BIBLIOTHECA AUGUSTANA

 

Friedrich Gundolf

1880 - 1931

 

Gedichte

 

1930

 

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Lehren

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EIN lebenstrieb entfaltet und bedingt

Sich nach gesetzen durch die wesensreihe

Bis er im menschen selbst sich überschwingt,

Sich eignes wissen schafft und eigne weihe.

5

Dann sucht er wie er ist und wie entspringt,

Will ruhn als raum und als geschichte rollen,

Erfindet sich sein müssen und sein sollen

Und wirkt den zauber der ihn lösend zwingt.

 

 

Aus dunklem grund, der wesen aus sich treibt,

sich west durch angst, begierig sich zu wissen,

Dringst du in licht und fühlst dich losgerissen

Beseelt vom dunkel und am licht verleibt.

5

Da bist du ich, bist welle, blüte funken

dran all, strom, boden, feuer sich erkennt

Und wirst, wenn du geschehn, vom element

Ins eine leben wieder rückgetrunken,

Unsterblich durch den zeitenlosen nu

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Da sich dein eigen Ich erscheint im Du.

 

 

Der ewige sinn verliert sich nicht, wie sehr

Er heut verfinstert scheine und vernichtet.

Was wissen wir vom maaß wonach er richtet?

Und müßten wir vergehn: auch dies ist Er.

 

5

Wir wirken nichts als was er uns verhängt.

Das was wir sind und was er uns verkündet

Ist eins im Grund: in seine fülle mündet

Was sich aus ihm beraubt, aus ihm empfängt.

 

 

Was geht, nicht halten! und was kommt nicht loben!

Schlammgrund sinkt ein und grundschlamm quillt nach oben.

 

Mißbraucht das wort nicht, schmutzig vom begehn,

Um das jahrhundertlang die blinden drehn.

 

5

Noch juchzt und flucht, noch liegt und siegt gesindel.

Vielleicht weint wo der Heiland in der windel.

 

E i n  wesen lieben, e i n e n  knecht befrein

Taugt mehr als glück der menschheit schrein.

 

 

Solang das liebe bei uns weilt

Genügt sein wesen, seine stimme

Und alles ringsumher verschwimme

In seiner fühlung! Es nur ist.

5

Wenn dich der liebende vermißt

Entsteht dein eigen, deine dinge,

Wird deine fülle aufgeteilt

In raum und reihe drin sie schwinge.

 

Dann wächst aus deinem sehn und ruhn

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Gemach mit odem, wärme, kühle,

Aus deinem wohnen tisch und stühle.

Dein blick wird fenster oder wand . .

Dein schlaf wird bett . . zu gegenstand

erstarrt das atmende gebaren,

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Dein leib zu kleid, dein schritt zu schuhn,

Dein wachsen zu verbliebnen haaren.

 

So bist du nirgends und ringsum

Und liebe tastend mit gedächtnis

Sucht im aus-wendigen vermächtnis

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Dein raumlos innen, inniges eins.

Sie trägt die dichte deines seins

Mit ungeduldiger angst zusammen

Und spürt im caput mortuum

Nach dem gewirk der lebigen flammen.

 

 

Wir wissen, daß uns etwas übersteigt

Sich offenbarend birgt und redend schweigt,

Ewig in sich, den heutigen immer heutig,

Ein eines tausendförmig -namig -deutig.

 

5

Es west in uns, ein jenseit unserer sicht.

Doch in uns selber wird es dünn und dicht.

In unsrem blut läßt es den Gott entstehn

Und duldet so zu sein wie wir es sehn.

 

Es wächst und welkt solang wir menschen sind

10

das uns erzeugende als unser kind.

Das unbedingte ist aus uns entsprungen

Und wie es wirkt sind wir von ihm bedungen.

 

Mag sein daß vor uns in den sternen hing

Gesetz das menschhaft sich in uns verfing:

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Wir haben keinen blick der es ermißt

Als unsern raum worin es wird und ist.

 

 

Uns durchreicht wurzelauf

Angst und gier der gepreßten

Flammen und wolken . . der vesten

Heimlich grollend geschnauf

5

Mit dem verlangen nach halt

Ihres triebs. Die gestauten

Müssen erscheinen und lauten,

Wollen frucht und gestalt.

 

Wir sind vollbracht in das licht

10

Das uns einzelt im paaren.

Raum gefesselt durchfahren

Wir auf der flucht in die pflicht

Die lähmend uns stillt.

Glaube wacht aus dem grausen

15

Und wir traun dem draußen

Dass sein gesicht uns vergilt.

 

Doch es droht uns zurück

Mit verhängnis, ereignis

In des herzens verschweignis . .

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Schleiert mit grinsendem Glück

Scheucht mit jüngstem Gericht

Unseren blick aus den blüten

Heim ins verholene brüten,

Und wir erschaffen es nicht.

 

 

Daß uns der lebensstrom durchrinne

Die träger seiner flucht und frucht,

Ist das der wille unsrer minne

Das opfer unsrer eigensucht:

5

Das kind, die enkel? Unser werben

Meint mehr als uns? und die begier

Nach dir allein heißt nur verderben

In dem gebot des tiers «begier

 

Und stirb?» Ich weiß: geheimres heischen –

10

Seitdem der mensch den Gott erfuhr –

Als fortzubluten, einzufleischen,

Vollendet unsre Kreatur:

Das Bild, das Ebenbild! und keine

Entfällt der gnade, der gelang

15

Im wachstums- und verwesungsscheine

Die schönheit: Gottes übergang.