Karl Simrock
1802 - 1876
Das Nibelungenlied
Achtes Abenteuer
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Wie Siegfried nach den Nibelungen fuhr.
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497 | Von dannen gieng da Siegfried | zum Hafen an den StrandIn seiner Tarnkappe, | wo er ein Schifflein fand.Darin stand verborgen | König Siegmunds Kind:Er führt' es bald von dannen, | als ob es wehte der Wind. |
498 | Den Steuermann sah Niemand, | wie schnell das Schifflein floßVon Siegfriedens Kräften, | die waren also groß.Da wähnten sie, es trieb es | ein eigner starker Wind:Nein, es führt' es Siegfried, | der schönen Sieglinde Kind. |
499 | Nach des Tags Verlaufe | und in der einen NachtKam er zu einem Lande | von gewaltger Macht:Es war wohl hundert Rasten | und noch darüber lang,Das Land der Nibelungen, | wo er den großen Schatz errang. |
500 | Der Held fuhr alleine | nach einem Werder breit:Sein Schiff band er feste, | der Ritter allbereit.Er fand auf einem Berge | eine Burg gelegenUnd suchte Herberge, | wie die Wegemüden pflegen. |
501 | Da kam er vor die Pforte, | die ihm verschloßen stand:Sie bewachten ihre Ehre, | wie Sitte noch im Land.Ans Thor begann zu klopfen | der unbekannte Mann:Das wurde wohl behütet; | da traf er innerhalben an |
502 | Einen Ungefügen, | der da der Wache pflag,Bei dem zu allen Zeiten | sein Gewaffen lag.Der sprach: «Wer pocht so heftig | da draußen an das Thor?»Da wandelte die Stimme | der kühne Siegfried davor |
503 | Und sprach: «Ich bin ein Recke: | thut mir auf alsbald,Sonst erzürn ich Etlichen | hier außen mit Gewalt,Der gern in Ruhe läge | und hätte sein Gemach.»Das verdroß den Pförtner, | als da Siegfried also sprach. |
504 | Der kühne Riese hatte | die Rüstung angethan,Den Helm aufs Haupt gehoben, | der gewaltge Mann:Den Schild alsbald ergriffen | und schwang nun auf das Thor.Wie lief er Siegfrieden | da so grimmig an davor! |
505 | Wie er zu wecken wage | so manchen kühnen Mann?Da wurden schnelle Schläge | von seiner Hand gethan.Der edle Fremdling schirmte | sich vor manchem Schlag;Da hieb ihm der Pförtner in Stücke | seines Schilds Beschlag |
506 | Mit einer Eisenstange: | so litt der Degen Noth.Schier begann zu fürchten | der Held den grimmen Tod,Als der Thürhüter | so mächtig auf ihn schlug.Dafür war ihm gewogen | sein Herre Siegfried genug. |
507 | Sie stritten so gewaltig, | die Burg gab Widerhall:Man hörte fern das Tosen | in König Niblungs Saal.Doch zwang er den Pförtner | zuletzt, daß er ihn band;Kund ward diese Märe | in allem Nibelungenland. |
508 | Das Streiten hatte ferne | gehört durch den BergAlberich der kühne, | ein wildes Gezwerg.Er waffnete sich balde | und lief hin, wo er fandDiesen edeln Fremdling, | als er den Riesen eben band. |
509 | Alberich war muthig, | dazu auch stark genug.Helm und Panzerringe | er am Leibe trugUnd eine schwere Geisel | von Gold an seiner Hand.Da lief er hin geschwinde, | wo er Siegfrieden fand. |
510 | Sieben schwere Knöpfe | hiengen vorn daran,Womit er vor der Linken | den Schild dem kühnen MannSo bitterlich zergerbte, | in Splitter gieng er fast.In Sorgen um sein Leben | gerieth der herrliche Gast. |
511 | Den Schild er ganz zerbrochen | seiner Hand entschwang:Da stieß er in die Scheide | eine Waffe, die war lang.Seinen Kammerwärter | wollt er nicht schlagen todt:Er schonte seiner Leute, | wie ihm die Treue gebot. |
512 | Mit den starken Händen | Albrichen lief er an,Und erfaßte bei dem Barte | den altgreisen Mann.Den zuckt' er ungefüge: | der Zwerg schrie auf vor Schmerz.Des jungen Helden Züchtigung | gieng Alberichen ans Herz. |
513 | Laut rief der Kühne: | «Nun laßt mir das Leben:Und hätt ich einem Helden | mich nicht schon ergeben,Dem ich schwören muste, | ich war ihm unterthan,Ich dient euch, bis ich stürbe,» | so sprach der listige Mann. |
514 | Er band auch Alberichen | wie den Riesen eh:Siegfriedens Kräfte | thaten ihm gar weh.Der Zwerg begann zu fragen: | «Wie seid ihr genannt?»Er sprach: «Ich heiße Siegfried: | ich wähnt, ich wär euch bekannt.» |
515 | «So wohl mir diese Kunde,» | sprach da Alberich,«An euern Heldenwerken | spürt ich nun sicherlich,Daß ihrs wohl verdientet, | des Landes Herr zu sein.Ich thu, was ihr gebietet, | laßt ihr nur mich gedeihn.» |
516 | Da sprach der Degen Siegfried: | «So macht euch auf geschwindUnd bringt mir her der Besten, | die in der Veste sind,Tausend Nibelungen; | die will ich vor mir sehn.So laß ich euch kein Leides | an euerm Leben geschehn.» |
517 | Albrichen und den Riesen | löst' er von dem Band.Hin lief der Zwerg geschwinde, | wo er die Recken fand.Sorglich erweckt' er | Die in Niblungs LehnUnd sprach: «Wohlauf, ihr Helden, | ihr sollt zu Siegfrieden gehn.» |
518 | Sie sprangen von den Betten | und waren gleich bereit:Tausend schnelle Ritter | standen im Eisenkleid.Er brachte sie zur Stelle, | wo er Siegfried fand:Der grüßte schön die Degen | und gab Manchem die Hand. |
519 | Viel Kerzen ließ man zünden; | man schenkt' ihm lautern Trank.Daß sie so bald gekommen, | des sagt' er Allen Dank.Er sprach: «Ihr sollt von hinnen | mir folgen über Flut.»Dazu fand er willig | diese Helden kühn und gut. |
520 | Wohl dreißig hundert Recken | kamen ungezählt:Von denen wurden tausend | der besten auserwählt,Man brachte ihre Helme | und ander Rüstgewand,Da er sie führen wollte | hin zu Brunhildens Land. |
521 | Er sprach: «Ihr guten Ritter, | Eins laßt euch sagen:Ihr sollt reiche Kleider | dort am Hofe tragen,Denn uns wird da schauen | manch minnigliches Weib:Darum sollt ihr zieren | mit guten Kleidern den Leib.» |
522 | Nun möchten mich die Thoren | vielleicht der Lüge zeihn: |Wie konnten so viel Ritter | wohl beisammen sein?Wo nähmen sie die Speise? | Wo nähmen sie Gewand?Und besäß er dreißig Lande, | er brächt es nimmer zu Stand. |
523 | Ihr habt doch wol vernommen, | Siegfried war gar reich.Sein war der Nibelungenhort, | dazu das Königreich.Drum gab er seinen Degen | völliglich genug;Es ward ja doch nicht minder, | wie viel man von dem Schatze trug. |
524 | Eines frühen Morgens | begannen sie die Fahrt:Was schneller Mannen hatte | da Siegfried sich geschart!Sie führten gute Rosse | und herrlich Gewand:Sie kamen stolz gezogen | hin zu Brunhildens Land. |
525 | Da stand in den Zinnen | manch minnigliches Kind.Da sprach die Königstochter: | «Weiß Jemand, wer die sind,Die ich dort fließen sehe | so fern auf der See?Sie führen reiche Segel, | die sind noch weißer als der Schnee.» |
526 | Da sprach der Vogt vom Rheine: | «Es ist mein Heergeleit,Das ich auf der Reise | verließ von hier nicht weit:Ich habe sie besendet: | nun sind sie, Frau, gekommen.»Der herrlichen Gäste | ward mit Züchten wahrgenommen. |
527 | Da sah man Siegfrieden | im Schiffe stehn voranIn herrlichem Gewande | mit manchem andern Mann.Da sprach die Königstochter: | «Herr König, wollt mir sagen:Soll ich die Gäste grüßen | oder ihnen Gruß versagen?» |
528 | Er sprach: «Ihr sollt entgegen | ihnen vor den Pallas gehn,Ob ihr sie gerne sehet, | daß sie das wohl verstehn.»Da that die Königstochter, | wie ihr der König rieth;Siegfrieden mit dem Gruße | sie von den Andern unterschied. |
529 | Herberge gab man ihnen | und wahrt' ihr Gewand.Da waren so viel Gäste | gekommen in das Land,Daß sie sich allenthalben | drängten mit den Scharen:Da wollten heim die Kühnen | zu den Burgunden fahren. |
530 | Da sprach die Königstochter: | «Dem blieb ich immer hold,Der zu vertheilen wüste | mein Silber und mein GoldMeinen Gästen und des Königs, | des ich so viel gewann.»Zur Antwort gab ihr Dankwart, | des kühnen Geiselher Mann: |
531 | «Viel edle Königstochter, | laßt mich der Schlüßel pflegen;Ich will es so vertheilen,» | sprach der kühne Degen,«Wenn ich mir Schand erwerbe, | die treffe mich allein.»Daß er milde wäre, | das leuchtete da wohl ein. |
532 | Als sich Hagens Bruder | der Schlüßel unterwand,So manche reiche Gabe | bot des Helden Hand:Wer Einer Mark begehrte, | dem ward so viel gegeben,Daß die Armen alle | da in Freuden mochten leben. |
533 | Wohl mit hundert Pfunden | gab er ohne Wahl.Da gieng in reichem Kleide | Mancher aus dem Saal,Der nie zuvor im Leben | so hehr Gewand noch trug.Die Königin erfuhr es: | da war es ihr leid genug. |
534 | Sie sprach zu dem König: | «Des hätt ich gerne Rath,Daß nichts mir soll verbleiben | von meinem KleiderstaatVor euerm Kämmerlinge: | er verschwendet all mein Gold.Wer dem noch widerstände, | dem wollt ich immer bleiben hold. |
535 | «Er giebt so reiche Gaben: | der Degen wähnet eben,Ich habe nach dem Tode | gesandt: ich will noch lebenUnd kann wol selbst verschwenden | meines Vaters Gut.»Nie hatt einer Königin | Kämmerer so milden Muth. |
536 | Da sprach von Tronje Hagen: | «Frau, euch sei bekannt:Der König vom Rheine | hat Gold und GewandZu geben solche Fülle, | daß es nicht Noth ihm thut,Von hier hinweg zu führen | einen Theil von Brunhilds Gut.» |
537 | «Nein, wenn ihr mich liebet,» | sprach sie zu den Herrn, |«Zwanzig Reiseschreine | füllt ich mir gernMit Gold und mit Seide: | das soll meine HandVertheilen, so wir kommen | heim in der Burgunden Land.» |
538 | Da lud man ihr die Kisten | mit edelm Gestein.Der Frauen Kämmerlinge | musten zugegen sein:Sie wollt es nicht vertrauen | Geiselhers Unterthan.Gunther und Hagen | darob zu lachen begann. |
539 | Da sprach die Königstochter: | «Wem laß ich nun mein Land?Das soll hier erst bestimmen | mein und eure Hand.»Da sprach der edle König: | «So rufet wen herbei,Der euch dazu gefalle, | daß er zum Vogt geordnet sei.» |
540 | Ihrer nächsten Freunde Einen | die Jungfrau bei sich sah;Es war ihr Mutterbruder, | zu dem begann sie da:«Nun laßt euch sein befohlen | die Burgen und das Land,Bis seine Amtleute | der König Gunther gesandt.» |
541 | Aus dem Gesinde wählte sie | zweitausend Mann,Die mit ihr fahren sollten | gen Burgund hindannMit jenen tausend Recken | aus Nibelungenland.Sie schickten sich zur Reise: | man sah sie reiten nach dem Strand. |
542 | Sie führte mit von dannen | sechsundachtzig Fraun,Dazu wol hundert Mägdelein, | die waren schön zu schaun.Sie säumten sich nicht länger, | sie eilten nun hindann:Die sie zu Hause ließen, | wie Manche hub zu weinen an! |
543 | In höfischen Züchten | räumte die Frau ihr Land,Die nächsten Freunde küssend, | die sie bei sich fand.Mit gutem Urlaube | kamen sie aufs Meer;Ihres Vaters Lande | sah die Jungfrau nimmermehr. |
544 | Auf ihrer Fahrt ertönte | vielfaches Freudenspiel;Aller Kurzweile | hatten sie da viel.Auch hob sich zu der Reise | der rechte Wasserwind.Sie fuhren ab vom Lande: | das beweinte mancher Mutter Kind. |
545 | Doch wollte sie den König | nicht minnen auf der Fahrt:Ihre Kurzweil wurde | bis in sein Haus gespartZu Worms in der Veste | zu einem Hofgelag,Dahin mit ihren Helden | sie fröhlich kamen hernach. |