BIBLIOTHECA AUGUSTANA

 

Heinrich Mann

1871 - 1950

 

Lidice

 

1943

 

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Geheimrat Rumfutsch bricht an seinem Tisch zusammen. Der Sekretär und die Stenotypistin helfen ihm in seinen Sessel.

Der Sekretär, zu der Stenotypistin: „Dienstlich überlebt er es nicht. Ich rücke an seine Stelle. Schatz, wir können heiraten.“

Die Stenotypistin: „Schatz, ich frage lieber erst deine Frau und deine Kinder, ob die Sache in Ordnung geht.“

Geheimrat Rumfutsch liegt mit dem Gesicht auf seinen gefalteten Händen: „Aber in Brünn war doch wirklich Aufstand! Die letzte Nachricht kam von Exzellenz selbst, da befanden Exzellenz sich am Altmarkt, aber vielleicht wieder anderswo. Den Blitz kontrolliert man nicht. In der Blüte meiner Jahre öffnet sich mir das Grab. Meine arme Mutter hätte niemanden mehr, nur ihren Bankier und ihren Kanarienvogel. Nein, Fritz, nicht sterben! Liefere dem Protektor dreihundert Tschechen aus seinem Aufstand am Altmarkt, er kann sie abschlachten.“

Der Sekretär: „Weichmütig. Ein Werther, sobald etwas schiefgeht.“

Die Stenotypistin: „Hat deine Frau keinen rassefremden Umgang? Laß sie einfach ins Lager sperren!“

Der Sekretär spricht in den Apparat: „Die Telephonzentrale? Jeden Verkehr sperren! Allein ausgenommen, für den Protektor persönlich. Seine Exzellenz wünscht mit dem Führer verbunden zu werden.“ Zu der Stenotypistin: „Immer den geraden Weg gehen! Der Führer läßt Verräter erschießen. Diese Garantie haben wir, Schatz.“

Geheimrat Rumfutsch, richtet sich auf: „Der Anruf führt mich mit achtzig Prozent Sicherheit vor die Gewehre des Erschießungs­kommandos.“ Steht stramm, blickt nach der Decke hinauf. Brüllt, damit es im weiten Umkreis gehört werden kann: „Mein Führer! Ein stolzer Mann von reinster Rasse ist bereit, Ihnen voraus nach Walhall zu eilen, um Sie dereinst zu grüßen mit dem Ruf der Treue: Heil Hitler!“