BIBLIOTHECA AUGUSTANA

 

Jean Paul

1763 - 1825

 

Grönländische Prozesse,

oder Satirische Skizzen

 

Erstes Bändgen

 

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IIII.

Ueber Weiber und Stuzer.

Ein Brief.

 

Liebster Freund!

 

Es giebt zweierlei Freunde. Das Herz der einen gleicht den wilden verwachsenen Höhlen, in die man vor zufälligem Regen flüchtet, und das Herz der andern einem lachenden Sommerhaus, welches schöne Tage zum Tempel der Freude einweihen. Sie verhalten sich zu einander, wie Regen- und Sonnenschirm, wie Winter- und Sommerkleid. Zu welcher Klasse ich Sie zähle, werden Sie bald erfahren, wenn Sie aus dem folgenden erfahren, welchen ich iezt brauche. – Ich habe mich in den Stand der heiligen Ehe begeben, das heist unlakonisch also: ich habe den Sodomsapfel, stat blos meine Hofnung an seiner schönen Oberfläche zu weiden, aus thierischem Hunger angebissen und zur Belohnung Staub in demselben, das Werk eines frühen Wespenstiches, angetroffen; das heist, ich habe die hungrige Voreiligkeit meines Magens die angenehme Täuschung meines Auges vernichten lassen, und wie ein Kind mit dem glänzenden Kleister einer Puppe, die mir blos zum Spiele gegeben war, meinen neugierigen Gaumen beleidigt, das heist, ich habe mir die Flügel des Amors mit dem Bande des Hymen fest zusammenbinden lassen, und bin nun schläfrig nach der Mahlzeit; das heist, ich bin aus einem Dichter ein Mensch geworden, oder figürlich, eine widernatürliche Verwandlung verdamt den Schmetterling, den flüchtigen Gast der Blumen, zum Schiksal der trägen Raupe, die lebenslang an Einem Kraute nagt, oder die Schmerzen des Auges bezahlen das Vergnügen, das die Nase in dem künstlichen Rauche fand; das heist endlich, das hizige Fieber (so nenne ich den Enthusiasmus) ist von dem Wasser ausgelöscht, nach welchem es so lechzte! Und wenn es nur dies hiesse; aber bei mir heist es mehr! Mein neuer Stand lehrte mich Dinge kennen, deren Ungereimtheit selbst im Traume sich verriethe, und deren Möglichkeit man blos einer bittern Erfahrung einräumt, und die angenehme Bezauberung meiner Unwissenheit löste ein Unterricht auf, dessen Mittheilung meinen Brief füllen sol. –

Sie kennen meinen alten Vetter, der die iezige Welt, ungeachtet sie nun meistens für ihn abgestorben, doch durch seine Brille in keinem falschen Lichte sieht, und die menschlichen Thorheiten zu sehr verachtet, um die alten den neuen vorzuziehen. „Nichts ist einfältiger, sagt er immer, als mit der alten Welt eitel sein, um es nicht mit der neuen zu sein, wie nichts unerträglicher, als mit der Demuth prahlen. Die Leute, die durch unmodische Narheiten über modische siegen, gleichen denen, die durch alte Schäden gegen den Anfal epidemischer Krankheiten sicher gestellt sind.“ Diesen alten Vetter fragt' ich, wie vornehm und wie alt meine zweites Selbst sein müsse. „Wie alt? nicht sehr alt! Denn nur ein unreifes Weib ist zur Ehe, wie unreife Gurken zum Essen, reif. Zwar lassen beide sich durch Essig und Salz für den Gaumen zubereiten; aber nicht ieder liebt das Eingemachte, nicht ieder giebt sich die Mühe der Zubereitung, und mancher verlangt seinen Sallat früher als im Winter. – Die Parzen spinnen neben unserm Lebensfaden auch das Band der Freundschaft, das uns almählig so gar mit den Gegenständen unsres Hasses verbindet, und wir würden mit dem Teufel selbst Brüderschaft trinken, wenn er sich auf dieser Erde öfters und nicht blos im Finstern sehen liesse. Was Wunder, wenn daher ein Mädgen sich in den Proteus der Mode verliebt, gesezt er erschiene auch in der Gestalt eines Affen wie sonst, oder eines Schweines wie iezt? Was Wunder, wenn es mit seinem Puze, anfangs der Nahrung einer kleinen Eitelkeit und darauf einer unschuldigen Liebe, seinem Stolze und seiner Bulerei fröhnet; wenn es durch den täglichen Genus der Schmeichelei zum Ekel gegen kältere Achtung verwöhnet, die wohlfeile Befriedigung einer stolzen Schwachheit in dem angenehmem Siege derer findet, deren Kompagnie Amor täglich mit neuen Rekruten vermehrt? Auf tugendhaften Widerstand rechne ich wenig, weil ihn die Zeit besiegt. Die Geburten stuzerischer Zungen machen endlich das beste Herz, wie der Korb gewisser Vögel kahle Felsen, für Unkraut urbar, und irgend ein Flek im Stundenglas der Zeit nimt doch endlich die Farbe des aufrollenden Sandes an. Wählen Sie daher, wie ich schon gerathen; denn obgleich freilich iunge Herzen, vermöge ihrer Weichheit, gleich dem weichen Bernstein, am leichtesten modische Insekten aufnehmen, so hindert doch noch keine Verhärtung, den winzigen Gast los zu werden. – Da übrigens das erste Jahr der Ehe, wie mich dünkt, das lezte Jahr der Erziehung eines Weibes ist; da ferner die Schöne, deren Mund wegen ihrer Jugend den Zügel des vierten Gebots noch kent, einen angenehmem, seidnen Zügel weniger unleidlich finden wird, so erhelt die Richtigkeit meines Raths auch ohne den Zusaz, daß eine iunge Schöne endlich dem Mann manche Schamröthe über Thorheiten erspare, zu welchen das Ehebette – der Altar der Thorheit – und die Schlafmüze, die Schellenkappe des Weisen, veranlassen. Daß ich Ihnen das entgegengesezte Extrem nicht anpreisen werde, werden Sie schon aus dem Misklange vermuthen, den weibliches Alter und mänliche Jugend mit einander formiren. Das heiss' ich, wie die Kaufleute und Fuhrmänner, die alte schmuzige Schlafmüze mit einem neuen schönen Hute bedekken, oder wie buhlerische Matronen, den durch die Kunst veriüngten Kopf auf einem alten, welken und krummen Rumpf herumtragen – Wie vornehm? fragen Sie; gar nicht vornehm, antwort' ich, vorausgesezt, daß Sie ausser den genanten Übeln das vermeiden wollen, der Sclave einer vormaligen Mannesrippe zu werden. Denn nur in den geringeren Ständen sind die Männer Männer, aber in den höhern sind es die Weiber, und in Rüksicht der Raubvögel ist es ohnedies ausgemacht, daß die Weibgen grösser als die Mängen sind. Auch bellet ein Schoshund ieden an, den ein Jagdhund in Frieden läst; nicht zu gedenken, daß der eine seinen Müssiggang mit Konfekt bezahlet haben wil, und der andere die blossen Knochen seiner fetten Beute nicht verschmähet“ – Sie werden selbst einsehen, daß mein kluger Vetter weniger weltklug als altklug gerathen, und daß zufolge seines ersten Raths, ein weibliches Kind mein zweites Selbst geworden wäre. Sein zweiter veranlasse die Thorheit, daß ich in Mädgen geringern Standes die Erziehung übersah, mit welcher stolze Mütter sie zu der künftigen Verbindung mit einem reichen Opfer ihrer Eitelkeit, ausrüsten und zu einem Hunger nach Thorheiten reizen, den der Aufwand des Reichen kaum sättigt. Denn kurz, auf eine solche Tochter wirkte mein Geld und mein Rock so sehr, daß sie mir ewige Liebe schwur, nachdem ich sie nicht oft auf den Knien darum gebeten hatte, daß sie sie mit vielen Küssen versiegelte, nachdem ich sie vorher mit Bezahlung vieler Galanteriewaren versiegelt hatte, und daß sie sie sogar in einigen lyrischen Gedichten besang, die sie in einer edlen Ergiessung des Herzens, aus sehr wenigen Blumenlesen zusammenstoppelte. Aber näher zur Schilderung meines zweiten Selbsts, welches ich unter dem Namen seines Geschlechts schildern werde.

Das Kind meines Pinsels mag mit dem Kopfe zuerst auf die Welt kommen. Man fängt vom unbedeutendsten gerne an, und wenn dem von Apelles gemahlten Kopfe der Venus noch kein Mahler einen eben so schönen Rumpf geben konte, so beweist dies nur, daß die Verschönerung des geringsten Gliedes der Göttin die Kunst ausser Stand gesezt, ihren wichtigem Gliedern eine verhältnismäsige Vortreflichkeit zu geben. Eine schöne Frau hat nicht nöthig, klug zu sein: denn ihre Schönheit sezt sie in den Besiz aller der Volkommenheiten, die kaum ihr feurigster Anbeter an ihr findet; sie ist also äusserst verständig. Wer wolte auch eine dumme Rede im Munde eines schönen Frauenzimmers für eine dumme Rede halten, wer an einem weiblichen Geschöpfe die Schönheit rühmen, ohne über den Verstand desselben in Entzükkung zu gerathen, ia ohne diesen, der nicht wirklich ist, höher zu schäzen, als iene, deren Wirklichkeit eben zur Lüge verleitete? Trachtet, ihr Schönen, am ersten nach der Schönheit, das übrige wird euch alles zufallen. Zwar sind die Weiber geschaffen, zu gefallen, aber nicht zu denken; zwar kan man, wenn Pope vom Menschen (eigentlich vom Manne) sagt: er trit auf, um sich einmal umzusehen und zu sterben, von der Frau sagen: sie trit auf, um sich einmal sehen zu lassen und zu sterben – allein eben deswegen.

Ungeachtet dieses Überflusses an Verstand nun, wird iedes schöne Gesicht iezt der zweite Schöpfer seines Gehirns. Die deutschen Schönen wollen nämlich ihren Nachbarinnen nicht blos den Kopfpuz zu danken haben, sondern unter wizigen Koeffüren auch ein wiziges Gehirn tragen. Kurz, die Verbesserung der Oberfläche des Kopfes ist nun zur Verbesserung seines Innern ausgeschlagen. Kartenblätter waren die Vorboten der ernsthaften Buchdrukkerei. Der buntschäkigte Laufer kündigt den gravitätischen Hern an. Der Kantor präludirt zu einem Buschoral ein hüpfendes Scherzo. Sie würden schlecht rathen, wenn Sie diese Verbesserung der Venusköpfe auf die Rechnung nüzlicher und nöthiger Kentnisse schrieben. Weit gefehlt! Romane sind die Schminktöpfe weiblicher Selen, Romane nüzen dem Kopfe und dem Herzen wie die Sonnenschirme, mit denen die Schöne ihr Auge gegen das Licht, und ihre Füsse gegen das Anstossen auf einem ebenen Wege, verwahrt; und ich schlos sehr richtig von der Unbekantschaft meiner Frau mit der Ökonomie, auf ihre Belesenheit in belletristischen Schriften. Vielmehr hat leichter Wiz den schwerfälligen Verstand aus ihren Köpfen verscheucht, wie der lebhafte Fuchs mit seinem Harne den schläfrigen Dachs aus seinem Baue veriagt. Ja modische Schleifsteine haben so gar ihren Wiz bis aufs Heft abgeschliffen, der aber freilich gegen seine Schneide vortreflichen Glanz eingetauscht. Daß ich blos der Frau Wiz einräume, die ihn aus ihrer schöngebundnen Bibliothek zusammengeschart, die ieden dürren Gedanken, wie die Kinder ihre hölzernen Puppen, in verschiedene gestohlne seidne Flekgen kleidet und von deren Zunge die Quintessenz der vormittägigen Lektüre, wie von mancher Nase das Geistige des verdauten Tabaks, abtröpfelt, versteht sich von selbst. Und daraus läst sich auch verstehen, daß ihre Sele wie ihre Toilette durch unordentliche Mannigfaltigkeit und reichen Vorrath an nöthigen Reizen, verschönert wird, daß der Kopf so weit wie ihr Herz ist, und beide durch kurze Beherbergung der Bücher und Anbeter, und durch freundliche Aufnahme neuer Gäste, ihrem steinernen Ebenbilde gleichen. Aber noch mehr! Nun haben weibliche Kolonien den Musenberg eingenommen, und durch den Sturz der beneidenswerthen neun Königinnen für die Oligarchie eine Demokratie eingeführt. Nun löset die Feder die Nadel ab, die Leier des Orpheus entzieht die weiche Hand dem altväterischen Spinrade, und unsere Weiber kochen blos für das Publikum. Nun schwängern Stuzer sie stat der leiblichen, mit geistlichen Kindern, nun wächst der Lorber unter ewigem Puder, wie grüne Bäume unter dem ewigen Schnee der Alpen hervor, und verschönert die Architektur des Kams, und nun endlich vereinigt sich die Taube der Venus und die Eule der Minerva 1) auf demselben Schosse und freuen sich in Geselschaft der Schoskaze, des unerwarteten Triumvirats. Denn nun benachrichtigt iede Schöne das Publikum vermittelst einiger Reime vom Dasein ihrer Vapeurs, und die gefangene Luft, die ohne den Faden einer Ariadne das Labyrinth der Gedärme durchirret, fährt im Tone eines weinerlichen Adagio aus der dichterischen Pfeife in das Ohr des Publikums hinein. So bläst der Blasebalg seinen Überflus an Wind durch die Orgelpfeifen, in Gestalt der Andacht, dem Zuhörer ins Herz. Wenn sonst ein Mädgen zur verlohrnen Gesundheit wieder aufblühte, und lebendig den Händen des Fiebers und Arztes entkam, so zog die Endschaft dieses Übels kein neues nach sich. Nun hingegen besiegt iedes sein Fieber, und hinterläst der Nachwelt in einem Almanach entweder die dargestellte Empfindung des fieberischen Frostes, oder die gereimte Raserei der fiebrischen Hize. – Denn nun wandelt die Dichtkunst an der Spize der Liebe; die Manbarkeit langt bei den Mädgen in Gestalt des Genies an, und schlägt um ihre Schläfe in Lorbern aus, so wie sie bei den Jünglingen ihre überflüssigen Kräfte an die Erzeugung der Barthare verwendet. Was Wunder auch? da der häufige Genus von den Herzen der Stuzer, die Kehle der Poesie nothwendig begeistern mus. So füttert man die Stubennachtigal mit Rinderherzen – Die Franzosen hassen eine Tragödie ohne Liebe; wir iezigen Deutschen eine Liebe ohne Tragödie. Wenn daher der fünfte Akt die Liebe eines Mädchen mit einem tragischen Ende krönet, so giest es seine Thränen in irgend ein Kloak des deutschen Parnasses aus. Meine Frau meint daher, wenn ich mich noch bei Lebzeiten ihrer Muse zu einem seligen Ende verstünde, so würde sie mit vielem Vergnügen ein Stük Zypresse um meine Urne winden, und so gar dieses Zweiglein einem der Bündel zusammengelesener poetischer Zweige einverleiben lassen. Allein ob ich gleich ihr Vergnügen nicht zur Poesie erhebe, so zersprengt doch iedes kleine Misgeschik ihr Herz, und ist die Hebamme der poetischen Maus desselben. Natürlich hilft sie dem unförmlichen und ungelekten Klumpen von Gefühl dadurch auf die poetischen Beine, daß sie ihn eine zeitlang im Gängelband der Prose leitet. Und noch natürlicher, daß sie deswegen die iunge Geburt in einem Nähbeutel herumträgt, gleich gewissen Spinnen, die ihre Eier in einem seidnen Säkgen mit sich herumführen, oder dem Beutelthier, dem die Natur eine eigne Tasche für seine Jungen gebildet. – Vielleicht glauben Sie, iedes Reiten, und also auch das Reiten auf dem Pegasus, stehe einem Weibe nicht, und dieser könne höchstens mit einem Vorreiter vor dem Wagen der Venus hertraben. Die Weiber können nur besungen werden, nicht singen. Aber Sie irren sich. Der Got der Verse ist bei uns generis foeminini, und die Sonne nebst ihrem Kammermädgen, der Venus, beherschen die weibliche Welt. O des elenden Rezensenten, der die weibliche Hand nicht küste, die von einem Duodezbändgen entbunden worden, der die Flakons des Lobs für die Nase nicht öfnete, die sich von Wohlgerüchen grosgemästet, und der geschminkte Wangen mit seiner Dinte beschmuzte! Führen doch so gar in Zeilon weibliche Lastthiere ihre Ware ohne Verzollung ein! – Sie werden aus diesem allen sehen, daß meine Frau durch das, was sie weis, gehindert wird zu wissen was sie wissen solte. Wie läst sich aber einer solchen Blindheit, der Frucht einer solchen Aufklärung, abhelfen? fragt' ich meinen Vetter. „Durch Zanken, durch Zanken! Nur das Ohr mit täglicher Satire ermüdet! Streuen doch auch die isländischen Schäfer denen Schafen Salz in die Ohren, die durch häufiges Sonnenlicht blind geworden!“ Schöner als wahr!

Aber weiter! Näher betrachtet, lebt iede modische Frau nur für ihr Vergnügen und die Vereinigung mit ihrem Manne verbindet sie zu keiner andern Pflicht als der, die Freuden mit ihm zu theilen, die man nur durch Mitheilung geniest. Sie ist zu zart, zu arbeiten: denn sie hat kaum Kräfte genug, den Müssiggang zu ertragen. Sol ihr kleiner Fus durch etwas anders als den Tanz ermüdet werden, und sich nicht blos in schönen Linien bewegen? Sol ihre weisse Hand, deren Reinigkeit so viele Handschuhe bewachten, ausser den Karten schmuzige Töpfe berühren, und ihre schöne Farbe der Pflicht aufopfern? Und wozu? Um die Güter des Mannes zu vermehren? sie braucht sie ia nicht einmal zu erhalten, sondern nur zu geniessen. Und wenn hätte sie Zeit, nüzliche Dinge zu thun? Sie hat ia kaum Zeit genug unnüzliche zu thun; der dem Schlafe halbentzogne Vormittag reicht mit Mühe hin, die Sorge für den Puz zu endigen, und oft hat sie den Tag nöthig, um sich für die Nacht anzukleiden. Die Pflichten des Ehebettes weichen billig den Pflichten des Nachttisches. wo sie sich in theure Thorheiten kleiden mus; wo ovidische Verwandlungen vorgehen; wo sie die bleichen Folgen der nächtlichen Wollüste mit neuen Verführungen übertünchet, und sich mit dem Schweise des Mannes schminkt, um wenigstens am Tage schön zu sein, wie die Blume, deren Reize sich mit der Sonne verbergen; wo sie über die ausgelegten Lok-Speisen dünne Neze zur Bestrikkung der Augen ausbreitet, wo sie nur die Reize in den Puz verhült, die ihre natürlichen sind, und die hingegen sehen läst, die die Ehrbarkeit nicht gerne sieht; und wo sie sich mit Wohlgerüchen salbt, weil sie durch ihre Schönheit weniger als durch die Ausdünstung derselben zu verführen glaubt, wie die Pokken mehr durch Ausdünstung als durch Inokulazion, d. h. durch sich selbst anstekken. Meine Frau (erlauben Sie diese scheinbare Unterbrechung meiner Schilderung) unterrichtete mich durch ihr eigen Beispiel von allen ienen Erfindungen. Ich Thor wolte nämlich nach den lezten Paroxysmen der Liebe mit ihr über die gewöhnlichen Ausgaben einig werden, weil ich glaube, daß für die Hände des Zufals kein Beutel zu vol ist, und daß selbst eine bestimte tägliche Verschwendung das Vermögen, wie ofne Geschwüre den Unterleib, vor dem Durchfalle bewahren. Allein wie wuste mein zweites Selbst meine Klugheit zu vernichten! Denn kurz, sie wolte sich der Welt durch unvermutheten Glanz ankündigen, und lies ihre ersten Verschwendungen ihre grösten sein, wie man in alten Zeiten die Bücher mit grossen, und goldnen Anfangsbuchstaben zierte; sie verwandelte mein Haus in den Sammelplaz aller modischen Helfershelfer, wo der Schneider hinter dem Galanteriehändler wandelt, und beider Mienen mit dem Bewustsein ihrer Unentbehrlichkeit triumphiren, wo der Harkräusler einen mit seiner Gegenwart belagert und oft mit Ahndung des mittäglichen Hungers auf die Endigung der morgendlichen Träume der Madame harret, wo die kleinen Bedürfnisse des Puzes die geschwinden Füsse aller Bedienten beschäftigen, und der lärmende Müssiggang den stillen Fleis verscheucht – –

Aber, um wieder aufs vorige zu kommen, Sie müssen nicht denken, daß blos die Jugend an ihrer scheinbaren Verschönerung arbeite. O die Thorheit überlebt die Schönheit, und nach dem Tode der Natur, wandelt in der Gestalt derselben das Gespenst der Kunst umher. Ich kenne eine ältliche Matrone, deren Erinnerung und Begierden weit jünger als ihr Körper sind, obgleich ihren Reizen die Hand der Zeit den Scheidebrief troz allem Geschnörkel der Kunst noch allemal lesbar genug geschrieben, und ob sie gleich in einer ägyptischen Geselschaft als eine lehrreiche Mumie gelten könte. Diese borgt von der Mode die Jugend, in welche sie ihr Alter kleidet, so wie Leßing dem Tode stat des dürren Skelets, welches ihm alle Mahler geben, die Gestalt eines jungen schönen Genius gab. Buntfarbige Seide umrauschet ihr Gerippe, wie der wizige Sargmacher das Haus des Todes mit bunter Mahlerei verschönert. Auf ihren welken Lippen schwebt eine ewige Leichenpredigt auf ihre verstorbenen Reize, und ihre verwelkte Schönheit, die immer mit häslicher Mine hinter der geborgten Verschönerung hervorwinkt, spielet alle Rollen der blühenden; so sol, nach Montaigne, das eingesalzne Wildpret seine Zustände nach den Zuständen des lebendigen abwechseln lassen. 2) Ihre Wangen blühen roth und weis zum zweiten mal. Der dumme Bauer nur weissagt aus dem Herbste, in welchem die Bäume wie im Frühlinge blühen, ein übles Jahr. –

Der Man nun, der alle diejenigen bezahlet, die ihn mit ihren Zetteln erinnern, daß er eine Frau hat, der wie der Ägypter seinem vergötterten Affen oder Krokodil alle die Freuden opfert, die er entbehret, und Papyrus im Munde und Magen, seinen Gözen mit Lekerbissen mästet, der gegen die verschwendete Frucht seines Schweisses künftige Armuth eintauschet, und mit dem wahrscheinlichen Elende seiner Kinder, ihrer Mutter modische Spizen kaufet, ein solcher Man bleibt von seiner Frau nicht ganz unbelohnet. Denn sie läst ihn die Schwere ihres Fächers weniger fühlen, dessen Rechte er nun, zu lange der seinigen entwöhnet, und der Mode entgegenzuschwimmen, mit zu schwachen Flosfedern versehen, anerkennen mus. Das schwächere Geschlecht nämlich hat sich unseres Kopfes, unserer Hände und Füsse bemächtigt, zu stark für die leichte Behauptung unseres Herzens, das vielleicht durch die neuen Eroberungen verlohren gegangen, um ohne Zweifel die Gebräuche eines Landes nachzuahmen, wo die Frau nie den Namen eines Beherschers, sondern nur seine Gewalt, nie eine Krone, sondern nur Unterthanen besessen. Man mus sich die Ehe nicht, wie ich mir sonst, als ein Stükgen vorstellen, im welchem Diskant und Bas zusammenspielen, in welchem die rechte Hand (die Frau) den einen und die linke (der Man) den andern spielt; man mus nicht denken, daß das Herz sich unter den Kopf noch schmiege, und daß die Klugheit des leztern und die blinden aber guten Eigenschaften des erstern in die Harmonie sich noch bringen lassen, in welche der geschikte Violinist die Hare des Pferdes und die Gedärme des Schafes bringt. Der Man ist der Kopf der Frau nicht mehr; sie hat ihren eignen aufgesezt. Und das war, das ist auch so leicht! Die meisten Simsons verliehren im Schosse einer Delia ihre Hare und Amor bindet die Augen zu, um dem Hymen das Binden der Hände zu erleichtern. – Oder man hat Thorheiten, und an diesen kan man jeden wie gewisse Thiere an ihren Ohren festhalten! Wenn nur einmal die Schellen der Frau die Schellen des Mannes akkompagniren! – Die Leidenschaften, sagt Plato, sind die Pferde am menschlichen Wagen; o und wie leicht schwingt sich ein Weib auf den Kutschbok um spazieren zu fahren! – Eine andre Frau gehorcht vielleicht einmahl, um zehnmal befehlen zu können, überwältigt durch angenommene Schwächen und siegt durch eine scheinbare Flucht. Eine dritte löset den harten Mann in Thränen auf, wie den Zukker im Thee, und die Schönheit vertheidigt sich durch dasselbe Element, aus welchem sie gebohren wurde. Viele Wassertropfen siegen endlich über den Widerstand des Steines. Freilich folgt der Regen erst auf den Donner, und wenn die Fliege ihren Rüssel erst vergeblich an der zähen Feuchtigkeit versucht hat, so verdünnet sie dieselbe durch ihren Speichel. Und man hat Beispiele, daß das Eis eine Brükke, die seinen Anfällen widerstand, dann niederris, wenn es in seine vorige Flüßigkeit aufgelöst, in mächtigen Fluten daherstürmte. – Auch vermag ein Heer von Kehlen der Schwestern, Schwiegermütter und Freundinnen sehr viel, und der mänliche Arm erliegt der Menge weiblicher Zungen, wie manchmal ein Schwarm stechender Bienen den Bären vom Honig abtreibt. Eine starke Stimme zerschreit ein Basglas. – Nichts zähmet den Man leichter als die öftere Wiederholung der Anmerkung, daß er sein Glük, seine Ehre, sein Amt den Verdiensten schuldig ist, die seine – Ehehälfte besizt. Und dan gleicht überhaupt die ganze Ehe dem umgekehrten Traumbilde des Nebukadnezars d. h. das Haupt ist von Thon, und die Füsse von Gold, oder dem Teufel, dessen Kopf vom Ochsen und dessen Füsse vom Pferde borgen. Und wenn endlich der Man zum Wachs herabgesunken, das jeder warmen Betastung nachgiebt, wenn er der Zeit die Selbstbeherschung abgetreten – und überhaupt der Festigkeit ermangelt, durch die irgend eine Beschaffenheit der Sele dauernde Farbe erhält, so wie das Eisen im Blute die Farben der Völker verursachet, so ists um die Rechte seines Geschlechts gethan und er das Spiel eines weiblichen Reizes und der Sklave einer geschminkten Wange! – Die meisten Schönen regieren also von der Dumheit Gnaden und ihr lispelnder Befehl verstärkt sich nur in Midas Ohren so. – Doch hat sich meine Muskeln- und Flechsenmaschine noch nicht an die Beweglichkeit gewöhnet, die für die Veränderlichkeit der Befehle schöner Minen so nothwendig ist, und gleicht noch nicht einer Windmühle, die jeder Wind einer weiblichen Lunge nach seiner Laune dreht. –

Obgleich ferner eine modische Frau nur in so fern Mutter ihrer Kinder ist, als sie Vergnügen hat, es zu sein; obgleich der Müssiggang ihr keine Zeit für die Verbesserung des Kopfes und Herzens derselben übrig läst: so stiehlt die mütterliche Pflicht, der Faulheit doch noch einige Minuten, worinnen sie das Mädgen in die Geheimnisse der Lebensart einweihet, es die Geographie der Reize lehrt und mit dem Fächer exerziren läst, worinnen sie den Rükken und das Knie des Jungen an das Komplimentenjoch und ihn an die Tugend gewöhnet, unter sein Geschlecht zu fallen. Kaum brauch' ich noch zu erinnern, daß sie vor der Langenweile zu den Geselschaften flüchtet, in welche sie nicht selten ihren Arbeitsbeutel bringt, um entweder durch denselben an die Versäumung ihrer Pflicht erinnert zu werden, oder an kleinen Arbeiten die Länge der verschwendeten Zeit zu berechnen – Geselschaften, wo sie gleich der Bienenkönigin, als Königin und Geliebte gilt und wo die Schönen immer wie Kinder vorauslaufen dürfen; wo der Kopf des Mannes das Echo schöner Lippen ist, und die Langeweile sich von der luftigen Höflichkeit nähret; wo halbe Komplimente den buntfärbigen Kreis durchwandern, eh' man mit dem wichtigen Geschäfte, sich an eine Tafel zu sezen, zu Ende komt, wie der glänzende Käfer um das runde Gericht, das ihm der Magen eines grossen Thieres, ein besserer Koch als ein französischer, aufgetischt, herumsumset, eh' er sich in seine Speise vergräbt; wo Lust den Ekel, wie Wärme die Maden ausbrütet, und die meisten Vergnügungen mehr glänzend als schmakhaft sind, mehr begehrt als genossen werden; wo die Verläumdung, wenn die Geschichte eines müßigen Lebens keine Unterhaltung für die müßige Stunde mehr darbietet, böse Gerüchte erntet und säet, und mit ihrer Zunge, wie die Schnake mit der ihrigen, zugleich saugt und sticht; wo unzwekmäsige Satire über denjenigen Gegenstand des verbissenen Lachens siegt, der seine Stärke nicht auf der Zunge, wie das Krokodil im Schwanze hat, wo man die Schamlosigkeit, die ihre Ohren an galanten Zoten weidet, hinter den Fächer verbirgt, wo man den Stolz eines schönen Gesichts durch Lob zu diktatorischen Aussprüchen besticht, wie die Scythen ihre Stutten aufbliesen, um mehr Milch zu bekommen, und aus einer weissen Haut den Wiz, wie aus einem schwarzen Kazenfell die Funken, durch Streicheln herauslokket.

Aber in diesen Geselschaften thut eine Frau noch mehr: denn ihr Man, der sie nur mit ihren natürlichen Reizen geniest, kauft ihr die, mit denen sie seine Freunde geniessen sollen, und lässet sich seine unverdiente Schande mehr kosten als mancher sich seine unverdiente Ehre. Daher die lange Dauer jener Geselschaften; die Fischer fischen zu Nachts am liebsten. Sie, mein Freund, müssen nicht an eine Treue glauben, die nur in den Gesezen existirt, die sie gebieten, und in den Geschichtsbüchern, die sie erdichten. Die Vorwelt nahm vielleicht mit Einem Gerichte und einer Ehehälfte vorlieb; aber wer jezt mit sechs Schüsseln und Einem Gatten? Wem ekelt nicht wie den Kindern Israels vor dem alle Morgen aufgewärmten Manna? und wen lüstet nicht nach Wachteln? Auch ists zu verzeihen, wenn der muntere Stuzer dem schwerfälligen Manne den Rang abläuft, wenn das Herz einer Frau, gleich dem Herz der Fische, das Zwergfell zu seiner Basis macht, und nur seine Spize gegen den Kopf hinkehret. Denn eine solche Untreue reichte nur sonst hin – sonst, da blos eine Frau ihre Andacht mit dem Priester theilte, und sich von ihm das sinlich erklären lies, was er immer in Hebraismen verbietet; sonst, da sie blos krank wurde, um von einem jungen Doktor geheilt zu werden, um ihre Treue an ihrer Krankheit sterben zu lassen, um ihr Krankenbette zum Todenbette ihrer Ehre zu machen – und vielleicht auch noch jezt hier und da wo ein Dichter durch einen im Monde versilberten Thränenregen, wie Jupiter durch einen goldnen Regen, widerspenstige Reize unterjocht. Aber mit so einer Untreue komt man jezt nicht weit genug. Warum das rauben, was man billig fordern kan? und wie überflüßig ist das Brecheisen des Diebs, der Feder des Rechtsgelehrten? Kurz die Mode rechnet die Hörner eines Mannes zu seiner Frisur und höchstens verschleiert man eine Untreue so wie den Busen. Aber sie sollen die jezige Wollust durch folgendes Gemählde einer Witwe, die ich kenne, kennen lernen. In ihrer Ehe, die nicht lange dauerte, war sie unfruchtbar, und hatte kein Kind ausser ihren Man. Doch zeigten sich nach seinem Tode die Pfänder von der Stärke seiner Lenden, und seine Witwe ehrte sein Gedächtnis durch die, denen er das Leben gab, da er keines mehr hatte – so treibt der Kokosbaum nach dem Verluste seines Gipfels mehrere Äste und Früchte. Ich mus hiebei anmerken, daß blos der Zufal ihrer vorgeblichen Unfruchtbarkeit diesen Streich spielte. Denn sie liebt nur die Wollust und hasset die Früchte derselben. Wenn man die süsse Hülle der Pflaume genossen, speiet man den harten Kern heraus. Daß sie ihre Reize durch die Farbe des Todes schminkte, und durch den schwarzen Flor den Busen zum weissem Ziele zu machen wuste, das durch seine schwarzen Grenzen die Augen der Schüzen auf sich zieht, ist natürlich. Immer rollen ferner ihre Augen nach mänlichen Reizen herum, immer röthet ihr heisses Blut ihre Wangen mit Begierde, immer sucht sie Opfer ihrer Schande auszuwittern, und mit verborgenen schönen Strikken weis sie einen ausgespähten Raub in ihre Arme zu ziehen. Nicht selten opfert sie ihren Stand ihrer Lust auf, und kühlet niedrige Begierden in niedrigen Mitteln ab, wie man mit schlechten Regenwürmern entzündete Glieder heilt. Die Spöttereien des Gerüchts sind ihr Stiche gewisser Insekten, die mehr kizeln als schmerzen; auch verstekt sie hinter ihren Reichthum ihre Schande, wie die Mädgen der Völker in Achem, die Beweise ihres Geschlechts mit einem silbernen Bleche verdekken. Jezt sättigt sie ihre Wünsche blos mit dem Anschauen derer Silhouetten ihrer verstorbenen Anbeter, die unter dem Spiegel ihrer Toilette hängen – so reihet der Bauer die Köpfe getödeter Sperlinge an einem Faden auf, und hänget sie an die Wand.

Ein Hund oder auch eine Kaze, aber selten ein Vogel ist der Zizisbeo der meisten Frauen, und wenn die linke Höhle ihres Herzens noch dem Manne zugehört, so hat eines der genanten Thiere wenigstens die rechte Höhle desselben gemiethet, und nimt stat des Kindes den Schos ein. Ich besuchte neulich eine Dame, die mich sehr lange mit einer Lobrede auf ihren Schoshund unterhielt. Nur Schade, daß die Fabel dem Thiere den Mund nicht geöfnet: denn es hätte seiner Panegyristin ohne Zweifel eben die Vorzüge beigelegt, die sie ihm beilegte. Sie liebt ihren Hund so zärtlich wie ihre Kinder: daher sie auch beide nichts lernen läst, und sie kan so wenig ohne dieses Thier als mit seinem Nebenbuhler, ihrem Manne, leben. Ja sie gewöhnet ihn sogar durch Süßigkeiten an eine vornehme Verderbung des Magens. Ein Zufal nöthigte sie neulich, ihn durch Aufnahme unter ihre Arme, dem Hundspöbel zu entziehen, der ihn freilich nicht wie der Herr der Schöpfung geehret haben würde. So trug Aeneas seinen Vater durch das brennende Troja. Sonst nur war das Tragen der Hunde eine Strafe für Rebellen. Und jezt trägt man mit Ehre einen Hund unter dem schönen Arm, unter welchem ein Gesangbuch sehr übel lassen würde. Unsere Dame erlaubt ihm alle Freuden, nur die Freuden der Liebe nicht. Der wahrscheinlichen Mesalliance nicht zu gedenken, ist ihr schon seine Schwangerschaft so ärgerlich als die ihrige; so ärgerlich als die Thiere, die ihren zottigten Gözen, wie die Mäuse den Kutka, den Got der Kamtschadalen, quälen. Vor etlichen Jahren wurde ihr Man krank und, obgleich der Arzt, dem sie ihn überlies und der sie oft heilte, Rezepte und Mixturen verschwendete, wieder gesund. Sie war trostlos und noch trostloser machte sie das Ableben einer Schoskaze, die ohne ein Todesurtel d. h. ohne ein Rezept sich beim Charon einschiffe. Ihr Hund verlor neulich ein Auge durch die Kaze einer Freundin, die ihr gegen über wohnt – nun lieben sich die beiden Freundinnen wie ihre Schosthiere.

Nichts ist natürlicher, als daß die schönen Kinder wie die kleinen, und die alten Kinder die hydraulische Kunst verstehen, mit den Augen Wasser zu speien. Diese Fruchtbarkeit an diesem Elemente schreibt sich nämlich von der Güte ihres Kopfes her, der wie ein Schwam das Wässerige leicht einsaugt; diese übermäßige Wärme entsteht nämlich durch die Gründlichkeit ihrer Ideen: denn seichte Wasser werden am leichtesten warm, kurz dieses rührt von den guten Eigenschaften her, durch die das andere Geschlecht seit einiger Zeit den Vorzug vor dem unsrigen, billig behauptet. Auch meine Frau besizt ein Herz, das die neuliche Thränensündfluth aus dem Sand hervorgespühlet. Zu weichherzig, um es gegen hartherzige zu sein, rächt sie ihre Empfindsamkeit an meiner Unempfindsamkeit durch unleidlichen Stolz oder durch Thränen. Äussere Kälte und innere Wärme machen von den Fenstern Wasser herabrinnen. Daraus läst sich auch folgendes erklären. Da sie lange genug Jünglinge geliebt hatte, die existirten, fiel sie einmal zur Abwechselung auf einen, der nicht existirte. Doch war dieser Jüngling in Miniatur von Hrn. Chodowiecki gezeichnet, und von Hrn. Geiser gestochen, und in Riesengestalt vom Herrn Autor gemahlet. So betete der Ägypter den Vogel Phönix an, den er nie gesehen, aber doch im Gemählde hatte. Allein zulezt wurde ihr das Nichts untreu und sie selbst wurde müde, ein Ding, das im Gehirn lebte, einem Dinge vorzuziehen, das auch auf der Stube lebte. Daher blieb ihr weiches Herz an meinem Antezessor kleben. Oft zu Nachts schlug sie ihr Klavier so wehmüthig, daß ihre halbwachenden Eltern daraus ihren Tod weissagten; allein unten am Fenster harte der folgsame Liebhaber und erfuhr durch die verabredete musikalische Sprache, daß er nicht umsonst harre. So hört der gemeine Man die Stimme des Todes in dem Schlagen, mit welchem die Bücherlaus in ihrem Wurmloch das Mängen zur Begattung einladet.

Nur noch die Dinte, die ich sonst aussprize, für ein par Züge meiner Frau. Ich mus ihre Gaben für Ohnmachten rühmen und sie hat zu gut leben gelernt, um nicht öfters tod zu scheinen. Und wenn ein kleiner Unfal neben sie anstreift, warum solte sie auch nicht den Spekkäfer nachahmen, der sich bei der kleinsten Berührung tod stelt? Die Kunst zu sterben ist der Probierstein eines Schauspielers; warum solte sie nicht der einer Frau sein? – Doch stehen ihre feiernden Lebensgeister allemal unter dem Geseze des Wohlstandes; sie weis sich selbst zu rechter Zeit von den Toden aufzuerwekken, und das Leben verlängert seinen Urlaub nicht über die bestimte Minute.

An ihrer Laune hängt meine Ruhe, und ihre Laune hängt an dem Zufal. Aus dem Mittagsessen weissag' ich mehr als der Augur aus dem Fressen der heiligen Hüner weissagte; und vor schlechtem Wetter sichern mich meine Wände nicht. Oft wird man unbillig bestraft, damit man billig bestraft werden könne; und man läst den andern das Holz zu seinem Galgen stehlen. – Ich fürchte nichts mehr als die Schmeichelein der Frau. Der Fuchs stuzt vor einem unerwarteten Lekerbissen und vermuthet richtig die verstekte Falle. Eh' man die Schafe schiert, wäscht man sie weis, – Tändeln kan man noch, eh' der Priester mit dem heissen Lak aus dem ersten Buch Mosis die Vereinigung versiegelt, und das Orchester spielet auch oft ein lustiges Allegro vor dem Trauerspiel; aber in das Ehebette mus man die Puppen der Wiege nicht bringen, sonst trägt ein Kind den Namen eines Königs, und seine Anverwandten regieren. – Auch Küsse sättigen und die Lippen verwunden eben so gut als die Zähne, so wie der Pelikan seine Jungen durch das Reiben mit dem Schnabel tödet. „Ich küsse den halben Tadel von der schönen Lippe weg“ das heist, du lekst den Löffel aus, woraus du bittere Magentropfen eingenommen. – Aber wer widersteht auch oft dem Reize des Geldes, obgleich silberne Spornen eben so wie stählerne das Pferd verwunden; oder dem Reize der Ehre, obgleich der Maulesel durch einen prächtigen Reiter, einen Kardinal, nichts gewint; und endlich dem Reize der Schönheit, obgleich versilberte Pillen eben so bitter wie andre schmekken? Aber dies gehört nicht in diesen Brief, und ich mus aus der blumenvollen Wiese, in der man nicht reiten darf, wieder in den alten Steig zurükkehren.

Sie wollen die Stuzer näher kennen lernen? Wenn Sie unter dieser Benennung alle die Leute verstehen, die an der Toilette und am Pulte faseln, die mit brittischen und französischen Thorheiten prahlen, die von der Narheit nur die Gestalt und von der Dumheit das Innere entlehnen, so werden Sie in meinem Briefe vielleicht das finden, was Sie suchen. Ein Stuzer in der weitern Bedeutung des Worts ist erstlich ein Philosoph. Jezt nämlich ist die Metaphysik nicht mehr eine Landkarte vom Reiche der Möglichkeit, nach welchem man auf den matten Schwingen der Dumheit, wie nach Swift's Erzählung, der Kapitain Brunt durch seine geflügelten Kaklogallinier nach dem Monde, zuflog; jezt brüstet man sich nicht mehr auf Abstrakzionen, die weniger in den Gehirnfibern als auf dem Trommelfelle philosophische Erzitterungen verursachen und verwandelt lere Wörter nicht mehr in Demonstrazion durch eine Stellung, die man das Metrum der metaphysischen Dichtereien nennen könte – Sondern man ist viel modischer ein Nar. Wer durch sein Salarium nicht gezwungen ist, im Konzerte der menschlichen Thorheiten den Takt zu halten, und mit den Nachbarn im Unisono zu singen, der ersezt die Stelle der Thorheiten, die er nicht nachahmet, durch die, die er erfindet. Man erfand daher eine Philosophie, die sich durch eine trübsinnige, schwarze Gestalt empfiehlet und gleich einem Weibe, stat scharfsichtiger, schöne Augen, stat der Beweise Blumen hat; sie gleicht dem indianischen Gözen in der Stadt Multan, dessen Gesicht schwarz ist, und in dessen Augenhöhlen stat der Augen, zwo Perlen glänzen. Unser Stuzer nun hast lere, abstrakte Termen, liebt aber gefühlvolle, widersinnige Ausdrükke und zieht dem metaphysischen Unsin den poetischen, der kalten Unvernunft die warme vor. Nach der Ebbe und Fluth seines Nervensafts fält und steigt seine Überzeugung und sein Gehirn mus erst durch die heftige Bewegung des Bluts elektrisirt sein, wenn die Bewohnerin der glandula pinealis einige Funken Wahrheit aus demselben herauslokken sol. Sein Geist, ein Feind deutlicher Begriffe, erhält nur von dunkeln die Wärme, die sein Körper von dunkeln Kleidern empfängt. Der Anblik der nakten Wahrheit würde seinen Augen schaden, wie der Anblik der nakten Minerva den Augen des Tiresias. Daher umschaft er Gedanken in Blumen, wie unter den Händen des Midas nährende Speisen sich in glänzendes Gold verwandelten. So vergoldet man zu Weinachten für die Freude der Kinder die Nüsse; aber wer weis nicht, daß ihnen das Flittergold zwischen den aufknakkenden Zähnen hängen bleibt? Er duftet von Philosophie wie von Pomade, und macht die Brille der Vernunft 3) zu einem modischen Augenglas. Am Morgen giebt der Friseur seinen Haren, und ein Duodezbändgen seinen Gehirnfibern eine modische Lage; nachmittags trägt er die leibliche und geistliche Frisur zur Schau herum, und abends zerstöhret er beide in den Armen einer Hure. Doch oft zu stolz für eine solche Unbeständigkeit, sezt er sich durch einen nachgesprochenen Skeptizismus über das Denken hinweg und machet die Schwäche seines Kopfes zur Schwäche aller Köpfe. Nun öfnet sich seiner streitbaren Zunge das Feld der Zweifel, nun steht seine Behauptung jedem Anfal, und jede fremde weicht dem seinigen; nun schimmert die besiegte Vernunft für den Triumph seines Stolzes, eben so funkeln im Schwanze des Pfauen die verwandelten Augen des bestraften Argus. – Er hat ferner zwar keine Gelehrsamkeit, aber er weis sie doch zu verachten, und sein Stolz ist der hülfreiche Nachbar seiner Unwissenheit. Auch erhält er sich vermittelst desselben auf der Oberfläche aller Kentnisse wie der Fisch sich durch Ausdehnung seiner Blase auf der Fläche des Wassers, und sinkt nie tiefer, um Perlen zu suchen. Doch ungeachtet seiner Abneigung gegen ernsthafte Kentnisse, erhebt er sich zu unwichtigen; ungeachtet er blos lieset, um in der nächsten Assemblee zu sagen, daß er gelesen, so macht er doch durch Belesenheit seinen Verstand dem Verstande des Thieres ähnlich, welches den Gelehrten die Ableiter ihrer Gedanken leihet. Der Titel eines Buches ist ihm wichtiger als sein Inhalt und nicht so wichtig als seine Rezension. Er verbessert auch selbst gelehrte Urtheile und brandmahlet manchen Ruhm mit den stummen Zeichen einer zweideutigen Achtung oder bekränzet die Ohren, welche an einem Pranger schon gekreuzigt worden. Aber immer betet er den Autor an, von dem er die meisten Schriften gelesen; so vergötterte man in jeder Provinz des alten Peru die Art Fische, von welcher man die meisten fing. Da er wenig denket, so ists natürlich, daß er viel redet. Und wie solt' er nicht, da die Geschwäzigkeit die Jugend am besten kleidet? Auch macht junges Holz mehr Geprassel als Licht und Wärme, und Wägen mit neuen Rädern knarren am meisten. – Zwar ist sein Gedächtnis das Gefäs der Unehren, welches schmuzige Galanterien von Geselschaft zu Geselschaft trägt; aber doch ist seine Sele reines, feines Postpapier, welches die Damen mit ihren Einfällen beschreiben. Überhaupt stärkt die Weisheit der Damen seine schwindsüchtige Sele, und die Milch einer Eselin seinen schwindsüchtigen Körper. Wenigstens trägt das schöne Geschlecht in die leren Zellen seines Gehirns, zum Ersaz der verlohrnen Gedanken, den Honigsaft aus den neusten Almanachen. So zog der Ägypter aus dem Kopfe eines Leichnams das Gehirn heraus, dessen Plaz er mit Spezereien ausfülte. – Er ist auch Kenner von Kunstwerken, das heist, er weis etliche Kunstwörter ohne ihren Sin. Haben doch auch die meisten Konchyliensamler blosse schimmernde Gehäuse ohne die Bewohner derselben! Sein Wiz ist unerschöpflich, wenigstens ist es der Wiz seiner Büchersamlung; er führet eine fremde Dumheit nie ohne beissende Laune an, und giebt zum Rindfleisch allezeit Meerrettig. Vorjezt macht er aus Himberen Eßig d. h. er satirisirt über die Empfindsamkeit. Sonst trug er mit vielem Vergnügen jeden Logogryph des Merkurs, den er selbst aufgelöst, in seiner Bekantschaft herum. So legte man die tode Sphynx auf einen Esel. Nur selten oder wenn er in einer Uniform ist, verkürzt er die Zeit durch wizige Blasphemien. Doch sobald er sich in einer vornehmen Geselschaft befindet, so versteht es sich, daß er sein Herz beflekt, um seine Ehre nicht zu beflekken, gleich den Morlakken, die mit blossen Füssen durch eine Pfüze gehen, um die neuen Schuhe nicht zu besudeln – Schmeicheln und verleumden hat er in seiner Gewalt, er macht, wie Wernike sagt, den Anwesenden roth und den Abwesenden schwarz, und gleicht, wie mein Vetter sagt, den Bleistiften, deren eines Ende roth und deren andres schwarz schreibet, oder den Ferngläsern, die aus einem vergrössernden und einem verkleinernden Glase zusammengesezt sind. – Um frei zu sein, ist er weniger Nachahmer des Franzosen als des Britten, und er wünscht überhaupt unsern Narrenkappen deutschen Schnit, und unsern Schellen deutsche Form. Daher raubt er blos nüzlichen Geschäften die Zeit, in welcher er die Arbeit des Friseurs revidirt, in welcher er den Hut von etlichen grauen Atomen reinigt, in welcher er sich vor dem Spiegel mit seinem stummen Ebenbilde über die Lage seiner Reize berathschlägt u. s. w. Er trägt auch einen Degen; aber Linnäus irt sich, wenn er alle Thiere zu den Hunden rechnet, die den Schwanz nach der linken Seite tragen. Er hat ferner alle die Konvulsionen in seiner Übung, die zur Höflichkeit erfordert werden; wenn er redet, so weis er sich der Erde gehörig zu nähern, gleich dem Rohrdommel, der eh' er schreiet, seinen Schnabel in die Erde stekt, und ihm sind die Grade des Bogens bekant, in den der Rükken sich nach Masgabe des Gegenstandes seiner Verehrung zu krümmen hat. Seine lebhaften Füsse erfüllen oft das ganze Zimmer mit seiner Person, und er vertheilt unpartheisch unter alle Anwesende den Genus seiner Gegenwart. Bald füttert er aus einem glänzenden Gefäs eine schöne Nase mit wohlriechendem Staub, und überreicht das kizelnde Opfer mit den erforderlichen Gliederverdrehungen, bald sezt eine fremde Dose seine Zunge und seinen Rükken in dankbare Bewegungen. Hier treibt er den Schweis eines nakten Busen in die ofnen Poren, um durch eine schädliche Abkühlung einer unschädlichen Erhizung zuvorzukommen, und dort eilt er dem Fächer entgegen, der ihn zu einem galanten Narren schlagen oder für eine Thorheit bestrafen wird, zu deren Wiederholung er seinen Wiz auf eine schmeichelnde Art aufgefordert glaubt. Mit welcher Wollust drükt er endlich dort am Fenster seine Lippen an junge Hände. So beschnuppern die Lippen der Ziegen junge Baumzweige. Mit Küssen ist er übrigens freigebig; jeden bewirft er mit denselben von seinem Fenster, wie die Affen den Vorbeigehenden mit ihren Exkrementen von dem Baum herunter. Endlich weis ich nicht, ob er öfter hurt oder ehebricht. Denn er rühmt sich zu zeiten des einen und des andern; obgleich mehr seine Oberfläche und sein Schein als sein Wesen und sein Inneres mänliche Stärke verspricht, wie der Geruch des Bokkes nur von seinem Felle, nicht von seinem Fleisch' entstehen sol. Niemand beschmuzt besser als er mit zweideutigem Wiz reine Ohren. Doch stehen auch poetische Bilder seiner Artigkeit zu Diensten. Nur neulich sagte einer zu meiner Frau, er tränke Wollust aus ihren Augen. „Wie Gulliver, sagte mein Vetter, der es hörte, englisches Bier aus den Hüneraugen eines brobdignakischen Fräuleins trank.“

Wollen Sie bei mir selbst die Richtigkeit dieses Gemähldes untersuchen, so lassen Sie ihre Tabakspfeife zu Hause, deren Rauch meiner Frau wenigstens etliche Anbeter kosten würde. Vertreiben Sie lieber mit dem Tabaksrauche die Läuse von Ihrem Nelkenstokke. Die genauern Schilderungen verspahre ich auf den künftigen Brief, und die Antwort auf diesen erwarte ich aus Ihrem Munde selbst. etc.

 

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1) Sonst war die Krähe der Lieblingsvogel der Minerva. Vielleicht hat sie ihren vorigen Rang der Eule wieder abgelaufen, und zum Besten der Damen über den Zorn der Minerva mit einer Zunge gesiegt, deren Beweglichkeit sie den Verlust der genanten Ehre kostete. 

2) Montaigne L. I. chap. 3. 

3) So nante ich weis nicht wer die Philosophie.