BIBLIOTHECA AUGUSTANA

 

Clemens Brentano

1778 - 1842

 

Gedichte 1797 - 1803

 

1802

Januar: Brentano besucht Savigny in Marburg.

Juni: Rheinreise mit Arnim.

Juli: Rückkehr nach Frankfurt am Main.

Reisen nach Marburg, Frankfurt, Koblenz und Düsseldorf.

November: In Düsseldorf entstehen «Die lustigen Musikanten».

10. Dezember: Ein Brief Christian Brentanos knüpft die

Verbindung zu Sophie Mereau wieder an.

 

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Die Lieb spinnt klare Seide

Heimlich, heimlich in der Still,

Und webt an einem Kleide,

Weil sie was verstecken will

 

Hörst du die Spindel kreisen,

Schweige, halt den Atem an

Der Faden möchte reißen

Und dann ists drum getan.

 

Hörst du das Schifflein klingen,

Stille, rühre nicht

Der Faden möchte springen

. . .

 

Entstanden vielleicht 1802 (Boëtius 1985)

 

 

*

 

Grossmutter Schlangenköchin

 

Maria, wo bist du zur Stube gewesen?

Maria, mein einziges Kind!

 

Ich bin bei meiner Großmutter gewesen,

Ach weh! Frau Mutter, wie weh!

 

Was hat sie dir dann zu essen gegeben?

Maria, mein einziges Kind!

 

Sie hat mir gebackne Fischlein gegeben.

Ach weh! Frau Mutter, wie weh!

 

Wo hat sie dir dann das Fischlein gefangen?

Maria, mein einziges Kind!

 

Sie hat es in ihrem Krautgärtlein gefangen,

Ach weh! Frau Mutter, wie weh!

 

Womit hat sie dann das Fischlein gefangen?

Maria, mein einziges Kind.

 

Sie hat es mit Stecken und Ruten gefangen.

Ach weh! Frau Mutter, wie weh!

 

Wo ist denn das Übrige vom Fischlein hinkommen?

Maria, mein einziges Kind!

 

Sie hat's ihrem schwarzbraunen Hündlein gegeben,

Ach weh! Frau Mutter, wie weh!

 

Wo ist dann das schwarzbraune Hündlein hinkommen?

Maria, mein einziges Kind!

 

Es ist in tausend Stücke zersprungen.

Ach weh! Frau Mutter, wie weh!

 

Maria, wo soll ich dein Bettlein hin machen?

Maria, mein einziges Kind!

 

Du sollst mir's auf den Kirchhof machen.

Ach weh! Frau Mutter, wie weh!

 

1802 (Schultz 1995)

 

 

*

 

Mutter:

Maria, wo bist du zur Stube gewesen?

Maria, mein einziges Kind!

 

Kind:

Ich bin bei meiner Großmutter gewesen.

Ach weh! Frau Mutter, wie weh!

 

Mutter:

Was hat sie dir dann zu essen gegeben?

Maria, mein einziges Kind!

 

Kind:

Sie hat mir gebackene Fischlein gegeben.

Ach weh! Frau Mutter, wie weh!

 

Mutter:

Wo hat sie dir dann das Fischlein gefangen?

Maria, mein einziges Kind!

 

Kind:

Sie hat es in ihrem Krautgärtlein gefangen.

Ach weh! Frau Mutter, wie weh!

 

Mutter:

Womit hat sie denn das Fischlein gefangen?

Maria, mein einziges Kind!

 

Kind:

Sie hat es mit Stecken und Ruten gefangen.

Ach weh! Frau Mutter, wie weh!

 

Mutter:

Wo ist denn das Übrige vom Fischlein hinkommen?

Maria, mein einziges Kind!

 

Kind:

Sie hats ihrem schwarzbraunen Hündlein gegeben.

Ach weh! Frau Mutter, wie weh!

 

Mutter:

Wo ist denn das schwarzbraune Hündlein hinkommen?

Maria, mein einziges Kind!

 

Kind:

Es ist in tausend Stücke zersprungen.

Ach weh! Frau Mutter, wie weh!

 

Mutter:

Maria, wo soll ich dein Bettlein hinmachen?

Maria, mein einziges Kind!

 

Kind:

Du sollst mirs auf den Kirchhof machen.

Ach weh! Frau Mutter, wie weh!

 

1802, aus dem Roman «Godwi» (Kemp 1978)

 

 

*

 

Lureley

 

Zu Bacharach am Rheine,

Wohnt eine Zauberin,

Die war so schön und feine

Und riß viel Herzen hin,

 

Und machte viel zuschanden

Der Männer rings umher,

Aus ihren Liebesbanden

War keine Rettung mehr.

 

Der Bischof ließ sie laden

Vor geistliche Gewalt,

Und mußte sie begnaden,

So schön war ihr' Gestalt.

 

Er sprach zu ihr gerühret,

«Du arme Lore Lay.

Wer hat dich dann verführet

Zu böser Zauberei.»

 

«Herr Bischof laßt mich sterben,

Ich bin des Lebens müd,

Weil jeder muß verderben,

Der meine Augen sieht.

 

Die Augen sind zwei Flammen,

Mein Arm ein Zauberstab,

O schickt mich in die Flammen,

O brechet mir den Stab.»

 

«Den Stab kann ich nicht brechen,

Du schöne Lore Lay,

Ich müßte dann zerbrechen,

Mein eigen Herz entzwei.

 

Ich kann dich nicht verdammen,

Bis du mir erst bekennt

Warum in deinen Flammen

Mein eignes Herz schon brennt.»

 

«Herr Bischof mit mir Armen

Treibt nicht so bösen Spott,

Und bittet um Erbarmen

Für mich den lieben Gott,

 

Ich darf nicht länger leben,

Ich lieb? kein Leben mehr,

Den Tod sollt ihr mir geben,

Drum kam ich zu euch her.

 

Ein Mann hat mich betrogen,

Hat sich von mir gewandt,

Ist fort von mir gezogen

Fort in ein andres Land.

 

Die Blicke sanft und wilde,

Die Wangen rot und weiß,

Die Worte still und milde,

Die sind mein Zauberkreis.

 

Ich selbst muß drin verderben,

Das Herz tut mir so weh,

Vor Jammer möcht? ich sterben,

Wenn ich zum Spiegel seh?

 

Drum laßt mein Recht mich finden,

Mich sterben, wie ein Christ,

Denn alles muß verschwinden

Weil er mir treulos ist.»

 

Drei Ritter ließ er holen:

«Bringt sie ins Kloster hin,

Geh, Lore! Gott befohlen,

Sei dein berückter Sinn.

 

Du sollst ein Nönnchen werden,

Ein Nönnchen schwarz und weiß.

Bereite dich auf Erden

Zum Tod mit Gottes Preis.»

 

Zum Kloster sie nun ritten,

Die Ritter alle drei,

Und traurig in der Mitten

Die schöne Lore Lay.

 

«O Ritter laßt mich gehen,

Auf diesen Felsen groß,

Ich will noch einmal sehen,

Nach meines Buhlen Schloß,

 

Ich will noch einmal sehen

Wohl in den tiefen Rhein,

Und dann ins Kloster gehen,

Und Gottes Jungfrau sein.»

 

Der Felsen ist so jähe,

So steil ist seine Wand,

Sie klimmen in die Höhe,

Da tritt sie an den Rand,

 

Und sprach: «Willkomm, da wehet

Ein Segel auf dem Rhein,

Der in dem Schifflein stehet,

Der soll mein Liebster sein.

 

Mein Herz wird mir so munter,

Er muß der Liebste sein,»

Da lehnt sie sich hinunter

Und stürzet in den Rhein.

 

Es fuhr mit Kreuz und Fahne

Das Schifflein an das Land,

Der Bischof saß im Kahne,

Sie hat ihn wohl erkannt.

 

Daß er das Schwert gelassen,

Dem Zauber zu entgehn,

Daß er zum Kreuz tät fassen,

Das konnt' sie nicht verstehn.

 

Wer hat dies Lied gesungen

Ein Priester auf dem Rhein

Und immer hat's geklungen,

Vom hohen Felsenstein

 

Lureley

Lureley

Lureley

 

Als wären es meiner drei!

 

1802 (Frühwald 1968)

vgl. die frühe Fassung

 

 

*

 

Wie sich auch die Zeit will wenden, enden

Will sich nimmer doch die Ferne,

Freude mag der Mai mir spenden, senden

Möcht Dir alles gerne, weil ich Freude nur erlerne,

Wenn Du mit gefaltnen Händen

Freudig hebst der Augen Sterne.

 

Alle Blumen mich nicht grüßen, süßen

Gruß nehm ich von Deinem Munde.

Was nicht blühet Dir zu Füßen, büßen

Muß es bald zur Stunde, eher ich auch nicht gesunde,

Bis Du mir mit frohen Küssen

Bringest meines Frühlings Kunde.

 

Wenn die Abendlüfte wehen, sehen

Mich die lieben Vöglein kleine

Traurig an der Linde stehen, spähen

Wen ich wohl so ernstlich meine, daß ich helle Tränen weine,

Wollen auch nicht schlafen gehen,

Denn sonst wär ich ganz alleine.

 

Vöglein euch mags nicht gelingen, klingen

Darf es nur von ihrem Sange,

Wie des Maies Wonneschlingen, fingen

Alles ein in neuem Zwange; aber daß ich Dein verlange

Und Du mein, mußt Du auch singen,

Ach das ist schon ewig lange.

 

März 1802 (Frühwald 1968)

 

 

*

 

O kühler Wald,

Wo rauschest Du,

In dem mein Liebchen geht,

O Widerhall

Wo lauschest Du

Der gern mein Lied versteht.

 

O Widerhall,

O sängst Du ihr

Die süßen Träume vor,

Die Lieder all,

O bring sie ihr,

Die ich so früh verlor. –

 

Im Herzen tief,

Da rauscht der Wald,

In dem mein Liebchen geht,

In Schmerzen schlief:

Der Widerhall,

Die Lieder sind verweht.

 

Im Walde bin

Ich so allein,

O Liebchen wandre hier,

Verschallet auch

Manch Lied so rein,

Ich singe andre Dir.

 

Frühling 1802 (Frühwald 1968)

 

 

*

 

Wenn ich ein Bettelmann wär

Käm ich zu Dir,

Säh Dich gar bittend an

Was gäbst Du mir? –

 

Der Pfennig hilft mir nicht

Nimm ihn zurück,

Goldner als golden glänzt

Allen Dein Blick;

 

Und was Du allen gibst

Gebe nicht mir

Nur was mein Aug begehrt

Will ich von Dir.

 

Bettler wie helf ich Dir? –

Sprächst Du nur so,

Dann wär im Herzen ich

Glücklich und froh.

 

Laufst auf Dein Kämmerlein

Holst ein Paar Schuh,

Die sind mir viel zu klein,

Sieh einmal zu. –

 

Sieh nur, wie klein sie sind

Drücken mich sehr;

Jungfrau süß lächelst Du,

O gib mir mehr!

 

Frühling 1802 (Frühwald 1968)

 

 

*

 

Am Rheine schweb ich her und hin

Und such den Frühling auf,

So schwer mein Herz, so leicht mein Sinn,

Wer wiegt sie beide auf.

 

Die Berge drängen sich heran

Und lauschen meinem Sang,

Sirenen schwimmen um den Kahn,

Mir folget Echoklang.

 

O halle nicht du Widerhall,

O Berge kehrt zurück,

Gefangen liegt so eng und bang

Im Herzen Liebesglück.

 

Sirenen tauchet in die Flut,

Mich fängt nicht Lust, nicht Spiel,

Aus Wassers Kühle trink ich Glut

Und ringe heiß zum Ziel.

 

O wähnend Lieben, Liebeswahn,

Allmächtiger Magnet,

Verstoße nicht des Sängers Kahn,

Der stets nach Süden geht.

 

O Liebesziel so nah, so fern,

Ich hole dich noch ein,

Die Frommen führt der Morgenstern,

All zu der Liebe ein.

 

O Kind der Lieb erlöse mich,

Gib meine Freude los,

Süß Blümlein ich erkenne dich,

Du blühest mir mein Los.

 

In Frühlingsauen sah mein Traum

Dich Glockenblümlein stehn,

Vom blauen Kelch zum goldnen Saum,

Hab ich zu viel gesehn,

 

Du blauer Liebeskelch, in dich

Sank all mein Frühling hin,

Vergifte mich, umdüfte mich,

Weil ich dein eigen bin.

 

Und schließest du den Kelch mir zu

Wie Blumen abends tun,

So lasse mich die letzte Ruh

Zu deinen Füßen ruhn.

 

Ende Mai/Anfang Juni 1802 (Frühwald 1968)

 

 

*

 

Lieb und Leid im leichten Leben

sich erheben, abwärts schweben,

Alles will das Herz umfangen

Nur verlangen, nie erlangen,

 

In dem Spiegel all ihr Bilder,

blicket milder, blicket wilder

Jugend kann doch nichts versäumen

fort zu träumen, fort zu schäumen.

 

Frühling muß mit süßen Blicken

Sie beglücken, sie berücken,

Sommer sie mit Frucht und Myrten,

froh bewirten, froh umgürten.

 

Herbst muß ihr den Haushalt lehren,

zu begehren, zu entbehren,

Winter, Winter lehr mich sterben

Mich verderben, Frühling erben.

 

Wasser fallen um zu springen,

Um zu klingen, um zu singen,

Muß ich schweigen., Wie und wo?

Trüb und froh? nur so, so.

 

Juni 1802 (Frühwald 1968)

 

 

*

 

[Der Spinnerin Lied]

 

1.

 

Es sang vor langen Jahren

Wohl auch die Nachtigall,

Das war wohl süßer Schall

Da wir zusammen waren

 

2.

 

Ich sing und kann nicht weinen

Und spinne so allein,

Den Faden klar und rein

So lang der Mond wird scheinen

 

3.

 

Da wir zusammen waren

Sang süß die Nachtigall

Nun mahnet mich ihr Schall

Daß du von mir gefahren

 

4.

 

So oft der Mond mag scheinen,

Gedenk ich dein allein,

Mein Herz ist klar und rein,

Gott wolle uns vereinen

 

5.

 

Seit du von mir gefahren

Singt stets die Nachtigall

Ich denk bei ihrem Schall

Wie wir zusammen waren

 

6.

 

Gott wolle uns vereinen,

Hier spinn ich so allein,

Der Mond scheint klar und rein,

Ich sing und möchte weinen.

 

6. 9. 1802 (Schultz 1995)

 

 

*

 

Es ging verirrt im Walde

Ein Königstöchterlein,

Laut weint sie, daß es schallte

Tief in den Wald hinein.

 

«An meiner Krone blinken,

Schmaragd und auch Rubin,

Um einmal nur zu trinken,

Gäb' ich sie gerne hin.»

 

Da schwebt zu ihrem Haupte

Ein edler Falke bald,

Der ihr die Krone raubte

Und tiefer flog zum Wald.

 

Sie folgt ihm, hoch in Lüften

Trägt er die Krone hell,

Bis wo in dunklen Klüften

Erbraust ein kühler Quell.

 

«O Falke Luftgeselle

Nimm hin die Krone mein,

So kühl als diese Quelle

Mag keine Krone sein.»

 

Es braust so wonnig unten

Tief in der Felsen Schoß,

Von Schatten still umwunden

Ruht sie auf weichem Moos.

 

Die Locken aufgewunden,

Die zarten Glieder bloß,

Erkühlt sie sich da unten

Tief in der Felsen Schoß.

 

Sie ließ sich an den Zweigen

Hinab ins kühle Bad,

Bald will sie rückwärts steigen,

Doch zeiget sich kein Pfad.

 

Sie streckt wohl nach den Zweigen

Mit Macht die Arme hin,

Doch keiner will sich neigen

Zur Königstochter hin.

 

«Wer kann heraus mich heben?»

Weint da die holde Magd,

«Gern wollte ich ihm geben

Mein Ringlein von Schmaragd.»

 

Wie sie die Hände ringet,

Das schöne Ringelein

Ihr von dem Finger springet

Tief in den Quell hinein.

 

Sie sucht und findt in Klippen

Ein Horn von Gold so rein

Und setzt es an die Lippen,

Es schallt zum Wald hinein.

 

Die Felsen laut erklingen,

Und laut von Stein zu Stein

Die muntern Töne springen

Ums Königstöchterlein.

 

Die Zweige sich auch neigen,

Der edle Falke wiegt

Sich fröhlich auf den Zweigen,

Die er hinunter biegt.

 

Dann hört sie Worte schallen:

«Wer bläst auf meinem Horn,

Das gestern mir gefallen

Hinab zum Felsenborn?»

 

«Wer hütet mich vor Schande?»

Weint laut das Töchterlein,

«Wer gibt mir die Gewande,

Wer schützt die Ehre mein?

 

Mich liebte einst ein Knabe,

Der Züchten wohl verstand,

O daß ich ihn nicht habe,

Er gäb mir mein Gewand!»

 

Die Augen zugebunden

Der Knabe vor ihr stand,

Der Knabe ist gefunden,

Er reicht ihr das Gewand.

 

Verloren ist die Krone

Und auch das Fingerlein,

Ohn Ringlein und ohn Krone

Muß sie das Kleinod sein.

 

Da ruhte der Geselle

Wohl bald in ihrem Schoß,

Im Herzen ward's ihm helle,

O mach' die Binde los.

 

In ihr Gewand geschwinde

Hüllt sich das holde Kind,

Dann löst sie ihm die Binde,

Läßt nicht die Liebe blind.

 

Da schallt es in den Buchen,

Da hallt es am Gestein,

Der König kommt zu suchen

Das Königstöchterlein.

 

«Nun rege deine Hände»,

Spricht da das Töchterlein,

«Wenn uns der König fände

Müßt' es gestorben sein.»

 

Der Falke nahm die Krone,

Der Quell das Fingerlein,

Der Jäger nimmt zum Lohne

Das Könisstöchterlein.

 

Es nahm der Jagdgeselle

Sein Horn und sein Geschoß

Und trug die Jungfrau schnelle

Zum hohen Felsenschloß.

 

«Auf Felsen hoch ich wohne,

Der Falke und die Braut,

Am Turme hängt die Krone,

Sein Nest hineingebaut.»

 

September 1802 (Frühwald 1968)

 

 

*

 

Die Rose blüht, ich bin die fromme Biene,

Die in der Blätter keuschen Busen sinkt,

Und milden Tau und süßen Honig trinkt,

Doch lebt ihr Glanz und bleibet ewig grüne.

So singt mein tiefstes Freudenlied,

Ach meine Rose blüht!

 

Die Rose blüht, o Sonnenschein verziehe,

Daß lange noch der liebe Sommer währt,

Und mir kein Sturm die süße Lust versehrt,

Daß all mein Heil aus dieser Rose blühe.

So freut sich innig mein Gemüt,

Weil meine Rose blüht.

 

Die Rose blüht, und lacht vor andern Rosen,

Mit solcher Huld und Liebesmildigkeit,

Daß gern mein Sinn sich zu der Pflicht erbeut,

Mit andern Blumen nie mehr liebzukosen,

Weil alle Liebe, die erglüht,

Aus Dir, Du Rose blüht!

 

Ende September 1802 (Frühwald 1968)

 

 

*

 

Die Liebe lehrt

Mich lieblich reden,

Da Lieblichkeit

Mich lieben lehrte.

 

Arm bin ich nicht

In Deinen Armen,

Umarmst du mich

Du süße Armut.

 

Wie reich bin ich

In Deinem Reiche,

Der Liebe Reichtum

Reichst du mir.

 

O Lieblichkeit!

O reiche Armut!

Umarme mich

In Liebesarmen.

 

November 1802; aus dem Singspiel «Die lustigen Musikanten» (Schultz 1995)

 

 

*

 

Fabiola

Hör, es klagt die Flöte wieder,

Und die kühlen Brunnen rauschen.

 

Piast

Golden wehn die Töne nieder,

Stille, stille, laß uns lauschen!

 

Fabiola

Holdes Bitten, mild Verlangen,

Wie es süß zum Herzen spricht!

 

Piast

Durch die Nacht, die mich umfangen,

Blickt zu mir der Töne Licht.

 

November 1802; aus dem Singspiel «Die lustigen Musikanten» (Frühwald 1968)

 

 

*

 

Aus Köllen war ein Edelknecht

Um Botschaft ausgegangen,

Den Vater hielt ihm Engelbrecht,

Der Bischof, hart gefangen.

 

Er ging gen Arle manchen Tag,

Er ging in schweren Sorgen,

Sein Liebchen ihm im Sinne lag,

Der hätt' er es verborgen,

 

Ganz traurig er am Brunnen lag

In Busch und grünen Hecken,

Da hört' er schallen Hufesschlag

Und ging sich zu verstecken.

 

Er sah da einen frohen Mann

Sein Roß zur Quelle lenken,

Ein andrer ritt betrübt heran,

Sein Pferd am Born zu tränken.

 

«Betrübter Mann», der frohe sprach,

«Gott woll' dir Trost verleihen!»

«O froher Mann!» der andre sprach,

«Was mag dich so erfreuen?»

 

«Herr Gottschalk», sprach der frohe Mann,

«Geht frei aus seinen Banden,

Durch ein Mirakel er entrann

Mit allen den Verbannten.

 

Er hatte eine kleine Maus

Im Kerker zahm erzogen,

Die ging da freundlich ein und aus

Und war ihm gar gewogen.

 

Doch einst sein kleiner Freund entlief

Und wollte nicht mehr kehren,

Herr Gottschalk ihr gar traurig rief,

Das Mauslein wollt' nicht hören.

 

Das schmerzte den getreuen Mann,

Sein Mauslein wollt er haben,

Mit seinen Freunden er begann,

Nach ihrem Freund zu graben.

 

Und in der Erde eingescharrt

Fand Meißel er und Feilen,

Womit er ihre Bande hart

Gar leichtlich konnt zerteilen.»

 

Der andre sprach: «Mein Schwesterlein,

Es liegt gar schwer gefangen,

Und selbst das treue Mauslein dein

Könnt' nicht zu ihr gelangen.

 

Des Schlosses Dach ist himmelblau,

Die Mauren grüne Wellen,

Die Graben rings sind Flur und Au,

Die Fenster Fluß und Quellen.

 

Der süße Knecht die Liebe brach

In ihres Herzens Kammer,

Ihm stürzten die Gesellen nach,

Der Schmerz und böser Jammer.

 

Die Liebe blies das Lämpchen aus,

Die Schmerzen sie bezwangen,

Und legten sie ins kühle Haus

Wohl auf den Tod gefangen.

 

Am Fels, wo wild der Rhein zerschellt,

Wo bös die Schiffe stranden,

Dort ewig sie gefangen hält,

Der Schlund in kühlen Banden.

 

Ein Freund des Bischofs sie belog,

Herr Hermann sei erschlagen,

Der insgeheim aus Köllen zog,

Den Vater zu erfragen.»

 

Dann zäumten sie die Rosse auf,

Und rüst'en sich zu scheiden

Und gaben sich den Handschlag drauf,

Den Bischof zu bestreiten.

 

Und da sie aus dem Walde schon,

Trat wieder zu der Quelle

Hermann, des treuen Gottschalks Sohn,

Der traurige Geselle.

 

Er schrie hinab zum Wasserschloß,

Wo bös die Schiffe stranden:

«Wer macht mein Lieb von Feßlen los?

Wer löset ihr die Banden?

 

Lebwohl, lebwohl, Herr Vater mein,

Leb' frei in großen Ehren,

Ich hab verlor'n das Mauslein klein,

Das tut mich gar beschweren,

 

Lebwohl, lebwohl, o Kerker mein,

Das Mauslein ist verloren,

Mein Schwert muß meine Feile sein» –

Da tät er sich durchbohren

 

Und stürzt hinab ins kühle Haus,

Wo Liebchen liegt gefangen.

O Liebchen, breit die Arme aus,

Ihn treulich zu umfangen!

 

Und läg gefangen im kühlen Haus

Die mich so hart betrogen,

Sie hätte, eh dies Liedchen aus,

Mich auch hinab gezogen. –

 

24./25. Dezember 1802 (Frühwald 1968)