Dorothea Schlegel
1763 - 1839
Die Geschichte des Zauberers Merlin
1804
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Achtes Kapitel.
Vertigem wurde einstimmig vom ganzen Volk und von allen Edlen zum König erwählt, mit Hintansetzung der beyden jüngern Brüder des ermordeten Königs Moines. Diese beyden Knaben hatten jeder einen Hofmeister, weise Männer, welche beyde dem alten Könige Constanz, Vater des jungen Moines und ihrer beyden Zöglinge, lange Zeit hindurch treu gedient hatten; auch hatte der alte König sie zum Lohn für ihre Treue zu Hofmeistern der beyden Prinzen ernannt. Diese beyden Herren nun waren [61] erstaunt darüber, daß die beiden Königssöhne von der Krone ausgeschlossen wurden, und sahen voraus, daß Vortigern gewiß nicht unterlassen würde, die Knaben zu erschlagen, sobald sie in das Alter gekommen seyn würden, auf das Reich Anspruch zu machen, welches von Rechtswegen ihnen zukäme. Sie entflohen also mit den beiden Prinzen und gingen nach Bourges in Berry; hier waren sie sicher, und hier erzogen sie die beiden Knaben und gaben nie zu, daß ihnen irgend ein Leid geschähe, so lange sie lebten.Sobald Vortigern zum Könige gekrönt und gesalbt worden, meldeten sich die Mörder des Königs Moines bey ihm; Vortigern that aber, als kennte er sie nicht und als hätte er sie nie vorher gesehen, worüber jene sich sehr ärgerten, da sie eine ganz andere Aufnahme vom König Vortigern erwartet hatten. Wie, Herr König, sprachen sie: Ihr erinnert Euch unsrer nicht mehr? Ihr wißt ja wohl, daß Ihr blos durch uns seyd König worden. Denkt doch daran, wenn es Euch beliebt, ob Ihr hättet König werden [62] können, wenn wir nicht um Eurentwillen den König Moines getödtet hätten? – Haltet diese Mörder fest, rief der König laut aus, und führt sie ins Gefängniß; da Ihr jetzt Eure Mordthat bekannt habt, so sollt Ihr Euch auch selber Euer Urtheil sprechen. Ihr habt Euern Herrn und König todtgeschlagen, wer gab Euch ein Recht dazu, solches zu thun? Ihr könntet auch ebenso gut mich umbringen, aber das sollt Ihr nun wohl lassen. Herr König, riefen diese Männer ganz erstaunt und erschreckt, den Vortigern so sprechen zu hören: Herr König, wir thaten es ja aus Liebe zu Euch. – Ey, sagte König Vortigern, ich werde Euch zeigen, wie man die Leute liebt.Sie wurden darauf alle Zwölfe gefangen und geviertheilt, so daß jeder von vier Pferden in vier Theile zerrissen ward, daß kein Glied ihres Leibes am andern blieb.Diese Zwölfe hatten aber viele Anverwandte, und waren alle von großer Abkunft und Familie; diese Anverwandte versammelten sich, gingen zum Könige und machten ihm Vorwürfe [63] wegen seiner grausamen Undankbarkeit. Ihr habt, sagten sie, unsere Verwandte auf eine schimpfliche Weise hinrichten lassen; wisset also, daß wir niemals Euch von ganzem Herzen dienen werden. Da ergrimmte Vortigern und sagte: wenn Ihr noch viel redet, so soll es Euch eben so ergehen, wie Euern Vettern. Drohe so viel du willst, König Vortigern, sagten sie voll Zorn, wir fürchten dich nicht; wisse nur, daß du niemals Friede und Ruhe mit uns wirst haben, so lange du lebst; allenthalben wollen wir dich bekriegen, im offnen Felde, wie in Burgen und Schlössern, allenthalben sollst du Krieg finden: wir erkennen dich nicht als unsern König; denn du hast das Reich unrechtmäßiger Weise und gegen Gott und die heilige Kirche an dich gerissen, du sollst auch desselben Todes sterben, als du unsre Verwandte hast sterben lassen, darauf darfst du rechnen. – Nach diesen Worten entfernten sie sich, ohne eine Antwort abzuwarten. König Vortigern ärgerte sich sehr darüber, aber er mußte den Schimpf so hinnehmen, ohne etwas dagegen [64] thun zu können; er sah wohl ein, daß es nicht Zeit war, etwas gegen sie zu unternehmen.Auf diese Weise entstand ein großer Zwist zwischen den Baronen des Reichs und dem Könige. Die Partheyen versammelten große Heere, und der Krieg ward sehr lange im Lande fortgesetzt, wobey sowohl der König als seine Unterthanen großen Schaden litten; endlich aber siegte der König, und jagte die aufrührerischen Barone aus dem Lande. Als er nun die Oberhand behalten und von keinem etwas mehr zu fürchten hatte, ward er so übermüthig und verfuhr so übel mit seinem Volke, daß dieses endlich es nicht länger ertragen mochte und sich gegen ihn auflehnte. Es entstand ein allgemeiner Aufruhr gegen ihn, mehr als die Hälfte des Königreichs fiel von ihm ab und nahm seine Festungen ein. Hierauf schickte ihnen Vortigern Abgesandte, und ließ ihnen Friedensvorschläge thun, womit die Aufrührer auch wohl zufrieden waren. Einer unter ihnen, Namens Hangius, ein tapfrer und mächtiger Ritter, der immer im Kriege gegen Vortigern sich gehalten, [65] ward vom Volke zum Abgesandten an Vortigern erwählt. Hangius ward auch sehr freundlich vom Könige aufgenommen, und der Friede auf Lebenslang fest gemacht und besiegelt. Hangius blieb lange Zeit in des Königs Diensten, und beredete ihn endlich, daß er seine Tochter zum Weibe nahm; dadurch bekam er große Macht und Einfluß über seinen Schwiegersohn den König und über das Reich, riß auch endlich nach und nach das ganze Regiment an sich. Das Volk wollte aber nichts von ihm erdulden, weil er kein Christ war, sondern ein Heide, und hatte schon lange darüber gemurrt, daß ihr König keine Christin, sondern eine Heidin zur Gemahlin genommen hatte. Diese war es auch, die zuerst das Wort Pöbel erfand, und das Volk so benennte , indem sie sagte: ich kann mich nicht des Pöbels annehmen gegen meinen Vater! – Das Volk war also mehr als je unzufrieden mit dem Könige Vortigern, denn seine Gemahlin hing immer der Lehre Mahomets an, zog auch den König selbst, und viele seiner Hofleute von der Religion Christi ab.
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