Heinrich Mann
1871 - 1950
Lidice
1943
|
|
____________________________________________________________
| |
69
Die Bühne ist schon leer. Der Feuerwehrmann salutiert wie gestern. Durch den Hintergrund gehen wenige Arbeiter. Der Inspizient, schon im Mantel, stutzt – glaubt dennoch, den Protektor grüßen zu müssen.Heydrich, tut einen Schritt zurück: Hauptmann Krach!“Hauptmann Krach hatte abgewartet, ob der Protektor weiter begleitet werden will. Schnell verlegt er dem Inspizienten den Weg: Abtreten!“Der Inspizient: Aber Herr Hauptmann! Wir kennen uns doch.“Hauptmann Krach: Wenn Sie mich kennen, gehorchen Sie!“Der Inspizient, verneigt sich seitwärts gegen den Protektor, in dieser schiefen Haltung geht er ab und murmelt: Der Hauptmann ist auch nicht mehr derselbe. Die Deutschen lernt man nie aus.“Heydrich, für Hauptmann Krach: Sie hätten den Mann nicht fortschicken sollen. Wer meldet uns der Künstlerin?“Hauptmann Krach, geschmeichelt: Ich genüge der Anforderung.“Heydrich: Sie verkehren hinter der Szene?“Hauptmann Krach: Bei weitem nicht so intim wie Eure Exzellenz.“Heydrich: Ich habe –.“Hauptmann Krach: Die Künstlerin rief vernehmlich, der Protektor hatte gesiegt.“Heydrich: Hier sagt man dafür fescher Kerl?“Hauptmann Krach: Niemals hätte ich mir erlaubt, die Bezeichnung auf Eure Exzellenz anzuwenden.“Heydrich, entfaltet das Telegramm: Allerdings führe ich mich amtlich ein.“Vor der Tür der Garderobe.Hauptmann Krach, klopft stark.Die Stimme der Garderobiere: Christi Himmels willen, Milo, wir werden abgeholt, sie haben alles entdeckt.“Milo Schatzova, von innen: Schweig, Leikova, es gibt nichts zu entdecken.“ Lauter: Die Tür ist nicht verschlossen.“Hauptmann Krach, öffnet die Tür und tritt zurück. Ein Blick Heydrichs befiehlt ihm, mit hineinzukommen.Milo Schatzova, ist fertig angekleidet, sie setzt vor ihrem Spiegel den Hut auf. Ohne sich umzuwenden, etwas matt und leichthin ironisch: Endlich, mein Geliebter! Warum so spät?“Heydrich, nähert sich bis auf sechs Schritte. In der Taille elegant vorgebeugt, bleibt er stehen: Ein hochwichtiges Telegramm.“Milo Schatzova: Sie wollen Geschäfte mit mir besprechen? Ich kann nicht.“Die Garderobiere, macht gegen Heydrich auffallende Zeichen: Geh laß sie, die Milo ist nervös.“Milo Schatzova, spricht in den Spiegel: Der Abend hat mich schrecklich hergenommen. Ein widerwärtiges Haus.“Heydrich, stumme Frage an Hauptmann Krach, der diskret wegsieht. Heydrich versucht allein zu verstehen: Sie meinen das Publikum? Es war sehr beifallslustig. Sie sind gefeiert worden.“Milo Schatzova: Danke. Im Nacken hab ich die feindliche Stimmung gespürt.“Die Garderobiere: Gleich hat sie ihren Weinkrampf. Pavel! Bist du heute ganz dumm geworden?“Aus dem Vorhang der anstoßenden Garderobe greifen zwei Hände und reißen sie zurück. Ehe sie auch nur einen Seufzer tun kann, ist sie verschwunden.Heydrich: Was war das?“Milo Schatzova, lacht gereizt: Jemand, der aufpaßt.“Hauptmann Krach, ohne gefragt zu sein: Exzellenz erinnern sich, auch gestern abend war die Person betrunken.“Heydrich: Es ist mir nicht aufgefallen.“ Drohend: Mir fällt auf, daß wir Zuhörer haben.“Hauptmann Krach: Melde gehorsamst, in der anderen Garderobe kleidet eine andere Schauspielerin sich an.“Heydrich: Und hat Männerhände?“Milo Schatzova: Wollen Sie es wissen? Der Wokurka war es.“Heydrich: Er war bei dir, bevor ich eintrat!“Milo Schatzova: Was weiter? Ich und mein Kollege, wir haben uns über die Stimmung im Hause beklagt.“Heydrich: Ich – hab ihn mir angesehen. Der ist nicht fünfzig, im letzten Aufzug war er keine dreißig alt.“Milo Schatzova: Von wem sprechen Exzellenz?“Heydrich: Verstelle dich nicht!“Milo Schatzova: Dafür bin ich Schauspielerin. Wenn ihr die Universitäten schließt!“ Sie hat sich jetzt doch nach ihm hingewendet. Sie setzt die Hände auf die Hüften. Ihr Gelächter wird verzweifelt, es wird herausfordernd bis zur Gemeinheit.Heydrich: So – so bist du?“Milo Schatzova: Ich bin, wie Eure Exzellenz mich will. Ich betrüge den Protektor mit dem Wokurka.“Heydrich, fährt zusammen: Das – hab ich nicht gesagt.“ Er sieht nach Beistand um.Hauptmann Krach, mißversteht absichtlich: Exzellenz befehlen, daß ich mich zurückziehe.“ Er tritt nahe hinter Heydrich. Er spricht dienstlich, aber beschwörend und gedämpft: Wenn Exzellenz mir gestatten, gehorsamst zu melden, es erscheint angezeigt, die Künstlerin für morgen auf die Burg zu bestellen, zwecks Entgegennahme des hohen Gnadenbeweises.“Heydrich: Sie bleiben. Das Telegramm?“Hauptmann Krach: Zu Befehl. Eure Exzellenz hält es in der Hand.“Heydrich hat sich zurück. Mehr als das, vor Freude wächst er, seine Maske geht in diesem Augenblick über die übliche Furchtbarkeit hinaus bis nahe an das Erhabene. Er spricht klingend: Fräulein Milo Schatzova. Mitglied des tschechischen Theaters Rococo.“Milo Schatzova, erstaunt: Die bin ich.“Heydrich: Als Protektor von Böhmen-Mähren habe ich die Ehre, Ihnen eine außerordentliche Eröffnung zu machen. Der Führer erteilt der Künstlerin Emilie Schatz das Recht, sich eine Deutsche zu nennen.Milo Schatzova: Der Führer – mir? Wofür?“Heydrich: Für besondere Verdienste.“Milo Schatzova, ist abwechselnd errötet und erbleicht. Sie wankt, sie stützt sich rückwärts auf ihren Toilettentisch. Tiefe Stimme, die sie noch niemals hatte: Alles, – aber das, das ist zu viel.“ Sie erhebt den Arm, streckt den Zeigefinger gegen die Tür: Hinaus!“ |