BIBLIOTHECA AUGUSTANA

 

Friedrich Hölderlin

1770 - 1843

 

Gedichte

in chronologischer Folge

 

1788

 

Textgrundlage:

Friedrich Hölderlin, Sämtliche Werke, Bd. 1, Gedichte bis 1800

Hrsg. von Friedrich Beißner, Stuttgart: Cotta, 1946

 

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Der Kampf der Leidenschaft

 

Ras' ich ewig? noch nicht ausgestritten

Ist der heiße Streit der Leidenschaft?

Hab' ich armer nicht genug gelitten?

Sie ist hin – ist hin – des Kämpfers Kraft.

Engelsauge! immer um mich schweben –

O warum? warum? du liebe Grausame!

Schone! schone! sieh! diß schwache Beben!

Weibertränen weint der Überwundene.

 

Weibertränen weinen? Weibertränen?

Wirklich? wein' ich wirklich, Zauberin?

Und diß Klopfen, dieses bange Sehnen

Ists um Luzias Umarmungen?

Nein! ich kann nicht! will nicht! diese Tränen

Stieß der Zorn ins Auge, sie vergoß der Grim;

O! mich schmelzen keine Mädchenmienen,

Nur der Freiheit braußte dieses Ungestümm.

 

Aber wie? dein Stolz hat sich betrogen,

Siehe! Lügen straft die Liebe mich;

Männergröße hat dein Herz gelogen,

Und im schwachen Kampf verkennst du dich.

Stolz verschmähst du alle Mädchenherzen,

Weil dir Luzia ihr großes Herz nicht giebt,

Kindisch heuchelst du verbißne Schmerzen

Armer Heuchler! weil dich Luzia nicht liebt.

 

Weh! sie kan, sie kan mich nimmer lieben,

Mir geraubt durch ein tyrannisch Joch,

Nur die Wunde noch ist mir geblieben,

Fühlst dus? Fühlst dus? Weib! die Wunde noch.

Ha! ein Abgrund droht vor meinen Sinnen –

Laß mich! laß mich! todesvolle Leidenschaft!

Höllenflamme? wilt du ewig brennen?

Schone! schone! sie ist hin, des Kämpfers Kraft.