BIBLIOTHECA AUGUSTANA

 

Heinrich Mann

1871 - 1950

 

Lidice

 

1943

 

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63

 

Pavel, besichtigt sein Schlafgemach. Er versetzt das Bett in künstliche Unordnung, er legt einen Stuhl um, als wäre der Stuhl hingeworfen, er stellt Cognac auf und gießt ein Glas über den Tisch. Er läutet.

Der Kammerdiener tritt ein und erschrickt.

Pavel: „Sie sind der Mann, den Hauptmann Krach mir besorgt hat.“

Der Kammerdiener: „Eurer Exzellenz zu dienen.“

Pavel: „Sie können tschechisch. Die Dame in ihrer Erregung drückte sich manchmal tschechisch aus. Ich habe nicht verstanden, aber Sie, hinter der Tür.“

Der Kammerdiener: „Zu Diensten. Die Dame verlangte, stürmisch sogar, daß der Protektor die Hinrichtungen hinausschieben möge.“

Pavel: „Sie wollte nicht im Gegenteil, daß ich die Exekutionen beschleunige.“

Der Kammerdiener: „Mit gnädigster Erlaubnis verhielt sich die Dame durchaus als Dame.“

Pavel: „Der Zustand des Schlafzimmers ist auch nicht die Schuld der Dame. Dafür verantwortlich sind Sie.“

Der Kammerdiener: „Exzellenz schliefen bis jetzt, ich wagte nicht einzutreten. Verzeihung für meinen Fehler!“

Pavel, sieht ihn an: „Den Herren, die ich erwarte, brauchen Sie von diesen Tatsachen keine zu verheimlichen. Begriffen?“

Der Kammerdiener: „Nach meinen begrenzten Kräften. Unbegrenzt ist meine Ergebenheit.“

Am Eingang der Wohnung wird geläutet.

Pavel: „Öffnen Sie! Den Sturmbannführer will ich zuerst sehen.“

Der Kammerdiener, schon halb draußen, vor sich hin: „Ich bin bewaffnet.“ Er schließt hinter sich die Tür.

Pavel: „Ich auch. So einfach aber liegt dies nicht.“

Im entferntesten Vorzimmer.

Der Kammerdiener: „Seine Exzellenz werden sogleich fertig angekleidet sein, sie befehlen den Herrn Offizier zu sich. Die drei Herren sind ersucht zu warten.“ Er weist den Sturmbannführer an: „Gradaus, das vierte Zimmer, ohne Klopfen.“

Der Sturmbannführer marschiert munter darauf los.

Der Kammerdiener beeilt sich, in ganzer Gestalt den Ausgang zu decken. Möglichst weit fort von ihm, bilden die drei Herren eine Gruppe.

Oberst Schalk: „Was sagt man, er ist da!“

Geheimrat Rumfutsch: „Dann ist er es!“

Geheimrat Blumentopf: „Wie kommen die Herren zu den Zweifeln? Der Protektor weilte den ganzen Nachmittag zu Hause, und wie einige sagen –“ Hinter der aufgestellten Hand: „Im Schlafzimmer.“

Oberst Schalk: „Auf Ihre Wissenschaft wird verzichtet.“

Geheimrat Rumfutsch: „Sie – Kommissar.“

Geheimrat Blumentopf: „Gestatte mir, mich vorzustellen. Geheimrat Blumentopf.“

Geheimrat Rumfutsch: „Wer hat Sie plötzlich zum Geheimrat gemacht?“

Geheimrat Blumentopf: „Natürlich der Protektor.“

Geheimrat Rumfutsch: „Dieser?“

Geheimrat Blumentopf: „Ich verstehe wohl nicht.“

Oberst Schalk: „Ihr Geschäft verstehen Sie. Liefern uns ans Messer und lassen sich befördern.“

Geheimrat Rumfutsch: „Besetzen Sie meine Kanzlei, aber Sie müssen einen Schlosser holen!“

Geheimrat Blumentopf: „Ich habe immer das Gefühl, daß die Herren mir mißtrauen – und andererseits, daß ich selbst verhaftet bin.“

Oberst Schalk, für Geheimrat Rumfutsch: „Sein neuester Trick.“

Im Schlafzimmer.

Pavel: „Sie sind jetzt im Bilde.“

Der Sturmbannführer: „Zu Befehl. Oberst Schalk, Geheimrat Rumfutsch, der Blumentopf von der Gestapo, alle haben glatt die deutsche Sache verraten. Mir wird schwarz vor Augen.“

Pavel: „Nehmen Sie einen Cognac!“

Der Sturmbannführer, trinkt: „Heißen Dank.“

Pavel: „Dem Anschein entgegen, bin ich ein milder Herr. Sie haben die drei Verräter niederzuschießen.“

Der Sturmbannführer, will gehen: „Gemacht.“

Pavel: „Hiergeblieben!“

Der Sturmbannführer: „Melde gehorsamst, ich bin von Geblüt spontan, aufgezogen mit dem Saft unserer Reben.“

Pavel: „Setzen Sie Ihren Rheinländer auf halbe Kraft! Mein Auftrag gilt nur für den Fall, daß ich selbst die Herren nicht bis an das letzte Vorzimmer begleite. Sehen Sie mich nicken, dann lassen Sie alle drei frei gehen.“

Der Sturmbannführer: „Die Leute sind verhaftet, melde gehorsamst.“

Pavel: „Sie sind frei, sobald es mir gelungen ist, sie von ihrem Unrecht zu überzeugen. Die Verschwörung, von der Sie hörten, hat niemals bestanden, wenn ich es nicht will.“

Der Sturmbannführer: „Der Protektor ist allmächtig.“

Pavel: „Der Führer ist allmächtig.“

Der Sturmbannführer: „Heil Hitler!“

Pavel: „Abtreten! Freuen Sie sich auf die Fangschüsse nicht mehr als nötig. Ich sehe voraus, daß die Herren von mir geleitet weggehen werden.“