Joseph von Eichendorff
1788 - 1857
Gedichte
1841
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iii. Zeitlieder.__________
In das Stammbuch der M. H.Akrostichon mit aufgegebenen Endreimen.
Ist hell der Himmel, heiter alle Wellen,Betritt der Schiffer wieder seine Wogen,Vorüber Wald und Berge schnell geflogen,Er muß, wohin die vollen Segel schwellen.In Duft versinken bald all liebe Stellen,Cypressen nur noch ragen aus den Wogen,Herüber kommt manch süßer Laut geflogen,Es trinkt das Meer der Klagen sanfte Quellen.Nichts weilt. – Doch zaubern Treue und Verlangen,Da muß sich blühnder alte Zeit erneuern,Oeffnet die Ferne drauf die Wunderlichtung,Ruht dein Bild drin, bekränzt in heil'ger Dichtung. -Fern laß den Freund nach Ost und West nur steuern,Frei scheint er wohl – du hältst ihn doch gefangen!
Entstanden 1807, Erstdruck 1837 __________
Auf dem Schwedenberge.
Da hoben bunt und bunterSich Zelte in die Luft,Und Fähnlein wehten munterHerunter von der Kluft.
Und um die leichten Tische,An jenem Bächlein klar,Saß in der kühlen FrischeDer lust'gen Reiter Schar.Eilt' durch die rüstgen ZecherDie Marketenderinn,Reicht' flüchtig ihre Becher,Nimmt flücht'ge Küsse hin.Da war ein Toben, Lachen,Weit in den Wald hinein,Die Trommel ging, es brachenDie lust'gen Pfeifen drein.Durch die verworr'nen KlängeStürmt' fort manch' wilde Brust,Da schallten noch GesängeVon Freiheit und von Lust.Fort ist das bunte Toben,Verklungen Sang und Klang,Und stille ist's hier obenViel hundert Jahre lang.Du Wald, so dunkelschaurig,Waldhorn, Du Jägerlust!Wie lustig und wie traurigRührst Du mir an die Brust!
Entstanden 1807, Erstdruck 1837 __________
Der Geist.
Nächtlich dehnen sich die Stunden,Unschuld schläft in stiller Bucht,Fernab ist die Welt verschwunden,Die das Herz in Träumen sucht.Und der Geist tritt auf die Zinne,Und noch stiller wird's umher,Schauet mit dem starren SinneIn das wesenlose Meer.Wer ihn sah bei WetterblickenSteh'n in seiner Rüstung blank:Den mag nimmermehr erquickenReichen Lebens frischer Drang. –Fröhlich an den öden MauernSchweift der Morgensonne Blick,Da versinkt das Bild mit SchauernEinsam in sich selbst zurück.
Entstanden 1809, Erstdruck 1815, 1826 4. Lied im Zyklus «Nachtbilder» unter dem Titel «Geistesgruß», hier: Fassung von 1826 __________
Der Tiroler Nachtwache.
In stiller Bucht, bei finst'rer Nacht,Schläft tief die Welt im Grunde,Die Berge rings steh'n auf der Wacht,Der Himmel macht die Runde,Geht um und umUms Land herum,Mit seinen goldnen SchaarenDie Frommen zu bewahren.Kommt nur heran mit Eurer List,Mit Leitern, Strick und Banden!Der Herr doch noch viel stärker ist,Macht Euren Witz zu Schanden.Wie war't Ihr klug! –Nun schwindelt TrugHinab vom Felsenrande –Wie seid Ihr dumm! o Schande!Gleichwie die Stämme in dem Wald,Woll'n wir zusammen halten,Ein' feste Burg, Trutz der Gewalt,Verbleiben treu die alten.Steig', Sonne, schön!Wirf von den Höh'nNacht und die mit ihr kamen,Hinab in Gottes Namen.
Entstanden 1810, Erstdruck 1815, hier Fassung von 1826 __________
An meinen Bruder 1813.
Steig' aufwärts, Morgenstunde!Zerreiß' die Nacht, daß ich in meinem WeheDen Himmel wiedersehe,Wo ew'ger Frieden in dem blauen Grunde!Will Licht die Welt erneuen:Mag auch der Schmerz in Thränen sich befreien.Mein lieber Herzensbruder!Still war der Morgen – Ein Schiff trug uns beide,Wie war die Welt voll Freude!Du faßtest ritterlich das schwanke Ruder,Uns beide treulich lenkend,Auf froher Fahrt nur Einen Stern bedenkend.Mich irrte manches Schöne,Viel reizte mich und viel mußt' ich vermissen.Von Lust und Schmerz zerrissen,Was so mein Herz hinausgeströmt in Töne:Es waren WiederspieleVon Deines Busens ewigem Gefühle.Da ward die Welt so trübe,Rings stiegen Wetter von der Berge Spitzen,Der Himmel borst in Blitzen,Daß neugestärkt sich Deutschland d'raus erhübe. –Nun ist das Schiff zerschlagen,Wie soll ich ohne Dich die Fluth ertragen! –
Auf einem Fels geboren,Vertheilen kühlerrauschend sich zwei Quellen,Die eigne Bahn zu schwellen.Doch wie sie fern einander auch verloren:Es treffen ächte BrüderIm ew'gen Meere doch zusammen wieder.So wolle Gott Du flehen,Daß er mit meinem Blut und Leben schalte,Die Seele nur erhalte,Auf daß wir freudig einst uns wiedersehen,Wenn nimmermehr hienieden:So dort, wo Heimath, Licht und ew'ger Frieden!
Entstanden 1813, Erstdruck 1818 unter dem Titel «An W. Zum Abschiede. Im Jahre 1813», 1826 unter dem Titel «An meinen Bruder. Zum Abschiede im Jahr 1813», hier Fassung von 1826 __________
Soldatenlied.
Was zieht da für schreckliches Sausen,Wie Pfeifen durch Sturmes Wehn?Das wendet das Herz recht vor Grausen,Als sollte die Welt vergehn.Das Fußvolk kommt da geschritten,Die Trommeln wirbeln voran,Die Fahne in ihrer MittenWeht über den grünen Plan,Sie prangt in schneeweißem KleideAls wie eine milde Braut,Die giebt dem hohe Freude,Wen Gott ihr angetraut.Sie haben sie recht umschlossen,Dicht Mann an Mann gerückt,So ziehen die KriegsgenossenStreng, schweigend und ungeschmückt,Wie Gottes dunkeler Wille,Wie ein Gewitter schwer,Da wird es ringsum so stille,Der Tod nur blitzt hin und her.Wie seltsame Klänge schwingenSich dort von der Waldeshöh'!Ja, Hörner sind es, die singenWie rasend vor Lust und Weh.Die jungen Jäger sich zeigenDort drüben im grünen Wald,Bald schimmernd zwischen den Zweigen,Bald lauernd im Hinterhalt.Wohl sinkt da in ewiges SchweigenManch' schlanke Rittergestalt,Die anderen über ihn steigen,Hurrah! in dem schönen Wald,Es funkelt das Blau durch die Bäume –Ach, Vater, ich komme bald!“Trompeten nur hör' ich werbenSo hell durch die Frühlingsluft,Zur Hochzeit oder zum SterbenSo übermächtig es ruft.
Das sind meine lieben Reiter,Die rufen hinaus zur Schlacht,Das sind meine lustigen Reiter,Nun, Liebchen, gute Nacht!Wie wird es da vorne so heiter,Wie sprühet der Morgenwind,In den Sieg, in den Tod und weiter,Bis daß wir im Himmel sind!
Entstanden um 1813, Erstdruck 1818, hier Fassung von 1826 __________
Die ernsthafte Fastnacht 1814.Als Wittenberg in der Nacht mit Sturm genommen wurde.
Wohl vor Wittenberg auf den SchanzenSind der edlen Werber viel,Wollen da zur Fastnacht tanzenEin gar seltsam Ritterspiel.Und die Stadt vom Felsen drobenSpiegelt sich im Sonnenschein,Wie ein Jungfräulein erhoben –Jeder will ihr Bräut'gam seyn.Jäger! laßt die Hörner klingenDurch den Morgen kalt und blank!Wohl, sie läßt sich noch bezwingen,Hört sie alten deutschen Klang.“
Drauf sie einen Reiter schnelleSenden, der so fröhlich schaut,Der bläßt seinen Gruß so helle,Wirbt da um die stolze Braut.Sieh', wir werben lang' verstohlenSchon um Dich in Noth und Tod,Komm! sonst wollen wir Dich hohlen,Wann der Mond scheint blutigroth!“Bleich schon fallen Abendlichter –Und der Reiter bläßt nur zu,Nacht schon webt sich dicht und dichter –Doch das Thor bleibt immer zu.Nun so spielt denn, Musikanten,Blaßt zum Tanz aus frischer Brust!Herz und Sinne mir entbrannten,O Du schöne, wilde Lust!Wer hat je so'n Saal gesehen?Strom und Wälder spielen auf,Sterne auf und nieder gehen,Stecken hoch die Lampen auf.Ja der Herr leucht't selbst zum Tanze,Frisch denn, Kameraden mein!Funkelnd schön im MondesglanzeStrenges Lieb, mußt unser sein! –
Und es kam der Morgen heiter,Mancher Tänzer lag da tod,Und Victoria bließ der ReiterVon dem Wall ins Morgenroth.
Entstanden 1814. Erstdruck 1816 mit dem Untertitel «Als das 11te schles. Landwehr-Infanterie- Regiment Wittenberg in der Nacht mit Sturm nahm», hier Fassung von 1826 __________
Der Liedsprecher *).
i.
Und wo ein tüchtig Leben,Und wo ein Ehrenhaus,Da geht der Sänger ebenGern gastlich ein und aus.Der freudige GeselleGrüßt Pfaff und Rittersmann,Und frische MorgenhelleWeht all' im Liede an.Und kühn im RossesbügelDer Ritter waldwärts zieht,Und das Gebet nimmt FlügelUnd überfliegt das Lied.
Denn ob's mit Schwert, mit LiedernSich Bahn zum Himmel schafft;S' ist eine Schar von BrüdernUnd eine Liebeskraft.Wo die vereint, da rankenSich willig Stein und Erz,Da pfeilern die GedankenSich freudig himmelwärts.Die haben diese BogenKühn über'n wilden StromEmpörter Zeit gezogenZum wunderbaren Dom.Die Burgen sahn wir fallen,Die Adler zogen aus,Wehklagend durch die HallenGehn Winde ein und aus.Doch droben auf der ZinneSteht noch der HeldengeistDer – was die Zeit beginne –Still nach dem Kreuze weis't.Es wechseln viel' GeschlechterUnd sinken in die Nacht –Steh' fest, Du treuer Wächter,Und nimm Dein Land in Acht!
Schon hat zum KreuzeslichteDein Volk sich ernst gewandt,Im Sturm der WeltgerichteTief schauernd Dich erkannt.Nun hebt sich wieder fröhlichDein Haus im Morgenschein,Die Jungfrau minneseeligSchaut weit in's Land hinein.Gesänge hör' ich schallen,Durch's Grün geschmückte Gäst'Wallfahrten nach den Hallen –Wem gilt das frohe Fest?Der Königssohn, Ihr Preußen,Weilt auf dem Ritterschloß,Das ist nach Adlers Weisen,Daß er der Höh' genoß.Das ist des Königs Walten,Was herrlich, groß und recht,Im Wechsel zu erhaltenDem kommenden Geschlecht.Er hob die HeldenmaleZu neuer Herrlichkeit,Damit das Volk im ThaleGedenk' der großen Zeit.
Das ewig Alt und Neue,Das mit den Zeiten ringt,Das, Fürst, ist's, was das treueHerz Deines Volks durchdringt.Wo das noch ehrlich waltet,Da ist zu Gottes RuhmDie Kreuzesfahn' entfaltet,Und rechtes Ritterthum.O, reicht dem Liedersprecher,Bevor er scheiden muß,Den hochgefüllten BecherZu seinem besten Gruß!Doch einzeln nicht verhallenDarf, was ich jetzt gedacht.Was Jeder meint, von Allen,Sey's freudig auch gebracht!All' ritterliche GeisterUmringen fest den Thron,Und auf zum höchsten MeisterDringt treuer Liebe Ton:Dem ritterlichen KönigHeil, und dem Königssohn!*) Das vorstehende Lied wurde am 20sten Juni 1823 während der Tafel, welche des damaligen Kronprinzen von Preußen Königl. Hoheit in dem großen Rempter des Marienburger Ritterschlosses gab, von einem Freunde des Verfassers, in dem Kostüm der alten Liedsprecher, gesungen.
Entstanden 1822, Erstdruck 1823, hier Fassung von 1826 |