Stefan Zweig
1881 - 1942
Silberne Saiten
1901
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[48-49] |
Einsamkeit.
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Frohen Herzens bin ich in die Welt gegangenUnd voll Sonne war mein junger Blick,Doch nun kehrt' ich mit verhärmten WangenWieder zu der Einsamkeit zurück.
Und ich sehe wunschbefreit und weiseIn das bunte Schicksalseinerlei,Kaum verspür ich's noch, so leise, leiseRinnt an mir die Jugendzeit vorbei.
Immer werden meine Blicke weiter,Selig halt' ich eine Welt umspannt,Denn ich blicke froh und wissensheiterIn des Lebens unbegrenztes Land.
Hieher dröhnt kein Wächterschritt der Stunden,Unbemerkt verbraust mein herbes Leid,Langsam narben meine tiefen WundenVon der weichen Hand der Einsamkeit.
Meiner Seele nahm ich dumpfe Riegel,Und geöffnet prangt der Wunderschrein,Ewig lernend blick' ich in den SpiegelMeiner eignen neuen Welt hinein.
Was sich dort im Leben ohne EndeStreitet, blendet, schlägt und überschreitLiegt hier, Farben, Töne, wie in Bände,Meinem Willen nach, geformt, gereiht.
Jedes Wesen fürchtet meinen WillenHier im engen – unbegrenzten RaumJede Sehnsucht weiß ich zu erfüllen. –Wirklichkeit entblüht dem Dichtertraum.
Und wenn heimlich dann an manchen TagenMeine Sehnsucht hin zum Leben ziehtBrauch ich dieses Buch nur aufzuschlagenUnd die Seele schaut und wird nicht müd . . . |