Friedrich Hölderlin
1770 - 1843
Gedichtein chronologischer Folge
1788
Textgrundlage:Friedrich Hölderlin, Sämtliche Werke, Bd. 1, Gedichte bis 1800Hrsg. von Friedrich Beißner, Stuttgart: Cotta, 1946
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Schwärmerei
Freunde! Freunde! wenn er heute kämeHeute mich aus unserm Bunde nähmeJener lezte große Augenblik –Wann der frohe Puls so plözlich stündeUnd verworren Freundesstimme tönte,Und, ein Nebel, mich umschwebte, Erdenglük.
Ha! so plözlich lebewohl zu sagenAll den lieben schöndurchlebten Tagen –Doch – ich glaube – nein! ich bebte nicht!«Freunde! spräch' ich, dort auf jenen Höhen«Werden wir uns alle wiedersehen,«Freunde! wo ein schönrer Tag die Wolken bricht.
«Aber Stella! fern ist deine Hütte,«Nahe rauschen schon des Würgers Tritte –«Stella! meine Stella! weine nicht!«Nur noch einmal möcht' ich sie umarmen,«Sterben dann in meiner Stella Armen,«Eile, Stella! eile, eh' das Auge bricht.
«Aber ferne, ferne deine Hütte«Nahe rauschen schon des Würgers Tritte –«Freunde! bringet meine Lieder ihr.«Lieber Gott! ein großer Mann zu werden«War oft mein Wunsch, mein Traum auf Erden«Aber – Brüder – größre Rollen winken mir.
«Traurt ihr, Brüder! daß so weggeschwunden«All' der Zukunft schöngeträumte Stunden«Alle, alle meine Hofnungen!«Daß die Erde meinen Leichnam deket«Eh' ich mir ein Denkmal aufgesteket«Und der Enkel nimmer denkt des Schlummernden.
«Daß er kalt an meinem Leichensteine«Stehet, und des modernden Gebeine«Keines Jünglings stiller Seegen grüßt,«Daß auf meines Grabes Rosenheken«Auf den Liljen, die den Moder deken«Keines Mädchens herzergoßne Träne fließt.
«Daß von Männern, die vorüberwallen,«Nicht die Worte in die Gruft erschallen,«Jüngling! du entschlummertest zu früh!«Daß den Kleinen keine Silbergreise«Sagen an dem Ziel der Lebensreise,«Kinder! mein und jenes Grab vergesset nie!
«Daß sie mir so grausam weggeschwunden,«All der Zukunft langersehnte Stunden«All der frohen Hofnung Seeligkeit,«Daß die schönste Träume dieser Erden«Hin sind, ewig niemals wahr zu werden,«Hin die Träume von Unsterblichkeit.
«Aber weg! in diesem todten Herzen«Bluten meiner armen Stella Schmerzen,«Folge! folge mir, Verlassene!«Wie du starr an meinem Grabe stehest«Und um Tod, um Tod zum Himmel flehest!«Stella! komm! es harret dein der Schlummernde.
«O an deiner Seite! o so ende,«Jammerstand! vieleicht, daß unsre Hände«Die Verwesung ineinander legt!«Da wo keine schwarze Neider spähen«Da wo keine Splitterrichter schmähen«Träumen wir vieleicht, bis die Posaun' uns wekt.
«Sprechen wird an unserm Leichensteine«Dann der Jüngling – schlummernde Gebeine!«Liebe Todte! schön war euer Loos!«Hand in Hand entfloht ihr eurem Kummer,«Heilig ist der langverfolgten Schlummer«In der kühlen Erde mütterlichem Schoos.
«Und mit Liljen und mit Rosenheken«Wird das Mädchen unsern Hügel deken,«Ahndungsvoll an unsern Gräbern stehn,«Zu den Schlummernden hinab sich denken,«Mit gefaltnen Händen niedersinken,«Und um dieser Todten Loos zum Himmel flehn.
«Und von Vätern, die vorüberwallen«Wird der Seegen über uns erschallen –«Ruhet wohl! ihr seid der Ruhe werth!«Gott! wie mags im Tod den Vätern bangen,«Die ein Kind in Quälerhände zwangen,«Ruhet wohl! ihr habt uns Zärtlichkeit gelehrt.» |