mit Knechtschaft ist verbunden.“

„Nicht wie ein Bauer darf ich thun und treiben,

Was mir gefällt. – Mein Volk verlangt und schreit

Und drängt, mich anderweitig zu beweiben;

Und um zu schlichten diesen Zank und Streit,

Ist auch der Papst gesonnen und bereit,

Es zu gestatten. – Und so laß Dir sagen:

Mein neues Weib kommt schon wenig Tagen.“

810

„Sei starken Herzens! – Schleunigst mußt Du räumen

Ihr Deinen Platz. – Nimm Deinen Brautschatz mit!

Ich schenk' ihn Dir. – Doch lenke sonder Säumen

Zu Deines Vaters Hütte jetzt den Schritt.

Nicht Jedermann ist seines Glückes Schmied;

Und trifft Dich Unglück ohne Dein Verschulden,

So lerne Du, mit Gleichmuth es erdulden.“

Sie aber sprach ergeben und gelassen:

„Mein Herr! ich weiß und hab' es längst erkannt,

Dein hoher Rang kann nicht zusammenpassen

820

Mit meiner Armuth, meinem niedern Stand;

Und mir, wie Jedem, sagt es der Verstand:

Zur Zier gereichen kann ich Deinem Hofe

Nicht als Dein Weib; nein, kaum als Kammerzofe.“

„Doch Gott wird mir das Zeugniß nicht versagen

– Sonst fahre meine Seligkeit dahin! –

Nie hab ich mich als Herrscherin betragen,

Seitdem ich Dame Deines Hauses bin;

Nein, stets als Deiner Hoheit Dienerin;

Und so verbleib' ich auch fürs ganze Leben

830

Dir mehr als jeder Kreatur ergeben.“

„Daß Deine Güte Du so lang bewährtest,

Und daß Du weit, weit über die Gebühr

Stets in der adeligsten Art mich ehrtest,

Mit ganzem Herzen dank' ich Gott dafür.

Er lohne Dir's! – Mich aber laß zur Thür

Der Vaterhütte meine Schritte wenden;

Dort laß mich wohnen und mein Leben enden!“

„Ich lebte dort in meinen Jugendjahren.

Dort will ich auch als Wittwe bis ans Grab

840

Dir Leib und Seele keusch und rein bewahren,

Und wie ich Dir zu eigen mich ergab

Und Dich als treues Weib geliebt, so hab'

Auch keine Furcht, daß ich nach solcher Ehre

Je einem Andern meine Gunst gewähre.“

„Dein neues Weib! – Nun, Heil und Segen spende

Nur stets durch sie Dir Gottes Gnadenhand! –

Gern räum' ich meinen Platz ihr ein und wende

Mich fort vom Haus, wo ich mich wohl befand,

Durch Dich, der einst mein Alles war, verbannt!

850

Indeß, Dein Wunsch und Wille soll geschehen:

Du heißt mich gehen – und ich werde gehen!“

„Du schenkst mir Alles, was als Morgengabe

Ich Dir gebracht! – Doch Silber nicht, noch Gold,

Ein altes Kleid war alle meine Habe,

Und das ließ ich zurück, wie Du gewollt.

– O, lieber Gott, wie treu, wie gut, wie hold,

Wie freundlich warst Du mir in Wort und Mienen

An unserm ersten Hochzeitstag erschienen!“

„Ein Sprichwort sagt, und daß es wahr und treu ist,

860

Hat die Erfahrung auch an mir bewährt:

Alt ist die Liebe nur, so lang sie neu ist!

Doch bester Herr, was mir auch widerfährt,

Bis an den Tod bleibst Du mir lieb und werth!

Ich gab mein Herz auf ewig Dir zu eigen

Und keine Reue werd' ich je Dir zeigen.“

„Auf Dein Geheiß warf ich mein schlichtes Mieder,

Als ich mein Vaterhaus verließ, von mir;

Ich brachte nichts als meine nackten Glieder,

Mein Mädchenthum und meine Treue Dir!

870

Zurück empfange Deine Kleider hier,

Zurück den huldvoll mir geschenkten Schimmer,

Zurück auch Deinen Ehering – für immer!“

„Was Du mir sonst an Schmuckwerk hast verliehen,

Das, darf ich sagen, birgt mein Schlafgemach.

Du nahmst mich nackend, und Du heißt mich ziehen

Auch nackend heim zum väterlichen Dach.

All Deinen Wünschen komm' ich willig nach.

Doch kann ich nicht an Deine Absicht glauben,

Mich jeder Hülle schamlos zu berauben.“

880

„Du kannst mich nicht so schonungslos verletzen,

Mich wie den Wurm im Staube nackt und bloß

Dem Gafferblick des Pöbels auszusetzen,

Zur Schau ihm stellend meinen Mutterschoß,

Aus welchem Dir Dein Kinderpaar entsproß.

Erinn're Dich, mein theurer Herr, ich bleib',

Werth oder unwerth, immerhin Dein Weib!“

„Ich brachte Dir mein Mädchenthum, doch kehre

Mit meinem Mädchenthume nicht zurück;

Drum darf ich bitten, lieber Herr, gewähre

890

Mir zum Ersatz ein grobes Kleidungsstück,

Wie ich es trug, damit des Volkes Blick

Den Leib nicht sehe, der Dein eigen war;

Und damit Herr, leb' wohl auf immerdar!“

„Das Hemd,“ – sprach er – „das Du auf Deinem Rücken

Jetzt trägst, behalte; geh' damit nach Haus.“

Doch konnt' er kaum die Thränen unterdrücken,

Und schlich betrübten Herzens sich hinaus.

Doch vor dem Volke zog ihr Kleid sie aus,

Und nur im Hemde lenkte sie die Schritte,

900

Baarfüßig, baarhaupt zu des Vaters Hütte.

Und weinend zogen mit ihr Volkes Massen

Und fluchten laut dem unbeständ'gen Glück;

Doch sie verhielt sich schweigend und gelassen,

Und keine Thränen trübten ihren Blick.

Entsetzt vernahm der Vater ihr Geschick,

Verwünschend Tag und Stunde, die das Leben

Ihm armen, unglücksel'gen Mann gegeben.

Denn, ohne Zweifel, Ahnungen durchdrangen

Seit langer Zeit des armen Greises Brust,

910

Der Markgraf werde, wenn erst sein Verlangen

Gesättigt wäre und gestillt die Lust,

Sich nur zu rasch des Unterschieds bewußt

Von seinem Rang und ihrem niedern Stande,

Und baldigst lösen seiner Ehe Bande.

In Eile lief der Tochter er entgegen,

Als ihm der Lärm des Volks zu Ohren drang,

Ihr unter Thränen wieder anzulegen

Ihr altes Kleid, was nimmer ihm gelang.

Zu alt und fadenscheinig war schon lang

920

Der grobe Kram geworden seit den Tagen,

Als sie am Hochzeitsmorgen ihn getragen.

Hinfort blieb unter ihres Vaters Dache

Die Blume weiblicher Ergebenheit.

Und nie verrieth durch Mienen oder Sprache

Sie vor der Welt, noch in der Einsamkeit,

Was sie ertrug an Kränkung und an Leid.

Kaum schien sie die Erinn'rung zu bewahren

An ihren Rang in Haltung und Gebahren.

Kein Wunder war's, da sie im höchsten Schimmer

930

Des Herzens Demuth keiner Zeit verlor;

Verzärtelt hatte Sinn und Leib sie nimmer,

Nie blähte sie der Hoheit Pomp empor.

Geduldig, freundlich blieb sie, wie zuvor;

Ehrbar, verschwiegen, ohne Ueberhebung

Gehorchte sie dem Gatten mit Ergebung.

Von Hiobs Langmuth haben uns die Schreiber

Gar viel erzählt. Stets stellen sie voran

Die Männerwelt und haben für die Weiber

Nur wenig Lob. Und doch in Demuth kann

940

Mit einer Frau sich messen nie der Mann;

Und keinen giebt es, der nur halb so treu ist;

Sonst liegt ein Fall vor, welcher gänzlich neu ist.

Pars Sexta.

Es fand inzwischen das Gerücht Verbreitung

Und rings im ganzen Volke ward es laut

Es käme von Bologna in Begleitung

Des Grafen von Panago Walthers Braut;

Und nimmer wäre solcher Pomp erschaut

Im ganzen Westen von der Lombardei,

950

Wie bei dem Festzug zu erblicken sei.

Der Markgraf aber lenkte wie am Faden

Das ganze Spiel; und ließ, bevor sein Gast

Die Stadt erreichte, schon durch Boten laden

Das arme Kind, Griseldis, zum Palast.

Und ohne Haß und Groll kam sie, gefaßt,

Demüthig, freundlich, um ihn zu begrüßen,

Und warf sich voller Ehrfurcht ihm zu Füßen.

„Griseldis!“ – sprach er – „es ist mein Verlangen,

Die Dame, die ich mir zum Weib erwählt,

960

So königlich hier morgen zu empfangen,

Daß, soweit möglich, nichts im Hause fehlt,

Und Jeder, der zu meinen Gästen zählt,

Nach seinem Rang gestellt und auf das Beste

Gefeiert und bedient sei bei dem Feste.“

„Mir fehlt die Weiberhand, des Hauses Hallen

Nach meinem Wunsch zu schmücken, und so bin,

Dies herzurichten, ich auf Dich verfallen;

Denn Du bist unerfahren nicht darin,

Und kennst aus frühern Zeiten meinen Sinn.

970

Ist auch Dein Anzug schlecht und abgerissen,

Thu' Deine Pflicht und zeig' Dich dienstbeflissen.“

„Nicht nur erfreut, mein Herr“ – so sprach sie – „bin ich,

Zu thun, was Ihr verlangt; nein, jeder Zeit

Euch zu gefallen und zu dienen sinn' ich,

Und bin dazu ganz wankellos bereit.

Denn wie im Glücke, so wird auch im Leid

In meinem Busen nie der Wunsch erkalten,

In treuster Liebe fest an Euch zu halten.“

Und mit dem Wort begann sie schon zu schmücken

980

Das Haus, macht Betten, deckt die Tafeln dann,

Und trieb, um Alles bestens zu beschicken,

Zum Fegen und zum Scheuern, wie sie kann,

Die Dienerschaft in Gottes Namen an.

Doch sie war stets die Thätigste von allen;

Und bald im Festschmuck prangten Haus und Hallen.

Am Morgen traf etwa zur neunten Stunde

Der Graf sodann mit beiden Kindern ein.

Zusammen lief das Volk bei dieser Kunde

Und nahm die Herrlichkeit in Augenschein.

990

Und gleich zuerst hieß es schon allgemein:

Kein Thor sei Walther, und wär's auch nicht recht,

Sein Weib zu wechseln, sei der Tausch nicht schlecht.

Daß sie weit schöner als Griseldis wäre,

An Jahren jünger, vornehmer an Stand,

Und schöne Früchte sicher ihm gebäre,

Ward von dem Volke ringsum anerkannt.

Auch an dem hübschen, frischen Bruder fand

Es viel Gefallen, und gelobt ward offen,

Vortrefflich sei des Markgrafs Wahl getroffen.

1000

O, stürmisch Volk, in Dir wohnt keine Treue!

Mit jedem Wind, gleich einem Wetterhahn,

Dreht sich Dein steter Flattersinn aufs Neue;

Mehr als der Mond dem Wechsel unterthan,

Jubelst Du Beifall jedem frischen Wahn.

Falsch ist Dein Urtheil, schwankend, niemals fest;

Der ist ein Narr, wer sich auf Dich verläßt.

So sprachen in der Stadt gesetzte Leute,

Indessen gaffend rings der Pöbel stand.

Und mit veränd'rungssücht'gem Sinn sich freute

1010

Der neuen Herrin über Stadt und Land.

Doch nun verlass' ich diesen Gegenstand,

Damit ich von Griseldis' fester Seele

Und ems'gem Schaffen fernerhin erzähle.

In jeder Hinsicht that sie dienstbeflissen,

Das Fest zu ordnen, wacker ihre Pflicht.

War auch ihr Anzug grob und halb zerrissen,

Sie schämte sich der armen Kleidung nicht.

Nein, ging zum Thor mit freundlichem Gesicht,

Die Gräfin dort gemeinsam zu empfangen;

1020

Und dann ward flugs ans Werk zurückgegangen.

Mit holder Anmuth grüßte sie die Gäste,

Und hofgemäß und fehlerlos empfing

Nach Rang und Stand sie Jeden auf das Beste,

Und Allen schien's ein wundersames Ding,

Woher der Frau, von Anschein so gering,

Die höfischen, gewandten Formen kämen;

Und Jeder pries als würdig ihr Benehmen.

Und alle Zeit hindurch sie nur zum Preise

Der jungen Maid und ihres Bruders sprach

1030

Aus vollem Herzen und in güt'ger Weise;

Und keinem Andern stand sie darin nach.

Doch als man schließlich zum Bankett aufbrach,

Da rief Griseldis, welche dort im Saal

Geschäftig wirkte, zu sich ihr Gemahl.

Und er begann, als ob's sein Stichwort wäre:

„Griseldis, sprich, wie Dir mein Weib gefällt?“

„Sehr gut!“ – gab sie zur Antwort – „ja, auf Ehre!

Ich sah kein schön'res Wesen auf der Welt.

Sei Glück und Segen stets Euch beigesellt;

1040

Das gebe Gott! und seine Huld und Gnade

Begleit' Euch stets auf Eurem Lebenspfade!“

„Doch diese Warnung will ich nicht verhehlen:

Ich bitte Dich, die zarte, junge Maid

Nicht so wie mich zu martern und zu quälen,

Sie ist an Liebe nur und Zärtlichkeit

Allein gewöhnt, und kann daher im Leid

Nicht, wie ein Weib aus niedern Lebenskreisen,

So zähen Muth und festen Sinn beweisen.“

Und als sie so ergeben fand ihr Gatte

1050

Und sah, daß ohne Groll noch immerdar,

Wie schwer und oft er sie beleidigt hatte,

Sie fest und stark wie eine Mauer war,

Und ihre Güte stets unwandelbar,

Da regte sich in seinem Herzen Reue

Daß er bezweifelt seines Weibes Treue.

„Dies ist genug, Griseldis mein!“ – so rief er –

„Sei nicht mehr angst! Dir widerfährt kein Leid!

Von keinem Weibe ward erprobt je tiefer

Der feste Sinn und die Beständigkeit.

1060

In Glanz und Armuth hab' ich jeder Zeit,

O, theures Weib, Dich fest bewährt gefunden!“ –

Und damit hielt sie küssend er umwunden.

Ob ihr die Worte zwar zu Ohren drangen,

Sie faßte kaum, daß Alles sie betraf.

Ihr war zu Muth, als führe sie aus bangen

Und schweren Träumen plötzlich aus dem Schlaf.

„Du bist mein Weib, Griseldis!“ – rief der Graf –

„Und – soll mir Gott im Himmel gnädig sein! –

Nie war, noch wird ein andres jemals mein!“

1070

„Die Dame, die Du für mein Weib gehalten,

Ist Deine Tochter, und der Knabe hier

Dein Sohn, und als mein Erbe soll er schalten.

Was einst Dein treuer Schooß gebar, sei Dir

Zurückgegeben wiederum von mir!

Nur in Bologna hielt ich sie verborgen;

Du brauchst nicht mehr um ihren Tod zu sorgen.“

„Wer jemals anders dachte, soll erfahren:

An meinen Finger haftet nicht das Blut

Von meinen Kindern. – Gott soll mich bewahren! –

1080

Mich trieb nicht Lust an Grausamkeit, nicht Wuth;

Nur zu erproben Deinen festen Muth,

Geschah's, daß ich sie heimlich von hier sandte,

Bis daß ich Dich von Herzensgrund erkannte.“

Sie hört es an und sinkt zu Boden nieder,

Ohnmächtig, halb vor Freude, halb vor Schmerz;

Und weinend drückte wiederum und wieder

Sie beide Kinder an ihr Mutterherz,

Und schluchzte laut und blickte himmelwärts,

Benetzend unter heißen Freudenküssen

1090

Der Kinder Haupt mit ihren Thränengüssen.

O, rührend war's, wie sie in sanftem Tone

Das Wort ergriff und schwankend niedersank:

„Grand merci, Herr! Daß Gott Dich dafür lohne!

Gerettet sind die Kinder! – Habe Dank!

Nun ist mir nimmer vor dem Tode bang;

Da Du mich liebst, da Deine Gunst ich habe,

So sterb' ich gern und geh' getrost zum Grabe!“

„O, zarte, theure Kinder! tief im Grunde

Des Mutterherzens wähnt' ich lange Zeit,

1100

Daß ihr der Fraß der Würmer und der Hunde

Geworden wär't. Des Vaters Gütigkeit

Erhielt Euch mir. – Gott sei gebenedeit!“

Und mit den Worten sank bewußtlos wieder,

Vom Glück bewältigt, sie zu Boden nieder.

Doch in der Ohnmacht immer noch umschlang sie

Die beiden Kinder fest mit ihrer Hand,

Bis halb durch Güte man und halb durch Zwang sie

Den Mutterarmen wiederum entwand.

O, thränenleer im Kreise Niemand stand.

1110

Wie sehr den Schmerz er unterdrücken wollte,

Feucht ward sein Auge, und die Thräne rollte.

Jedoch, durch Walther aufgeheitert, legte

Sich ihre Sorge, bis verwirrt sie dann

Empor sich wieder aus der Ohnmacht regte,

Und, froh gestimmt durch ihn und Jedermann,

Auch das Bewußtsein bald zurückgewann.

Ein schöner Anblick war's, vereint aufs Neue

Die Zwei zu seh'n in alter Lieb' und Treue.

In ihre Kammer führten sie die Damen,

1120

Sobald der Zeitpunkt ihnen passend schien,

Wo sie die grobe Hülle von ihr nahmen,

Um ihr ein goldnes Prachtkleid anzuzieh'n.

Im Haupt die Krone, welcher Glanz verlieh'n

Die reichsten Steine, schritt sie dann zur Halle,

Und nach Gebühr begrüßten sie dort Alle.

So frohes Ende hat der Tag gefunden,

Der schlimm begann. Und allen Frau'n und Herr'n

Entschwanden unter Lust und Scherz die Stunden,

Bis hell am Himmel glänzte Stern an Stern;

1130

Und zugestanden ward von Jedem gern,

Weit glänzender sei dieses Festgelage,

Als das Bankett an ihrem Hochzeitstage.

Und Beide lebten dann in Ruh' und Frieden

Und höchstem Glück noch manches liebe Jahr.

Der Tochter ward der beste Mann beschieden,

Der in Italien nur zu finden war.

Und an dem Hofe ward für immerdar

Ihr alter Vater durch der Kinder Hände

Getreu gepflegt bis an sein Lebensende.

1140

Und nach dem Tode Walthers trug die Krone

Sein Sohn, der, auf das Glücklichste vermählt,

In Ruh' und Frieden lebte, jedoch ohne

Daß er sein Weib versucht hat und gequält.

Denn unserm jetzigen Geschlechte fehlt

Der Vorzeit Kraft. Zu läugnen ist dies nicht,

Und darum hört, was mein Gewährsmann spricht:

Nicht ist es die Moral von dieser Sage,

Daß jedes Weib mit der Ergebenheit,

Wie hier Griseldis, jede Schmach ertrage;

1150

Denn das zu thuen, ist Unmöglichkeit.

Nein, daß wir allesammt in Noth und Leid

So fest und standhaft wie Griseldis blieben,

Empfahl Petrark, der den Bericht geschrieben.

Denn, wenn ein schwaches Weib sich so geduldig

Schon gegen einen Sterblichen beträgt,

O, wie viel mehr sind wir alsdann wohl schuldig,

Zu tragen, was uns Gott hat auferlegt,

Der Alles lenkt und Alles wohl erwägt.

Denn, wie im Briefe St. Jakobus spricht:

1160

Er prüft den Menschen, doch versucht ihn nicht.

Und wenn er manchmal mit den scharfen Ruthen

Des Leidens und des Ungemachs uns straft,

Geschieht's zu unsrer Prüfung, unserm Guten,

Nicht zu erproben unsre Willenskraft.

Gott hat zuvor von Allem Wissenschaft.

Er züchtigt nur aus Liebe, nur aus Huld.

Darum ertrag' Dein Leiden in Geduld.

Hört noch ein Wort, ihr Herr'n, bevor ich ende:

Erstaunlich wär' es, wenn man zwei bis drei

1170

Griselden jetzt in einer Stadt noch fände,

Die willig trügen solche Quälerei.

Gemischt dem Gold ist zu viel Kupfer bei.

Die Münze freilich hat viel Glanz und Schimmer,

Doch sie zerbricht, indeß sie biegt sich nimmer.

Jedoch dem Weib von Bath und mit ihr allen

Den andern Weibern schenke lebenslang

Gott die Regierung. Ihnen zu Gefallen

Sing' ich aus frohem, frischem Herzensdrang

Zum Schlusse noch den lustigsten Gesang;

1180

Drum schweigt mit mir von ernsten Sachen still!

Dies ist mein Lied! Mir höre zu, wer will.

Griseldis starb. Ins welsche Grab gefahren

Ist die Geduld mit ihr zur gleichen Zeit. –

Zu Euch, ihr Männer, sprech' ich jetzt in klaren

Und schlichten Worten: Treibt es nicht zu weit!

Denn eine zweite findet Ihr wohl schwerlich

Gleich der Griseldis an Geduldigkeit.

Aus Demuth stumm die Zunge zu bewahren,

O, edle Weiber, das ist nicht gescheidt;

1190

Gebt zu Gedichten nie durch ein Gebahren

Wie einst Griseldis die Gelegenheit.

Denn Chichevache ist hungrig und begehrlich

Und frißt Euch auf, wenn Ihr geduldig seid!

Der Echo folgt, die – wie Ihr selbst erfahren –

Sobald man ruft, schlagfertig wieder schreit.

Versteht es, Euch die Herrschaft zu bewahren,

Und hütet Euch vor blinder Folgsamkeit.

Hört meinen Rathschlag und befolgt ihn ehrlich;

Er kann Euch nützen bei Gelegenheit.

1200

Erzstarke Frau'n, an Kraft gleich Dromedaren,

Erduldet von den Männern niemals Leid;

Ihr Schwachen aber, die Ihr Euch nicht wahren

Und wehren könnt im ehelichen Streit,

Macht's wie die Klappermühlen und gefährlich

Wie je ein Tiger nur in Indien seid!

Statt Furcht und Demuth stets zu offenbaren,

Schießt Eurem Gatten durch das Panzerkleid,

So daß sein Hals- und Bruststück sie durchfahren,

Die Pfeile zänkischer Beredsamkeit.

1210

Denn wie die Wachtel duckt er, wenn beschwerlich

Ihr ihm durch eifersücht'ge Grillen seid!

Und bist Du schön, so laß die Welt erfahren,

Wie zugeschnitten sei Gesicht und Kleid,

Und bist Du häßlich, so sei im Gebahren

Wie's Lindenblättchen voller Leichtigkeit,

Dann wird ein jeder Mann nach Dir begehrlich,

Wenn auch der Deine klagt und weint und schreit.