Heinrich Mann
1871 - 1950
Lidice
1943
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Unter dem Portal erscheint der Kammerdiener mit Pavel.Der Kammerdiener: Nur Mut, Herr Bihalek! Sie, ein Schneider.“Pavel, unverstellt, wie ein Schneider flott gekleidet mit dem schwarzen Bündel im Arm: Darf man da hindurch? Als biederer Tscheche verstoße ich bittschön gegen keine noch so blöde Vorschrift.“Der Kammerdiener: Für uns gilt sie nicht. Eiliger Auftrag des Protektors. Der Sturmbannführer weiß Bescheid.“ Er nimmt Pavel wie ein Kind bei der Hand, er führt ihn nahe an der Truppe vorbei: Sehen Sie, daß er Bescheid weiß.“Der Sturmbannführer, blitzt aus aufgesperrten Augen nach den drei Spionen, ihm gegenüber. Für den Mann am Maschinengewehr: Achtung, mein Kommando!“Geheimrat Blumentopf tut ratlos einen Schritt vorwärts.Oberst Schalk und Geheimrat Rumfutsch reißen ihn zurück.Der Sturmbannführer schwingt den Säbel, auf seinen Lippen schwebt das Kommandowort.Geheimrat Rumfutsch, umklammert Geheimrat Blumentopf: Mensch, sind Sie verrückt geworden?“Oberst Schalk: Noch eine Sekunde, der tolle Kerl hätte Feuer kommandiert.“Alle drei brauchen Zeit, um sich von dem Schrecken zu erholen.Der Kammerdiener und Pavel erreichen den Ausgang des Burghofes.Pavel: Pozor, Pan Krupitschka! Man soll, hör ich, die Todeslinie nicht überschreiten.“Der Kammerdiener: Herr Bihalek, Befehl ist Befehl. Sind Sie denn ein Hase?“Pavel, ein Sprung, im gestreckten Lauf, wie ein Hase, gelangt er, ehe jemand es denkt, zu dem Wagen, der dasteht. Pavel fährt ab.Der Kammerdiener sieht dem Wagen nach, bis er verschwindet.Die Hände auf dem Rücken, mit hochmütiger Haltung des Kopfes geht der Kammerdiener den Weg zurück. Als er an dem Sturmbannführer vorbeikommt, nickt er ihm gönnerhaft zu.Der Sturmbannführer stößt erleichtert den angehaltenen Atem aus. Er wirft sein Schwert in die Scheide, schon will er seiner Truppe den Rückzug befehlen. Vom Portal her nickt der Kammerdiener nochmals.Der Sturmbannführer, eilt hin. Sehr unruhig: Ein zweites Nicken war nicht vorgesehen. Hab ich etwas versäumt? Sicherer war natürlich das Maschinengewehr – mit Musik.“Der Kammerdiener: Nicht nötig, man ist mit Ihnen zufrieden. Jetzt bitte, Ihre eigene Initiative. Aus der Burg heraus ist der Schneider, in die Burg hinein gehe ich.“Der Sturmbannführer, wird rot vor Anstrengung.Der Kammerdiener: Der Protektor liebt denkende Offiziere.“Der Sturmbannführer, hat es: Ich besetze alle Zugänge der Gebäude – und den Ausgang des Hofes.“Der Kammerdiener: Den besonders. Eine halbe Stunde wird ausreichen, damit das etwa geplante Attentat von selbst wegfällt.“Der Sturmbannführer, stimmlos: Das etwa –. Auf Seine Exzellenz!“Der Kammerdiener: Oder auf den Schneider. In diesem Fall wären der Schneider und Seine Exzellenz für mich – wie auch für Sie – dasselbe.“ Er geht hinein.Der Sturmbannführer sieht ihm nach, erstarrt, mit vorgestrecktem Hals.Dann überkommt ihn stürmische Bewegung. Er erteilt Befehle: Alle Zugänge der Burg besetzen! Das Maschinengewehr nach dem Ausgang! In den Hof gerichtet! Niemand verläßt ihn!“Drohende Wendung gegen die drei Attentäter. Aber der Sturmbannführer kann sich bei ihnen nicht aufhalten, er hat alle Hände voll zu tun.Oberst Schalk: Ein brauchbarer Offizier.“Geheimrat Rumfutsch: Er hat uns am Kragen.“Geheimrat Blumentopf: So viel Verstand findet sich auch bei unseren beiden Slowaken, sie legen ihre Gewehre auf uns an.“Oberst Schalk: Wir haben Zeit, warten wir ruhig auf Ihren Kaplan, Herr Blumentopf!“Geheimrat Rumfutsch: Den Kaplan hab ich Ihnen nie geglaubt. Sie kennen Kapläne in Menge, aber keinen Schneider.“Geheimrat Blumentopf: Gerade diesen kenne ich.“Die beiden anderen Herren lachen ihn schallend aus.Oberst Schalk: Sagen Sie nur noch, daß er ganz etwas anderes als ein Schneider ist!“Geheimrat Blumentopf: Mir hat er etwas anderes angegeben – kann sein, um großzutun. Sie lügen sogar aus kindischen Anlässen.“Geheimrat Rumfutsch: Und jeder wie der nächste. Fragen wir den Kammerdiener, wer sein Freundchen ist, bestimmt bleibt er dabei, ein Schneider.“Oberst Schalk: Ich habe einen glänzenden Einfall. Der Aufmarsch hier, mit Musik und Maschinengewehr, war vom Kammerdiener bestellt.“Geheimrat Rumfutsch: Um sein Freundchen ein wenig zu foppen, so sind sie.“Oberst Schalk: Der Protektor weiß von allem nichts.“Geheimrat Blumentopf, hält seinen Gedanken fest: Der Kammerdiener bleibt dabei, daß es ein Schneider war. Der Schneider selbst, wenn ich ihn hätte, müßte mir Aufschluß geben. Das erste Mal nannte er sich einen Mediziner – aus Geltungsbedürfnis, er war der dümmste Mann im Dorf.“Geheimrat Rumfutsch: Welches Dorf?“Geheimrat Blumentopf: Lidice.“ |