Stefan Zweig
1881 - 1942
Silberne Saiten
1901
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[31-32] |
In tiefer Nacht.
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So mitternächtig alle Gassen,Die silberblank der Mond durchziehtSo blaß und stumm die Häusermassen . . .Hinauf zu schlummernden GelassenKlingt sonnetrunken noch mein Lied.
Die Straßen sind so traumesseligUnd sprechen leis mein Lied zurück.Und lauter, voller wirds allmählichUnd bald erdröhnt es hell und fröhlichDas Lied von meiner Liebe Glück.
Es dringt durch dunkle FensterlädenSo leise trägts der laue Wind.In tiefem Traum umfängt es jedenMit seinen feinen, feinen FädenDie Mutter Sehnsucht um uns spinnt,
Daß sich die Mädchenherzen dehnenIm dunklen Banne seiner Macht,Und immer heißer wird ihr Sehnen,Und glühend rinnen brennende TränenHinein in die stumme, verschwiegene Nacht.
Doch mein Lied und ich, wir schreitenImmer nur weiter, immer nur zuIn die silberblinkenden WeitenHin zu den blendendsten SeligkeitenHin zu Dir, oh Geliebte Du . . . |