Friedrich Hölderlin
1770 - 1843
Gedichtein chronologischer Folge
1788
Textgrundlage:Friedrich Hölderlin, Sämtliche Werke, Bd. 1, Gedichte bis 1800Hrsg. von Friedrich Beißner, Stuttgart: Cotta, 1946
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Hero
Lange schlummern ruhig all' die MeinenStille atmet durch die Mitternacht;Auf dann! Hero! auf und laß das Weinen!Dank euch, Götter! Heros Muth erwacht.Fort ans Meer! ans Meer! es schäume die Welle,Brause der Sturm mir nimmer ins Angesicht!Fort ans Meer! ohn' ihn ist alles Hölle –Liebe ängstet mich arme – Sturm und Welle nicht.
Ruhig will ich da hinüberlauschenWo sein Hütgen über Felsen hängt,Rufen will ichs in der Wooge Rauschen,Wie sein Zaudern seine Hero kränkt.Ha! da wird er sich mutig von seinem GestadeStürzen, Posidaons Kraft ihm Liebe verleihn,Lieb' ihn leiten des Meeres furchtbare Pfade,Götter! wie wird – wie wird uns wieder sein?
(sie komt ans Meer)Aber Himmel! – wie hoch die Woogen schäumen!So hätt' ich den Sturm mir nicht gedacht.Weh! wie sie dräuend gegen mein Ufer sich bäumen!Stärkt mich, Götter, in dieser ernsten Nacht! –Nein! mir banget nicht um Tod und Leben -Todt und Leben, wie das Schiksaal will!Liebe besieget die Schreken, die um mich schwebenSchlangengezisch, und Skorpionen, und Löwengebrüll.
Jüngling! sieben solche SchrekennächteHarr' ich deiner, zager Jüngling, schon,Wenn mein Jüngling meiner Angst gedächte,O! er spräch' Orkanen und Woogen Hohn.Oder hätt' er den furchtbaren Eid gebrochen,Spottet er meiner im Arm der Bulerinn –Ha! so bin ich so leicht, so schön gerochen,Leicht und schön gerochen – ich sterbe hier um ihn.
Aber weg von mir! du Donnergedanke!Weg, das flüsterte mir die Hölle zu,Daß mein Jüngling, mein Leander wanke,Nein! Geliebter! bleibe, bleibe du!Wann ich dich in diesen Woogen dächte,Deinen Pfad so schröklich ungewiß,Nein! ich will einsam durchirren die Schrekennächte,Dein zu harren, Geliebter, ist ja schon so süß.
Aber horch! – o Himmel! – diese Töne –Warlich! es waren des Sturmes Töne nicht –Bist dus? – oder spielt die NarrensceneTäuschend mit mir ein grausames Traumgesicht?Götter! da ruft es ja wieder Hero! herüber,Flüstert ja wieder die Stimme der Liebe mir her –Auf! zu ihm, zu ihm in die Woogen hinüber,Wenn er ermattete – auf dem Geliebten entgegen ins Meer.
Sieh! wie im Tanze, stürz ich zu dir vom Gestade,Liebe soll mir Posidaons Kraft verleihn,Liebe mich leiten des Meeres furchtbare Pfade –Götter! Götter! wie wird uns wieder sein!Kämpfend über den Woogen will ich ihn drüken,Drüken an Brust und Lippe mit Todesgefahr,Ha! und sink' ich, so träumet mein EntzükenNoch im Abgrund fort, wie schön die Stunde war.
Aber Götter! was seh' ich? meinem GestadeSchon so nahe? – Gesiegt! mein Held hat gesiegt!Siehe! er schwebet verachtend die furchtbare PfadeMutig einher vom Meere gefällig gewiegt.(freudig) Ha! er soll mich suchen – da will ich lauschenHinter diesem Felsen – (leise) Götter! wie schön!Wie die weise Arme durch die Welle rauschenAch! so sehnend, so strebend nach Heros Ufer hin.
Aber Grauen des Orkus! Sterbegewimmer!Grauen des Orkus! dort dem Felsen zu!Wie? – so kenn ich diese Todentrümmer!Wehe! wehe also siegtest du? –Aber weg! ihr höllische Schrekengesichte!Täuschende Furien! weg! er ist es nicht!So zerschmettern nicht der Götter Gerichte –(sie hält ihre Leuchte über den Todten hin)Aber dieses Lächeln auf dem Todengesicht –
Kenst dus? Hero! kenst dus? – Nimmer, nimmerSpricht das tode Lächeln Liebe dir – (sie weint heftig)Engelsauge! so ist erloschen dein Schimmer –Bliktest einst so heiße Liebe mir.Jüngling! erweken dich nicht der Geliebten Tränen?Nicht die blutige Umarmungen?Jüngling! Jüngling! diese Todesmienen –Wehe! sie töden mich! wehe! diese Zukungen.
Und er dacht in seiner Todesstunde,In der Kämpfe furchtbarstem noch dein –Hero! stammelt' er noch mit sterbendem Munde –Und so schröklich muß sein Ende sein?Ha! und diese Liebe überleben –Ohne diesen Toden in der Welt –Weg! vor dem wird Hero nicht erbeben,Der zu diesem Toden die Einsame geselt.
Wenig kurze schrökende Sekunden –Und du sinkst an deines Jünglings Brust,Und du hast ihn auf ewig wiedergefundenEwig umlächelt von hoher Elisiumslust – –(Pause)Ha! ich habe gesiegt! an des Orkus PforteAnzuklopfen – nein! ich bin nicht zu schwach!Hero! Hero! rief er, Götterworte!Stärkt mich! stärkt durchs dunkle mich! ich folge nach. |