Max Herrmann-Neiße
1886 - 1941
Empörung, Andacht, Ewigkeit
1918 | |
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Der Mutter
I
Die Mutter schilt mich ohne Grund – ich wehre mich – wir zanken –wie kannst du wissen, was ich heimlich für und für gelittenund immer wieder durchgelitten hab' . . . ich möchte um Verzeihung bittenfür jeden Schlag, den du mir gabst, und dir für jede Härte danken! | |
5 | Weißt du denn, wie das ist, wenn in einsamer Nachtich wach sein muß und irgendein Tier vor mir flieht,wenn man im Spiegel sich selbst wie entzaubert siehtin roher Nacktheit, maskenlos ungeschlacht?Ich möchte dir so gern, so gern! stets etwas Schönes schenken, |
10 | und hab' doch immer Angst vor deinem hilflos herben Staunen:Du hieltest es erbittert, oh! für eine von meinen erbarmungslosen Launenund weintest heimlich – aber ich muß Martyrblume! Schwester!“; denken . . .Und – Gott ist krumm! – ich muß dich immer wieder kränken!
II
Mein Leben ist aus deinem Glück und Gramein Kreuz von süßem und von bittrem Holze;Entbehrung noch, der Fleck auf meinem Stolze,sei gut, weil sie aus deinem Kelche kam. |
5 | Der Gang im Schnee; in Büchern wie in kalten,verlassnen Korridoren stumm zu stehn;oder wenn um die Stirne die Gestaltendes eignen Schöpfersturms gespenstisch wehn:holt sich von dir Bestätigung und Stimme |
10 | und weint und lacht sich reif an deiner Brust,denn dein war alles, eh es mir bewußtund wichtig ward: der Fluß, in dem ich schwimme,umflüsterte dein Haar. Ich rann wie Sandganz weiß aus deiner spielgewölbten Hand, |
15 | und wie ich selber mich im Spiel versinne,fließt Ernst und Lust in deine Hand zurück,und alles wird, was immer ich beginne,zu deinem Grame und zu deinem Glück. |