Heinrich Mann
1871 - 1950
Lidice
1943
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Vor dem Gasthaus zum Tschechischen Löwen.Es ist ein schmales, zwischen die Nachbarn eingeengtes Gebäude, die kleinen Fenster liegen dicht übereinander, die Zimmerdecken müssen niedrig sein.Heydrich: Da hinein?“Hauptmann Krach: Die Burg – ist es nun einmal nicht.“Heydrich: Die Decke kann man mit den Händen greifen. Nicht einmal Raum ist, sich aufzuhängen.“Hauptmann Krach: Wozu abkürzen?“Heydrich: Die Stunden, bis es hell wird, überlebe ich nicht.“Hauptmann Krach: Sie fürchten –.“Heydrich: Mir bangt nach ihr. Sie – nie mehr sehen, das allein hab ich zu fürchten.“ Er besinnt sich: Sie wollen sagen, ich sei – merkwürdig.“Hauptmann Krach: Sie kommen vom Hängen.“Heydrich: Vom Nichthängen, leider.“Hauptmann Krach: Das bedauern Sie – und behaupten zu lieben.“ Er zuckt die Achseln: Hüten wir uns zu verstehen!“ Für Heydrich: Drinnen wird es noch am sichersten sein.“Er zieht den Draht der Glocke. Heiseres Gerassel hinter dem Haustor. Sie warten.Heydrich, den Blick am Boden, von dem Hut das ganze Gesicht bedeckt: Nur wissen! Nur nicht das Geheimnis endgültig werden lassen zwischen mir – und ihr! Wer sagt mir, ob sie noch einmal hinter Schleiern an meinem Bettrand sitzen wird. Mich anlügt, meinetwegen. Mich haßt, aber in meiner Gegenwart. Die Gegenwart, die Ewigkeit, und nirgends, nirgends – wir.“ Er fährt auf: Wo bin ich?“Hauptmann Krach: Melde gehorsamst, beim Tschechischen Löwen.“Er hat mehrmals geläutet. Dem Rasseln der Glocke folgt endlich ein noch stärkeres Lärmen von Ketten und Riegeln, die entfernt werden.Heydrich: Wenn – meine Leute – uns noch nicht aufgespürt hätten, jetzt sind sie benachrichtigt.“Der Hausknecht des Tschechischen Löwen versucht mit seinem Talglicht den späten Gästen ins Gesicht zu leuchten. Nur bei dem einen gelingt es.Hauptmann Krach, kommt ihm zuvor: Sprechen Sie meinen Namen nicht aus!“Der Hausknecht: Was glaubt der Herr, unseren Verstand haben wir auch.“Er läßt sie ein und sperrt die Tür.Heydrich: Wir wünschen ein Zimmer mit einem besonderen Ausgang.“Der Hausknecht: Daß ich den Herren nicht erst das Tor aufsperren muß, verstanden.“Er führt sie die steile Treppe hinauf und nach der Rückseite des Hauses. Er öffnet ihnen ein Zimmer, das, wie vorhergesehen, sehr niedrig ist. Überdies erstreckt es sich weit in den Hof hinaus. Kaum, daß von fern, auf dem schief gesenkten Fußboden, die wenigen Möbel sich abzeichnen.Heydrich, unschlüssig: Hier?“Hauptmann Krach: Es liegt nicht ungünstig.“Der Hausknecht, hat seinen Leuchter neben dem Schrank zu Boden gesetzt, kein Lichtschein trifft das Fenster. Heimlich, für den Gast, den er kennt: Der andere ist ein Deutscher? Na ja, jetzt werden, hör ich, die Deutschen selbst gehängt. Unser Herr Protektor ist gerecht.“Er führt Hauptmann Krach vor das Fenster, die Scheiben sind mit Papier verdunkelt, der Hausknecht öffnet einen Spalt.Hauptmann Krach: Ich sehe.“Der Hausknecht: Draußen ist man gleich auf einem Dach.“Hauptmann Krach: Das Dach reicht hinüber in den nächsten Hof. Hoch ist es nicht.“Der Hausknecht: Wer mit den Händen daran hängt, darf sich fallen lassen, der Heuhaufen drunten tut ihm nichts.“Hauptmann Krach, gibt ihm Geld: Gleich für das Frühstück mit.“Der Hausknecht, sehr befriedigt: Könnt sein, daß die Herren dann ausgegangen wären. Frühstück haben wir so keins. Er will das Fenster schließen.Heydrich, Befehlston: Offen lassen!“Der Hausknecht, erschrickt: Zu Befehl.“Heydrich: Erklären Sie dem Hauptmann Krach, wie man unbemerkt aus dem Viertel entkommt!“Der Hausknecht: Zu Befehl. Der Herr Hauptmann werden eh schon wissen.“ Zum Fenster hinaus beschreibt er mit dem Daumen einige Bewegungen, kreuz und quer.Hauptmann Krach: Ich denke, ich finde im Dunkeln.“Der Hausknecht: Nur im Dunkeln. Unser Herr Protektor hat für die Nacht angeordnet, daß wir keine Beleuchtung haben dürfen, wegen der englischen Flieger –.“ Stolz: Und wegen der russischen, was wir erwarten.“ Im Abgehen: Eine gute Nacht zu wünschen – aber keine lange. Zwei Stunden, so wird es dämmern.“Heydrich, tritt dem Hausknecht in den Weg: Wo wohnt ein Astrologe?“Der Hausknecht steht stumm da, aber an vieles gewöhnt, kratzt er sich den Kopf, hat schon die Auskunft: Das gibts um diese Stunde nicht. Der Herr muß sonst den Schwanda meinen.“Heydrich: Schwanda ist jetzt zu sprechen?“Der Hausknecht: Sprechen – weiß man nicht, ob er tut. Schlafen tut er nie.“Heydrich: Die Adresse?“Der Hausknecht, weicht aus, erreicht die Tür. Der Herr werden so nicht hingehen.“Hauptmann Krach: Exzellenz erlauben mir zu antworten.“Der Hausknecht, schließt draußen sehr schnell die Tür.Heydrich: Die Adresse des Schwanda?“Hauptmann Krach: Totengäßchen.“Heydrich fährt zusammen: Der Name sagt genug, was wollt ich noch wissen?“ Von der Mitte des Zimmers her blickt er aus dem offenen Fenster in die Nacht. Er hat nochmals seine starre Maske. Sie ist furchtbar und ist höhnisch.Für wen der Hohn – denkt Hauptmann Krach.Heydrich beantwortet seine eigene letzte Frage: Nichts.“Er geht schnell zum Fenster, mit einem Fuß ist er schon drüben.Hauptmann Krach, dringend: Wenn Sie nichts mehr zu wissen brauchen, wohin Ihr Weg?“Heydrich ist draußen auf dem Dach. Ein Schuß fällt. Heydrich stürzt hinunter.Hauptmann Krach: Dahin ging sein Weg.“Erbittert: Und ich kann meine Hände in Unschuld waschen.“Im Schutz eines angezogenen Ladens zielt er mit seinem Revolver aus dem Fenster.Geheimrat Blumentopf, von unten: Nun also. Gerade hierher bringen Sie ihn nicht umsonst.“Hauptmann Krach: Um Sie zu treffen.“Geheimrat Blumentopf: Aber Sie schießen nicht. Erstens wäre ich ebenso schnell. Außerdem sind Sie nicht gemeint. Sie brauchen wir noch.“ |