BIBLIOTHECA AUGUSTANA

 

Adolf von Düring

1880

 

Die Canterbury-Erzählungen

 

Fragment VII

 

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Prolog des Mönches.

Vers 965 - 1066

 

Als ich mit Melibeus und der frommen

Prudentia nunmehr zum Schluß gekommen,

Sprach unser Wirth: „Mein Wort darauf, als Mann,

Und bei dem theuren corpus Madrian!

Mir wäre lieber, als ein Faß voll Bier,

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Mein Weibchen hätte zugehört mit mir

Dem, was von Frau Prudentia Ihr erzählt,

Da ihr Geduld in jeder Hinsicht fehlt.“

Gott's Knochen! wenn ich meine Knechte hau',

Bringt mir die dicksten Knüttel meine Frau

Und schreit: „Gieb jedem Hunde seinen Theil,

Brich ihm den Hals, laß keinen Knochen heil!“

Und sollte von den Nachbarn Jemand wagen,

Ihr rücksichtslos den Vortritt zu versagen,

Und grüßt' er sie gar in der Kirche nicht,

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So springt zu Hause sie mir ins Gesicht

Und ruft: „Du feige Memme! räch' Dein Weib!

Gieb mir Dein Messer! Bei des Herren Leib!

Nimm meine Kunkel hin und spinne Du!“

So setzt sie mir bis spät am Abend zu.

„Ach!“ – ruft sie aus – „warum ward ich erschaffen

Für eine Memme, einen feigen Affen,

Der sich beschimpfen läßt von jedem Knecht,

Statt zu vertheid'gen seines Weibes Recht?“

Das ist mein Leben, das ich mit ihr führe.

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Will ich nicht fechten, muß ich aus der Thüre

Mich drücken, sonst hab' ich verspielt; es sei

Dann, ich wär' tollkühn, wie ein wilder Leu.

Sie reizt mich, weiß ich sicher, noch zum Mord

Und eines Tages muß ich von hier fort.

Ein böses Messer führ' ich in der Hand,

Obgleich ich ihr noch niemals widerstand.

Stark ist ihr Arm, und das wird Jeder finden,

Der wagen wollte, mit ihr anzubinden.

Doch sprechen wir nicht von der Sache weiter.

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„Herr Mönch,“ – sprach er – „seid aufgeräumt und heiter

Denn zu erzählen – auf mein Wort – habt Ihr!

Seht, Rochester ist nicht mehr weit von hier.

Vorwärts, mein Herr! verderbt uns nicht das Spiel!

Indeß, bei meiner Treue! mir entfiel

Ganz Euer Name. Heißt Ihr Dan Johann,

Heißt Ihr Dan Thomas oder Dan Alban?

Von welcher Art seid Ihr, aus welchem Haus?

Ihr seht, bei Gott, höchst frisch und blühend aus;

Auf einer noblen Weide müßt Ihr gehn,

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Kein Geist und Büßer kann hier vor mir stehn!

Bei meiner Treu'! Ihr seid ein Officiant,

Ein Meßner oder Meister vom Proviant.

Bei meines Vaters Seele! grad heraus,

Ihr seid ein Meister und ein Herr zu Haus;

Nicht ein Novize, nicht ein Klosterbruder,

Nein, klug und weise führt Ihr selbst das Ruder.

Den Muskeln und den Knochen sieht man's an,

Ihr seid ein wohl- und hochgestellter Mann,

Und in der Hölle schenke Gott ihm Lohn,

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Der Euch zuerst beschwatzt zur Religion.

Zum Tretehahn scheint Ihr wie ausgewählt,

Wenn's bei der Kraft an Angebot nicht fehlt.

Wär't Ihr mit Lust dem Zeugungswerk ergeben,

Euch dankten viel Geschöpfe wohl das Leben.

Wie geht Ihr in der Kutte nur einher?

Ach, lieber Gott! wenn ich der Papst nur wär',

So solltest Du, wie jeder Mann von Mark,

Sei ihm das Haupt beschoren noch so stark,

Ein Weibsbild freien. Denn wo bleibt die Welt,

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Wenn alles Korn nur die Rel'gion erhält?

Wir armen Laien müssen Krüppel bleiben,

Da schwache Bäume schlechte Sprossen treiben.

Und daher kommt's, daß unsre Kinder schwach

Und ohne Kraft sind für das Zeugungsfach.

Und deßhalb sind die Weiber immer hold

Der Geistlichkeit, die stets mit Venusgold

Zu zahlen pflegt, indeß wir Laien eben,

Gott weiß es, nichts als Luxenburger geben.

Doch hoff' ich nicht, daß Euch mein Scherz mißfiel.

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Es heißt ja: oft steckt Wahrheit in dem Spiel.“

Der würd'ge Mönch nahm Alles ruhig hin

Und sprach: „Soweit ich dazu fähig bin,

Will ich sehr gern an ehrbaren Geschichten

Euch eine, ja selbst zwei bis drei, berichten.

Und leiht Ihr mir ein aufmerksames Ohr,

Trag' ich das Leben von St. Eduard vor;

Sonst mach' ich mit Tragödien den Beginn,

Denn wohl ein hundert stecken mir im Sinn.“

Wie uns die alten Bücher unterrichten,

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Bezeichnet als Tragödien man Geschichten

Von solchen Leuten, die vom höchsten Glück

Gefallen sind ins tiefste Mißgeschick,

Und in das Elend und den Tod getrieben.

Meist sind sie in Hexametern geschrieben,

Das heißt in Versen, die sechs Füße zählen;

Doch kann man auch ein andres Versmaß wählen

Und häufig wird auch Prosa angewandt.

Dies lasset Euch genügen vor der Hand;

Nun hört mir zu, sofern es Euch gefällt.

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Doch eine Bitte sei zuvor gestellt:

Zähl' ich nicht immer nach dem Zeitverlauf

Die Päpste, Kaiser oder Kön'ge auf,

Und sollte diesen ich zu früh, und jenen

Zu spät vielleicht dem Alter nach erwähnen,

Wie es mir eben einfällt, so verzeiht

Mir gütigst meine Ungelehrsamkeit.