Kurt Tucholsky
1890 - 1935
Mit 5 PS
Seite 338-339 der Erstausgabe
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Chanson
Aus dem Ungarischen Gesungen von Gussy Holl
Da ist ein Land – ein ganz kleines Land –Japan heißt es mit Namen.Zierlich die Häuser und zierlich der Strand,zierlich die Liliputdamen.Bäume so groß wie Radieschen im Mai.Turm der Pagode so hoch wie ein Ei –Hügel und Bergklein wie ein Zwerg.Trippeln die zarten Gestalten im Moos,fragt man sich: Was mag das sein?In Europa ist Alles so groß, so groß –und in Japan ist Alles so klein!
Da sitzt die Geisha. Ihr Haar glänzt wie Lack.Leise duftet die Rose.Vor ihr steht plaudernd im strahlenden Tagkräftig der junge Matrose.Und er erzählt diesem seidenen Kinddavon, wie groß seine Landsleute sind.Straße und Saalpyramidal.Sieh, und die Kleine wundert sich bloß –denkt sich: Wie mag das wohl sein?In Europa ist Alles so groß, so groß –und in Japan ist Alles so klein!
Da ist ein Wald – ein ganz kleiner Wald –abendlich dämmern die Stunden.Horch! wie das Vogelgezwitscher verhallt . . .Geisha und er sind verschwunden.Abendland – Morgenland – Mund an Mund –welch ein natürlicher Völkerschaftsbund!Tauber, der girrt,Schwalbe, die flirrt.Und eine Geisha streichelt das Moos,in den Augen ein Flämmchen, ein Schein . . .In Europa ist Alles so groß, so groß –und in Japan ist Alles so klein.
Zuerst erschienen in: Die Weltbühne, 30.11.1926, Nr. 48, S. 866, unter dem Pseudonym Theobald Tiger |