Adolf von Düring
1880
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Die Canterbury-Erzählungen
Fragment VIII
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Erzählung der zweiten Nonne.Vers 120 - 553
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120 | Die hehre Maid – so sagt ihr Lebenslauf –War hohem, edlem Römerblut entsprungen;Vom Glauben Christi war von Kindheit aufDes Evangeliums Botschaft ihr erklungen.Von Furcht und Liebe zu dem Herrn durchdrungen,Bat sie – wie aus dem Buch ich dies erfahren –Beständig Gott, ihr Mädchenthum zu wahren.In reifern Jahren ward zur Frau versprochenSie einem Jüngling, Valerian genannt;Indessen als der Tag herangebrochen |
130 | Zum Eintritt in den heil'gen Ehestand,Trug unter ihrem gold'nen PrachtgewandDie herzensfromme, demuthsvolle BrautEin hären Hemd auf ihrer bloßen Haut.Und als die Orgel in der Kirche schallte,Sang sie im Herzen so zu Gott allein:Den Leib, o Herr, mir unbefleckt erhalte,Laß meine Seele nicht verloren sein!“Und ihn zu ehren, welcher KreuzespeinFür uns erlitt, hielt sie die strengsten Fasten, |
140 | Und wollte nimmer im Gebete rasten.Es kam die Nacht. Mit dem Vermählten hatteNach alter Sitte sie zu Bett zu geh'n.Doch heimlich sprach sie: Lieber, theurer GatteIch hab' Dir ein Gheimniß zu gesteh'n,Und willst Du's hören, soll es gleich gescheh'n,Doch unter der Bedingung, daß Du schwörst,Nie zu verrathen, was von mir Du hörst.“Und rasch beschworen ward von Valerian,In keinem Falle je zu offenbaren, |
150 | Was ihm auch immer von ihr kund gethan.Und dann erst sprach sie: Von den HimmelsschaarenLiebt mich ein Engel, welcher vor GefahrenMit größter Sorgfalt stets bei Tag und NachtMich liebend schützt und meinen Leib bewacht.Und fühlt er, daß mit sündigem VerlangenDu jemals fleischlich meinen Leib berührt,Wirst Du als Jüngling schon den Tod empfangenVon seiner Hand als Lohn, der Dir gebührt.Doch wenn Dich reine Liebe lenkt und führt, |
160 | Wird seine Liebe Dir, wie mir, zu eigen,Und er wird sich im Himmelsglanz Dir zeigen.“Und Valerian, dem Gott in das GewissenGeredet hatte, sprach: Soll ich Dir trau'n,Muß ich vom Dasein dieses Engels wissen,Und läßt Du mich von Angesicht ihn schau'n,Will ich Dir folgen; darauf magst Du bau'n.Doch bist Du einem andern Mann ergeben,Verliert Ihr beide durch mein Schwert das Leben.“Cäcilie gab zur Antwort: Dein Verlangen |
170 | Sei Dir erfüllt. Du sollst den Engel seh'n,Nachdem die Taufe Du als Christ empfangen.Drei Meilen mußt aus dieser Stadt Du geh'n,Zur Via Appia, wo die Häuser steh'nDer armen Leute, und erzähle dort,Was ich Dir sagen werde, Wort für Wort.Zu ihnen rede: Ich, Cäcilie, sendeZum guten, alten Urban heimlich DichIn Seelennoth zum besten Zweck und Ende.Und zu dem heiligen Urbanus sprich, |
180 | Wenn Du ihn siehst, was Du erfuhrst durch mich.Hat er Verzeihung Deiner Schuld gewährt,Siehst Du den Engel, eh' Du heimgekehrt.Und schleunig eilte, wie sie ihm geboten,Zum angewies'nen Platze Valerian,Und fand dort in der Grabstatt heil'ger TodtenAuf seinen Knie'n den alten St. Urban;Und als ihm seine Botschaft kund gethan,Und er mit seinen Worten war zu Ende,Hob froh Urbanus himmelan die Hände, |
190 | Und Thränen ließ er aus den Augen fallen.›Allmächt'ger Gott und Christ!‹ – rief er bewegt –Du Säer keuschen Rathes, Hirt von Allen,Die Früchte, die der Keuschheit Samen trägt,Den Du Cäcilien hast ins Herz gelegt,Nimm hin! denn sieh'! so emsig wie die BienenWeiß ohne Falsch Dir Deine Magd zu dienen!“Der Gatte, dem sie kürzlich ward verbunden,Der stolze Löwe, kommt, von ihr gesandt,So fromm zu mir, wie nur ein Lamm erfunden!“ |
200 | So rief er aus – und mit den Worten standVor Valerian im weißen LichtgewandEin alter Mann, der in der Hand ein BuchMit reichverzierten, gold'nen Lettern trug.Und Valerian schlug wie ein todter MannVor Schrecken um. Empor aus seinem FalleHob ihn der Greis und fing zu lesen an:Ein Herr, ein Gott, ein Glaube für uns Alle!Ein Christenthum, und überm WeltenalleFür alle Menschen eine Vaterhand!“ |
210 | Wie es im Buch mit gold'nen Lettern stand.Nachdem er dies gelesen, frug der Alte:Und glaubst Du dies? Ja oder Nein? – Sag' an!“ –Ich glaube dies!“ – sprach Valerian – und halteEs für die größte Wahrheit, die ein MannHier unterm Himmel nur erfassen kann!“ –Verschwunden war der Greis – und ValerianEmpfing die Taufe durch den Papst Urban.Er kehrte heim, und sah, wie mit CäcilienIn seinem Wohngemach ein Engel stand. |
220 | Und sieh', es trug von Rosen und von LilienZwei Kronen dieser Engel in der Hand.Und an Cäcilie – wenn ich's recht verstand –Gab er die eine, und die andre KroneEmpfing ihr Gatte Valerian zum Lohne.Mit reinem Leib und unbefleckten SinnenBehütet diese Kronen stets!“ – sprach er. –Ich trug sie aus dem Paradies von hinnen,Und sie verwelken nun und nimmermehr,Und duften immer lieblich wie zeither. |
230 | Doch mit den Augen nur die Kronen sieht,Wer keusch verbleibt und jede Sünde flieht.“Mein Valerian, weil Du Dich rasch bekehrenZum Guten ließest, sprich, was Dir gefällt,Und was Du forderst, will ich Dir gewähren!“Er sprach: Ein Bruder ist mir zugesellt,Der mir der liebste Mensch ist auf der Welt;Ich bitte Dich, ihm Deine Gunst zu schenkenUnd ihn, wie mich, zur Wahrheit hinzulenken!“Der Engel sprach: Gott liebt, was Du erbeten. |
240 | Er reicht Euch beiden Märtyrpalmen dar,Und in sein Reich der Ruhe sollt Ihr treten.“Und es erschien, als er zu Ende war,Tiburz, sein Bruder, welcher wunderbarErgriffen ward im innersten GemütheVom Duft der Lilien- und der Rosenblüthe.Mich wundert“ – rief er – daß zu dieser ZeitDes Jahrs die Rosen und die Lilien spendenNoch Wohlgeruch von solcher Lieblichkeit.Ja, hielt ich selbst die Blumen in den Händen, |
250 | Es dränge mir der Duft, den sie entsenden,Wohl schwerlich süßer in das Herz hinein.Ich scheine wie verwandelt mir zu sein!“Zwei glänzend helle Kronen uns umwinden,Schneeweiß und rosenroth,“ – sprach Valerian. –Durch mein Gebet kannst Du den Duft empfinden,Obschon sie Deine Blicke nimmer sah'n.Doch werden Dir die Augen aufgethan,Sofern Du ohne Säumen Dich bekehrstZum rechten Glauben und die Wahrheit ehrst!“ |
260 | Wie?“ – frug Tiburz – sprichst Du im Ernst zu mir?Ist mir ein Traum zu Ohren nur gekommen?“In Träumen, lieber Bruder, lebten wir,“– Sprach Valerian – jetzt hat zu unserm FrommenDie Wahrheit Sitz in unsrer Brust genommen.“Wie hast Du dieses“ – rief Tiburz – erfahren?“Das will ich Dir“ – sprach Jener – offenbaren!“Ein Engel Gottes zeigte mir die Wahrheit,Und leistest Du dem Götzendienst Verzicht,Führt er auch Dich zur Reinheit und zur Klarheit.“ |
270 | – Und von dem Wunder dieser Kronen sprichtAmbrosius in seinem Vorbericht;Und also redet zu des Wunders PreiseDer edle Doctor in erhab'ner Weise:Die Palme seines Märtyrthums zu tragen,Gab Gott der heiligen Cäcilie Kraft,Der Welt und ihrem Brautbett zu entsagen.Denn in der Beichte gab unzweifelhaftTiburz und sie darüber Zeugenschaft,Und Gott ließ güterreich mit duft'gen Kronen |
280 | Durch seinen Engel diese zwei belohnen.So führte beide Männer diese MaidZum ew'gen Heil. Und dieses möge lehrenDer Welt den Werth der keuschen Frömmigkeit. –Schlicht wußte dann Cäcilie zu erklären,Daß alle Götzen eitle Dinge wären,Nur taub und stumm, und darum von IdolenSich fern zu halten, habe Gott befohlen.Wer das nicht glaubt, ist schlimmer als ein Vieh!“– So rief Tiburz – ich sag' es unumwunden!“ |
290 | Und seine Brust vor Freuden küßte sie,Beglückt, daß er die Wahrheit ausgefunden.Seit diesem Tage bist Du mir verbunden!“Rief diese schöne segensreiche Maid,Und also sprach sie zu ihm fernerweit:Wie durch die Liebe Christi“ – hub sie an –Ich Deines Bruders Weib bin, soll bestehenEin Bund auch zwischen Dir und mir fortan.Du hast gelernt, die Götzen zu verschmähen;Mit Valerian magst Du zur Taufe gehen, |
300 | Und bist Du rein, so wirst Du auch hernachDen Engel seh'n, von dem Dein Bruder sprach.“Mein lieber Bruder“ – frug Tiburtius weiter –Wohin, zu wem, heißt Du mich geh'n? Sag' an!“Zu wem?“ – sprach er – komm', folge mir nur heiter,Ich führe Dich zum heil'gen Papst Urban!“Zum Papst Urbanus, Bruder Valerian?!Wie!“ – rief Tiburz – willst Du zu ihm mich bringen?Das scheint mir äußerst wunderbar zu klingen.“Meinst Du Urbanus, welcher vom Gerichte |
310 | So manches Mal verurtheilt ward zum Tod,Der in Verstecken haust und kaum dem LichteSein Haupt zu zeigen wagt in seiner Noth,Dem stets der Scheiterhaufen flammend droht?Wenn man mit ihm uns in Gesellschaft fände,Wir kämen sicher zu dem gleichen Ende.“Und während wir, die Gottheit zu erkennen,Die in dem Himmel sich verbirgt, uns müh'n,Wird man uns hier auf dieser Welt verbrennen.“Doch in das Wort fiel ihm Cäcilie kühn: |
320 | Man würde, sich dem Tode zu entzieh'n,Mein lieber Bruder, ganz mit Recht bestreben,Gäb' es nach diesem nicht ein andres Leben.“Ein bess'res Leben ist an anderm Orte,Und fürchte nicht, daß jemals Dir entgeht,Was Gottes Sohn versprach durch seine Worte,Des Vaters Sohn, der Alles, was bestehtGeschickt und sinnreich schuf. Denn es durchwehtDer Geist, der von dem Vater ausgegangen,Auch unsre Seelen. – Dir braucht nicht zu bangen.“ |
330 | Durch Wort und Werke hat uns kund gegebenDer Gottessohn, als er auf Erden war,Des Menschen Heimat sei im andern Leben!“O, theure Schwester“ – rief Tiburz – fürwahr,Noch eben sagtest Du ganz schlicht und klar,In Wahrheit sei ein Herr und Gott allein,Und nun giebst Du mir Zeugenschaft von Drei'n?“Auch damit“ – sprach sie – mach' ich Dich bekannt.Sowie drei Kräfte sich im Mann vereinen,Vorstellungstrieb, Gedächtniß und Verstand, |
340 | So müssen drei Personen auch erscheinenMit gleichem Recht im göttlichen Verband.“Und hinterher begann sie, ihm die LehrenUnd Leiden Christi emsig zu erklären.Wie Gottes Sohn so mancherlei erlitten,Dieweil auf Erden er als Gast geweilt,Wie er Erlösung für die Welt erstritten,Und Sündennoth und Sorgenlast geheilt,Ward an Tiburtius von ihr mitgetheilt.Und dann ging er mit glaubensfrohem Sinn |
350 | Zum Papst Urban mit seinem Bruder hin.Der dankte Gott von Herzen froh und heiter,Tauft ihn sofort und macht ihn dann bekanntMit allen Lehren als des Herren Streiter;Worauf Tiburz so hohe Gnade fand,Daß ihm kein Tag im Lauf der Zeit entschwand,An dem er Gottes Engel nicht gesehen;Und gern und schnell erhörte Gott sein Flehen.Schwer hielt' es, nach der Reihe vorzutragen,Wie viele Wunder Jesus für sie that. |
360 | Doch endlich schleppten – um es kurz zu sagen –Die Schergen Rom's auf das PräfectoratSie vor Almachius der als MagistratSie dann vernahm und bald den Fall durchblickteUnd zu dem Bilde Jupiters sie schickte.Und er begann: Mein Urtheilsspruch ist dieser:Euch trifft der Tod, bringt Ihr nicht Opfer dar!“Die Märtyrer indessen überwies erAn Maximus, der ein CornicularUnd Offizier von dem Präfecten war, |
370 | Den, als die Heil'gen er von dannen führte,Um sie das Mitleid bis zu Thränen rührte.Und Halt gebot den Quälern, als vernommenEr ihren Glauben, Maximus, und nahmDie Heil'gen in sein Haus, wo sie in frommenGesprächen weilten, bis der Abend kam.Und Maximus ergriff die tiefste SchamMitsammt den Henkern, und der falschen LehreEntsagten sie und gaben Gott die Ehre.Cäcilie kam mit Priestern in der Nacht, |
380 | Daß Allen sie die heil'ge Taufe gäben;Und hinterher, sobald der Tag erwacht,Begann sie fest die Stimme zu erheben:Wollt Ihr als echte Ritter Christi leben,Entsagt dem Werk der Finsterniß fortan,Und schnallt die Rüstung ew'ger Klarheit an.“Ja, eine große Schlacht habt Ihr geschlagen!Jetzt ist's vollbracht! Ihr habt Euch treu bewährt!Ihr werdet drum des Lebens Krone tragen,Die ein gerechter Richter Euch bescheert. |
390 | Er giebt sie Euch; Ihr seid derselben werth!“Dann führte, als gesprochen war dies Wort,Man sie sogleich zum Opferplatze fort.Indeß – um kurz die Sache zu beenden –Sie wollten, angelangt an jenem Ort,Nicht Weihrauch streu'n, noch Opfergaben spenden.Nein, voll Ergebung knieten Beide dortIn Demuth nieder; worauf sie sofortEnthauptet wurden. Doch zum HimmelreichEntschwebten Beider Seelen auch zugleich. |
400 | Und Maximus stand tief gerührt danebenUnd sprach, vor Jammer weinend und vor Schmerz:Mit Engeln voller Licht und Klarheit schweben,Sah ich die Seelen Beider himmelwärts.“Und dieses Wort bekehrte manches Herz.Doch ließ Almachius mit EisenruthenIhn dafür zücht'gen und zu Tode bluten.Begraben ließ Cäcilie die GebeineMit Valerian und mit Tiburz sodannIn einer Gruft und unter einem Steine. |
410 | Inzwischen trieb die Häscher, Mann für Mann,Zur Jagd Almachius auf Cäcilie an,Damit sie gleich vor seinem AngesichteDen Opferdienst an Jupiter verrichte.Es schenkten, durch ihr Wort sich rasch bekehrend,Indessen jene vollen Glauben ihr,Und schrieen unter Thränen immerwährend:Christ, Gottes Sohn, Du bleibest für und fürDer wahre Gott! – So denken Alle wir.Dir dient die beste Magd. An Dir den Glauben |
420 | Soll selbst der Tod, der uns bedroht, nicht rauben.“Almachius hörte, was sich zugetragenUnd lud Cäcilie vor, und wandte sichSodann zunächst an sie mit dem Befragen:Was bist Du für ein Frauenzimmer? – Sprich!“Und sie begann: Ein Edelweib bin ich!“Ich spreche“ – rief er – ob die Frage schonDich kränken mag, von Glauben und Rel'gion.“Nun, dann befrugst Du mich höchst thöricht eben.Fürwahr, auf eine Frage“ – sprach sie – kann |
430 | Ich eine Antwort nur, nicht zweie geben.“Ihr fiel ins Wort Almachius und begann:Von wannen kommt die Frechheit Dir? – Sag' an!“Von wannen?“ – sprach sie – mir giebt Muth dazuDes Glaubens Kraft und des Gewissens Ruh'!“Wie?“ – frug Almachius – fühlst Du keinen SchreckenVor meiner Macht?“ – Sie aber sprach: Nicht leichtWird Deine Stärke Furcht in mir erwecken,Da Menschenmacht, soweit sie immer reicht,Nur einer windgefüllten Blase gleicht, |
440 | Die, wenn der Nadel Spitze sie durchsticht,Den Halt verliert und rasch zusammenbricht.“Mit Unrecht“ – sprach er – hast Du angefangen,Und störrisch hältst Du an dem Unrecht fest.Denn solltest Du nicht wissen, daß ergangenVon unsern Fürsten ist ein Manifest,Das Euch die Strafen, die Euch droh'n, erläßtUnd ungestörten Frieden Euch gewährt,Sofern Ihr Christum ferner nicht verehrt?“Es irren Eure Fürsten und der Adel“ |
450 | – Cäcilie sprach – und übel angewandtWird das Gesetz! – Ihr wißt, uns trifft kein Tadel,Denn unsere Unschuld ist Euch wohlbekannt.Nach Christi Namen werden wir genannt;Und daß von ihm wir mit Verehrung sprechen,Das macht Ihr uns zum Schimpf und zum Verbrechen.“Wir kennen ihn als tugendhaft und rein;Wie sollten wir ihn zu verläugnen wagen?“Almachius rief: Entscheide zwischen zwei'nKein andrer Weg bleibt für Dich einzuschlagen, |
460 | Als opfern, oder Christum zu entsagen!“Indessen lächelnd gab darauf BescheidDie heil'ge, schöne, segensvolle Maid:O, Richter, fein verdrehst Du Deine Sachen!Soll ich entsagen meiner Seligkeit?Wie, willst Du zur Verbrecherin mich machen?O, seht ihn an, wie vor VerlegenheitEr im Gerichte heuchelt, wüthet, schreit!“Elende!“ – rief Almachius aufgebracht –Du kennst noch nicht den Umfang meiner Macht!“ |
470 | Ward von den mächt'gen Fürsten mir gegebenDie Vollmacht nicht und die Autorität,Um zu entscheiden zwischen Tod und Leben?Was redest Du so stolz und aufgebläht?“Sie sprach: Ich rede standfest nur; mir stehtDurchaus nicht an, mich stolz vor Dir zu brüsten,Als Laster hassen allen Stolz wir Christen.“Doch wenn zu hören Dir der Muth nicht fehlt,Will ich Dir nicht die Wahrheit vorenthalten.Du sprichst: die Fürsten hätten Dich erwählt |
480 | Und ausgestattet mit den Amtsgewalten,Um über Tod und Leben frei zu schalten.Du kannst allein nur in den Tod uns senden,Doch andre Vollmacht hast Du nicht in Händen.“Du magst zwar sagen, daß vom HalsgerichtDie Fürsten zum Verwalter Dich bestellten,Indessen mehr Gewalt besitzt Du nicht.“Almachius rief: Hör' auf mit Deinem Schelten!Zum Opfer geh'! Ich werde nicht entgeltenAn Dir Dein Unrecht. Denn ertragen kann |
490 | Ich dieses leicht als Philosoph und Mann.“Doch, daß den Göttern Schmähung wiederfuhrAus Deinem Munde, darf ich nicht ertragen!“Cäcilie sprach: Spitzfind'ge Creatur!Ich sah aus jedem Worte Deiner FragenSeit lange schon Dein albernes Betragen.In jeder Art bist Du erkannt von mirAls eitler Richter, grober Officier!“Nichts fehlt zum Sehen Deinem Augenpaar,Als nur das Licht. Denn, was wir Alle kennen |
500 | Als einen Stein ganz zweifellos und klar,Will Dir belieben, einen Gott zu nennen.Berühr' ihn nur, und Du mußt fühlen könnenMit Deiner Hand, daß es ein Stein nur ist,Obschon Du blind auf beiden Augen bist.“O, Scham! daß Du den Leuten dienen mußtDurch Deine Thorheit zum Gespött und Hohne!Denn allgemein ist Jeder sich bewußt,Daß hoch im Himmel Gott allmächtig throne.Und diese Bilder mußt Du zweifelsohne |
510 | Für sich und Dich ganz nutzlos doch erkennen,Nicht einen Heller sind sie werth zu nennen!“Dies sagte sie und manches andre Wort.Doch wüthend hieß er sie nach Hause führen,Und um sie zu verbrennen, alsofortEin Feuer unter ihrem Bade schüren.Man eilte, die Befehle auszuführen.Sie wurde schleunigst in ein Bad gebracht,Worunter Feuer brannte Tag und Nacht.Die lange Nacht, sowie am nächsten Tage |
520 | – War auch das Bad und Feuer noch so heiß –Blieb sie stets kalt und fühlte keine Plage,Und sie vergoß nicht einen Tropfen Schweiß,Wiewohl auf des Almachius Geheiß,Der tückisch seine Schergen abgesandt,Sie ihren Tod im Bade dennoch fand.Geführt nach ihrem Nacken wurden dreiVerschied'ne Streiche von dem Henkersknechte;Und dennoch brach der Wirbel nicht entzwei.Nun aber galt in jener Zeit zu Rechte, |
530 | Wer einen Menschen nicht ums Leben brächte,Nachdem er dreimal auf ihn zugeschlagen,Der dürfe nicht zum vierten Mal es wagen.Halb todt ließ die im Nacken schwer VerletzteDaher der Henker liegen, und verschwand.Doch manches Tuch mit ihrem Blute netzteDie Schaar der Christen, welche sie umstand.Und trotz der Qualen fuhr sie unverwandtDrei Tage fort, die theuren GlaubenslehrenZu predigen und ihnen zu erklären. |
540 | Sie schenkte ihnen ihr gesammtes Erbe,Und wies sie auf den Papst Urbanus an,Und sprach: O, Himmelskönig, eh' ich sterbeGewähre mir drei Tage noch fortan,Daß für ihr Seelenheil ich beten kann,Und eine Kirche Dir auf ew'ge ZeitenVermag aus meinem Hause zu bereiten.“Mit seinen Diaconen holte leiseZur Nacht der heil'ge Urban ihr Gebein,Und senkt' es dann in feierlicher Weise |
550 | Zu andern Heil'gen auf dem Friedhof ein.Zur St. Cäcilienkirche“ ließ er weih'nIhr Haus; und dort verehren noch bis heuteChrist und die Heil'ge andachtsvoll die Leute. |