BIBLIOTHECA AUGUSTANA

 

Heinrich Mann

1871 - 1950

 

Lidice

 

1943

 

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92

 

Hauptmann Krach geht in den Wald.

Er atmet tief auf. „Ich wollte rufen. Ich unterließ es Heydrich zu Ehren. Einen Besiegten herausfordern? Übrigens müßte man der Sieger sein.“

Er findet sich vor einem breit ausgehöhlten Baum. Er spricht: „Die Siegesapotheose war meines Wissens niemals von dieser Welt. Was ich das Böse nenne, es siegt nicht, es herrscht nur. Was ich das Gute nenne, kennt wohl auch Siege – die Mitte hell, an den Rändern beständig Qualm von Niederlagen, der vorigen, der künftigen.“

Er horcht auf die Geräusche oben und unten, den Wind in den Wipfeln, die Vogelstimmen, das leichte Krachen im Unterholz, wo Getier schleicht.

Hauptmann Krach, ruft in den hohlen Baum, der seinen Ton verschluckt: „Es lebe die Freiheit, die ganze menschliche Freiheit! Es leben unsere armen Völker, es lebe das ärmste, das deutsche!“

Er beeilt sich fortzukommen, er erreicht die Wegesbiegung, hinter der am frühen Morgen die beiden Wagen hielten. Sein Jagdwagen steht noch da, niemand ist zugegen.

„Der Kaplan hat nicht gewartet. Ich dachte auch nicht, er würde die Geduld haben.“

Die Räder des zweiten, abgefahrenen Wagens haben Spuren hinterlassen.

„Alles, was von ihr noch ist. Sie hätte ich gern gekannt.“

Seine Gedanken weichen ab. „Die Waldesgründe hüten außerdem die Polizeikutsche, die uns herführte, fünf Personen, ein Toter. Da nur ein einziger noch lebt und ich es bin, was hält mich ab zurückzukehren? Waghalsig war das Spiel von je. Ja, aber das Stück ist aus, versuchen wir kein besseres, nur eines, worin nirgends gezweifelt wird!“ Die Zähne zusammengebissen: „Nie mehr zweifeln!“

Hauptmann Krach öffnet den Schlag seines Wagens, auf dem Polster liegt ein Papier. Er liest: „Kommen Sie! Ich hoffe auf Sie. Milo.“

Trauriges Nachsinnen: „Das hätte sie dorthin gelegt?“

Er wendet das Blatt: „Ah! Der Kaplan. Er ist ins Dorf gegangen, er bleibt, er gehört, was immer komme, seinem Volk – wie Sie dem Ihren, sagt er mir. Nur gut, seinen Zuspruch hatte ich mir selbst gegeben.“

Am Rande entdeckt er die gekritzelte Nachschrift: „Slecna Milo glaubt nicht, was sie hofft. Sie ist traurig – aber tapfer.“

Hauptmann Krach nimmt unter dem Sitz gewöhnliche Kleider hervor. Seine Uniform wirft er auf das Gebüsch, ohne Sorge, sie zu verstecken. Er fährt davon – ins Unbekannte.