BIBLIOTHECA AUGUSTANA

 

Joseph von Eichendorff

1788 - 1857

 

Gedichte

 

1841

 

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vii. Romanzen.

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Die Brautfahrt.

 

Durch des Meeresschlosses Hallen

Auf bespültem Felsenhang,

Weht der Hörner festlich Schallen;

Froher Hochzeitgäste Drang,

Bei der Kerzen Zauberglanze,

Wogt im buntverschlungnen Tanze.

 

Aber an des Fensters Bogen,

Ferne von der lauten Pracht,

Schaut der Bräut'gam in die Wogen

Draußen in der finstern Nacht,

Und die trunknen Blicke schreiten

Furchtlos durch die öden Weiten.

 

„Lieblich“ , sprach der wilde Ritter

Zu der zarten, schönen Braut,

„Lieblich girrt die sanfte Zitter –

Sturm ist meiner Seele Laut,

Und der Wogen dumpfes Brausen

Hebt das Herz in kühnem Grausen.

 

Ich kann hier nicht müßig lauern,

Treiben auf dem flachen Sand,

Dieser Kreis von Felsenmauern

Hält mein Leben nicht umspannt;

Schön're Länder blühen ferne,

Das verkünden mir die Sterne.

 

Du mußt glauben, Du mußt wagen,

Und, den Argonauten gleich,

Wird die Woge fromm Dich tragen

In das wunderbare Reich;

Muthig streitend mit den Winden,

Muß ich meine Heimath finden!

 

Siehst Du, heißer Sehnsucht Flügel,

Weiße Seegel dort gespannt?

Hörst Du tief die feuchten Hügel

Schlagen an die Felsenwand?

Das ist Sang zum Hochzeitsreigen –

Willst Du mit mir niedersteigen?

 

Kannst Du rechte Liebe fassen,

Nun so frage, zaudre nicht!

Schloß und Garten mußt Du lassen

Und der Eltern Angesicht –

Auf der Fluth mit mir alleine,

Da erst, Liebchen, bist Du meine!“

 

Schweigend sieht ihn an die milde

Braut mit schauerlicher Lust,

Sinkt dem kühnen Ritterbilde

Trunken an die stolze Brust.

„Dir hab ich mein Loos ergeben,

Schalte nun mit meinem Leben.“

 

Und er trägt die süße Beute

Jubelnd aus dem Schloß aufs Schiff,

Drunten harren seine Leute,

Stoßen froh vom Felsenriff;

Und die Hörner leis verhallen,

Einsam rings die Wogen schallen.

 

Wie die Sterne matter blinken

In die morgenrothe Fluth,

Sieht sie fern die Berge sinken,

Flammend steigt die hehre Gluth,

Ueber'm Spiegel trunkner Wellen

Rauschender die Seegel schwellen.

 

Monde steigen und sich neigen,

Lieblich weht schon fremde Luft,

Da seh'n sie ein Eiland steigen

Feenhaft aus blauem Duft,

Wie ein farb'ger Blumenstreifen –

Meerwärts fremde Vögel schweifen.

 

Alle faßt ein freud'ges Beben –

Aber dunkler rauscht das Meer,

Schwarze Wetter schwer sich heben,

Stille wird es ringsumher,

Und nur freudiger und treuer

Steht der Ritter an dem Steuer.

 

Und nun flattern wilde Blitze,

Sturm ras't um den Felsenriff,

Und von grimmer Wogen Spitze

Stürzt geborsten sich das Schiff.

Schwankend auf des Mastes Splitter,

Schlingt die Braut sich um den Ritter.

 

Und die Müde in den Armen,

Springt er abwärts, sinkt und ringt,

Hält den Leib, den blühendwarmen,

Bis er alle Wogen zwingt,

Und am Blumenstrand gerettet,

Auf das Gras sein Liebstes bettet.

 

„Wache auf, wach' auf, Du Schöne!

Liebesheimath rings um lacht,

Zaubrisch ringen Duft und Töne,

Wunderbarer Blumen Pracht

Funkelt rings im Morgengolde –

Schau um Dich! wach auf, Du Holde!“

 

Aber frei von Lust und Kummer

Ruht die liebliche Gestalt,

Lächelnd noch im längsten Schlummer,

Und das Herz ist still und kalt,

Still der Himmel, still im Meere,

Schimmernd rings des Thaues Zähre.

 

Und er sinkt zu ihr vor Schmerzen,

Einsam in dem fremden Thal,

Thränen aus dem wilden Herzen

Brechen da zum erstenmal,

Und vor diesem Todesbilde

Wird die ganze Seele milde.

 

Von der langen Täuschung trennt er

Schauernd sich – der Stolz entweicht,

Andre Heimath nun erkennt er,

Die kein Seegel hier erreicht,

Und an ächten Schmerzen ranken

Himmelwärts sich die Gedanken.

 

Schweigend scharrt er ein die Stille,

Pflanzt ein Kreuz hoch auf ihr Grab,

Wirft von sich die seidne Hülle,

Leget Schwert und Mantel ab,

Kleidet sich in rauhe Felle,

Haut in Fels sich die Kapelle.

 

Ueberm Rauschen dunkler Wogen

In der wilden Einsamkeit,

Hausend auf dem Felsenbogen,

Ringt er fromm mit seinem Leid,

Hat, da manches Jahr entschwunden,

Heimath, Braut und Ruh gefunden. –

 

Viele Schiffe drunten gehen

An dem schönen Inselland,

Sehen hoch das Kreuz noch stehen,

Warnend von der Felsenwand;

Und des strengen Büßers Kunde

Gehet fromm von Mund zu Munde.

 

Entstanden wohl 1814, Erstdruck 1816, hier Fassung von 1826

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Nachtwanderer.

 

Er reitet Nachts auf einem braunen Roß,

Er reitet vorüber an manchem Schloß:

Schlaf' droben, mein Kind, bis der Tag erscheint,

Die finstre Nacht ist des Menschen Feind!

 

Er reitet vorüber an einem Teich,

Da stehet ein schönes Mädchen bleich

Und singt, ihr Hemdlein flattert im Wind,

Vorüber, vorüber, mir graut vor dem Kind!

 

Er reitet vorüber an einem Fluß,

Da ruft ihm der Wassermann seinen Gruß,

Taucht wieder unter dann mit Gesaus,

Und stille wird's über dem kühlen Haus.

 

Wenn Tag und Nacht in verworrenem Streit,

Schon Hähne krähen in Dörfern weit,

Da schauert sein Roß und wühlet hinab,

Scharret ihm schnaubend sein eigenes Grab.

 

Erstdruck 1823, 1826 2. Lied im Zyklus «Nachtbilder», hier Fassung von 1826

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Die weinende Braut.

 

Du warst so herrlich anzuschauen,

So kühn und wild und doch so lieb,

Dir mußt ich Leib und Seel' vertrauen,

Ich mocht' nichts mehr, das meine blieb!

Da hast Du, Falscher, mich verlassen

Und Blumen, Lust und Frühlingsschein,

Die ganze Welt sah ich erblassen,

Ach Gott, wie bin ich nun allein!

 

Wohl Jahrlang sah ich von den Höhen

Und grüßte Dich vieltausendmal,

Und unten sah ich Viele gehen,

Doch Du erschienst nicht in dem Thal.

Und mancher Lenz mit bunten Scherzen

Kam und verflog im lust'gen Lauf,

Doch ach! in dem betrognen Herzen

Geht niemals mehr der Frühling auf.

 

Ein Kränzlein trag' ich nun im Haare,

In reichen Kleidern schön geschmückt,

Führt mich ein andrer zum Altare,

Die Eltern sind so hoch beglückt.

Und fröhlich kann ich mich wohl zeigen,

Die Sonne hell wie damals scheint,

Und vor dem Jauchzen und dem Geigen

Hört Keiner, wie die Braut still weint.

 

Die Frühlingslieder neu beginnen –

Du kehrst nach manchem Jahr' zurück,

Und stehest still, Dich zu besinnen,

Wie auf ein längstvergangnes Glück.

Doch wüstverwachsen liegt der Garten,

Das Haus steht lange still und leer,

Kein Lieb' will Dein am Fenster warten,

Und Dich und mich kennt Niemand mehr.

 

Doch eine Lerche siehst Du steigen

Vom Thal zum blauen Himmelsport,

Ein Bächlein rauschet da so eigen,

Als weinte es in einem fort.

Dort haben sie mich hingetragen,

Bedeckten mir mit Stein den Mund –

Nun kann ich Dir nicht einmal sagen,

Wie ich Dich liebt' aus Herzensgrund.

 

Entstanden 1814, Erstdruck 1826, hier Fassung von 1826

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Das zerbrochene Ringlein.

 

In einem kühlen Grunde

Da geht ein Mühlenrad,

Mein' Liebste ist verschwunden,

Die dort gewohnet hat.

 

Sie hat mir Treu versprochen,

Gab mir ein'n Ring dabei,

Sie hat die Treu gebrochen,

Mein Ringlein sprang entzwei.

 

Ich möcht' als Spielmann reisen

Weit in die Welt hinaus,

Und singen meine Weisen,

Und gehn von Haus zu Haus.

 

Ich möcht' als Reiter fliegen

Wohl in die blut'ge Schlacht,

Um stille Feuer liegen

Im Feld bey dunkler Nacht.

 

Hör' ich das Mühlrad gehen:

Ich weiß nicht, was ich will –

Ich möcht' am liebsten sterben,

Da wär's auf einmal still!

 

Entstanden um 1810, Erstdruck 1813 unter dem Titel «Lied», hier Fassung von 1826

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Der Gefangene.

 

In goldner Morgenstunde,

Weil alles freudig stand,

Da ritt im heitern Grunde

Ein Ritter über Land.

 

Rings sangen auf das Beste

Die Vöglein mannigfalt,

Es schüttelte die Aeste

Vor Lust der grüne Wald.

 

Den Nacken, stolz gebogen,

Klopft er dem Rößelein –

So ist er hingezogen

Tief in den Wald hinein.

 

Sein Roß hat er getrieben,

Ihn trieb der frische Muth:

„Ist alles fern geblieben,

So ist mir wohl und gut!“

 

Mit Freuden mußt' er sehen

Im Wald' ein' grüne Au,

Wo Brünnlein kühle gehen,

Von Blumen roth und blau.

 

Vom Roß ist er gesprungen,

Legt sich zum kühlen Bach,

Die Wellen lieblich klungen,

Das ganze Herz zog nach.

 

So grüne war der Rasen,

Es rauschte Bach und Baum,

Sein Roß thät stille grasen,

Und alles wie ein Traum.

 

Die Wolken sah er gehen,

Die schifften immer zu,

Er konnt nicht widerstehen –

Die Augen sanken ihm zu.

 

Nun hört' er Stimmen rinnen,

Als wie der Liebsten Gruß,

Er konnt' sich nicht besinnen –

Bis ihn erweckt' ein Kuß.

 

Wie prächtig glänzt die Aue!

Wie Gold der Quell nun floß,

Und einer süßen Fraue

Lag er im weichen Schooß.

 

„Herr Ritter! wollt Ihr wohnen

Bei mir im grünen Haus:

Aus allen Blumenkronen

Wind' ich Euch einen Strauß!

 

Der Wald ringsum wird wachen,

Wie wir beisammen seyn,

Der Kukuk schelmisch lachen,

Und alles fröhlich seyn.“

 

Es bog ihr Angesichte

Auf ihn den süßen Leib,

Schaut mit den Augen lichte

Das wunderschöne Weib.

 

Sie nahm sein'n Helm herunter,

Löst' Krause ihm und Bund,

Spielt' mit den Locken munter,

Küßt' ihm den rothen Mund.

 

Und spielt' viel' süße Spiele

Wohl in geheimer Lust,

Es flog so kühl und schwüle

Ihm um die offne Brust.

 

Um ihn nun thät sie schlagen

Die Arme weich und bloß,

Er konnte nichts mehr sagen,

Sie ließ ihn nicht mehr los.

 

Und diese Au zur Stunde

Ward ein krystallnes Schloß,

Der Bach ein Strom, gewunden

Ringsum, gewaltig floß.

 

Auf diesem Strome gingen

Viel' Schiffe wohl vorbei,

Es konnt' ihn keines bringen

Aus böser Zauberei.

 

Entstanden um 1812, Erstdruck 1815, hier Fassung von 1826

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Das kalte Liebchen.

 

Er.   Laß mich ein, mein süßes Schätzchen!

Sie.  Finster ist mein Kämmerlein.

Er.   Ach, ich finde doch ein Plätzchen.

Sie.  Und mein Bett ist eng und klein.

 

Er.   Fern komm ich vom weichen Pfühle.

Sie.  Ach, mein Lager ist von Stein!

Er.   Draußen ist die Nacht so kühle.

Sie.  Hier wird's noch viel kühler seyn.

 

Er.   Sieh! die Sterne schon erblassen.

Sie.  Schwerer Schlummer fällt mich an. –

Er.   Nun, so will ich schnell Dich fassen!

Sie.  Rühr' mich nicht so glühend an.

 

Er.   Fieberschauer mich durchbeben.

Sie.  Wahnsinn bringt der Todten Kuß. –

Er.   Weh! es bricht mein junges Leben!

Sie.  Mit ins Grab hinunter muß.

 

Entstanden 1814, Erstdruck 1816, 1826 3. Lied im Zyklus «Nachtbilder», hier Fassung von 1826

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Der verirrte Jäger.

 

Ich hab gesehn ein Hirschlein schlank

Im Waldesgrunde steh'n,

Nun ist mir draußen weh' und bang,

Muß ewig nach ihm gehn.

 

Frischauf, ihr Waldgesellen mein!

Ins Horn, ins Horn frisch auf!

Das lockt so hell, das lockt so fein,

Aurora thut sich auf!“

 

Das Hirschlein führt den Jägersmann

In grüner Waldesnacht,

Thalunter schwindelnd und bergan,

Zu niegeseh'ner Pracht.

 

„Wie rauscht schon abendlich der Wald,

Die Brust mir schaurig schwellt!

Die Freunde fern, der Wind so kalt,

So tief und weit die Welt!“

 

Es lockt so tief, es lockt so fein

Durch's dunkelgrüne Haus,

Der Jäger irrt und irrt allein,

Find't nimmermehr heraus. –

 

Entstanden 1812, Erstdruck 1815, hier Fassung von 1826

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Die deutsche Jungfrau.

 

Es stand ein Fräulein auf dem Schloß,

Erschlagen war im Streit ihr Roß,

Schnob wie ein See die finstre Nacht,

Wollt' überschrei'n die wilde Schlacht.

 

Im Thal die Brüder lagen todt,

Es brannt' die Burg so blutigroth,

In Lohen stand sie auf der Wand,

Hielt hoch die Fahne in der Hand.

 

Da kam ein röm'scher Rittersmann,

Der ritt keck an die Burg hinan,

Es blitzt' sein Helm gar mannigfach,

Der schöne Ritter also sprach:

 

„Jungfrau, komm in die Arme mein!

Sollst Deines Siegers Herrin seyn.

Will bau'n Dir einen Pallast schön,

In prächt'gen Kleidern sollst Du gehn.

 

Es thun Dein' Augen mir Gewalt,

Kann nicht mehr fort aus diesem Wald,

Aus wilder Flammen Spiel und Graus

Trag' ich mir meine Braut nach Haus!“

 

Der Ritter ließ sein weißes Roß,

Stieg durch den Brand hinauf ins Schloß,

Viel' Knecht' ihm waren da zur Hand,

Zu holen das Fräulein von der Wand.

 

Das Fräulein stieß die Knecht' hinab,

Den Liebsten auch ins heiße Grab,

Sie selber dann in die Flamme sprang,

Ueber ihnen die Burg zusammen sank.

 

Entstanden 1811, Erstdruck 1815, hier Fassung von 1826

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Der zaubrische Spielmann.

 

Nächtlich in dem stillen Grunde,

Wenn das Abendroth versank,

Um das Waldschloß in die Runde

Ging ein lieblicher Gesang.

 

Fremde waren diese Weisen

Und der Sänger unbekannt,

Aber, wie in Zauberkreisen,

Hielt er jede Brust gebannt.

 

Hinter blühnden Mandelbäumen

Auf dem Schloß das Fräulein lauscht –

Drunten alle Blumen träumen,

Wollüstig der Garten rauscht.

 

Und die Wellen buhlend klingen,

Ringend in geheimer Lust

Kommt das wunderbare Singen

An die süß verträumte Brust.

 

„Warum weckst Du das Verlangen,

Das ich kaum zur Ruh gebracht?

Siehst Du hoch die Lilien prangen?

Böser Sänger, gute Nacht!

 

Sieh, die Blumen steh'n voll Thränen,

Einsam die Viole wacht,

Als wollt' sie sich schmachtend dehnen

In die warme Sommernacht.

 

Wohl von süßem rothem Munde

Kommt so holden Sanges Macht –

Bleibst Du ewig dort im Grunde,

Unerkannt in stiller Nacht?

 

Ach, im Wind' verfliegt mein Grüßen!

Einmal, eh' der Tag erwacht,

Möcht' ich Deinen Mund nur küssen,

Sterbend so in süßer Nacht!

 

Nachtigall, verliebte, klage

Nicht so schmeichelnd durch die Nacht! –

Ach! ich weiß nicht was ich sage,

Krank bin ich und überwacht.“

 

Also sprach sie, und die Lieder

Lockten stärker aus dem Thal,

Rings durchs ganze Thal hallt's wider

Von der Liebe Lust und Qual.

 

Und sie konnt' nicht widerstehen,

Enge ward ihr das Gemach,

Aus dem Schlosse mußt' sie gehen

Diesem Zauberstrome nach.

 

Einsam steigt sie von den Stufen

Ach! so schwüle weht der Wind!

Draußen süß die Stimmen rufen

Immerfort das schöne Kind.

 

Alle Blumen trunken lauschen,

Von den Klängen hold durchirrt,

Lieblicher die Brunnen rauschen,

Und sie eilet süß verwirrt. –

 

Wohl am Himmel auf und nieder

Trieb der Hirt die goldne Schaar,

Die Verliebte kehrt nicht wieder,

Leer nun Schloß und Garten war.

 

Und der Sänger seit der Stunde

Nicht mehr weiter singen will,

Rings im heimlich kühlen Grunde

War's vor Liebe seelig still.

 

Entstanden 1814, Erstdruck 1816, hier Fassung von 1826

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Der armen Schönheit Lebenslauf.

 

Die arme Schönheit irrt auf Erden,

So lieblich Wetter draußen ist,

Möcht' gern recht viel gesehen werden,

Weil jeder sie so freundlich grüßt.

 

Und wer die arme Schönheit schauet,

Sich wie auf großes Glück besinnt,

Die Seele fühlt sich recht erbauet,

Wie wenn der Frühling neu beginnt.

 

Da sieht sie viele schöne Knaben,

Die reiten unten durch den Wind,

Möcht manchen gern im Arme haben,

Hüt' Dich, hüt' Dich, Du armes Kind!

 

Da zieh'n manch' redliche Gesellen,

Die sagen: Hast nicht Geld, noch Haus,

Wir fürchten Deine Augen helle,

Wir haben nichts zum Hochzeitsschmauß.

 

Von andern thut sie sich wegdrehen,

Weil keiner ihr so wohl gefällt,

Die müssen traurig weitergehen,

Und zögen gern an's End' der Welt.

 

Da sagt sie: Was hilft mir mein Sehen,

Ich wünscht', ich wäre lieber blind,

Da alle furchtsam von mir gehen,

Weil gar so schön mein' Augen sind. –

 

Nun sitzt sie hoch auf lichtem Schlosse,

In schöne Kleider putzt sie sich,

Die Fenster glüh'n, sie winkt vom Schlosse,

Die Sonne sinkt, das blendet Dich.

 

Die Augen, die so furchtsam waren,

Die haben jetzt so freien Lauf,

Fort ist das Kränzlein aus den Haaren,

Und hohe Federn steh'n darauf.

 

Das Kränzlein ist herausgerissen,

Ganz ohne Scheu sie mich anlacht;

Geh' Du vorbei: sie wird Dich grüßen,

Winkt dir zu einer schönen Nacht. –

 

Da sieht sie die Gesellen wieder,

Die fahren unten auf dem Fluß,

Es singen laut die lust'gen Brüder,

So furchtbar schallt des Einen Gruß:

 

„Was bist Du für'ne schöne Leiche!

So wüste ist mir meine Brust,

Wie bist Du nun so arm, Du Reiche,

Ich hab' an Dir nicht weiter Lust!“

 

Der Wilde hat ihr so gefallen,

Laut schrie sie auf bei seinem Gruß,

Vom Schloß möcht sie herunter fallen,

Und unten ruh'n im kühlen Fluß. –

 

Sie blieb nicht länger mehr da oben,

Weil alles anders worden war,

Vor Schmerz ist ihr das Herz erhoben,

Da ward's so kalt, doch himmlischklar.

 

Da legt sie ab die goldnen Spangen,

Den falschen Putz und Ziererei,

Aus dem verstockten Herzen drangen

Die alten Thränen wieder frei.

 

Kein Stern wollt nicht die Nacht erhellen,

Da mußte die Verliebte geh'n,

Wie rauscht der Fluß! die Hunde bellen,

Die Fenster fern erleuchtet steh'n.

 

Nun bist du frei von deinen Sünden,

Die Lieb' zog triumphirend ein,

Du wirst noch hohe Gnade finden,

Die Seele geht in Hafen ein. –

 

Der Liebste war ein Jäger worden,

Der Morgen schien so rosenroth,

Da blies er lustig auf dem Horne,

Blies immerfort in seiner Noth.

 

Entstanden 1810, Erstdruck 1815, hier Fassung von 1826

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Die Hochzeitsnacht.

 

Nachts durch die stille Runde

Rauschte des Rheines Lauf,

Ein Schifflein zog im Grunde,

Ein Ritter stand darauf.

 

Die Blicke irre schweifen

Von seines Schiffes Rand,

Ein blutigrother Streifen

Sich um das Haupt ihm wand.

 

Der sprach: „Da oben stehet

Ein Schlößlein über'm Rhein,

Die an dem Fenster stehet:

Das ist die Liebste mein.

 

Sie hat mir Treu' versprochen,

Bis ich gekommen sey,

Sie hat die Treu gebrochen,

Und alles ist vorbei.“

 

Viel Hochzeitleute drehen

Sich oben laut und bunt,

Sie bleibet einsam stehen,

Und lauschet in den Grund.

 

Und wie sie tanzen munter,

Und Schiff und Schiffer schwand,

Stieg sie vom Schloß herunter,

Bis sie im Garten stand.

 

Die Spielleut' musizirten,

Sie sann gar mancherlei,

Die Töne sie so rührten,

Als müßt' das Herz entzwei.

 

Da trat ihr Bräut'gam süße

Zu ihr aus stiller Nacht,

So freundlich er sie grüßte,

Daß ihr das Herze lacht.

 

Er sprach: „Was willst Du weinen,

Weil alle fröhlich sei'n?

Die Stern' so helle scheinen,

So lustig geht der Rhein.

 

Das Kränzlein in den Haaren

Steht Dir so wunderfein,

Wir wollen etwas fahren

Hinunter auf dem Rhein.“

 

Zum Kahn folgt' sie behende,

Setzt' sich ganz vorne hin,

Er setzt' sich an das Ende

Und ließ das Schifflein zieh'n.

 

Sie sprach: „Die Töne kommen

Verworren durch den Wind,

Die Fenster sind verglommen,

Wir fahren so geschwind.

 

Was sind das für so lange

Gebürge weit und breit?

Mir wird auf einmal bange

In dieser Einsamkeit!

 

Und fremde Leute stehen

Auf mancher Felsenwand,

Und stehen still und sehen

So schwindlig über'n Rand.“ –

 

Der Bräut'gam schien so traurig

Und sprach kein einzig Wort,

Schaut in die Wellen schaurig

Und rudert immerfort.

 

Sie sprach: „Schon seh' ich Streifen

So roth im Morgen steh'n,

Und Stimmen hör' ich schweifen,

Vom Ufer Hähne kräh'n.

 

Du siehst so still und wilde,

So bleich wird Dein Gesicht,

Mir graut vor Deinem Bilde –

Du bist mein Bräut'gam nicht!“ –

 

Da stand er auf – das Sausen

Hielt an in Fluth und Wald –

Es rührt mit Lust und Grausen

Das Herz ihr die Gestalt.

 

Und wie mit steinern'n Armen

Hob er sie auf voll Lust,

Drückt ihren schönen, warmen

Leib an die eis'ge Brust. –

 

Licht wurden Wald und Höhen,

Der Morgen schien blutroth,

Das Schifflein sah man gehen,

Die schöne Braut d'rin todt.

 

Entstanden 1810, Erstdruck 1815, hier Fassung von 1826