Friedrich Hölderlin
1770 - 1843
Gedichtein chronologischer Folge
1803
Textgrundlage:Musenalmanach für das Jahr 1807.Hrsg. von Seckendorf, Regensburg:Montag- und Weissische BuchhandlungFaksimile: Institut für Textkritik
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Die Herbstfeier.
An Siegfried Schmidt.
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Wieder ein Glück erlebt. Die gefährliche Dürre geneset,Und die Schärfe des Lichts senget die Blüte nicht mehr.Offen steht jezt wieder ein Saal, und gesund ist der Garten,Und von [R]egen erfrischt rauschet das glänzende Thal,Hoch von Gewächsen. Es schwellen die Bäch', und alle gebundnenFittige wagen sich wieder ins Reich des Gesangs.Voll ist die Luft von Fröhlichen jezt und die Stadt und der Hain istRings von zufriedener Schaar Kinder des Himmels erfüllt.Gerne begegnen sie sich, und irren untereinander,Sorgenlos, und es scheint keines zu wenig, zu viel.Denn so ordnet das Herz es an in lieblicher Anmut,Sie, die geschickliche, schenkt ihnen ein göttlicher Geist.Aber die Wanderer auch sind wolgeleitet und habenKränze genug und Gesang, haben den heiligen StabVollgeschmückt mit Trauben und Laub, bei sich, und der FichteSchatten; von Dorfe zu Dorf jauchzt es, von Tage zu Tag,Und wie Wagen, bespannt mit Hirschen und Rehen, so ziehn dieBerge voran, und so träget und eilet der Pfad.
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Aber meinest du nun, es haben die Thore vergebensAufgethan und den Weg freudig die Götter gemacht;Und es schenken umsonst zu des Gastmals Fülle die GutenNebst dem Wein' uns noch Beeren und Honig und Obst?Schenken das purpurne Licht zu Festgesängen und kühl undRuhig zu tieferem Freundesgespräche die Nacht?Hält ein Ernsteres dich, so spar es dem Winter und willst duFreien, habe Geduld, Freier beglücket der Mai.Jezt ist anderes Not, jezt komm' und feire des HerbstesAlte Sitte, noch jezt blühet die Edle mit uns.Eins nur gilt für den Tag, das Vaterland, und des OpfersFestlicher Flamme wirft jeder das Eigene zu.Darum kränzt der gemeinsame Gott umsäuselnd das Haar unsUnd den eigenen Sinn schmelzet, wie Perlen, der Wein.Dies bedeutet der Tisch, der geehrte, wenn, wie die Bienen,Rund um den Eichbaum, wir sizen und singen um ihn,Dies der Pokale Klang und darum zwinget die wildenSeelen der streitenden Männer zusammen der Chor.
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Aber damit uns nicht, gleich Allzuklugen, entflieheDiese neigende Zeit, komm' ich entgegen sogleichBis an die Gränze des Lands, wo mir den lieben GeburtsortUnd die Insel des Stroms blaues Gewässer umfließt.Seeligen lieb ist der Ort an beiden Ufern, der Fels auch,Der mit Garten und Haus grün aus den Wellen sich hebt.Dort begegnen wir uns, o gütiges Licht, wo zuerst einstDeiner gestaltenden Stralen mich einer betraf.Dort begann und beginnt das liebe Leben. Was ist esAber? des Vaters Grab seh ich, und weine dir schon?Wein' und halt' und habe den Freund und höre das Wort, dasEinst mir, in himmlischer Kunst, Leiden der Liebe geheilt.Andres erwacht. Ich muß des Landes Blüten ihm nennen,Barbarossa! Dich auch, treuester Christof, und dich,Konradin! So arm ist des Volks Mund. Aber der EfeuGrünt am Fels und die Burg deckt das bacchantische Laub,Doch Vergangenes ist und Entschiedenes fürstlich den Sängern,Und in Tagen des Herbsts sühnen die Schatten wir aus.
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So der Gewaltgen gedenk, und des ernst ankündenden Schicksals,Welches sie Vorbild hieß schwächerem Enkelgeschlecht!Aber geschaut, und dahin! wie die Alten, die göttlich erzognenDichter, heimischen Lichts, ziehn das Land wir hinauf.Wirtemberg ist's. Dort von den uralt deutsamen BergenStammen der Jünglinge viel, steigen die Hügel herab.Quellen rauschen von dort und hundert geschäftige BächeKommen bei Tag und bei Nacht nieder und biegen das Land.Aber der Meister pflügt die Mitte des Landes, die FurchenZiehet der Neckarstrom, ziehet den Segen hinab.Und es kommen mit ihm Italiens Lüfte, die See schicktFrischungen, aber zugleich brennende Sonnen mit ihm.Darum wächset uns auch fast über das Haupt die Gewalt mitGüterfülle, denn hier ward in die Ebne das GutReicher den Lieben gebracht, den Landesleuten, doch neidetKeiner im Oberland denen die Gärten, den WeinOder das üppige Gras und das Korn und die glühenden Bäume,Die am Wege gereiht über den Wanderern stehn.
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Aber indeß wir schaun und die mächtige Freude durchwandeln,Fliehet der Weg und der Tag uns, wie den Trunkenen hin.Denn mit heiligem Laub umkränzt erhebet die Stadt schonSie, die gepriesene, dort leuchtend ihr priesterlich Haupt.Herrlich steht sie und hält den Rebenstab und die TanneHoch in den seeligen Duft purpurner Wolken empor.Sei uns hold! dem Gast und dem Sohn, o Fürstin der Heimat,Glückliches Stutgard! Nimm freundlich den Sänger mir auf!Immer hast du Gesang mit Flöten und Saiten gebilligt,Fröhliche du! und des Lieds kindlich Geschwäze, der MühnSüße Vergessenheit bei gegenwärtigem Geiste –Gerne gedekst du der Zeit, wo es noch wurde vergönnt.Aber ihr, ihr Tapfersten auch, ihr Frohen, die allzeitLeben und walten, erkannt, oder gewaltiger auch,Wenn ihr wirket und schafft in heiliger Nacht und allein herrscht,Und allmächtig empor ziehet ein ahnendes Volk,Bis die Jünglinge sich der Väter droben erinnern,Kündig und hell vor euch steht ein gemütliches Volk,
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Engel des Vaterlands! o ihr, vor denen das Auge,Sei's auch stark, und das Knie bricht dem vereinzelten Mann,Daß er halten sich muß an die Freund' und bitten die Theuern,Daß sie tragen mit ihm all die beglückende Last,Habt, o Gütige, Dank für sie, und alle die Andern,Die mein Leben, mein Gut unter den Sterblichen sind.Aber die Nacht kommt. Laß uns eilen, zu feiern das HerbstfestHeut noch. Voll ist das Herz, aber das Leben ist kurz.Und was uns der himmlische Tag zu sagen geboten,Das zu nennen, mein Schmidt, reichen wir Beide nicht aus.Trefliche bring ich dir und das Freudenfeuer wird hoch aufSchlagen und heiliger soll sprechen das kühnere Wort.Siehe! da ist es rein. Und des Gottes freundliche Gaben,Die wir theilen, sie sind zwischen den Liebenden nur.Anderes nicht. O kommt, o macht es wahr, denn allein jaBin ich und niemand nimmt mir von der Stirne den Traum!Kommt und reicht, ihr Lieben, die Hand. Das möge genug sein,Aber die grössere Lust sparen dem Enkel wir auf.
Hölderlin. |