Joseph von Eichendorff
1788 - 1857
Gedichte
1841
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i. Wanderlieder.__________
Frische Fahrt.
Laue Luft kommt blau geflossen,Frühling, Frühling soll es seyn!Waldwärts Hörnerklang geschossen,Muth'ger Augen lichter Schein;Und das Wirren bunt und bunterWird ein magisch wilder Fluß,In die schöne Welt hinunterLockt dich dieses Stromes Gruß.Und ich mag mich nicht bewahren!Weit von Euch treibt mich der Wind,Auf dem Strome will ich fahren,Von dem Glanze seelig blind!Tausend Stimmen lockend schlagen,Hoch Aurora flammend weht,Fahre zu! ich mag nicht fragen,Wo die Fahrt zu Ende geht!
Entstanden 1810, Erstdruck 1815, hier Fassung von 1826 __________
Der frohe Wandersmann.
Wem Gott will rechte Gunst erweisen,Den schickt er in die weite Welt,Dem will er seine Wunder weisenIn Feld und Wald und Strom und Feld.Die Trägen, die zu Hause liegen,Erquicket nicht das Morgenroth,Sie wissen nur vom KinderwiegenVon Sorgen, Last und Noth um Brodt.Die Bächlein von den Bergen springen,Die Lerchen schwirren hoch vor Lust,Was sollt' ich nicht mit ihnen singenAus voller Kehl' und frischer Brust?Den lieben Gott laß ich nur walten;Der Bächlein, Lerchen, Wald und FeldUnd Erd' und Himmel will erhalten,Hat auch mein' Sach' auf's Best' bestellt!
Entstanden 1817, Erstdruck 1823, hier Fassung von 1826 __________
Im Walde.
Es zog eine Hochzeit den Berg entlang,Ich hörte die Vögel schlagen,Da blitzten viel' Reiter, das Waldhorn klang,Das war ein lustiges Jagen!Und eh' ich's gedacht, war Alles verhallt,Die Nacht bedecket die Runde,Nur von den Bergen noch rauschet der WaldUnd mich schauert im Herzensgrunde.
Erstdruck 1836 __________
Zwielicht.
Dämmrung will die Flügel spreiten,Schaurig rühren sich die Bäume,Wolken ziehn wie schwere Träume –Was will dieses Grau'n bedeuten?Hast ein Reh du, lieb vor andern,Laß es nicht alleine grasen,Jäger ziehn im Wald' und blasen,Stimmen hin und wieder wandern.Hast du einen Freund hienieden,Trau ihm nicht zu dieser Stunde,Freundlich wohl mit Aug' und Munde,Sinnt er Krieg im tück'schen Frieden.Was heut müde gehet unter,Hebt sich morgen neugeboren.Manches bleibt in Nacht verloren –Hüte dich, bleib' wach und munter!
Entstanden 1810/12, Erstdruck 1815 __________
Nachts.
Ich wandre durch die stille Nacht,Da schleicht der Mond so heimlich sachtOft aus der dunklen Wolkenhülle,Und hin und her im ThalErwacht die Nachtigall,Dann wieder alles grau und stille.O wunderbarer Nachtgesang:Von fern im Land der Ströme Gang,Leis Schauern in den dunklen Bäumen –Wirr'st die Gedanken mir,Mein irres Singen hierIst wie ein Rufen nur aus Träumen.
Erstdruck 1823, hier Fassung von 1826 __________
Der wandernde Musikant.
I.
Wandern lieb' ich für mein Leben,Lebe eben wie ich kann,Wollt' ich mir auch Mühe geben,Paßt' es mir doch gar nicht an.Schöne alte Lieder weiß ich,In der Kälte, ohne Schuh'Draußen in die Saiten reiß' ich,Weiß nicht, wo ich Abend's ruh'.
Manche Schöne macht wohl Augen,Meinet, ich gefiel' ihr sehr,Wenn ich nur was wollte taugen,So ein armer Lump nicht wär'. –Mag dir Gott ein'n Mann bescheerenWohl mit Haus und Hof versehn!Wenn wir zwei zusammen wären,Möcht' mein Singen mir vergehn.
II.
Wenn die Sonne lieblich schieneWie in Wälschland, lau und blau,Ging' ich mit der MandolineDurch die überglänzte Au.In der Nacht dann Liebchen lauschteAn dem Fenster süß verwacht,Wünschte mir und ihr – uns Beiden,Heimlich eine schöne Nacht.Wenn die Sonne lieblich schieneWie in Welschland lau und blau,Ging' ich mit der MandolineDurch die überglänzte Au.
III.
Ich reise übers grüne Land,Der Winter ist vergangen,Hab' um den Hals ein gülden Band,Daran die Laute hangen.Der Morgen thut ein'n rothen Schein,Den recht mein Herze spüret,Da greif' ich in die Saiten ein,Der liebe Gott mich führet.So silbern geht der Ströme Lauf,Fernüber schallt Geläute,Die Seele ruft in sich: Glück auf!Rings grüßen frohe Leute.Mein Herz ist recht von Diamant,Ein' Blum von Edelsteinen,Die funkelt lustig über's LandIn tausend schönen Scheinen.Vom Schlosse in die weite WeltSchaut eine Jungfrau 'runter,Der Liebste sie im Arme hält,Die seh'n nach mir herunter.Wie bist du schön! Hinaus, im WaldGeh'n Wasser auf und unter,Im grünen Wald sing', daß es schallt,Mein Herz, bleib frei und munter!Die Sonne uns im Dunklen läßt,Im Meere sich zu spülen,Da ruh' ich aus vom TagesfestFromm in der rothen Kühle.Hoch führet durch die stille NachtDer Mond die goldnen Schafe,Den Kreis der Erden Gott bewacht,Wo ich tief unten schlafe.Wie liegt all' falsche Pracht so weit!Schlaf' wohl auf stiller Erde,Gott schütz' dein Herz in Ewigkeit,Daß es nie traurig werde!
IV.
Bist du manchmal auch verstimmt,Drück' dich zärtlich an mein Herze,Daß mir's fast den Athem nimmt,Streich' und kneif' in süßem Scherze,Wie ein rechter LiebesthorLehn' ich sanft an dich die WangeUnd du singst mir fein ins Ohr.Wohl im Hofe bei dem KlangeKatze miaut, Hund heult und bellt,Nachbar schimpft mit wilder Miene –Doch was kümmert uns die Welt,Süße, traute Violine!
V.
Mürrisch sitzen sie und maulenAuf den Bänken stumm und breit,Gähnend strecken sich die Faulen,Und die Kecken suchen Streit.
Da komm' ich durch's Dorf geschritten,Fernher durch den Abend kühl,Stell' mich in des Kreises Mitten,Grüß' und zieh' mein Geigenspiel.Und wie ich den Bogen schwenke,Ziehn die Klänge in der Rund'Allen recht durch die GelenkeBis zum tiefsten Herzensgrund.Und nun geht's ans Gläserklingen,An ein Walzen um und um,Je mehr ich streich', je mehr sie springenKeiner fragt erst lang: warum? –Jeder will dem Geiger reichenNun sein Scherflein auf die Hand –Da vergeht ihm gleich sein Streichen,Und fort ist der Musikant.Und sie seh'n ihn fröhlich steigenNach den Waldeshöh'n hinaus,Hören ihn von fern noch geigen,Und gehn All' vergnügt nach Haus.Doch in Waldes grünen HallenRast' ich dann noch manche Stund',Nur die fernen NachtigallenSchlagen tief aus nächt'gem Grund.
Und es rauscht die Nacht so leiseDurch die Waldeseinsamkeit,Und ich sinn' auf neue Weise,Die der Menschen Herz erfreut.
VI.
Durch Feld und BuchenhallenBald singend, bald fröhlich still,Recht lustig sey vor allenWer's Reisen wählen will!Wenn's kaum im Osten glühte,Die Welt noch still und weit:Da weht recht durch's GemütheDie schöne Blüthenzeit!Die Lerch' als MorgenboteSich in die Lüfte schwingt,Eine frische ReisenoteDurch Wald und Herz erklingt.O Lust, vom Berg zu schauenWeit über Wald und Strom,Hoch über sich den blauenTiefklaren Himmelsdom!Vom Berge Vöglein fliegenUnd Wolken so geschwind,Gedanken überfliegenDie Vögel und den Wind.Die Wolken zieh'n hernieder,Das Vöglein senkt sich gleich,Gedanken gehn und LiederFort bis in's Himmelreich.
Erstdruck des Zyklus 1837. I.: Erstdruck 1826. II.: Erstdruck 1815. III.: Entstanden um 1812, Erstdruck 1837. IV.: Erstdruck 1837. V.: Erstdruck 1826. VI.: Erstdruck 1826 unter dem Titel «Reiselied». __________
Der Soldat.
I.
Ist auch schmuck nicht mein Rößlein,So ist's doch recht klug,Trägt im Finstern zu 'nem SchlößleinMich rasch noch genug.Ist das Schloß auch nicht prächtig:Zum Garten aus der ThürTritt ein Mädchen doch allnächtigDort freundlich herfür.Und ist auch die KleineNicht die Schönst' auf der Welt,So giebt's doch just Keine,Die mir besser gefällt.Und spricht sie vom Freien:So schwing' ich mich auf mein Roß –Ich bleibe im Freien,Und sie auf dem Schloß.
II.
Wagen mußt du und flüchtig erbeuten,Hinter uns schon durch die Nacht hör' ich's schreiten,Schwing' auf mein Roß dich nur schnellUnd küß' noch im Flug mich, wildschönes Kind,Geschwind,Denn der Tod ist ein rascher Gesell'.
Erstdruck als Zyklus 1837. I.: Entstanden wohl 1814, Erstdruck 1826 als 3. Lied im Zyklus «Der zufriedene Musikant», hier Fassung von 1826. II.: Entstanden wohl 1834/35 __________
Sehnsucht.
Es schienen so golden die Sterne,Am Fenster ich einsam standUnd hörte aus weiter FerneEin Posthorn im stillen Land.Das Herz mir im Leib entbrennte,Da hab' ich mir heimlich gedacht:Ach, wer da mitreisen könnteIn der prächtigen Sommernacht!Zwei junge Gesellen gingenVorüber am Bergeshang,Ich hörte im Wandern sie singenDie stille Gegend entlang:Von schwindelnden Felsenschlüften,Wo die Wälder rauschen so sacht,Von Quellen, die von den KlüftenSich stürzen in die Waldesnacht.Sie sangen von Marmorbildern,Von Gärten, die über'm GesteinIn dämmernden Lauben verwildern,Palästen im Mondenschein,Wo die Mädchen am Fenster lauschen,Wann der Lauten Klang erwachtUnd die Brunnen verschlafen rauschenIn der prächtigen Sommernacht. –
Entstanden um 1830/31, Erstdruck 1834 __________
Abschied.
O Thäler weit, o Höhen,O schöner grüner Wald,Du meiner Lust und WehenAndächt'ger Aufenthalt!Da draußen, stets betrogen,Saußt die geschäft'ge Welt,Schlag' noch einmal die BogenUm mich, du grünes Zelt!Wenn es beginnt zu tagen,Die Erde dampft und blinkt,Die Vögel lustig schlagen,Daß Dir Dein Herz erklingt:Da mag vergehn, verwehenDas trübe Erdenleid,Da sollst Du auferstehenIn junger Herrlichkeit!Da steht im Wald geschrieben,Ein stilles, ernstes WortVon rechtem Thun und Lieben,Und was des Menschen Hort.Ich habe treu gelesenDie Worte schlicht und wahr,Und durch mein ganzes WesenWard's unaussprechlich klar.Bald werd' ich Dich verlassen,Fremd in der Fremde geh'n,Auf buntbewegten GassenDes Lebens Schauspiel sehn;Und mitten in dem LebenWird Deines Ernst's GewaltMich Einsamen erheben,So wird mein Herz nicht alt.
Entstanden 1810, Erstdruck 1815, 1826 unter dem Titel «Im Walde bei L.», hier Fassung von 1826 __________
Der Morgen.
Fliegt der erste MorgenstrahlDurch das stille Nebelthal,Rauscht erwachend Wald und Hügel:Wer da fliegen kann, nimmt Flügel!Und sein Hütlein in die LuftWirft der Mensch vor Lust und ruft:Hat Gesang doch auch noch Schwingen,Nun so will ich fröhlich singen!Hinaus, o Mensch, weit in die Welt,Bangt dir das Herz in krankem Muth;Nichts ist so trüb in Nacht gestellt,Der Morgen leicht macht's wieder gut.
Entstanden 1810/12, Erstdruck 1823 (1.-2. Strophe), 1815 (3. Strophe), 1841 (das ganze Gedicht) __________
Schöne Fremde.
Es rauschen die Wipfel und schauern,Als machten zu dieser Stund'Um die halbversunkenen MauernDie alten Götter die Rund'.Hier hinter den MyrthenbäumenIn heimlich dämmernder Pracht,Was sprichst du wirr wie in TräumenZu mir, phantastische Nacht?Es funkeln auf mich alle SterneMit glühendem Liebesblick,Es redet trunken die FerneWie von künftigem, großem Glück! –
Entstanden um 1830/31, Erstdruck 1834 __________
Liebe in der Fremde.
I.
Jeder nennet froh die Seine,Ich nur stehe hier alleine,Denn was früge wohl die Eine:Wen der Fremdling eben meine?Und so muß ich, wie im Strome dort die Welle,Ungehört verrauschen an des Frühlings Schwelle.“
II.
Wie kühl schweift sich's bei nächt'ger Stunde,Die Zitter treulich in der Hand!Vom Hügel grüß ich in die RundeDen Himmel und das stille Land. [154]Wie ist da alles so verwandelt,Wo ich so fröhlich war, im Thal.Im Wald wie still! der Mond nur wandeltNun durch den hohen Buchensaal.Der Winzer Jauchzen ist verklungenUnd all der bunte Lebenslauf,Die Ströme nur, im Thal geschlungen,Sie blicken manchmal silbern auf.Und Nachtigallen wie aus TräumenErwachen oft mit süßem Schall,Erinnernd rührt sich in den Bäumen,Ein heimlich Flüstern überall. –Die Freude kann nicht gleich verklingen,Und von des Tages Glanz und LustIst so auch mir ein heimlich SingenGeblieben in der tiefsten Brust.Und fröhlich greif ich in die Saiten,O Mädchen jenseits über'm Fluß,Du lauschest wohl und hörst's von weitenUnd kennst den Sänger an dem Gruß!
III.
Ueber die beglänzten GipfelFernher kommt es wie ein Grüßen,Flüsternd neigen sich die Wipfel,Als ob sie sich wollten küssen.Ist er doch so schön und milde!Stimmen gehen durch die Nacht,Singen heimlich von dem Bilde –Ach, ich bin so froh verwacht!Plaudert nicht so laut, ihr Quellen!Wissen darf es nicht der Morgen!In der Mondnacht linde Wellen,Senk' ich stille Glück und Sorgen.“ –
IV.
Jetzt wandr' ich erst gern!Am Fenster nun lauschenDie Mädchen, es rauschenDie Brunnen von fern.Aus schimmernden BüschenIhr Plaudern, so lieb,Erkenn' ich dazwischen,Ich höre mein Lieb'!Kind hüt' dich! bei NachtPflegt Amor zu wandern,Ruft leise die Andern,Da schreiten erwachtDie Götter zur HalleIns Freie hinaus,Es bringt sie dir AlleDer Dichter ins Haus.
Erstdruck 1818 (1.-3. Strophe), 1834 (4. Strophe). 1837 (das ganze Gedicht) __________
Heimweh.
Wer in die Fremde will wandern,Der muß mit der Liebsten gehn,Es jubeln und lassen die AndernDen Fremden alleine stehn.Was wisset Ihr, dunkele WipfelnVon der alten schönen Zeit?Ach, die Heimath hinter den Gipfeln,Wie liegt sie von hier so weit.Am liebsten betracht ich die Sterne,Die schienen, wenn ich ging zu ihr,Die Nachtigall hör' ich so gerne,Sie sang vor der Liebsten Thür.Der Morgen, das ist meine Freude!Da steig ich in stiller Stund'Auf den höchsten Berg in die Weite,Grüß Dich Deutschland aus Herzensgrund!
Entstanden 1817, Erstdruck 1823, hier Fassung von 1826 __________
An der Grenze.
Die treuen Berg' steh'n auf der Wacht:Wer streicht bei stiller MorgenzeitDa aus der Fremde durch die Haid'?“ –Ich aber mir die Berg' betracht'Und lach' in mich vor großer Lust,Und rufe recht aus frischer BrustParol und Feldgeschrei sogleich:Vivat Oestreich!Da kennt mich erst die ganze Rund,Nun grüßen Bach und Vöglein zartUnd Wälder rings nach Landesart,Die Donau blitzt aus tiefem Grund,Der Stephansthurm auch ganz von fernGuckt übern Berg und säh' mich gern,Und ist er's nicht, so kommt er doch gleich,Vivat Oestreich!
Entstanden 1820/21, Erstdruck 1823, hier Fassung von 1826 __________
Wanderlied der Prager Studenten.
Nach Süden nun sich lenkenDie Vöglein allzumal,Viel Wandrer lustig schwenkenDie Hüt' im Morgenstrahl.Das sind die Herrn Studenten,Zum Thor hinaus es geht,Auf ihren InstrumentenSie blasen zum Valet:Ade in die Läng' und BreiteO Prag, wir ziehn in die Weite.Et habeat bonam pacem,Qui sedet post fornacem!Nachts wir durch's Städtlein schweifen,Die Fenster schimmern weit,Am Fenster dreh'n und schleifenViel schön geputzte Leut.Wir blasen vor den ThürenUnd haben Durst genung,Das kommt vom Musiziren,Herr Wirth, einen frischen Trunk!Und siehe über ein KleinesMit einer Kanne WeinesVenit ex sua domo –Beatus ille homo!Nun weht schon durch die WälderDer kalte Boreas,Wir streichen durch die Felder,Von Schnee und Regen naß,Der Mantel fliegt im Winde,Zerrissen sind die Schuh,Da blasen wir geschwindeUnd singen noch dazu:Beatus ille homoQui sedet in sua domoEt sedet post fornacemEt habet bonam pacem!
Entstanden 1820/21, Erstdruck 1823, hier Fassung von 1826 |