Friedrich Gundolf
1880 - 1931
Gedichte
1930
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Grüße_____________
MEINEM VATER
Nun hör ich, vater, deine stimme trauterUnd fühl dein warmes leben durch die nacht:Den schlag des herzens gütig, stark und lauter,Die qualen für uns durchgewacht.
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5 | Kein krampf mehr! keine klage: rein gesammeltWirkst du, lebendiger wirker, kraft und geist,Und hilfst uns lieb und kündest mir der stammeltVon drüben was du bist und weißt.
Wie war es rings geheimnisvoll verdüstert |
10 | Seit du hinüber ins geheimnis gingstUnd deine helle mitnahmst: doch es knistertIm schatten licht das du empfingst.
Bist du nun reiner noch im reinen schauenUm das du leib und leid ertrugst? uns blieb |
15 | Aus deinem dulden tröstliches vertrauen,Und mut aus deinem wissenstrieb.
Nun weile wach bei uns in deiner fülle,Des dunklen Gottes kundig der uns weckt . .Und lös uns leis die unbarmherzige hülle |
20 | Die Seinen anblick uns verdeckt.
MEINER MUTTER
Aus den geschlechtern die verschwiegenMit tausendjähriger geduldSich wahren und dem wandel schmiegenNahmst du bestand und huld.
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5 | Erbe des glaubens und der plagen,Die gottes-kindschaft und der fluch,Von keinem einzelnen ertragen,Bürde für volk und buch,
Verhängnis allen, die entwichen, |
10 | Sorge den eltern, kindern angst,War leise in dir ausgeglichen,Musik worin du schwangst.
MAX WEBER
Die jahrzehnte die uns jetzt gebrauchenSoll kein schwelgerischer dunst durchrauchen.Einer zwang die schönen und heroenMit dem wort aus liebe fluch und drohen |
5 | Noch in heilsgesicht und fernensage.
DU warfst in die trümmer deiner tageHeut, entledigt der geputzten schilder,Dich mit nacktem herzen quer durch bilderDeines grauns und hoffens . . branntest, sprengtest |
10 | Dich in jede not . . ob du verengtestDeine herrlich weite für die wichteOb du überschwangst in weltgeschichte,Dir entrückt, und niemals auf der lauerDeines glücks noch bang um eitle dauer. |
15 | In den wust gehäufter unratmassenTrotzte sich dein wille, um zu fassen,Um zu wissen, um zu büßen deineSchaffenslust im opfertod der scheine.Du, versucht wie keiner aus den schwärmern |
20 | Vom geraun der himmel, und den wärmernFesten, mären, räuschen zugedrungen . .Von sirenen mehr als wir versungen:Huld und macht! Zu künden und zu übenDeine huld und macht im leichten trüben, |
25 | Vor dem flor des schau-spiels, über schwündenWehrtest dir als billigste der sünden . .Du zerrissest eher die behängeDie zu schön sind und das gottgeprängeDas beschwichtigt, eh der kampf begonnen.
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30 | WAHRHEIT nach dem untergang der sonnen,Abgerungen den erwürgten wähnen,Unbelohnt vom Drüben, und mit tränenDie der mann verbergen muß dem nächsten . .Wahrheit im getümmel der behexten |
35 | Die sie lernen, um für neuen glaubenSie zu tauschen oder zu zerklauben . .Wahrheit ohne rast auf mürben kissenOhne wiederkäun der fertigen bissen . .Wahrheit als die blöße noch der würde, |
40 | Auf dem nacken wuchtend jede bürdeDer gestürzten götzen und die völleDes gehöhlten firmaments als hölle,Trugst du aus dem grund durch tausend türen,Führer, frei von lug wohin sie führen. |
45 | Und wir, zweifelnd jeder ständigen mitte,Segnen, vor den zielen, solche schritte,Vor den sätzen, deine lautre stimme,Dein ermutend lächeln der im grimmeWach beschwingten treue . . und wir wagen |
50 | Deinethalb die antwortlosen fragen.
An KARL WOLFSKEHL
Beinah dem wortgrund enthobenIn das geheime gewogWo sich die liebe dem loben,Sinnen dem sehnen entzog, |
5 | Kehr ich erwacht zum erwidernRück in dein reifes gelag.Dank deinen sprüchen und liedernWandelt das dunkel als tag.
Weile uns immer und hüte |
10 | Hüben und drüben bei dir -Ueberschwingende güte -Sicht und gesang und begierDeiner gewalten . . das schwimmenMitten im meer und den port |
15 | Mitten in uns . . tausend stimmenUnd das erleuchtete wort.
An WILHELM FURTWÄNGLER
Was wir scheu und fern besinnen,Der lebendigen mächte gang,Das durchwandelt dich von innenZu erscheinen als dein klang. |
5 | Bang vom drüben, wirr vom draußen,Wach ich heil in deinem festUnd gelöst sind gram und grausenWeil mich du er-innertest.
Mit gestirnen umgeschwungen |
10 | Die dein wink beschwört, betreut,Dank ich dir mich, heimgesungenIn mein liebend hier und heut.
An ARTHUR SALZ
Als noch flor des glaubens alle pfadeUeberspann bis an das meerTraf ich dich, scheu vor der eignen gnade,Leicht der welt, dir selber schwer.
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5 | So als müßte deine anmut sühnenEin vergeudet huldgeschenkSchrittest du durch die geselligen bühnenStolz und heimlich ungelenk,
Mit der heiligen bürde der verfemten, |
10 | Zögling eifervollen Gotts,Hilfreich den bedürftigen . . den bequemtenFein und fremd . . das herz voll trotz.
Wissen, tiefer als Bewährten ErnstenWürden trug, bargst du im spiel, |
15 | Deine sehnsucht über deine fernstenSterne fröhnte strengem ziel.
Du beschworst mit leidensdurstigem frevelDein verhängnis, bis es kam.In der bitternis von qualm und schwefel |
20 | Würgte sich dir gram und scham . .
Klaglos und verhehlt im zarten schimmerKlugem blick und finstrem grund,Trittst du treu vors ewige licht, und immerMir wie einst im frühling kund.
An ERICH VON KAHLER
Liebreich gewissen, bedachtJedes gewirke zu schonen,Bis in den silben-sinn sacht,Zagst vor den abermillionen. |
5 | Immer neu! Dies noch! Erst jetztFasert den dunstigen augenDing sich aus All . . und entsetztStaunst du wozu sie dir taugen.
Ekel vor lautem befund, |
10 | Eh du nicht heimisch im schweigenDich gabst den anfängen eigen,Lähmt dir den griff, schließt den mund.Doch dein werk kirrt und dräutMit seinem schwangeren schwellen, |
15 | Zögerer, dich zu zerspellen.Trau ihm und wage sein heut!
Außen steigt stündlich der wall.Du bist sein treuer erbauer.Steig über dich, ohne schauer |
20 | Vor unergründbarem fall.Innen ist abgrund: den teufstDu mit der sorglichen seele.Fürchte nicht daß dir noch fehleWas du erwühlst und erhäufst. |