Karl Simrock
1802 - 1876
Das Nibelungenlied
Neuntes Abenteuer
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Wie Siegfried nach Worms gesandt wird.
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546 | Da sie gefahren waren | voll neun Tage,Da sprach von Tronje Hagen: | «Nun hört, was ich sage.Wir säumen mit der Kunde | nach Worms an den Rhein:Nun sollten eure Boten | schon bei den Burgunden sein.» |
547 | Da sprach König Gunther: | «Ihr redet recht daran;Auch hätt uns wohl Niemand | die Fahrt so gern gethanAls ihr selbst, Freund Hagen: | nun reitet in mein Land,Unsre Hofreise | macht Niemand beßer da bekannt.» |
548 | «Nun wißt, lieber Herre, | ich bin kein Bote gut:Laßt mich der Kammer pflegen | und bleiben auf der Flut.Ich will hier bei den Frauen | behüten ihr Gewand,Bis daß wir sie bringen | in der Burgunden Land. |
549 | «Nein, bittet Siegfrieden | um die Botschaft dahin:Der mag sie wohl verrichten | mit zuchtreichem Sinn.Versagt er euch die Reise, | ihr sollt mit guten SittenBei eurer Schwester Liebe | um die Fahrt ihn freundlich bitten.» |
550 | Er sandte nach dem Recken: | der kam, als man ihn fand.Er sprach zu ihm: «Wir nahen | uns schon meinem Land;Da sollt ich Boten senden | der lieben Schwester meinUnd auch meiner Mutter, | daß wir kommen an den Rhein. |
551 | «So bitt ich euch, Herr Siegfried, | daß ihr die Reise thut,Ich wills euch immer danken,» | so sprach der Degen gut.Da weigerte sich Siegfried, | dieser kühne Mann,Bis ihn König Gunther | sehr zu flehen begann. |
552 | Er sprach: «Ihr sollt reiten | um den Willen mein,Dazu auch um Kriemhild, | das schöne Mägdelein,Daß es mit mir vergelte | die herrliche Maid.»Als Siegfried das hörte, | da war der Recke bald bereit. |
553 | «Entbietet, was ihr wollet, | es soll gemeldet sein:Ich will es gern bestellen | um das schöne Mägdelein.Die ich im Herzen trage, | verzichtet' ich auf die?Leisten will ich Alles, | was ihr gebietet, um sie.» |
554 | «So sagt meiner Mutter, | Ute der Königin,Daß ich auf dieser Reise | hohes Muthes bin.Wie wir geworben haben, | sagt meinen Brüdern an;Auch unsern Freunden werde | diese Märe kund gethan. |
555 | Ihr sollt auch nichts verschweigen | der schönen Schwester mein, |Ich woll ihr mit Brunhild | stäts zu Diensten sein;So sagt auch dem Gesinde | und wer mir unterthan,Was je mein Herz sich wünschte, | daß ich das Alles gewann. |
556 | «Und saget Ortweinen, | dem lieben Neffen mein,Daß er Gestühl errichten | laße bei dem Rhein;Den Mannen auch und Freunden | sei es kund gethan,Ich stelle mit Brunhilden | eine große Hochzeit an. |
557 | «Und bittet meine Schwester, | werd ihr das bekannt,Daß ich mit meinen Gästen | gekommen sei ins Land,Daß sie dann wohl empfange | die liebe Traute mein:So woll ich Kriemhilden | stäts zu Dienst erbötig sein.» |
558 | Da bat bei Brunhilden | und ihrem IngesindAlsbald um den Urlaub | Siegfried, Sigmunds Kind,Wie es ihm geziemte: | da ritt er an den Rhein.Es könnt in allen Landen | ein beßrer Bote nicht sein. |
559 | Mit vierundzwanzig Recken | zu Worms kam er an;Ohne den König kam er, | das wurde kund gethan.Da mühten all die Degen | in Jammer sich und Noth,Besorgt, daß dort der König | gefunden habe den Tod. |
560 | Sie stiegen von den Rossen | und trugen hohen Muth;Da kam alsbald Herr Geiselher, | der junge König gut,Und Gernot, sein Bruder, | wie hurtig sprach er da,Als er den König Gunther | nicht bei Siegfrieden sah: |
561 | «Willkommen, Herr Siegfried, | ich bitte, sagt mir an:Wo habt ihr meinen Bruder, | den König, hingethan?Brunhildens Stärke | hat ihn uns wol benommen;So wär uns sehr zu Schaden | ihre hohe Minne gekommen.» |
562 | «Die Sorge laßt fahren: | euch und den Freunden seinEntbietet seine Dienste | der Heergeselle mein.Ich verließ ihn wohlgeborgen: | er hat mich euch gesandt,Daß ich sein Bote würde, | mit Mären her in euer Land. |
563 | «Nun helft mir es fügen, | wie es auch gescheh,Daß ich die Königin Ute | und eure Schwester seh;Die soll ich hören laßen, | was ihr zu wißen thutGunther und Frau Brunhild; | um sie beide steht es gut.» |
564 | Da sprach der junge Geiselher: | «So sprecht bei ihnen an;Da habt ihr meiner Schwester | einen Liebesdienst gethan.Sie trägt noch große Sorge | um den Bruder mein:Die Maid sieht euch gerne: | dafür will ich euch Bürge sein.» |
565 | Da sprach der Degen Siegfried: | «Wo ich ihr dienen kann,Das soll immer treulich | und willig sein gethan.Wer sagt nun, daß ich komme, | den beiden Frauen an?»Da warb die Botschaft Geiselher, | dieser waidliche Mann. |
566 | Geiselher der junge | sprach zu der Mutter daUnd auch zu seiner Schwester, | als er die beiden sah:«Uns ist gekommen Siegfried, | der Held aus Niederland;Ihn hat mein Bruder Gunther | her zum Rheine gesandt. |
567 | «Er bringt uns die Kunde, | wie's um den König steht;Nun sollt ihr ihm erlauben, | daß er zu Hofe geht:Er bringt die rechten Mären | uns her von Isenland.»Noch war den edeln Frauen | große Sorge nicht gewandt. |
568 | Sie sprangen nach dem Staate | und kleideten sich dreinUnd luden Siegfrieden | nach Hof zu kommen ein.Das that der Degen williglich, | weil er sie gerne sah.Kriemhild die edle | sprach zu ihm in Güte da: |
569 | «Willkommen, Herr Siegfried, | ein Ritter ohne Gleich.Wo blieb mein Bruder Gunther, | der edle König reich?Durch Brunhilds Stärke, fürcht' ich, | gieng er uns verloren:O weh mir armen Mägdelein, | daß ich je ward geboren!» |
570 | Da sprach der kühne Ritter: | «Nun gebt mir Botenbrot,Ihr zwei schönen Frauen | weinet ohne Noth.Ich verließ ihn wohlgeborgen, | das thu ich euch bekannt:Sie haben mich euch beiden | mit der Märe hergesandt. |
571 | «Mit freundlicher Liebe, | viel edle Herrin mein,Entbeut euch seine Dienste | er und die Traute sein.Nun laßt euer Weinen: | sie wollen balde kommen.»Sie hatte lange Tage | so liebe Märe nicht vernommen. |
572 | Mit schneeweißem Kleide | aus Augen wohlgethanWischte sie die Thränen; | zu danken hub sie anDem Boten dieser Märe, | die ihr war gekommen.Ihr war die große Trauer | und auch ihr Weinen benommen. |
573 | Sie hieß den Boten sitzen: | des war er gern bereit.Da sprach die Minnigliche: | «Es wäre mir nicht leid,Wenn ich euch geben dürfte | zum Botenlohn mein Gold.Dazu seid ihr zu vornehm: | so bleib ich sonst denn euch hold. |
574 | «Und würden dreißig Lande,» | sprach er, «mein genannt,So empfieng' ich Gabe | doch gern aus eurer Hand.»Da sprach die Wohlgezogne: | «Wohlan, es soll geschehn.»Da hieß sie ihren Kämmerer | nach dem Botenlohne gehn. |
575 | Vierundzwanzig Spangen | mit Edelsteinen gutGab sie ihm zum Lohne. | So stund des Helden Muth:Er wollt es nicht behalten: | er gab es unverwandtIhren schönen Maiden, | die er in der Kammer fand. |
576 | Ihre Dienste bot ihm | die Mutter gütlich an.«Ich soll euch ferner sagen,» | sprach der kühne Mann,«Um was der König bittet, | gelangt er an den Rhein:Wenn ihr das, Fraue, leistet, | er will euch stäts gewogen sein. |
577 | «Seine reichen Gäste, | das ist sein Begehr,Sollt ihr wohl empfangen; | auch bittet er euch sehr,Entgegen ihm zu reiten | vor Worms ans Gestad.Das ists, warum der König | euch in Treun gebeten hat.» |
578 | «Das will ich gern vollbringen,» | sprach die schöne Magd:«Worin ich ihm kann dienen, | das ist ihm unversagt.Mit freundlicher Treue | wird all sein Wunsch gethan.»Da mehrte sich die Farbe, | die sie vor Freude gewann. |
579 | Nie sah man Fürstenboten | beßer wohl empfahn:Wenn sie ihn küssen durfte, | sie hätt es gern gethan;Minniglich er anders | doch von der Frauen schied.Da thaten die Burgunden, | wie da Siegfried ihnen rieth. |
580 | Sindold und Hunold | und Rumold der DegenGroßer Unmuße | musten sie da pflegen,Als sie die Sitze richteten | vor Worms an dem Strand:Die Schaffner des Königs | man sehr beflißen da fand. |
581 | Ortwein und Gere | säumten auch nicht mehr,Sie sandten nach den Freunden | allwärts umher,Die Hochzeit anzusagen, | die da sollte sein;Der zierten sich entgegen | viel der schönen Mägdelein. |
582 | Der Pallas und die Wände | waren allzumalVerziert der Gäste wegen; | König Gunthers SaalWard herrlich ausgerüstet | für manchen fremden Mann;Das große Hofgelage | mit hohen Freuden begann. |
583 | Da ritten allenthalben | die Wege durch das LandDer drei Könge Freunde; | die hatte man besandt,Die Gäste zu empfangen, | die da sollten kommen.Da wurden aus dem Einschlag | viel reicher Kleider genommen. |
584 | Bald brachte man die Kunde, | daß man schon reiten sahBrunhilds Gefolge: | Gedränge gab es daVon des Volkes Menge | in Burgundenland.Hei! was man kühner Degen | da zu beiden Seiten fand! |
585 | Da sprach die schöne Kriemhild: | «Ihr, meine Mägdelein, |Die bei dem Empfange | mit mir wollen sein,Die suchen aus den Kisten | ihr allerbest Gewand:So wird uns Lob und Ehre | von den Gästen zuerkannt.» |
586 | Da kamen auch die Recken | und ließen vor sich herSchöne Sättel tragen | von rothem Golde schwer,Daß drauf die Frauen ritten | von Worms an den Rhein.Beßer Pferdgeräthe | konnte wohl nimmer sein. |
587 | Wie warf da von den Mähren | den Schein das lichte Gold! |Viel Edelsteine glänzten | von den Zäumen hold;Die goldenen Schemel | auf lichtem Teppich gutBrachte man den Frauen: | sie hatten fröhlichen Muth. |
588 | Die Frauenpferde standen | auf dem Hof bereit,Wie gemeldet wurde, | für manche edle Maid.Die schmalen Brustriemen | sah man die Mähren tragenVon der besten Seide, | davon man je hörte sagen. |
589 | Sechsundachtzig Frauen | traten da heraus,Die Kopfgebinde trugen; | zu Kriemhild vor das HausZogen die Schönen | jetzt in reichem Kleid;Da kam in vollem Schmucke | auch manche waidliche Maid, |
590 | Fünfzig und viere | aus Burgundenland:Es waren auch die besten, | die man irgend fand.Man sah sie gelblockig | unter lichten Borten gehn.Was sich bedingt der König, | das sah er fleißig geschehn. |
591 | Von kostbaren Zeugen, | den besten, die man fand,Trugen sie vor den Gästen | manch herrlich Gewand.Zu ihrer schönen Farbe | stand es ihnen gut:Wer Einer abhold wäre, | litte wohl an schwachem Muth. |
592 | Von Hermelin und Zobel | viel Kleider man da fand.Da schmückte sich gar Manche | den Arm und auch die HandMit Spangen auf der Seide, | die sie sollten tragen.Es könnt euch dieß Befleißen | Niemand wohl zu Ende sagen. |
593 | Viel Gürtel kunstgeschaffen, | kostbar und lang,Ueber lichte Kleider | die Hand der Frauen schwangUm edle Ferransröcke | von Zeug aus Arabia,Wie man sie besser | in aller Welt nicht ersah. |
594 | Man sah in Brustgeschmeide | manch schöne MaidMinniglich sich schnüren. | Die mochte tragen Leid,Deren lichte Farbe | das Kleid nicht überschien.So schönes Ingesinde | hat nun keine Königin. |
595 | Als die Minniglichen | nun trugen ihr Gewand,Die sie da führen sollten, | die kamen unverwandt,Die hochgemuthen Recken | in großer Zahl daher;Man bracht auch hin viel Schilde | und manchen eschenen Sper. |