BIBLIOTHECA AUGUSTANA

 

Karl Abraham

1877 - 1925

 

Amenhotep IV. (Echnaton)

Psychoanalytische Beiträge zum

Verständnis seiner Persönlichkeit und

des monotheistishen Aton-Kultes

 

1912

 

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In die Zeit der achtzehnten Dynastie fällt die erste „Weltherrschaft“ Ägyptens. Unter den direkten Vorfahren Amenhoteps IV. war es Thutmosis III. gewesen, der sie begründete. Während seiner langen Regierungszeit erweiterte er sein Reich bis zum Euphrat. Es bedurfte einer stattlichen Reihe alljährlich wiederholter Feldzüge, um die ägyptische Herrschaft zu befestigen. Aus allen diesen Unternehmungen ging der tatkräftige Thutmosis als Sieger hervor. Sein Nachfolger, Amenhotep II., hatte vollauf zu tun, um die asiatischen Völker endgiltig zu unterwerfen. An kriegerischem Geist, Wildheit und Grausamkeit übertraf er alle seine Vorgänger. Seine Körperkraft war berühmt: Kein anderer Mann – so wird erzählt – war imstande, des Königs Bogen zu spannen. Sein Sohn, Thutmosis IV., der nur kurze Zeit regierte, war von geringer Körperkraft. Er erhielt Ägyptens politische Macht auf ihrer Höhe, jedoch nicht sowohl durch kriegerische Leistungen als durch die Heirat mit der asiatischen Prinzessin Giluchipa, der Tochter des Königs Artatama von Mitanni (Mesopotamien). Bei seinem Tode hinterließ er einen minderjährigen Sohn, für den seine Mutter die Regentschaft übernahm, bis er als Amenhotep III. selbst den Thron besteigen konnte. Diese Regentschaft ebnete dem asiatischen Einfluß den Boden am ägyptischen Hofe. Unter der Regierung Amenhoteps III. wurde der Höhepunkt der ägyptischen Macht bereits überschritten. Ihm fehlte der kriegerische Sinn noch mehr als seinem Vater. Dagegen war er ein begeisterter Jäger, der die Berichte von seinen Jagderfolgen der Nachwelt in gleicher Weise überlieferte wie seine Vorfahren [336] ihre Kriegstaten. Er entfaltete am Hofe eine früher nicht gekannte Pracht. Die Kunst konnte in einer langen Friedenszeit erblühen. In folgenschwerster Weise wurde aber den fremden Einflüssen Raum gegeben, indem auch dieser König eine Fremde heiratete, die den Namen Teje führte. Sie war die Tochter eines anscheinend aus Asien eingewanderten Priesters, der dem Hofe nahe stand. Als sie ihm keinen männlichen Thronerben gebar, nahm er sich eine zweite Gemahlin. Auch diese war keine Ägypterin, sondern eine Asiatin: Taduchipa, Prinzessin von Mitanni, eine Tochter des nunmehr dort regierenden Königs Tuschratta. Amenhotep III. wählte in ihr eine Cousine aus der mütterlichen Familie. Seine erste Gemahlin Teje gebar jedoch später noch den sehnlich erwarteten Sohn, den nachmaligen König Amenhotep IV.

Mit den Jahren ging die Regierung immer mehr vom König auf die Königin über. Die äußere Politik des Landes erfuhr dadurch keine wesentliche Veränderung. Dagegen machte sich auf religiösem Gebiete alsbald ein Umschwung bemerkbar. Die Königin und ihr Anhang versuchten den hergebrachten Kultus des Amon bei Seite zu drängen und bevorzugten den bis dahin wenig populären Gott Aton.

Amon war um jene Zeit unbestritten der Hauptgott Ägyptens 2). Die Residenz der Pharaonen – Theben – war die wichtigste Stätte seines Kultes, und die Amonspriester von Theben besaßen sowohl am Hofe als im Volke einen außerordentlichen Einfluß. Die gleiche dominierende Rolle hatte ehedem der unterägyptische Hauptgott Ra (oder Rê) innegehabt, bis innerpolitische Veränderungen den Schwerpunkt des staatlichen und religiösen Lebens nach der jüngeren Residenzstadt Theben verlegten. Der Kultus des Ra war jedoch keineswegs völlig beseitigt – ja wir finden sogar den für die religiösen Anschauungen der Ägypter sehr charakteristischen Versuch, die beiden rivalisierenden Gottheiten zu einer einzigen – „Amon-Ra“ zu verschmelzen. Solcher kombinierter Gottheiten gab es viele. Die Priesterschaft eines weniger angesehenen Gottes liebte es, dem Namen des letzteren denjenigen des Ra oder Amon hinzuzufügen, um sein Ansehen dadurch zu steigern. Die Historiker weisen nun auf die bemerkenswerte, schon oben erwähnte Tatsache hin, daß der Vater der Königin Teje Priester einer solchen kombinierten Gottheit war, nämlich des Min-Ra. Min entsprach etwa dem Pan der Griechen, Min-Ra bedeutete also eine Kombination des Gottes der Fruchtbarkeit mit dem lebenspendenden Sonnengotte. Der Kultus einer solchen Gottheit, des Adonis, war nun in dem benachbarten Syrien zu Hause. Der asiatische Einfluß war in jener Zeit im Zunehmen begriffen. Und da nun der Vater der Königin ein wahrscheinlich aus Asien eingewanderter Priester war, so ergibt sich die Vermutung, daß es asiatische Einflüsse waren, die sich im Kultus des Min-Ra geltend zu machen begannen. [337]

Die Inschriften aus den späteren Regierungsjahren Amenhoteps III. enthalten mehrfach den Namen des Gottes Aton, der in ferner Vergangenheit neben Ra als Sonnengott im unterägyptischen Pharaonenreiche verehrt worden war. Die lautliche Ähnlichkeit der beiden Namen Aton und Adonis ist auffallend. Adonis war der Gott der untergehenden Sonne. Die Vermutung, der alte Name Aton sei zum Träger des von Asien eindringenden Adonis-Kultes geworden, ist nicht von der Hand zu weisen. Die namhaftesten Forscher tun dieser Auffassung Erwähnung.

Nach Amenhoteps III. Tode nahm der Kultus des Aton, wie bereits bemerkt, größeren Umfang an. In eine solche Zeit des Überganges fällt der Regierungsantritt des minderjährigen Königs Amenhotep IV. (1375 - 1358 v. Chr.).

Der junge König war von zartem, schwächlichem Körperbau, gelangte nie zu einer kernigen Gesundheit und starb schon im Alter von 28 Jahren. Es heißt auch, er habe an „Anfällen“ (über die ich freilich nirgends nähere Angaben finden konnte) sowie an visionären Zuständen gelitten. Man hat daher die Ansicht ausgesprochen, er sei epileptisch gewesen, wohl mit dem gleichen Unrecht, wie es von anderen Großen der Geschichte behauptet worden ist. Die Epilepsie bringt stets einen fortschreitenden geistigen Verfall des Erkrankten mit sich. Hat ein Mensch sich durch besondere geistige Gaben ausgezeichnet, und ist er bis zu seinem Ende im Vollbesitz dieser Gaben geblieben, so kann die Annahme der Epilepsie schon aus diesem Grunde als ausgeschlossen gelten. Amenhotep IV. war, wie aus allen Quellmaterialien hervorgeht, ein Idealist und Träumer, der wichtigen Erfordernissen des Lebens rat- und tatlos gegenüberstand. Ihm eignete nicht epileptische Impulsivität; die weitgehende Verdrängung in seinem Triebleben und die ausgeprägten Reaktionsbildungen in seinem Charakter gemahnen uns vielmehr an das Wesen der Neurotiker. Er­innern wir uns daran, daß nach gesicherter Erfahrung die phantasie­begabten Menschen – Dichter und Künstler – stets eine Beimischung neurotischer Züge aufweisen, so werden wir Amenhotep IV. eher dieser Menschenklasse zurechnen.

Mag der junge König nun neurotischen Zuständen in höherem oder geringerem Maße unterworfen gewesen sein – so vereinigte er mit ihnen sicher eine ungewöhnlich frühreife und vielseitige Intelligenz, ein Gefühlsleben von seltenem Reichtum. Wir erkennen in ihm einen Typus wieder, der auch in unserer Zeit existiert. Auch heute beobachten wir oft genug, wie in einer Familie Tatkraft und körperliche Leistungsfähigkeit zurückgehen, indessen der absterbende Stamm noch den einen oder anderen Sproß hervorbringt, der in geistiger Hinsicht vielleicht einen Aufstieg bedeutet, durch neurotische Veranlagung aber gehindert wird, sich an Leib und Seele harmonisch zu entwickeln.

Ein Blick in die Geschichte so mancher Familie läßt bemerken, wie sich aus ihrer Mitte eine Persönlichkeit erhebt und sich durch [338] ihre Aktivität Bahn bricht. Schon der Sohn eines solchen Mannes leitet oft den Abstieg der Familie ein. Häufig fehlt ihm die kraftvolle Konstitution des Vaters. Hat er sie aber auch ererbt, so wächst er doch im Schatten einer übermächtigen Persönlichkeit heran und wird dadurch in der freien Entfaltung gehindert. Er setzt das Werk des Vaters fort, ohne dessen Erfolge zu überbieten. Sein Machtbedürfnis zeigt sich mehr in seinen gesteigerten Ansprüchen an das Leben, in der Neigung zu Genuß und Luxus. Die folgende Generation pflegt dann an Energie und Tat­kraft noch weiter nachzulassen, zeigt eine Tendenz zur intellektuellen Überfeinerung und zur Sentimentalität. Den Anforderungen der Realität nicht gewachsen, treibt sie der Neurose zu.

Viel Entsprechendes findet sich in dem Entwicklungsgang der achtzehnten ägyptischen Dynastie von ihren älteren machtvollen Vertretern über Amenhotep III. bis zu dessen Sohne, dem Träumer und Philosophen, dessen Persönlichkeit nunmehr in psychoanalytische Beleuchtung gerückt werden soll.

Bringen wir bei einem Neurotiker das psychoanalytische Verfahren zur Anwendung, so begnügen wir uns nicht mit der Kenntnis seiner Lebensschicksale und der Feststellung des Krankheitsbildes, sondern wir dringen in das Unbewußte des Patienten ein und decken dessen Beziehungen zu den Erscheinungen der Neurose auf. Wir rekon­struieren in gemeinsamer Arbeit mit dem Patienten die Geschichte seiner Libido, d. h. ihren Zustand in der Kindheit, das Wirken der Sexualverdrängung und die Rückkehr verdrängter Wunschregungen in das Bewußtsein. Jeder Krankheitsfall, den wir in dieser Weise untersuchen, lehrt uns von neuem die Bedeutung erkennen, welche der Einstellung des Kindes den Eltern gegenüber zukommt.

Wir haben aber erfahren, daß auch der Gesunde in seinem Unbewußten die gleichen Triebkräfte birgt wie der Neurotiker, daß auch bei ihm die unbewußte Einstellung zu den Eltern den „Kernkomplex“ bildet. Daß die Libido des Knaben zuerst der Mutter zustrebt, daß seine ersten feindselig-eifersüchtigen Regungen dem Vater gelten, können wir bei jedem Individuum von neuem beobachten. Nur gelingt es dem gesunden Individuum, diejenigen Triebkräfte, deren Verdrängung aus sozialen Gründen erforderlich ist, zu sublimieren und zwischen Trieb und Verdrängung einen Ausgleich zu schaffen, während der Neurotiker zwischen den Extremen hin und her geworfen wird.

Amenhotep IV. zum Objekt einer psychoanalytischen Untersuchung zu machen, müßte als ein gänzlich phantastisches und aussichtsloses Unternehmen erscheinen, würden wir nicht gerade über den „Elternkomplex“ des jungen Königs aus seiner Geschichte in einer nicht mißzuverstehenden Weise unterrichtet. Die Tatsachen aber, von welchen bald die Rede sein soll, frappieren durch ihre weitgehende Analogie mit den Erfahrungen der Psychoanalyse. [339]

In der Ehe seiner Eltern, des Königs Amenhotep III. und der Königin Teje, hatte die letztere ohne Zweifel das Übergewicht. Eine Frau von großer Intelligenz und Regsamkeit, nahm sie mehr und mehr die Zügel der Regierung in die Hand. An Tatkraft, Initiative und praktischer Klugheit war sie ihrem Gemahl weitaus überlegen, der in seinen letzten Lebensjahren wenig Interesse für die Regierungsgeschäfte an den Tag gelegt zu haben scheint. Im Leben ihres Sohnes ist ihr Einfluß überall aufs deutlichste zu erkennen. Er muß ihr von Kindheit an besonders nahe gestanden haben. Seine Libido hatte sich in ungewöhnlichem Maße an die Mutter fixiert, während im Verhältnis zum Vater eine ebenso ausgesprochene negative Einstellung hervortritt.

 

Porträtkopf einer Statuette der Königin Teje,

der Mutter des Ketzerkönigs Echnaton

(im Besitze des Herrn James Simon, Berlin)

 

Für die nachhaltige Fixierung des jungen Königs an seine Mutter vermögen wir neben ihrer geistigen Bedeutung noch eine andere Ursache namhaft zu machen: das ist Tejes Schönheit. Wir sind in der Lage, uns eine lebendige Vorstellung von dem Äußeren dieser merkwürdigen Frau zu bilden. Eine kleine, in privatem Besitz befindliche Porträtbüste (von der das Berliner Museum eine Nachbildung enthält) zeigt in ihren Zügen eine seltene Vereinigung von Schönheit, Klugheit und Energie. Sie ist von so packender Lebendigkeit, daß sie ihren Eindruck auf den Beschauer auch heute nicht leicht verfehlen wird. Schon die Betrachtung einer Reproduktion 3) – siehe die beigeheftete Tafel – läßt es dem Kundigen begreiflich erscheinen, daß der feinsinnige, sensible Sohn sich in besonderem Grade an diese Mutter fixierte.

Eine derartig starke und nachhaltige Bindung der Libido an die Person der Mutter entfaltet in späterer Zeit ganz bestimmte Wirkungen auf die Erotik des reifenden oder erwachsenen Sohnes. Sie erschwert es ihm – wie ich dies in einem früheren Aufsatz 4) ausgeführt habe zur Zeit der Pubertät seine Libido von der Mutter abzulösen und sie auf neue Liebesobjekte zu übertragen, nicht selten mißlingt die Ablösung sogar völlig. Meist gelingt sie in einem unvollkommenen Grade, alsdann tritt die Neigung hervor, sich monogamisch an eine Person zu binden, die zum Ersatz der Mutter wird. Die einmal erfolgte Übertragung der Libido pflegt die endgiltige, unwiderrufliche zu sein. Eben dieser monogamische Zug findet sich nun bei dem jungen König in ausgesprochener Weise. Die Schicksale seines Liebeslebens sind einfach erzählt. Bald nach dem Tode seines Vaters wurde er, noch nicht zehn Jahre alt, vermählt. Zur Gemahlin erhielt er eine ebenfalls noch kindliche asiatische Prinzessin. Es ist [340] bemerkenswert, daß jetzt zum dritten Male eine Asiatin zur künftigen Königin erhoben wurde. Zur künftigen – denn einstweilen blieb die Herrschaft in den Händen der Königin-Mutter Teje und ihrer Berater. Als sie herangereift war, gebar die junge Königin eine Reihe von Töchtern, während der ersehnte männliche Thronerbe ausblieb. Amenhotep IV. unterließ es jedoch, wie sein Vater eine zweite Gemahlin zu nehmen, er beschränkte sich auf die von ihm über alles geliebte Nefer-Nefru-Aton. Diese Tatsache wird umso auffälliger, wenn man in Betracht zieht, daß die früheren Könige nach orientalischer Sitte einen Harem unterhalten hatten. Amenhotep IV. ist, wie Weigall richtig hervorhebt, der erste der Pharaonen, der in streng monogamischer Ehe lebte. Er beschränkte sich auf eine einzige Frau, die ihm überdies angetraut war, als er noch im Kindesalter stand. Er verzichtete also zeitlebens auf eine eigene Objektwahl. An seine Gemahlin fixierte er sich mit ähnlicher Intensität, wie an seine Mutter. Auch nachdem er großjährig geworden war, zeigte er sich in der Öffentlichkeit mit Vorliebe in Begleitung der beiden Frauen, die denn auch einen bedeutenden Einfluß auf die Regierung ausübten 5).

Unmittelbar nach dem Tode Amenhoteps III. gab die Königin-Witwe deutlich zu erkennen, wie sehr sie dem Kult des Aton zuneigte und wie wichtig es ihr war, ihren unmündigen Sohn zum Werkzeug ihrer Reformpläne zu machen. Amenhotep IV. erhielt beim Regierungsantritt einen höchst bezeichnenden Titel. Seinem Namen Amenhotep, der etwa bedeutete „von Amon geliebt“ wurde hinzugefügt: „Hoher Priester des Ra-Horakhti, welcher sich am Horizont erfreut seines Namens: „Glut, die in Aton ist“. So zeichnete die Mutter dem Sohne gleichsam den Weg vor, den er nach ihrem Willen gehen sollte.

Aton war nun ganz offiziell zum Rivalen Amons geworden. Noch wies nichts darauf hin, daß er wenige Jahre später zum alleinigen, einzigen Gotte erhoben werden sollte, wie es geschah, als der König die Großjährigkeit erreicht hatte. Noch ahnte niemand [341] die neue Weltanschauung, in deren Mittelpunkt Aton treten sollte. Teje war klug und besonnen genug, einen zu raschen Übergang zu dem neuen Kult zu verhüten oder gar die Anhänger des alten Kultes anzufeinden. Es wäre auch zu jener Zeit ein aussichtsloses Unternehmen gewesen, sogleich den Kampf mit der Priesterschaft des Amon aufzunehmen. Doch ließen schon die ersten Maßregeln ihrer Regentschaft klar erkennen, wohin sie strebe.

Das erste Bauwerk, welches unter der (nominellen) Regierung Amenhotep's IV. errichtet wurde, war der Tempel des Ra-Horakhti-Aton zu Karnak. Ein hier aufgestelltes Bildwerk zeigt den König – wie es ja seinem Namen durchaus entsprach – den Gott Amon verehrend. Das gleiche Bildwerk aber enthält auch das Symbol des Aton: die am Himmel stehende Sonnenscheibe mit Strahlen, die in Hände auslaufen und den König umgeben. Wir dürfen wohl eine Art von vorsichtiger Rücksichtnahme auf die Amons-Priester darin erkennen, daß der König hier in Beziehung zu beiden Gottheiten gesetzt wurde. Theben aber, die Hauptstadt und Zentrale des Amonsdienstes, erhielt einen neuen Namen: Stadt des Glanzes Atons.

Mit etwa 15 Jahren übernahm Amenhotep IV. selbst die Regierung. Er befand sich jetzt in dem Lebensalter, das sich der körperlichen Reifung anschließt. Wohl zeigte sich bald, welch starke Individualität in dem Jüngling steckte. Wohl mußte jeder mit der Zeit erkennen, daß Amenhotep seine eigenen Wege gehen werde. Dennoch blieb der Einfluß der Mutter, so lange sie lebte, unverkennbar. Der Sohn setzte das von ihr begonnene Werk mit seiner ganzen jugendlichen Begeisterung fort. In ihrer vollen Stärke tritt diese seine Fixierung an die Mutter erst hervor, wenn man seine Bestrebungen, sich vom Vater zu lösen, zum Vergleich heranzieht.

Das gesamte Verhalten des jungen Königs in den nun folgenden Jahren steht im Zeichen der Auflehnung gegen seinen schon seit geraumer Zeit verstorbenen Vater. Leider sind wir gänzlich ununterrichtet darüber, in welchem Verhältnis er als Knabe zu diesem stand, aber seine Einstellung in der Pubertät und in den späteren Jahren deckt sich völlig mit derjenigen, wie wir sie heute bei vielen Individuen beobachten können: Sie hangen unbewußt dem Vater an wie in der Kindheit. Herangewachsen, suchen sie sich von dieser inneren Abhängigkeit zu befreien. Äußerlich entsteht dann der Anschein, als kämpften sie gegen den Vater in Person. In Wirklichkeit ist es die in ihrem Unbewußten herrschende Fixierung an den Vater, gegen die sie sich auflehnen, ist es die Imago des Vaters, deren Herrschaft sie abschütteln wollen. Nur so erklärt es sich, daß der Neurotiker oft einen Kampf führt, der sich – seiner äußeren Erscheinung nach – gegen einen Verstorbenen richtet. In dem jungen König bestand also ein Gegensatz zweier Parteien, einer konservativen und einer revolutionären. Die Erfahrung [342] lehrt, daß es unter solchen Umständen zu psychischen Kompromißbildungen kommt.

Nach allem, was bisher über den Jüngling berichtet wurde, wird man erwarten, daß seine Auflehnung gegen den Vaterkomplex nicht in einer stürmisch-gewaltsamen Form vor sich gegangen sei. Und tatsächlich wird sich zeigen, wie er seine Auflehnung gegen die väterliche Macht und Autorität in idealen Bestrebungen sublimierte, die freilich in entschiedenster Weise gegen die durch den Vater vermittelte Tradition gerichtet waren. Wenn aber trotzdem später in gewisser Hinsicht die gewalttätige, revolutionäre Tendenz offener zum Durchbruch gelangte, so werden wir gerade daraus auf die Heftigkeit des inneren Kampfes schließen, der sich in Amenhotep abspielte. Der revolutionären Tendenz wirkte, wie erwähnt, eine konservative entgegen. Wir beobachten bei Amenhotep IV. einen Vorgang, der uns von den Neurotikern wohlbekannt ist. Sie lehnen die Autorität des Vaters in religiöser, politischer oder sonstiger Beziehung ab, ersetzen sie aber durch eine andere und zeigen dem Kundigen gerade dadurch, daß sie das Bedürfnis nach einer väterlichen Autorität tatsächlich nicht verloren haben.

Für Kompromißbildungen dieser Art gibt es kaum prägnantere Beispiele, als sie die Geschichte Amenhoteps IV. bietet. Bald nach seinem Regierungsantritt bricht er vollends mit der religiösen Tradition, bricht mit Amon, dem Gotte seines Vaters, und geht zu Aton über, den er mit einer Macht und Autorität ausstattet, die kein Gott zuvor besessen hatte. Er läßt damit den uralten unterägyptischen Sonnenkultus in neuer Form wieder aufleben. Indem er aber auf den Kultus des Ra-Horakhti-Aton zurückgreift, knüpft er an das Vorbild der ältesten Könige an, die ihre Herkunft unmittelbar von Ra ableiteten. Um noch deutlicher zu dokumentieren, wie nahe er sich ihnen, wie fern seinem Vater fühlt, trägt er stets die Krone von Unterägypten, d. h. des um Vieles älteren Reiches, wie er denn überhaupt von Anfang an nach Unterägypten tendiert. Andere bemerkenswerte Symptome treten hinzu.

Wir begegnen um diese Zeit den ersten Veränderungen des Kunststiles, gerade diese sind besonders charakteristisch. Dem Kenner ägyptischer Kunst fallen an den Bildern des Königs gewisse Eigentümlichkeiten auf, durch die sie sich von den Werken der vorhergehenden Zeit auf den ersten Blick unterscheiden: der in die Länge gezogene Schädel und Hals, der vorstehende Leib und die überlangen Hüften und Schenkel. Die Forscher haben diese Abweichungen auf verschiedene Art zu erklären versucht. Besonders war man zu der Annahme geneigt, bei dem Könige habe eine körperliche Deformität im Sinne jener Abbildungen und Skulpturen bestanden. Aber diese Hypothese mußte verlassen werden, als man die Mumie des Königs aufgefunden hatte. Denn Deformitäten, wie sie in den bildlichen Darstellungen Amenhoteps IV. erscheinen, fand man an den Knochen der Mumie nicht. Weigall hat nun [343] in höchst geistreicher und überzeugender Weise den Nachweis geführt, daß die seltsamen Formen in der Kunst dieser Zeit auf archaische Vorbilder zurückgehen, und zwar auf solche aus der Zeit der ältesten unterägyptischen Könige. Weigall gibt auf einer Tafel eine sehr instruktive Gegenüberstellung von Darstellungen aus der Urzeit ägyptischer Kunst und aus der uns beschäftigenden Epoche. Die Anlehnung des Stiles dieser letzteren Zeit an den der archaischen ist ganz evident 6). Der junge König stellt durch Wiederaufnahme des ältesten Stiles eine besonders innige Verbindung zwischen sich selbst und den ältesten Königen her.

Der Sinn dieser ersten von Amenhotep IV. selbst durchgeführten Veränderungen in Kultus und Kunst liegt klar zutage: der König will nicht Sohn und Nachfolger seines Vaters sein, sondern Sohn des Gottes Ra. Er will nicht den Gott seines wirklichen Vaters verehren, sondern seinen imaginären Vater Ra .

Wir werden hierdurch an geläufige Erscheinungen erinnert, die durch die psychoanalytische Erforschung der Neurosen ihre Aufklärung gefunden haben. Es sind die sogenannten Abkunftsphantasien, die sich aber auch bei nicht neurotischen Personen finden.

Der Vater ist für das Kind ursprünglich das Vorbild aller Macht und Größe. Treten feindselige Regungen gegen ihn auf, so entthront der Knabe häufig in seiner Phantasie den Vater, indem er sich selbst etwa zum Sohne eines imaginären Königs erhebt, seinem tatsächlichen Vater dagegen nur die Rolle eines Pflegevaters zuerteilt. Ein Prinz zu sein, ist eine der gebräuchlichsten Knabenphantasien. Bei Geisteskranken gehen aus solcher Ablehnung des Vaters Wahnideen hervor, welche die hohe Abkunft des Kranken zum Inhalt haben. Bekannt sind uns die gleichen Ideengänge aus den Mythen und Märchen, in denen oftmals der Held als Sohn niederer Eltern auferzogen wird, bis er später der Herrscherwürde teilhaftig wird, die ihm seiner wirklichen Abkunft gemäß zukommt. Es sind dies Mythen, die den uralten Konflikt zwischen Sohn und Vater in allerhand Verhüllungen zum Ausdruck bringen 7).

Amenhotep IV. verfährt ganz in diesem Sinne: er verschmäht die Abkunft von seinem wirklichen Vater und setzt einen Höheren an dessen Stelle. Da er aber in Wirklichkeit ein Königssohn war, so konnte er sich durch die bei anderen übliche Phantasie von königlicher Abkunft nicht über seinen Vater erheben. Er mußte schon eine Stufe höher hinaufsteigen: zu den Göttern. Man muß in Betracht ziehen, daß zu damaliger Zeit der ägyptische König der Beherrscher [344] eines Weltreiches war. Einen Sterblichen, der ihn an Macht übertroffen hätte, gab es nicht. Da blieb der Phantasie nur die einzige Möglichkeit, die eigene Existenz mit einem außerirdischen Wesen in Verbindung zu bringen. Dem Amon konnte die Vaterrolle nicht zufallen, er war ja der von Amenhotep III. verehrte Gott! Der Einfluß der Mutter wies auf Aton, resp. Ra hin, der überdies in der Vorzeit als Stammvater der ersten Könige gegolten hatte.

So begann die Regierung Amenhoteps IV. nicht mit kriegerischen Taten oder sonstigen Ereignissen der äußeren Politik, sondern mit Neuerungen auf ideellem Gebiet. Zunächst allerdings handelte es sich noch nicht um Neuerungen im eigentlichen Sinne, sondern eher um eine Rückkehr zu Ältestem, Vorgeschichtlichem. Je mehr der König aber zum erwachsenen Manne wurde, um so mehr Neues und Eigenes fügte er dem Alten, an das er angeknüpft hatte, hinzu. Daß die nun einsetzende Umwälzung in der Kunst auf die persönliche Initiative des Königs zurückging, dafür besitzen wir wertvolle Zeugnisse in ein paar Grabschriften von Künstlern, welche die Bauten des Königs ausgeführt hatten. Es war in Ägypten allgemein Sitte, daß in der Grabschrift der Verstorbene gewissermaßen persönlich seinen Lebenslauf erzählte. Bekanntlich verdanken wir diesen in großer Zahl erhaltenen Inschriften einen nicht geringen Teil unserer Kenntnis der ägyptischen Geschichte. Der königliche Baumeister Bek, dessen Werk die sogleich zu erwähnende neue Hauptstadt war, berichtet nun in seiner Grabschrift, daß seine Majestät ihn selbst unterwiesen habe. Man könnte darin eine an die Adresse des Königs gerichtete, höfische Schmeichelei erblicken, doch sicher mit Unrecht! Wir sind auch ohne solche Zeugnisse in der Lage, in der bildenden Kunst jener Epoche den Geist des Königs zu erkennen. Denn die Malerei und Plastik seiner Zeit sind eine Verkörperung der Ideale, deren Pflege sich der jugendliche Schwärmer mit ganzer Hingabe gewidmet hatte. Von der beständigen Betonung der Wahrheit in seinen ethischen Lehren und von dem ihr entsprechenden, ganz modern anmutenden Realismus in der Kunst seiner Epoche wird später noch die Rede sein.

Hatten seine Vorfahren nach einer Erweiterung und Sicherung ihrer politischen Machtsphäre getrachtet, so strebte der Nachkomme nach einer stetigen Erweiterung seines geistigen Gesichtskreises. Er wandte sein Interesse der ausländischen Kunst, den fremden Religionen und Mythen zu, allem Anschein nach gelang es ihm auch, die maßgebenden Kreise der Hauptstadt für die ihn bewegenden Fragen zu interessieren.

Zwei Jahre nach seinem Regierungsantritt tat der erst Siebzehn­jährige einen Schritt von größter prinzipieller Tragweite, er gründete eine neue Residenz, die den Namen „Achet-Aton“ {„Horizont des Aton“) erhielt. Er ließ diese Stadt etwa 450 km nördlich von der bisherigen Hauptstadt Theben erbauen. Damit entfernte er sich demonstrativ von der alten Amonsstadt und näherte sich dem Nildelta [345] (d. h. dem ältesten Reiche). Die neue Aton-Stadt lag an der Stelle des heutigen Tell-el-Amarna, hier wurden auch die eingangs erwähnten Tafeln aufgefunden. Bald erhoben sich Paläste und Tempel von großer Pracht. Außerdem wurde auch in Nubien und in Syrien je eine neue Stadt gegründet, deren Namen ausdrückten, daß sie dem Gotte Aton geweiht seien. Zwei Jahre später – 19 Jahre alt – verließ Amenhotep IV. endgiltig Theben und verlegte seine Residenz nach Achet-Aton. Zu gleicher Zeit änderte er seinen Namen und nannte sich fortan Echnaton, „dem Aton angenehm“ 8).

Inzwischen war es zu schweren Konflikten mit der Amons­priesterschaft gekommen, die sich den Neuerungen widersetzte. Echnaton führte aber sein Vorhaben mit eiserner Konsequenz durch. Er vertrieb die dem Aton feindlichen Priesterschaften aus ihrem Besitz, und indem er die Verehrung aller anderen Götter bekämpfte, erhob er Aton zum einzigen Gotte des Landes. Besonders erklärte er dem Amon den Krieg. Er richtete sein Streben darauf, die Spuren des Gottes, nach dem sein Vater und er selbst benannt waren, überall auszutilgen. Der verhaßte Name sollte nicht mehr laut werden. Und so ließ er in gleicher Weise den Namen Amon und den Namen seines Vaters Amenhotep aus allen Inschriften und Denkmälern beseitigen. In dieser seltsamen Reinigungs­aktion kommt die alte, lange zurückgehaltene oder sublimierte Feindschaft des Sohnes in aggressiver Weise zum Durchbruch. Das Vorgehen des Königs erscheint wie die Verwirklichung eines uralten, orientalischen Fluches gegen einen schlimmen Widersacher, dem man zu wünschen pflegte, daß seiner nicht gedacht werden sollte. Echnaton suchte Amons, und damit zugleich seines Vaters Gedächtnis auszutilgen. Er hat später, als seine Mutter Teje starb, die letzten Konsequenzen nach dieser Richtung gezogen. Tejes Mumie wurde nicht neben der ihres Gemahls bestattet, sondern nahe der Atonstadt in einer neuen Gruft, in der Echnaton selbst einst ruhen wollte. In der Grabschrift wird sie als die Gemahlin „Nebmaaras“ bezeichnet. Nebmaara war ein persönlicher Name Amenhoteps III., den er aber als König nicht offiziell geführt hatte. Noch bemerkenswerter ist, daß das Wort „Mutter“ nicht mit dem in der Hieroglyphenschrift üblichen Zeichen des Geiers, sondern buchstabenweise geschrieben ist. Das Geierzeichen bedeutete nicht nur „Mutter“, sondern noch speziell die Göttin Mut, die aber Amons Gemahlin war. Das Zeichen würde also einen zwar indirekten, aber deutlichen Hinweis auf Amon enthalten haben, und aus diesem Grunde mußte es vermieden werden. Echnaton wollte also im Tode neben seiner Mutter ruhen, die er von ihrem Gatten getrennt hatte. Bis über das Grab hinaus sollte seine Rivalität mit dem Vater um den Besitz der Mutter sich äußern! So vollzog er an den Toten, was er an den Lebenden zu tun nicht vermocht hatte. Er erinnert [346] uns durch diesen Charakterzug ganz besonders an das Verhalten neurotischer Individuen.

Ebenso ostentativ, wie er die Nennung seines Vaters mied, benutzte der König fortan jede Gelegenheit, sich als Atons Sohn zu bezeichnen. Die Inschriften von Achet-Aton zeigen es mit größter Deutlichkeit. Da heißt es z. B. mit Bezug auf den Bezirk, welcher dem Gotte geweiht wurde: „Dieses Gebiet von .... bis .... soll meinem Vater Aton gehören“.

Mit der Errichtung der neuen Residenz und ihrer Heiligtümer ging die weitere Ausgestaltung der neuen Religion und ihres Kultes Hand in Hand.

Aton ist Echnatons Vater, doch nicht im gleichen Sinne, wie einst Ra als Vater der ersten Könige gegolten hatte. Der neue Gott ist ein idealisierter Vater, und er ist nicht nur des Königs Vater im strengen Sinne des Wortes, sondern ein Vater aller Geschöpfe, der Ursprung des Alls. Er ist nicht – wie Ra oder Amon – ein Gott neben andern oder über andern, sondern ein einziger Gott, nicht ein Nationalgott, sondern ein Universalgott, dem alle Wesen gleich nahe stehen.

Es ist besonders hervorzuheben, daß Echnaton nicht die Sonne als Gottheit verehrte, sondern daß er die Wärme der Sonne, als lebenspendende Kraft, in Aton personifizierte. Breasted {Deutsche Ausgabe S. 296) betont mit Recht: „Wenn Echnaton auch keinen Versuch machte, die Identität seiner neuen Gottheit mit dem alten Gott Re zu verbergen, so war es doch nicht bloß Sonnenverehrung, was er erstrebte. Das Wort Aton wurde an Stelle des alten Wortes „Gott“ (neter) verwendet, und der Gott selbst deutlich von dem Sonnengestirn unterschieden. Dem alten Namen des Sonnengottes fügte man den erklärenden Satz hinzu: „das heißt: die Glut, welche in der Sonne (Aton) ist“, und man nannte ihn gelegentlich auch den „Herrn der Sonne (Aton)“.

Wenn Flinders Petrie in Echnaton einen Vorläufer des Mono­theismus erblickt, so darf man über dieses Urteil sehr wohl noch um ein Beträchtliches hinausgehen. Echnatons Lehre enthält nicht nur we­sentliche Bestandteile des alttestamentarischen jüdischen Monotheis­mus, sondern eilt ihm in mancher Beziehung voraus. Ja, ganz das Gleiche ergibt sich, wenn man Echnatons Ideen neben diejenigen des um dreizehn Jahrhunderte jüngeren Christentums hält. Und nicht Weniges gemahnt uns an moderne, unter dem Einfluß der Naturwissenschaften entstandene Anschauungen!

Die uns erhaltenen Gebete und Hymnen, deren bedeutendster später mitgeteilt werden soll, lassen Echnatons Auffassung vom Wesen des einzigen Gottes klar erkennen. Aton ist das liebende, allgütige Wesen, das durch Raum und Zeit hindurchgeht. Den früheren ägyptischen Gottheiten war solche Güte und Milde gänzlich fremd gewesen, ganz wie den Menschen, von denen sie verehrt wurden. Aton kennt nicht Haß, nicht Eifersucht noch Strafe, [347] wie der Gott des alten Testamentes. Er ist der Herr des Friedens, nicht des Krieges. Er ist frei von allen menschlichen Leidenschaften. Echnaton stellt sich ihn nicht körperlich vor – wie die alten Götter – sondern geistig und unpersön­lich. Er verbietet daher jede bildliche Darstellung des Gottes, darin ein Vorläufer der mosaischen Gesetzgebung! Aton ist die lebenspendende Kraft, der alles Lebende seine Existenz verdankt.

Weigall weist darauf hin, daß Echnatons Gottesauffassung der christlichen mehr ähnele als der mosaischen. Besonders treffend bemerkt er: „The faith of the patriarchs is the lineal ancestor of the Christian faith, but the creed of Akhnaton is its isolated prototype“. (p. 117.)

Die ganze Anschauungswelt und das gesamte religiöse System Echnatons zeigen eine einzig dastehende Tendenz zur Vergeistigung. Nicht nur der Bilderdienst wird abgeschafft, sondern ebenso alles, was früher Beiwerk und Ballast der Religion gewesen war. Das Zeremoniell der Aton-Religion war äußerst einfach, alles war auf möglichste Verinnerlichung gerichtet. Da gab es keine verdunkelnden Mysterien, sondern der Sinn des neuen Glaubens wurde in den vom König gedichteten Hymnen in zugleich verständlicher und packender Form dargestellt. Es fehlte ferner alles, was an Weltflucht oder Askese hätte erinnern können. Abgeschafft wurden auch die Toten- und Unter­weltsgötter; auch Osiris verlor seine Bedeutung. Die Höllenstrafen, die einen wesentlichen Bestandteil des alten Glaubens gebildet hatten, finden keine Erwähnung mehr. Dem Verstorbenen wurde nur ein einziger Wunsch zugeschrieben: die Sonne, d. h. Atons Glanz wieder­zusehen, und lediglich darauf bezogen sich nunmehr die in den Grabmälern eingemeißelten Gebete des Toten, daß seine Seele das Licht sehen möge.

Besser als jede Beschreibung veranschaulicht der schon erwähnte große Hymnus die religiösen Ideen Echnatons. Er möge deswegen hier unverkürzt folgen. Die Übersetzung entnehme ich der deutschen Ausgabe von Breasteds Geschichte. Er lautet wie folgt:

 

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2) Die Griechen identifizierten ihn daher mit ihrem Zeus. 

3) Die Abbildung ist der im Verlag Curtius erschienenen reich illustrierten deutschen Ausgabe von Breasteds Geschichte Ägyptens entnommen.  

4) „Die Stellung der Verwandtenehe in der Psychologie der Neurosen.“ Jahrbuch für psychoanalytische Forschungen, Bd. I, 1909. – Ich habe dort besonders die häufigen Cousinen-Ehen berücksichtigt. Ich verweise daher auf die zweite Ehe Amenhoteps III. mit einer Cousine aus der mütterlichen Familie. 

5) Noch eine scheinbar geringfügige Tatsache mag hier Erwähnung finden. Unter den Liebesobjekten der Kindheit, an die der neurotisch Veranlagte sich mit Zähigkeit zu fixieren pflegt, genießt sehr häufig die Amme einen besonderen Vorzug. Es ist sehr gewöhnlich, daß die Amme nach der Entwöhnung des Kindes in dessen Nähe bleibt. Die lustvollen Erinnerungen des Kindes an das Saugen an der Ammenbrust werden dadurch vor der Vergessenheit bewahrt, daß die Amme das Kind auch weiter mit besonderer Liebe hegt. In den Psychoanalysen neurotischer Personen habe ich oft genug die Nachwirkungen dieser Ammenliebe nachweisen können. Welche Bedeutung der Amme in den Träumen Erwachsener zukommt, hat neuerdings Stekel (Die Sprache des Traumes, Bergmann, Wiesbaden 1911) ausführlich dargetan. Wir erfahren nun, daß am Hofe Amenhoteps IV. seine Amme und ihr Mann eine erhebliche Rolle spielten. Ein Reliefbild z. B. stellt den König und die Königin dar, wie sie von einem Balkon aus dem Priester Eje, eben dem Manne der Amme, und dieser selbst, Geschenke zuwerfen. Vielleicht ist es auch nicht ohne Belang, daß sie den gleichen Namen – Teje – wie des Königs Mutter führte.

 

Relief im Felsengrab des Priesters Eje in Amarna (AT 25):

Von einem Balkon aus werfen der König und die Königin dem Priester Eje

und seiner Frau, der Amme Teje, Geschenke zu.

 

6) Die neuere Kunstgeschichte bietet in den Praerafaëliten ein ganz analoges Beispiel für das Zurückgreifen auf primitive Vorbilder.  

7) Vgl. hierzu meine Schrift „Traum und Mythus“ (p. 40). sowie Rank, „Der Mythus von der Geburt des Helden“. Beide in „Schriften zur angewandten Seelen­kunde“ (Heft 4, resp. 5.)  

8) Die Töchter des Königs erhielten schon bei ihrer Geburt Namen, wie „Merit-Aton“ (die von Aton geliebte) oder „Beket-Aton“ (Dienerin Atons).