BIBLIOTHECA AUGUSTANA

 

Heinrich Mann

1871 - 1950

 

Lidice

 

1943

 

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21

 

Pavel und seine motorisierte Bedeckung treffen auf der Burg ein.

Die Wachen treten ins Gewehr. Scharfe Kommandorufe. Trommel­wirbel. Pavel grüßt mit der vorgestreckten Hand. Zwei Offiziere kommen im gleichen Marsch tritt auf Pavel zu. Sie „melden gehorsamst: alles in Ordnung“. Eigentlich wollen sie ihn genau betrachten.

Pavel zeigt ihnen seine Maske; sie schrecken zurück und wären geflüchtet. Pavel bannt sie mit Blick auf die Stelle: „Erstens, meine Herren, befehle ich selbst, ob gemeldet wird und was. Außerdem war hier gar nichts in Ordnung. Ich persönlich habe auf dem Altmarkt einen Aufstand im Keim erstickt. Er war vorauszusehen. Aber wenn ich nicht blitzartig aus Brünn zurückgekehrt wäre –! Was dann?“

Die beiden Offiziere strecken die Brust heraus, bis sie platzt. Vor der Stimme Pavels schließen sie die Augen.

Pavel: „Hiermit soll für diesmal der Fall abgeschlossen sein, was er nicht immer sein wird – Herr Major – Heda!“

Hauptmann Krach sagt ihm von hinten ein: „Hedalski!“

Pavel: „Stimmt, Major Hedalski!“ Rückwärts gewendet: „Glück gehört auch dazu. Sie, Hauptmann Krach, hatten Glück, daß Sie am Altmarkt waren.“ Zu den beiden Offizieren: „Ein Sturmbannführer tot, oder beinahe. Hauptmann Krach, von mir außer der Reihe befördert. Ich danke, meine Herren.“

Die beiden Offiziere schlagen die Absätze zusammen, sie marschieren im Takt nach ihrem Standort ab.

Pavel: „Hauptmann Krach, Sie sind für meine persönliche Sicherheit verantwortlich. Vorwärts!“

Hauptmann Krach geht dem Protektor voran, durch den richtigen Eingang, die richtige Treppe hinauf und nach dem richtigen Zimmer. Vor der Tür drückt er sich flach gegen den Pfosten. Er spricht gedämpft: „Eure Exzellenz kennen Geheimrat Rumfutsch als einen Defätisten. Dieser Rumfutsch unterstützt aus Übereifer die unsinnigsten Gerüchte, wie Exzellenz am besten wissen.“ – Er öffnet die Tür, und dahinter noch eine.

Pavel stelzt drohend hinein: „Heil Hitler!“

Geheimrat Rumfutsch mitsamt dem Sekretär und der Stenotypistin erheben sich von den Sitzen: „Heil Hitler!“ Alle drei erstarren in der Haltung des Grußes, die Maske Pavels überwältigt sie.

Pavel bewegt sich heftig durch das Zimmer, scheint nichts zu beachten außer seinen eigenen Gefühlen: „Das war ein Tag aus dem Leben des Protektors Heydrich! Intuitiv wie immer, bin ich pünktlich von Brünn zurück. Brünn war eine Komödie, gewisse Herren“ – schrecklicher Seitenblick auf Rumfutsch – „wollten sich wichtig machen. Der wirkliche Aufstand war in Prag geplant. Ich erscheine am Altmarkt, Hauptmann Krach und der tote Sturmbannführer sind befehlsgemäß am Altmarkt, erbarmungslos wird durchgegriffen.“

Er scheint den verstörten Zustand der Beamten zu bemerken: „Geheimrat Rumfutsch, Ihr Gewissen läßt zu wünschen, ich seh es. Bei euch hat es wieder mal nicht geklappt, ihr laßt mich ohne Informationen. Mich rettet meine traumwandlerische Sicherheit.“

Geheimrat Rumfutsch, jung und forsch, hat sich wiedergefunden: „Exzellenz sind immer derselbe. Ihr gefährliches Leben läßt auf Ihrem deutschen Gesicht keine Spur. Höchstens sitzt das Bärtchen schief.“

Pavel, kalt: „Rasieren Sie sich gerade, wenn Sie sonst nichts tun! Geheimrat Rumfutsch, für Ihre Nachlässigkeit im Dienst kann ich Sie an die Wand stellen.“

Geheimrat Rumfutsch: „Zu Befehl. Exzellenz haben Grund, den Skandal nicht ausarten zu lassen.“

Pavel, so furchtbar, daß der andere schlottert: „Geheimrat Rumfutsch, Sie sabotieren den Führer – Befehl! Das Telephon ist überallhin zu sperren. Noch schöner, wenn der Feind mithören könnte bei Ihrem defätistischen Gewäsch. Ich allein spreche – und will mit dem Führer verbunden werden.“

Zu Hauptmann Krach: „Vorwärts die Leibwache! So schlecht wie die hier aufpassen, sitzt womöglich ein Tscheche mit der Bombe auf meiner Toilette.“

Hauptmann Krach wählt den richtigen Ausgang.