BIBLIOTHECA AUGUSTANA

 

Joseph von Eichendorff

1788 - 1857

 

Gedichte

 

1841

 

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ii. Sängerleben.

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Die zwei Gesellen.

 

Es zogen zwei rüst'ge Gesellen

Zum ersten Mal von Haus,

So jubelnd recht in die hellen,

Klingenden, singenden Wellen

Des vollen Frühlings hinaus.

 

Die strebten nach hohen Dingen,

Die wollten, trotz Lust und Schmerz,

Was Rechts in der Welt vollbringen,

Und wem sie vorüber gingen,

Dem lachten Sinnen und Herz. –

 

Der Erste, der fand ein Liebchen,

Die Schwieger kauft' Hof und Haus;

Der wiegte gar bald ein Bübchen,

Und sah aus heimlichem Stübchen

Behaglich in's Feld hinaus.

 

Dem Zweiten sangen und logen

Die tausend Stimmen im Grund,

Verlockend' Syrenen, und zogen

Ihn in der buhlenden Wogen

Farbig klingenden Schlund.

 

Und wie er auftaucht' vom Schlunde,

Da war er müde und alt,

Sein Schifflein das lag im Grunde,

So still war's rings in die Runde

Und über die Wasser weht's kalt.

 

Es singen und klingen die Wellen

Des Frühlings wohl über mir;

Und seh' ich so kecke Gesellen,

Die Thränen im Auge mir schwellen –

Ach Gott, führ' uns liebreich zu Dir!

 

Entstanden um 1814, Erstdruck 1818 unter dem Titel «Frühlingsfahrt», hier Fassung von 1826

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Wehmuth.

 

i.

 

Ich kann wohl manchmal singen,

Als ob ich fröhlich sey,

Doch heimlich Thränen dringen,

Da wird das Herz mir frei.

 

So lassen Nachtigallen,

Spielt draußen Frühlingsluft,

Der Sehnsucht Lied erschallen

Aus ihres Käfigts Gruft.

 

Da lauschen alle Herzen,

Und alles ist erfreut,

Doch keiner fühlt die Schmerzen,

Im Lied das tiefe Leid.

 

hier: Fassung von 1826 (nur Strophe 1). Entstanden 1807/12, Erstdruck 1815 (Strophe 1 und 3) bzw. 1837 (Strophe 2)

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Laß das Trauern.

 

Laß', mein Herz, das bange Trauern

Um vergang'nes Erdenglück,

Ach, von diesen Felsenmauern

Schweifet nur umsonst der Blick!

 

Sind denn alle fortgegangen:

Jugend, Sang und Frühlingslust?

Lassen, scheidend, nur Verlangen

Einsam mir in meiner Brust?

 

Vöglein hoch in Lüften reisen,

Schiffe fahren auf der See,

Ihre Seegel, ihre Weisen

Mehren nur des Herzens Weh.

 

Ist vorbei das bunte Ziehen,

Lustig über Berg und Kluft,

Wenn die Bilder wechselnd fliehen,

Waldhorn immer weiter ruft?

 

Soll die Lieb' auf sonn'gen Matten

Nicht mehr bau'n ihr prächtig Zelt,

Uebergolden Wald und Schatten

Und die weite, schöne Welt? –

 

Laß' das Bangen, laß das Trauern,

Helle wieder nur den Blick!

Fern von dieser Felsen Mauern

Blüht Dir noch gar manches Glück!

 

Entstanden 1810/12, Erstdruck 1815, 1826 mit dem Titel «Nachhall», hier Fassung von 1826

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Tafellieder.

 

ii.

Trinken und Singen.

 

Viel Essen macht viel breiter

Und hilft zum Himmel nicht,

Es kracht die Himmelsleiter,

Kommt so ein schwerer Wicht.

Das Trinken ist gescheidter,

Das schmeckt schon nach Idee,

Da braucht man keine Leiter,

Das geht gleich in die Höh'.

 

Chor.

Da braucht man keine Leiter,

Das geht gleich in die Höh'.

 

Viel Reden ist manierlich:

„Wohlauf? – Ein wenig flau. –

Das Wetter ist spazierlich –

Was macht die liebe Frau? –

Ich danke“ – und so weiter,

Und breiter als ein See –

Das singen ist gescheidter,

Das geht gleich in die Höh'.

 

Chor.

Das Singen ist gescheidter,

Das geht gleich in die Höh'.

 

Die Fisch' und Musikanten

Die trinken beide frisch,

Die Wein, die andern Wasser –

Drum hat der dumme Fisch

Statt Flügel Flederwische

Und liegt elend im See –

Doch wir sind keine Fische,

Das geht gleich in die Höh'.

 

Chor.

Doch wir sind keine Fische,

Das geht gleich in die Höh'.

 

Ja, Trinken frisch und Singen

Das bricht durch alles Weh,

Das sind zwei gute Schwingen,

Gemeine Welt, ade!

Du Erd' mit deinem Plunder,

Ihr Fische sammt der See,

'S geht alles, alles unter,

Wir aber in die Höh'!

 

Chor.

'S geht alles, alles unter,

Wir aber in die Höh'!

 

Entstanden 1823/24, Erstdruck 1825 unter dem Titel «Trinklied», 1826 unter dem Titel «In die Höh'», hier Fassung von 1826

 

 

iii.

Zum Abschied.

 

Horcht! die Stunde hat geschlagen,

Und ein Schiffer steht am Bord,

Grüßt noch einmal, und es tragen

Ihn die Wellen rauschend fort.

 

Sturm wühlt, und die Zeiten bäumen

Sehnsüchtig sich himmelan,

Hoch in solcher Wellen Schäumen

Segle, kühner Steuermann!

 

Und den letzten Becher, Brüder,

Eh' wir hier verlassen steh'n,

Und den letzten Klang der Lieder

Auf ein freudig' Wiedersehn!

 

Entstanden 1824. Erstdruck 1837

 

 

vi.

Der alte Held.

(Tafellied zu Goethe's Geburtstag 1831)

 

Ich habe gewagt und gesungen,

Da die Welt noch stumm lag und bleich,

Ich habe den Bann bezwungen,

Der die schöne Braut hielt umschlungen,

Ich habe erobert das Reich.“

 

„Ich habe geforscht und ergründet

Und that es euch treulich kund:

Was das Leben dunkel verkündet,

Die Heilige Schrift, die entzündet

Der Herr in der Seelen Grund.“

 

„Wie rauschen nun Wälder und Quellen

Und singen vom ewigen Port:

Schon seh' ich Morgenroth schwellen,

Und ihr dort, ihr jungen Gesellen,

Fahrt immer immerfort!“

 

Und so, wenn es still geworden,

Schaut er vom Thurm bei Nacht

Und segnet den Sänger=Orden,

Der an den blühenden Borden

Das schöne Reich bewacht.

 

Dort hat er nach Lust und Streiten

Das Panner aufgestellt,

Und die auf dem Strome der Zeiten

Am Felsen vorübergleiten,

Sie grüßen den alten Held.

 

Entstanden um 1830/31, Erstdruck 1834

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Glückliche Fahrt.

 

Wünsche sich mit Wünschen schlagen,

Und die Gier wird nie gestillt.

Wer ist in dem wüsten Jagen

Da der Jäger, wer das Wild?

Seelig, wer es fromm mag wagen,

Durch das Treiben dumpf und wild

In der festen Brust zu tragen

Heilger Schönheit hohes Bild!

 

Sieh, da brechen tausend Quellen

Durch die felsenharte Welt,

Und zum Strome wird ihr Schwellen,

Der melodisch steigt und fällt.

Ringsum sich die Fernen hellen,

Gottes Hauch die Seegel schwellt –

Rettend spülen Dich die Wellen

In des Herzens stille Welt.

 

Entstanden wohl 1814, Erstdruck 1816, hier Fassung von 1826

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An die Dichter.

 

Wo treues Wollen, redlich Streben

Und rechten Sinn der Rechte spürt,

Das muß die Seele ihm erheben,

Das hat mich jedesmal gerührt.

 

Das Reich des Glaubens ist geendet,

Zerstört die alte Herrlichkeit,

Die Schönheit weinend abgewendet,

So gnadenlos ist unsre Zeit.

 

O Einfalt, gut in frommen Herzen,

Du züchtig schöne Gottesbraut!

Dich schlugen sie mit frechen Scherzen,

Weil dir vor ihrer Klugheit graut.

 

Wo find'st Du nun ein Haus, vertrieben,

Wo man Dir Deine Wunder läßt,

Das treue Thun, das schöne Lieben,

Des Lebens fromm vergnüglich Fest?

 

Wo findest du den alten Garten,

Dein Spielzeug, wunderbares Kind,

Der Sterne heil'ge Redensarten,

Das Morgenroth, den frischen Wind?

 

Wie hat die Sonne schön geschienen!

Nun ist so alt und schwach die Zeit;

Wie steh'st so jung Du unter ihnen,

Wie wird mein Herz mir stark und weit!

 

Der Dichter kann nicht mit verarmen;

Wenn Alles um ihn her zerfällt,

Hebt ihn ein göttliches Erbarmen –

Der Dichter ist das Herz der Welt.

 

Den blöden Willen aller Wesen,

Im Irdischen des Herren Spur,

Soll er durch Liebeskraft erlösen,

Der schöne Liebling der Natur.

 

D'rum hat ihm Gott das Wort gegeben,

Das kühn das Dunkelste benennt,

Den frommen Ernst im reichen Leben,

Die Freudigkeit, die Keiner kennt.

 

Da soll er singen frei auf Erden,

In Lust und Noth auf Gott vertrau'n,

Daß aller Herzen freier werden,

Erathmend in die Klänge schau'n.

 

Der Ehre sei er recht zum Horte,

Der Schande leucht' er ins Gesicht!

Viel Wunderkraft ist in dem Worte,

Das hell aus reinem Herzen bricht.

 

Vor Eitelkeit soll er vor Allen

Streng hüten sein unschuld'ges Herz,

Im Falschen nimmer sich gefallen,

Um eitel Witz und blanken Scherz.

 

Oh, laß't unedle Mühe fahren,

O klingelt, gleißt und schielet nicht

Mit Licht und Gnad', so ihr erfahren,

Zur Sünde macht ihr das Gedicht!

 

Den lieben Gott laß' in Dir walten,

Aus frischer Brust nur treulich sing'!

Was wahr in Dir, wird sich gestalten,

Das andre ist erbärmlich Ding. –

 

Den Morgen seh ich ferne scheinen,

Die Ströme zieh'n im grünen Grund,

Mir ist so wohl! – die's ehrlich meinen,

Die grüß' ich All' aus Herzensgrund!

 

Entstanden 1810/12, Erstdruck 1815, hier Fassung von 1826

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Wünschelruthe.

 

Schläft ein Lied in allen Dingen,

Die da träumen fort und fort,

Und die Welt hebt an zu singen,

Triffst du nur das Zauberwort.

 

Entstanden 1835, Erstdruck 1838