Karl Simrock
1802 - 1876
Das Nibelungenlied
Siebentes Abenteuer
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Wie Gunther Brunhilden gewann.
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402 | Ihr Schifflein unterdessen | war auf dem MeerZur Burg heran gefloßen: | da sah der König hehrOben in den Fenstern | manche schöne Maid.Daß er sie nicht erkannte, | das war in Wahrheit ihm leid. |
403 | Er fragte Siegfrieden, | den Gesellen sein:«Hättet ihr wohl Kunde | um diese Mägdelein,Die dort hernieder schauen | nach uns auf die Flut?Wie ihr Herr auch heiße, | so tragen sie hohen Muth.» |
404 | Da sprach der kühne Siegfried: | «Nun sollt ihr heimlich spähnNach den Jungfrauen | und sollt mir dann gestehn,Welche ihr nehmen wolltet, | wär euch die Wahl verliehn.»«Das will ich,» sprach Gunther, | dieser Ritter schnell und kühn. |
405 | «So schau ich ihrer Eine | in jenem Fenster an,Im schneeweißen Kleide, | die ist so wohlgethan:Die wählen meine Augen, | so schön ist sie von Leib.Wenn ich gebieten dürfte, | sie müste werden mein Weib.» |
406 | «Dir hat recht erkoren | deiner Augen Schein:Es ist die edle Brunhild, | das schöne Mägdelein,Nach der das Herz dir ringet, | der Sinn und auch der Muth.»All ihr Gebaren dauchte | König Gunthern gut. |
407 | Da hieß die Königstochter | von den Fenstern gehnDie minniglichen Maide: | sie sollten da nicht stehnZum Anblick für die Fremden; | sie folgten unverwandt.Was da die Frauen thaten, | das ist uns auch wohl bekannt. |
408 | Sie zierten sich entgegen | den unkunden Herrn,Wie es immer thaten | schöne Frauen gern.Dann an die engen Fenster | traten sie heran,Wo sie die Helden sahen: | das ward aus Neugier gethan. |
409 | Nur ihrer Viere waren, | die kamen in das Land.Siegfried der kühne | ein Ross zog auf den Strand.Das sahen durch die Fenster | die schönen Frauen an:Große Ehre dauchte | sich König Gunther gethan. |
410 | Er hielt ihm bei dem Zaume | das zierliche Ross,Das war gut und stattlich, | stark dazu und groß,Bis der König Gunther | fest im Sattel saß.Also dient' ihm Siegfried, | was er hernach doch ganz vergaß. |
411 | Dann zog er auch das seine | aus dem Schiff heran:Er hatte solche Dienste | gar selten sonst gethan,Daß er am Steigreif | Helden gestanden wär.Das sahen durch die Fenster | die schönen Frauen hehr. |
412 | Es war in gleicher Weise | den Helden allbereitVon schneeblanker Farbe | das Ross und auch das Kleid,Dem einen wie dem andern, | und schön der Schilde Rand:Die warfen hellen Schimmer | an der edeln Recken Hand. |
413 | Ihre Sättel wohlgesteinet, | die Brustriemen schmal:So ritten sie herrlich | vor Brunhildens Saal;Daran hiengen Schellen | von lichtem Golde roth.Sie kamen zu dem Lande, | wie ihr Hochsinn gebot, |
414 | Mit Speren neu geschliffen, | mit wohlgeschaffnem Schwert,Das bis auf die Sporen gieng | den Helden werth.Die Wohlgemuthen führten | es scharf genug und breit.Das alles sah Brunhild, | diese herrliche Maid. |
415 | Mit ihnen kam auch Dankwart | und sein Bruder Hagen:Diese beide trugen, | wie wir hören sagen,Von rabenschwarzer Farbe | reichgewirktes Kleid;Neu waren ihre Schilde, | gut, dazu auch lang und breit. |
416 | Von India dem Lande | trugen sie Gestein,Das warf an ihrem Kleide | auf und ab den Schein.Sie ließen unbehütet | das Schifflein bei der Flut;So ritten nach der Veste | diese Helden kühn und gut. |
417 | Sechsundachtzig Thürme | sahn sie darin zumal,Drei weite Pfalzen | und einen schönen SaalVon edelm Marmelsteine, | so grün wie das Gras,Darin die Königstochter | mit ihrem Ingefinde saß. |
418 | Die Burg war erschloßen | und weithin aufgethan,Brunhildes Mannen | liefen alsbald heranUnd empfiengen die Gäste | in ihrer Herrin Land.Die Rosse nahm man ihnen | und die Schilde von der Hand. |
419 | Da sprach der Kämmrer Einer: | «Gebt uns euer SchwertUnd die lichten Panzer.» | «Das wird euch nicht gewährt,»Sprach Hagen von Tronje, | «wir wollens selber tragen.»Da begann ihm Siegfried | von des Hofs Gebrauch zu sagen: |
420 | «In dieser Burg ist Sitte, | das will ich euch sagen,Keine Waffen dürfen | da die Gäste tragen:Laßt sie von hinnen bringen, | das ist wohlgethan.»Ihm folgte wider Willen | Hagen, König Gunthers Mann. |
421 | Man ließ den Gästen schenken | und schaffen gute Ruh.Manchen schnellen Recken | sah man dem Hofe zuAllenthalben eilen | in fürstlichem Gewand;Doch wurden nach den Kühnen | ringsher die Blicke gesandt. |
422 | Nun wurden auch Brunhilden | gesagt die Mären,Daß unbekannte Recken | gekommen wärenIn herrlichem Gewande | gefloßen auf der Flut.Da begann zu fragen | diese Jungfrau schön und gut: |
423 | «Ihr sollt mich hören laßen,» | sprach das Mägdelein,«Wer die unbekannten | Recken mögen sein,Die ich dort stehen sehe | in meiner Burg so hehr,Und wem zu Lieb die Helden | wohl gefahren sind hieher.» |
424 | Des Gesindes sprach da Einer: | «Frau, ich muß gestehn,Daß ich ihrer Keinen | je zuvor gesehn;Doch Einer steht darunter, | der Siegfrieds Weise hat:Den sollt ihr wohl empfangen, | das ist in Treuen mein Rath. |
425 | «Der andre der Gesellen, | gar löblich dünkt er mich;Wenn er die Macht besäße, | zum König ziemt' er sichOb weiten Fürstenlanden, | sollt er die versehn.Man sieht ihn bei den Andern | so recht herrlich da stehn. |
426 | «Der dritte der Gesellen, | der hat gar herben Sinn,Doch schönen Wuchs nicht minder, | reiche Königin.Die Blicke sind gewaltig, | deren so viel er thut:Er trägt in seinem Sinne, | wähn ich, grimmigen Muth. |
427 | «Der jüngste darunter, | gar löblich dünkt er mich:Man sieht den reichen Degen | so recht minniglichIn jungfräulicher Sitte | und edler Haltung stehn:Wir müstens alle fürchten, | wär ihm ein Leid hier geschehn. |
428 | «So freundlich er gebahre, | so wohlgethan sein Leib,Er brächte doch zum Weinen | manch waidliches Weib,Wenn er zürnen sollte; | sein Wuchs ist wohl so gut,Er ist an allen Tugenden | ein Degen kühn und wohlgemuth.» |
429 | Da sprach die Königstochter: | «Nun bringt mir mein Gewand:Und ist der starke Siegfried | gekommen in mein LandUm meiner Minne willen, | es geht ihm an den Leib:Ich fürcht ihn nicht so heftig, | daß ich würde sein Weib.» |
430 | Brunhild die schöne | trug bald erlesen Kleid.Auch gab ihr Geleite | manche schöne Maid,Wohl hundert oder drüber, | sie all in reicher Zier.Die Gäste kam zu schauen | manches edle Weib mit ihr. |
431 | Mit ihnen giengen | Degen aus Isenland,Brunhildens Recken, | die Schwerter in der Hand,Fünfhundert oder drüber; | das war den Gästen leid.Aufstanden von den Sitzen | die kühnen Helden allbereit. |
432 | Als die Königstochter | Siegfrieden sah,Wohlgezogen sprach sie | zu dem Gaste da:«Seid willkommen, Siegfried, | hier in diesem Land.Was meint eure Reise? | das macht mir, bitt ich, bekannt.» |
433 | «Viel Dank muß ich euch sagen, | Frau Brunhild,Daß ihr mich geruht zu grüßen, | Fürstentochter mild,Vor diesem edeln Recken, | der hier vor mir steht:Denn der ist mein Lehnsherr; | der Ehre Siegfried wohl enträth. |
434 | «Er ist am Rheine König: | was soll ich sagen mehr?Dir nur zu Liebe | fuhren wir hierher.Er will dich gerne minnen, | was ihm geschehen mag.Nun bedenke dich bei Zeiten: | mein Herr läßt nimmermehr nach. |
435 | «Er ist geheißen Gunther, | ein König reich und hehr.Erwirbt er deine Minne, | nicht mehr ist sein Begehr.Deinthalb mit ihm | that ich diese Fahrt;Wenn er mein Herr nicht wäre, | ich hätt es sicher gespart.» |
436 | Sie sprach: «Wenn er dein Herr ist | und du in seinem Lehn,Will er, die ich ertheile, | meine Spiele dann bestehnUnd bleibt darin der Meister, | so werd ich sein Weib;Doch ists, daß ich gewinne, | es geht euch allen an den Leib.» |
437 | Da sprach von Tronje Hagen: | «So zeig uns, Königin,Was ihr für Spiel' ertheilet. | Eh euch den GewinnMein Herr Gunther ließe, | so müst es übel sein:Er mag wohl noch erwerben | ein so schönes Mägdelein.» |
438 | «Den Stein soll er werfen | und springen darnach,Den Sper mit mir schießen: | drum sei euch nicht zu jach.Ihr verliert hier mit der Ehre | Leben leicht und Leib:Drum mögt ihr euch bedenken,» | sprach das minnigliche Weib. |
439 | Siegfried der schnelle | gieng zu dem König hinUnd bat ihn, frei zu reden | mit der KöniginGanz nach seinem Willen; | angstlos soll er sein:«Ich will dich wohl behüten | vor ihr mit den Listen mein.» |
440 | Da sprach der König Gunther: | «Königstochter hehr,Ertheilt mir, was ihr wollet, | und wär es auch noch mehr,Eurer Schönheit willen | bestünd ich Alles gern.Mein Haupt will ich verlieren, | gewinnt ihr mich nicht zum Herrn.» |
441 | Als da seine Rede | vernahm die Königin,Bat sie, wie ihr ziemte, | das Spiel nicht zu verziehn.Sie ließ sich zum Streite | bringen ihr Gewand,Einen goldnen Panzer | und einen guten Schildesrand. |
442 | Ein seiden Waffenhemde | zog sich an die Maid,Das ihr keine Waffe | verletzen konnt im Streit,Von Zeugen wohlgeschaffen | aus Libya dem Land:Lichtgewirkte Borten | erglänzten rings an dem Rand. |
443 | Derweil hatt ihr Uebermuth | den Gästen schwer gedräut.Dankwart und Hagen | die standen unerfreut.Wie es dem Herrn ergienge, | sorgte sehr ihr Muth.Sie dachten: «Unsre Reise | bekommt uns Recken nicht gut.» |
444 | Derweilen gieng Siegfried, | der listige Mann,Eh es wer bemerkte, | an das Schiff heran,Wo er die Tarnkappe | verborgen liegen fand,In die er hurtig schlüpfte: | da war er Niemand bekannt. |
445 | Er eilte bald zurücke | und fand hier Recken viel:Die Königin ertheilte | da ihr hohes Spiel.Da gieng er hin verstohlen | und daß ihn Niemand sahVon Allen, die da waren, | was durch Zauber geschah. |
446 | Es war ein Kreis gezogen, | wo das Spiel geschehnVor kühnen Recken sollte, | die es wollten sehn.Wohl siebenhundert | sah man Waffen tragen:Wer das Spiel gewänne, | das sollten sie nach Wahrheit sagen. |
447 | Da war gekommen Brunhild, | die man gewaffnet fand,Als ob sie streiten wolle | um aller Könge Land.Wohl trug sie auf der Seide | viel Golddrähte fein;Ihre minnigliche Farbe | gab darunter holden Schein. |
448 | Nun kam ihr Gesinde, | das trug herbei zuhandAus allrothem Golde | einen SchildesrandMit hartem Stahlbeschlage, | mächtig groß und breit,Worunter spielen wollte | diese minnigliche Maid. |
449 | An einer edeln Borte | ward der Schild getragen,Auf der Edelsteine, | grasgrüne, lagen;Die tauschten mannigfaltig | Gefunkel mit dem Gold.Er bedurfte großer Kühnheit, | dem die Jungfrau wurde hold. |
450 | Der Schild war untern Buckeln, | so ward uns gesagt,Von dreier Spannen Dicke; | den trug hernach die Magd.An Stahl und auch an Golde | war er reich genug,Den ihrer Kämmrer Einer | mit Mühe selbvierter trug. |
451 | Als der starke Hagen | den Schild hertragen sah,In großem Unmuthe | sprach der Tronjer da:«Wie nun, König Gunther? | An Leben gehts und Leib:Die ihr begehrt zu minnen, | die ist ein teuflisches Weib.» |
452 | Hört noch von ihren Kleidern: | deren hatte sie genug.Von Azagauger Seide | einen Wappenrock sie trug,Der kostbar war und edel: | daran warf hellen ScheinVon der Königstochter | gar mancher herrliche Stein. |
453 | Da brachten sie der Frauen | mächtig und breitEinen scharfen Wurfspieß; | den verschoß sie allezeit,Stark und ungefüge, | groß dazu und schwer.An seinen beiden Seiten | schnitt gar grimmig der Sper. |
454 | Von des Spießes Schwere | höret Wunder sagen:Wohl hundert Pfund Eisen | war dazu verschlagen.Ihn trugen mühsam Dreie | von Brunhildens Heer:Gunther der edle | rang mit Sorgen da schwer. |
455 | Er dacht in seinem Sinne: | «Was soll das sein hier?Der Teufel aus der Hölle, | wie schützt' er sich vor ihr?War ich mit meinem Leben | wieder an dem Rhein,Sie dürfte hier wohl lange | meiner Minne ledig sein.» |
456 | Er trug in seinen Sorgen, | das wißet, Leid genug.All seine Rüstung | man ihm zur Stelle trug.Gewappnet Stand der reiche | König bald darin.Vor Leid hätte Hagen | schier gar verwandelt den Sinn. |
457 | Da sprach Hagens Bruder, | der kühne Dankwart:«Mich reut in der Seele | her zu Hof die Fahrt.Nun hießen wir einst Recken! | wie verlieren wir den Leib!Soll uns in diesem Lande | nun verderben ein Weib? |
458 | «Des muß mich sehr verdrießen, | daß ich kam in dieses Land.Hätte mein Bruder Hagen | sein Schwert an der HandUnd auch ich das meine, | so sollten sachte gehnMit ihrem Uebermuthe | Die in Brunhildens Lehn. |
459 | Sie sollten sich bescheiden, | das glaubet mir nur.Hätt ich den Frieden tausendmal | bestärkt mit einem Schwur,Bevor ich sterben sähe | den lieben Herren mein,Das Leben müste laßen | dieses schöne Mägdelein.» |
460 | «Wir möchten ungefangen | wohl räumen dieses Land,»Sprach sein Bruder Hagen, | «hätten wir das Gewand,Des wir zum Streit bedürfen, | und die Schwerter gut,So sollte sich wohl sänften | der schönen Fraue Uebermuth.» |
461 | Wohl hörte, was er sagte, | die Fraue wohlgethan;Ueber die Achsel | sah sie ihn lächelnd an.«Nun er so kühn sich dünket, | so bringt doch ihr Gewand,Ihre scharfen Waffen | gebt den Helden an die Hand. |
462 | «Es kümmert mich so wenig, | ob sie gewaffnet sind,Als ob sie bloß da stünden,» | so sprach das Königskind.«Ich fürchte Niemands Stärke, | den ich noch je gekannt:Ich mag auch wohl genesen | im Streit vor des Königs Hand.» |
463 | Als man die Waffen brachte, | wie die Maid gebot,Dankwart der kühne | ward vor Freuden roth.«Nun spielt, was ihr wollet,» | sprach der Degen werth,«Gunther ist unbezwungen: | wir haben wieder unser Schwert.» |
464 | Brunhildens Stärke | zeigte sich nicht klein:Man trug ihr zu dem Kreise | einen schweren Stein,Groß und ungefüge, | rund dabei und breit.Ihn trugen kaum zwölfe | dieser Degen kühn im Streit. |
465 | Den warf sie allerwegen, | wie sie den Sper verschoß.Darüber war die Sorge | der Burgunden groß.«Wen will der König werben?» | sprach da Hagen laut:«Wär sie in der Hölle | doch des übeln Teufels Braut!» |
466 | An ihre weißen Arme | sie die Ärmel wand,Sie schickte sich und faßte | den Schild an die Hand,Sie schwang den Spieß zur Höhe: das war des Kampfe Beginn.Gunther und Siegfried bangten vor Brunhildens grimmem Sinn. |
467 | Und wär ihm da Siegfried | zu Hülfe nicht gekommen,So hätte sie dem König | das Leben wohl benommen.Er trat hinzu verstohlen | und rührte seine Hand;Gunther seine Künste | mit großen Sorgen befand. |
468 | «Wer wars, der mich berührte?» | dachte der kühne Mann,Und wie er um sich blickte, | da traf er Niemand an.Er sprach: «Ich bin es, Siegfried, | der Geselle dein:Du sollst ganz ohne Sorge | vor der Königin sein.» |
469 | (Er sprach:) «Gieb aus den Händen den Schild, laß mich ihn tragenUnd behalt im Sinne, | was du mich hörest sagen:Du habe die Gebärde, | ich will das Werk begehn.»Als er ihn erkannte, | da war ihm Liebes geschehn. |
470 | «Verhehl auch meine Künste, | das ist uns beiden gut:So mag die Königstochter | den hohen UebermuthNicht an dir vollbringen, | wie sie gesonnen ist:Nun sieh doch, welcher Kühnheit | sie wider dich sich vermißt.» |
471 | Da schoß mit ganzen Kräften | die herrliche MaidDen Sper nach einem neuen Schild, | mächtig und breit;Den trug an der Linken | Sieglindens Kind.Das Feuer sprang vom Stahle, | als ob es wehte der Wind. |
472 | Des starken Spießes Schneide | den Schild ganz durchdrang,Daß das Feuer lohend | aus den Ringen sprang.Von dem Schuße fielen | die kraftvollen Degen:War nicht die Tarnkappe, | sie wären beide da erlegen. |
473 | Siegfried dem kühnen | vom Munde brach das Blut.Bald sprang er auf die Füße: | da nahm der Degen gutDen Sper, den sie geschoßen | ihm hatte durch den Rand:Den warf ihr jetzt zurücke | Siegfried mit kraftvoller Hand. |
474 | Er dacht: «Ich will nicht schießen | das Mägdlein wonniglich.»Des Spießes Schneide kehrt' er | hinter den Rücken sich;Mit der Sperstange | schoß er auf ihr Gewand,Daß es laut erhallte | von seiner kraftreichen Hand. |
475 | Das Feuer stob vom Panzer, | als trieb' es der Wind.Es hatte wohl geschoßen | der Sieglinde Kind:Sie vermochte mit den Kräften | dem Schuße nicht zu stehn;Das war von König Gunthern | in Wahrheit nimmer geschehn. |
476 | Brunhild die schöne | bald auf die Füße sprang:«Gunther, edler Ritter, | des Schußes habe Dank!»Sie wähnt', er hätt es selber | mit seiner Kraft gethanNein, zu Boden warf sie | ein viel stärkerer Mann. |
477 | Da gieng sie hin geschwinde, | zornig war ihr Muth,Den Stein hoch erhub sie, | die edle Jungfrau gut;Sie schwang ihn mit Kräften | weithin von der Hand,Dann sprang sie nach dem Wurfe, | daß laut erklang ihr Gewand. |
478 | Der Stein fiel zu Boden | von ihr zwölf Klafter weit:Den Wurf überholte | im Sprung die edle Maid.Hin gieng der schnelle Siegfried, | wo der Stein nun lag:Gunther must ihn wägen, | des Wurfs der Verholne pflag. |
479 | Siegfried war kräftig, | kühn und auch lang;Den Stein warf er ferner, | dazu er weiter sprang.Ein großes Wunder war es | und künstlich genug,Daß er in dem Sprunge | den König Gunther noch trug. |
480 | Der Sprung war ergangen, | am Boden lag der Stein:Gunther wars, der Degen, | den man sah allein.Brunhild die schöne | ward vor Zorne roth;Gewendet hatte Siegfried | dem König Gunther den Tod. |
481 | Zu ihrem Ingesinde | sprach die Königin da,Als sie gesund den Helden | an des Kreises Ende sah:«Ihr, meine Freund und Mannen, | tretet gleich heran:Ihr sollt dem König Gunther | alle werden unterthan.» |
482 | Da legten die Kühnen | die Waffen von der HandUnd boten sich zu Füßen | von BurgundenlandGunther dem reichen, | so mancher kühne Mann:Sie wähnten, die Spiele | hätt er mit eigner Kraft gethan. |
483 | Er grüßte sie gar minniglich; | wohl trug er höfschen Sinn.Da nahm ihn bei der Rechten | die schöne Königin:Sie erlaubt' ihm, zu gebieten | in ihrem ganzen Land.Des freute sich da Hagen, | der Degen kühn und gewandt. |
484 | Sie bat den edeln Ritter | mit ihr zurück zu gehnZu dem weiten Saale, | wo mancher Mann zu sehn,Und mans aus Furcht dem Degen | nun desto beßer bot.Siegfrieds Kräfte hatten | sie erledigt aller Noth. |
485 | Siegfried der schnelle | war wohl schlau genug,Daß er die Tarnkappe | aufzubewahren trug.Dann gieng er zu dem Saale, | wo manche Fraue saß:Er sprach zu dem König, | gar listiglich that er das: |
486 | «Was säumt ihr, Herr König, | und beginnt die Spiele nicht,Die euch aufzugeben | die Königin verspricht?Laßt uns doch bald erschauen, | wie es damit bestellt.»Als wüst er nichts von allem, | so that der listige Held. |
487 | Da sprach die Königstochter: | «Wie konnte das geschehn, |Daß ihr nicht die Spiele, | Herr Siegfried, habt gesehn,Worin hier Sieg errungen hat | König Gunthers Hand?»Zur Antwort gab ihr Hagen | aus der Burgunden Land: |
488 | Er sprach: «Da habt ihr, Königin, | uns betrübt den Muth:Da war bei dem Schiffe | Siegfried der Degen gut,Als der Vogt vom Rheine | das Spiel euch abgewann;Drum ist es ihm unkundig,» | sprach da Gunthers Unterthan, |
489 | «Nun wohl mir dieser Märe,» | sprach Siegfried der Held, |«Daß hier eure Hochfahrt | also ward gefällt,Und Jemand lebt, der euer | Meister möge sein.Nun sollt ihr, edle Jungfrau, | uns hinnen folgen an den Rhein.» |
490 | Da sprach die Wohlgethane: | «Das mag noch nicht geschehn.Erst frag ich meine Vettern | und Die in meinem Lehn.Ich darf ja nicht so leichthin | räumen dieß mein Land:Meine höchsten Freunde | die werden erst noch besandt.» |
491 | Da ließ sie ihre Boten | nach allen Seiten gehn:Sie besandte ihre Freunde | und Die in ihrem Lehn,Daß sie zum Isensteine | kämen unverwandt;Einem jeden ließ sie geben | reiches, herrliches Gewand. |
492 | Da ritten alle Tage | Beides, spat und fruh,Der Veste Brunhildens | die Recken scharweis zu.«Nun ja doch,» sprach da Hagen, | «was haben wir gethan!Wir erwarten uns zum Schaden hier | Die Brunhild unterthan.» |
493 | «Wenn sie mit ihren Kräften | kommen in dieß Land,Der Königin Gedanken | die sind uns unbekannt:Wie, wenn sie uns zürnte? | so wären wir verloren,Und wär das edle Mägdlein uns | zu großen Sorgen geboren!» |
494 | Da sprach der starke Siegfried: | «Dem will ich widerstehn.Was euch da Sorge schaffet, | das laß ich nicht geschehn.Ich will euch Hülfe bringen | her in dieses LandDurch auserwählte Degen: | die sind euch noch unbekannt. |
495 | «Ihr sollt nach mir nicht fragen, | ich will von hinnen fahren;Gott möge eure Ehre | derweil wohl bewahren.Ich komme bald zurücke | und bring euch tausend MannDer allerbesten Degen, | deren Jemand Kunde gewann.» |
496 | «So bleibt nur nicht zu lange,» | der König sprach da so,«Wir sind eurer Hülfe | nicht unbillig froh.»Er sprach: «Ich komme wieder | gewiss in wenig Tagen.Ihr hättet mich versendet, | sollt ihr der Königin sagen.» |