Adolf von Düring
1880
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Die Canterbury-Erzählungen
Fragment VII
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Erzählung des Mönches.Vers 1067 - 1842
Ich werde nach Tragödienart beklagenDie Leiden derer, die aus hohem StandIn Elend fielen, und der Last erlagen, | |
1070 | Nachdem auf Rettung jede Hoffnung schwand.Hat sich Fortuna erst zur Flucht gewandt,Kann ihrem Rad kein Mensch den Lauf verwehren.Drum laßt von mir des Glückes UnbestandEuch durch manch altes, treues Beispiel lehren.
Lucifer.Von Lucifer sollt Ihr zunächst erfahren,Obschon er Engel und kein Mensch gewesen.Zwar lenkt Fortuna nicht die Himmelsschaaren,Doch in die Hölle stürzte Lust zum BösenFür ew'ge Zeiten dies erhab'ne Wesen. |
1080 | O, Lucifer, Du glänzendster von Allen,Nun bist Du Satan. Nichts kann Dich erlösenVom Elend, welchem Du anheimgefallen.
Adam.Seht Adam, der von Gott mit eignen HändenErschaffen ward einst auf Damaskus' FlurUnd nicht erzeugt aus schmutz'gen Menschenlenden.Der, abgesehn von einem Baume nur,In Eden herrschte. Keine CreaturStand höher, bis ihn eigenes VerschuldenVertrieb vom Gottesgarten der Natur, |
1090 | Sich abzumühn und Höllenqual zu dulden.
Simson.Betrachtet Simson, welcher ungeborenVom Engel schon der Welt verkündigt war,Den Gott in seiner Allmacht auserkorenZu hohem Ruhm, so lang' sein AugenpaarNoch Licht besaß. Denn aus der Männer SchaarGlich keiner ihm an Kraft und kühnem Wagen,Bis daß er sein Geheimniß offenbarDem Weib gemacht, und dann sich selbst erschlagen.Der edle Simson war's, der starke Held, |
1100 | Der einen Löwen mit der Hand bezwangUnd würgte, als er wehrlos übers FeldDes Weges schritt auf seinem Hochzeitsgang.Doch seines Räthsels Lösung ihm entrangDurch Schmeichelei'n sein Weib, das ungetreue,Verrieth ihn seinen Feinden, und zum DankVerließ sie ihn und freite dann aufs Neue.Dreihundert Füchse hatt' er eingefangen,Die mit den Schwänzen er zusammenband,Nachdem an jeden Fuchsschweif er gehangen |
1110 | In seinem Jähzorn einen Feuerbrand.Verheert ward jedes Kornfeld rings im LandUnd jeder Wein- und Oelberg durch die Meute,Und mit dem Eselskinnbein in der Hand,Als einz'ger Waffe, schlug er tausend Leute.Von Durst gequält, als sie erschlagen waren,Bat er zu Gott, erschöpft und todesbang,Er möge ihn erretten und bewahrenDurch einen Trunk vor sicherm Untergang.Und aus dem todten Eselskinnbein sprang |
1120 | Sofort aus einem Backenzahn die Quelle.So sandte Gott ihm den Erquickungstrank.– Im Buch der Richter findet Ihr die Stelle.Von Gazas Thoren riß er Nachts die Flügel,Trotz aller Stadtphilister Widerstand,Gewaltsam aus, und trug auf einen HügelSie bis zur Spitze mit gewalt'ger Hand,Damit sie Jeder sähe rings im Land.edler Simson, hätte, tapfrer Streiter,Dir Dein Geheimniß nicht ein Weib entwandt, |
1130 | So gliche Keiner Dir auf Erden weiter.Die Vorschrift eines Engels hieß ihn meidenDen Wein und Cider, und sich nimmerdarSein Haupt zu scheeren oder zu beschneiden.Denn seine Stärke lag in seinem Haar.In Israel regierte Jahr für JahrEr über zwanzig Winter Land und Leute.Doch brachten ihn die Weiber in Gefahr,Was unter manchen Thränen er bereute.Denn als sein Kebsweib Delila kaum hörte, |
1140 | Daß alle Kraft ihm durch sein Haar verliehn,Verrieth ihn die durch Feindesgold Bethörte,Und als er schlummernd lag auf ihren Knie'n,Schnitt sie, um seine Kraft ihm zu entziehn,Das Haar ihm ab, und übergab den HändenDes Feindes den Geschwächten, welcher ihnMit Stricken band, um ihn sodann zu blenden.So lang' sein Haar er trug, war Keiner stärker.Ihm konnten keine Banden widerstehn.Nun aber sitzt gefangen er im Kerker, |
1150 | Und muß gezwungen dort die Mühle drehn.O, Richter, einst so hoch und angesehn,O, edler Simson, stärkster Mann von Allen,Wohl mögen in den blinden Augen stehnDie Thränen Dir, denn tief bist Du gefallen!Hört, wie sein Dasein elend er beschlossen!Ein Fest ward von dem Feinde angestelltIm reichgeschmückten Tempel, wo mit PossenDer Aermste sie gezwungen unterhält.Doch wurde bitter ihre Lust vergällt. |
1160 | Denn um zwei Pfeiler schlingt er seine Hände.– Sie stürzen, und der ganze Tempel fällt,Und mit den Feinden fand auch er sein Ende.Die Fürsten alle, will ich damit sagen,Und noch Dreitausend wurden überher,Beim Sturz des Tempels vom Gestein erschlagen.Von Simson aber red' ich nun nicht mehr.Doch zeigt dies alte Beispiel Euch, wie sehrEs Noth thut, nicht vor Weibern auszuprahlen,Was man geheim zu halten wünscht; denn schwer |
1170 | Muß man es sonst mit Leib und Leben zahlen.
Herkules.Von Herkules', des Weltbezwingers, RuhmeZeugt manches Werk, das seiner Hand geglückt.An Manneskraft war er der Vorzeit Blume.Er schlug den Löwen, dessen Haut ihn schmückt,Hat der Centauren Uebermuth erdrückt,Die grausigen Harpyen überwunden,Des Drachen goldne Aepfel abgepflückt,Und Cerberus den Höllenhund gebunden.Busiris, den Tyrannen, schlug er nieder, |
1180 | Und gab den Rossen sein Gebein zum Schmaus.Er schlug die gift'ge, feuerspei'nde Hyder,Und brach ein Horn dem Acheloos aus,Den Cacus hat in seinem Felsenhaus,Antäus hat, den Riesen, er erschlagen,Dem grimmen Eber gab er den Garaus,Und hat des Himmels schwere Last getragen.Es lebte Keiner seit der Welt Beginne,Der so viel Ungeheuer überwand.Es war der Ruf von seinem Biedersinne |
1190 | Und seiner Stärke weit und breit bekannt.Von ihm durchzogen wurde jedes Land.Es war an Kraft ihm Niemand zu vergleichen.Je einen Pfeiler pflanzt' er an dem RandDer Erde auf als Grenz- und Ruhmeszeichen.Als Kebsweib lebte mit dem edlen HeldenDie Dejanira, eine junge Maid,Frisch wie der Mai, und gab, wie Schreiber melden,Ihm einst ein neues, buntgeschecktes Kleid.Doch war in Gift von solcher Wirksamkeit |
1200 | Das Hemd getränkt – o Jammer und Entsetzen! –Daß ihm schon nach zwölf Stunden TragezeitDas Fleisch von seinen Knochen fiel in Fetzen.Zwar manche Schreiber auch der Ansicht huld'gen,Daß Nessus ihm das gift'ge Hemd gesandt,Nun, das mag sein. – Ich will sie nicht beschuld'gen.Er trug auf nacktem Leibe das Gewand,Bis schwarz vom Gift ihm alles Fleisch gebrannt;Und hoffnungslos, das Uebel abzuwenden,Begrub er sich in glüh'nder Kohlen Brand, |
1210 | Um nicht durch Gift unehrenvoll zu enden.So ist der edle Herkules gestorben.Sieh', wer vertraut dem Glück noch fernerweit?Wie oft fällt der, den alle Welt umworben,Bevor er's denkt, in tiefste Niedrigkeit.In Selbsterkenntniß liegt die Männlichkeit!Laßt vor dem schmeichlerischen Glück Euch warnen;Es wartet nur auf die Gelegenheit,Die Menschen unvermuthet zu umgarnen.
Nebukadnezar.Des Königes Nebukadnezars Macht, |
1220 | Der Schätze unermeßlichen Bestand,Des Scepters Ruhm, des Thrones Glanz und Pracht,Macht keine Zunge je getreu bekannt.Zweimal hat er Jerusalem berannt,Und das Geräth des TempelheiligthumesGeplündert und nach Babylon gesandt,Der auserwählten Hauptstadt seines Ruhmes.Die schönsten Fürstenkinder Israels wählteZu Sclaven er, nachdem beschnitten warZuvor ein jeder Knabe; und es zählte |
1230 | Auch unter Andern Daniel zu der Schaar,Der Weiseste von Allen, welcher klarAuslegen konnte, wie geschickt erläuternDen Traum des Königs, was mißlungen warBislang Chaldäas ersten Zeichendeutern.Ein Standbild ließ der stolze König gießenAus reinem Golde, sechzig Ellen langUnd sieben breit, das ehrfurchtsvoll zu grüßenEr Alt und Jung im ganzen Lande zwang.Wer nicht gehorchte, fand den Untergang |
1240 | In einem Flammenofen. Doch entschlossen,Sich nimmerdar zu beugen solchem Zwang,Blieb Daniel mit seinen zwei Genossen.Der stolze Fürstenkönig schien zu glauben,Es könne Gottes Allmacht nimmermehrIhn seiner Würde und Gewalt berauben.Doch plötzlich traf des Himmels Hand ihn schwer.Ihm schien, daß er zum Thier geworden wär';Und lange Zeit von diesem Wahn besessen,Lief mit dem Vieh im Regen er umher, |
1250 | Um wie ein Ochse Gras und Heu zu fressen.Zu Adlersfedern wuchsen seine Haare,Zu Vögelklau'n die Nägel seiner Hand.Doch ward ihm gnädig im Verlauf der JahreZurückgeschenkt vom Himmel der Verstand.Er dankte Gott, von Thränen übermannt;Und mied fortan des Lasters Sündenpfade.Und noch bevor er Ruh' im Grabe fand,Erkannt' er, Gott sei voller Macht und Gnade.
Belsazar.Sein Erbe Belsazar bestieg den Thron, |
1260 | Nachdem des Vaters Lebenstag geendet.Jedoch sein Schicksal warnte nicht den Sohn.Er war durch Stolz und Uebermuth verblendet,Ja, Götzen selbst hat Opfer er gespendet;Es wuchs sein Hochmuth stets mit seinem Glücke.Doch als sich dieses von ihm abgewendet,Fiel plötzlich auch sein ganzes Reich in Stücke.Zu einem Feste lud er aus dem ganzenGebiet des Reiches einst den Adel ein;Und ihn zu ehren, rief er seine Schranzen |
1270 | Und sprach: Sogleich bringt das Gefäß herein,Das mein erhabner Vater aus dem SchreinDes Tempels in Jerusalem genommen,Den hohen Göttern unsern Dank zu weihn,Daß uns der Ahnen Ehren überkommen!“Begierig tranken aus den edlen KrügenSein Weib, die Concubinen und die SchaarDer Edelleute Wein in vollen Zügen;Doch auf zur Mauer starrte Belsazar,Und vor Entsetzen sträubte sich sein Haar; |
1280 | Denn eine Hand fuhr eilig hin und wiederUnd schrieb, obwohl kein Arm zu sehen war,Die Worte: Mene tekel phares“ nieder.Von keinem Magier ward im ganzen LandeDer Sinn von diesen Worten klar gemacht.Allein nur Daniel war dazu im Stande,Und sprach: O, Fürst! Dein Vater war mit Macht,Mit Ehre, Ruhm und Schätzen reich bedacht;Doch als er Gott in seinem Stolz vergessen,Hat ihn der Herr in schweres Leid gebracht, |
1290 | Und seines Reichs beraubt, das er besessen.“Von menschlicher Gesellschaft ausgeschlossen,Durchlief in Wind und Wetter er die Flur,Fraß Heu, und Esel hatt' er zu Genossen,Bis er durch Gnade, durch Vernunft erfuhr,Daß Gott im Himmel jede CreaturUnd jedes Reich nach seinem Willen lenkt.Worauf ihm Macht und menschliche NaturIn seinem Mitleid Gott zurückgeschenkt.“Auch Du, sein Sohn, hast Dich, durch Stolz verblendet, |
1300 | Obschon Dir alle diese Dinge klar,Von Deinem Gott als ein Rebell gewendet.Du wagtest frech und jeder Sitte bar,Mit Deinen Weibern, Deiner Dirnen SchaarAus diesen heil'gen Bechern Wein zu trinken,Du brachtest Götzen Frevelopfer dar,Und wirst dafür ins tiefste Elend sinken.“O, glaube mir, die Hand, die aufgeschriebenIhr ›Mene tekel phares‹ an die Wand,Hat Gott geschickt. Es wird Dein Reich zerstieben. |
1310 | Dein Thron ist hin. Du bist zu leicht erkannt.An Meder und an Perser fällt Dein Land!“Er sprach's. – Der König aber ward erschlagenIn selber Nacht. Worauf Darius' HandDann seinen Scepter wider Recht getragen.Seht, edle Herren, dieses Beispiel lehret,Es biete Herrschaft keine Sicherheit.Wenn Euch Fortuna ihren Rücken kehret,Verschwinden Reichthum, Macht und Herrlichkeit,Ja, Freunde macht zu Feinden selbst das Leid. |
1320 | Rasch weiß das Unglück – scheint mir – zu vertreibenSo Groß wie Klein; und wahr wird alle ZeitDies alte weitbekannte Sprüchwort bleiben.
Zenobia.Zenobia, Palmyras Königin,Ward von den Persern rühmend stets besungen.In Hinsicht auf Geburt und EdelsinnHat ihr die Palme nie ein Mensch entrungen.Sie war aus Persiens Königsblut entsprungen.Kaum schön zu nennen war sie, doch voll KraftHat sie die Waffen mit Geschick geschwungen, |
1330 | Und von Gestalt war sie untadelhaft.Ihr galt – erzählt man – seit der Kindheit TagenDer Weiber Thun und Schaffen für gering.Den Wald durchzog sie, um den Hirsch zu jagen,Und wenn das Wild dem scharfen Pfeil entging,Erhaschte sie's im raschen Laufe flink.Herangewachsen, bändigte sie TigerUnd Bären, ja selbst Löwen, die sie fing,Und blieb in jedem Kampf mit ihnen Sieger.Sie pflegte Nachts die Berge zu durchstreifen, |
1340 | Im Busch zu schlafen und mit kühner HandDas Raubthier in der Höhle zu ergreifen.Von ihr ward jeder Jüngling übermannt,Der ihr im Kampfe gegenüber stand.Ihr Arm warf selbst die stärksten Männer nieder;Das Mädchenthum hat Keiner ihr entwandt,Denn sich zu binden, war ihr stets zuwider.Doch wählte schließlich auf der Freunde RathSie zum Gemahl nach langem WiderstrebenDen edlen Landesfürsten Odenat. |
1350 | Und Ihr müßt wissen, ganz wie sie war ebenAuch er dem Kampfe und der Jagd ergeben.Indessen war, wenn auch in Furcht und ScheuSie sich verbanden, reich beglückt ihr LebenUnd beiderseitig voller Lieb' und Treu.Nur eine Sache macht' ihn sehr verdrossen,Daß sie ihm nur, damit die Welt vermehrtDurch die Geburt von einem Leibessprossen,Mit ihr den Beischlaf zu vollziehn, gewährt.Ward ihr indessen keine Frucht bescheert |
1360 | Durch diesen Act, so ließ sie ihn vollbringenZum zweiten Male, was sein Herz begehrt;Doch nie dazu aus Furcht vor ihm sich zwingen.Sobald ein Kind hingegen sie empfangen,War auch vorbei das Liebesspiel für ihn,Und erst, wenn vierzig Tage hingegangen,Ließ sie noch einmal ihn den Act vollziehn.Wie sehr er bat, wie aufgebracht er schien,Es half ihm nichts. Sie pflegte nur zu sagen,Daß es ein Schimpf sei, sich zu unterziehn |
1370 | Dem Zeugungswerk aus Lust und Wohlbehagen.Zwei Söhne waren Früchte der Vermählung,Die sie erzog zu Tugend und Verstand.Doch um zurückzukehren zur Erzählung,Muß ich Euch sagen, daß in keinem LandDer Erde man ein Wesen jemals fand,So würdig, weise, maßvoll von Betragen,Die Muth mit feiner Sitte so verband,Und die so tapfer sich im Kampf geschlagen.Ich könnte nie genügend Euch erzählen |
1380 | Von aller Kleider und Geräthe Pracht.Sie schmückte sich mit Gold und mit Juwelen,Und hatte trotz der Leidenschaft zur JagdZu eigen manche Sprache sich gemacht,Und mit dem Lesen guter Bücher gerneDie Stunden ihrer Muße hingebracht,Damit sie, tugendhaft zu leben, lerne.Doch um die Sache nicht zu breit zu treten:Erobert hatte dieses tapfre PaarManch großes Reich mit manchen schönen Städten |
1390 | Im Orient, wo Romas stolzem AarDie ganze Gegend unterthänig war;Und hielten fest mit starker Hand die Beute,Und nie verjagte sie der Feinde Schaar,So lang' des Lebens Odenat sich freute.Wer lesen will, wie König Sapors MachtUnd andrer Fürsten Heere sie geschlagen,Aus welchen Gründen sie den Krieg gemacht,Und was sich Alles darin zugetragen,Wie sie, besiegt, in spätern Lebenstagen |
1400 | Gefangenschaft und Ungemach ertrug,Dem rath' ich an, Petrarka zu befragen,Denn, auf mein Wort! er schreibt davon genug.Selbst nach dem Tod von Odenat hielt kräftigSie der Regierung Zügel in der Hand.Mit ihren Feinden kämpfte sie so heftig,Daß jeder Fürst und König rings im LandSich freute, wenn er Gnade vor ihr fand,Ja, lieber, als den Krieg mit ihr zu wagen,Des Friedens halber sich mit ihr verband, |
1410 | Und ungestört sie reiten ließ und jagen.Galien sogar, und später Claudius,Die nacheinander Romas Kaiser waren,Besaßen nicht den Muth und den Entschluß,Sich auszusetzen solchen Kriegsgefahren.Es mieden Syriens und Aegyptens Schaaren,Armenier und Araber jede SchlachtAus Furcht, daß sie von ihrem Heer zu PaarenGetrieben würden oder umgebracht.Die Söhne prangten stolz im Königskleide |
1420 | Als Erben von des Vaters weitem Land.Als Heremann und Timolos sind beideDem ganzen Volk der Perser wohl bekannt.Doch Galle mischt dem Honig stets die HandFortunas bei, und wie das Glück sich wendet,Erfuhr die mächt'ge Fürstin, die – verbanntAus ihrem Reich – in Noth und Schmach geendet.Denn als des Aurelianus starke HandDie Kaiserkrone Roms davon getragen,Beschloß er gleich, von Rachedurst entbrannt, |
1430 | Mit den Legionen einen Krieg zu wagen.Und hat Zenobia – um es kurz zu sagen –Besiegt, gefangen, und ihr Reich verheert;Ließ mit den Söhnen sie in Fesseln schlagen,Worauf nach Rom er dann zurückgekehrt.Ihr goldner mit Gestein verzierter WagenWard von dem großen Römer AurelianMit andrer Beute, die davon getragen,Zur Schau gestellt in Rom für Jedermann.Sie aber schritt, als der Triumph begann, |
1440 | Im Kronenschmuck von ihrer KönigswürdeUnd steinbesetztem Prachtgewand voran,Den Hals beschwert durch goldner Ketten Bürde.Fortuna, ach! – Sie, die in ihrer KraftSo Könige wie Kaiser einst bezwungen,Wird jetzt – o, Schmach! von allem Volk begafft.Sie, die behelmt im Schlachtenbraus gerungen,Der mancher Sturm auf Thurm und Stadt gelungen,Trägt jetzt der Knechtschaft grobes Kopfgewand;Sie, die den blüh'nden Scepter einst geschwungen, |
1450 | Spinnt jetzt ums Brod, die Kunkel in der Hand.
Peter von Spanien.Mit Recht beklagt man Deinen JammertodHispaniens Stolz, o, edler, würd'ger Peter,Dem Ehren einst Fortuna reichlich bot.Dein Bruder trieb Dich aus dem Land, und späterVerlockte hinterlistig durch VerrätherEr Dich aus Deiner Festung in sein Zelt,Wo Dir mit eigner Hand der MissethäterDas Leben nahm, die Herrschaft und das Geld.Im weißen Felde klebt ein schwarzer Aar |
1460 | An einem feuerrothen Leimstock feste,Von dem die schnöde That ersonnen war;Und ausgebrütet ward's im schlimmen Neste.Nicht Karls Ol'vier thats, der ehrenfeste,Nein, Olivier aus dem Bretagnerland;Ein Ganelon, den man durch Geld erpreßte,Bot zum Ruin des Königs seine Hand.
Pedro, König von Cypern.O edler Pedro, Cyperns Königsheld,Der tapfer Alexandrien bezwungen,Du Züchtiger der ganzen Heidenwelt, |
1470 | Vasallen haben Dich, von Neid durchdrungen,Weil Du Dir hohen Ritterruhm errungen,In Deinem Bette Morgens umgebracht.So wird Fortunas Rad herumgeschwungen;Und heute weint, wer gestern noch gelacht.
Barnabo Visconti.Vom großen Barnabo Visconti sei,Dem Herrscher Mailands, Euch Bericht gegeben.Du Gott der Lust, Du Fluch der Lombardei!Wer wagte je, so hoch empor zu streben?Der Sohn des eignen Bruders, der daneben |
1480 | Als Schwiegersohn Dir doppelt anverwandt,Nahm Dir in Deiner Kerkerhaft das Leben;Wie und weßwegen blieb mir unbekannt.
Hugolin von Pisa.Kaum melden kann mein Mund vor Leid und WeheGraf Hugolin von Pisas Höllenpein.Es steht ein Thurm in Pisas nächster Nähe;Dort sperrte man ihn als Gefangnen ein,Mitsammt drei Kindern, noch so zart und klein,Daß kaum das älteste fünf Jahre zählte.Ach, Schicksal, das für solche Vögelein |
1490 | Solch einen Ort zum Käfig auserwählte.Er war verdammt, in seiner Haft zu sterben,Denn Roger, Pisas Bischof, war bedacht,Ihn unter falschem Vorwand zu verderben;Weßhalb das Volk zum Aufstand er entfacht.So ward er zum Gefangenen gemacht,Wie ich bereits Euch vorhin kund gegeben;Zwar wurde Trank und Nahrung ihm gebracht,Doch arm und schlecht und kaum genug zum Leben.Als einst die Stunde kam, in der zuvor |
1500 | Ihm stets sein Mahl der Wärter zugetragenVernahm er, daß verschlossen ward das Thor.Er schwieg – indeß sein Herz begann zu zagen,Und konnte sich der Ahnung nicht entschlagen,Daß er bestimmt zum Hungertode sei.Weh'! daß mich meiner Mutter Schoß getragen!“– Rief er, und weinte bitterlich dabei.Sein jüngster Knabe von drei Jahren sprach:Sag' Vater, warum Deine Thränen fließen?Bringt nicht der Wärter uns die Suppe? Ach! |
1510 | Soll ich kein einzig Stückchen Brod genießen?Ich kann vor Hunger nicht die Augen schließen.Gern schlief' auf ewig, lieber Gott, ich ein,Damit die Schmerzen mich in Ruhe ließen;Jedoch das Liebste würde Brod mir sein.“So klagte Tag für Tag das Kind sein Leiden,Bis es im Schoß des Vaters niedersank.Leb' wohl, mein Vater!“ – rief es – ich muß scheiden!“Und starb, indem es küssend ihn umschlang.Der Vater sah's, und biß im Schmerzensdrang |
1520 | Sich vor Verzweiflung in die beiden Arme.O, weh' mir!“ – rief er – Deines Rades Gang,O, falsches Glück, ist Schuld an meinem Harme!“Die Kinder wähnten, daß er Hunger leide,Als er vor Jammer in den Arm sich biß.Ach, Vater, unterlass' es!“ – riefen beide –Nimm von uns Zweien doch das Fleisch und ißDich satt daran; denn Dir gehört's gewiß;Du gabst es uns!“ – so baten sie und riefen,Bis nach zwei Tagen sie der Tod entriß |
1530 | Vom Schoß des Vaters, wo sie sanft entschliefen.Und in Verzweiflung mußte Hungers sterbenAuch Pisas mächt'ger Graf nach kurzer Zeit.Fortuna riß vom Glanz ihn ins Verderben.Hier endet die Tragödie. Aber seidIhr, mehr zu hören, willig und bereit,Mögt Ihr Italiens großen Dichter fragen,Der Dante heißt. – Er kann Euch weit und breitVon Punkt zu Punkt darüber Alles sagen.
Nero.Ist Nero auch so lasterhaft gewesen |
1540 | Wie je ein Teufel in der Hölle Schlund,War dennoch – wie im Sueton wir lesen –Ihm unterthan in Osten, Westen undIn Nord und Süd das weite Weltenrund.Er liebte sehr, mit Schmuckwerk sich zu zieren,Und seine Kleider glänzten reich und buntVon Perlen und Rubinen und Saphiren.An Stolz und Pracht und üppigem BehagenGlich ihm kein Kaiser je zuvor im Land.Wenn er sein Kleid nur einen Tag getragen, |
1550 | Ward abgethan für immer das Gewand.Er fischte, wenn er Lust dazu empfand,Im Tiberstrom mit vielen goldnen Netzen;Ihm war Fortuna freundlich zugewandt,Und seine Launen macht' er zu Gesetzen.Einst hieb die Senatoren er zusammen,Sich zu belust'gen an dem Wehgeschrei;Er setzte Rom aus Uebermuth in Flammen,Erschlug den Bruder, lag der Schwester bei.Von jedem Band der Kindesehrfurcht frei, |
1560 | Schnitt dieses Scheusal – Wehe über Wehe! –Sogar der eignen Mutter Leib entzwei,Daß er den Ort, der ihn empfangen, sähe.Er weinte bei dem Anblick keine Zähren.Sie war ein schönes Weib!“ – sprach er alleinWie konnte – läßt dies Räthsel sich erklären? –Er Richter ihrer todten Reize sein?Und als er dies vollbracht, verlangt' er WeinUnd trank ihn aus mit ruhigem Gebahren.Ach! tief frißt sich das Gift des Lasters ein, |
1570 | Wenn Herrschermacht und Grausamkeit sich paaren.Des Kaisers Lehrer, der ihn in der JugendZur Wissenschaft und Höflichkeit erzog,Galt als die Blume der Moral und TugendIn jener Zeit – sofern mein Buch nicht log. –So lang' des Lehrers Einfluß überwog,Schien er verständnißvoll und wohlgerathen,Doch wuchs in ihm, je mehr die Zeit verflog,Der Hang zur Herrschsucht und zu Missethaten.Vor diesem Seneka, von dem wir sprechen, |
1580 | In steter Furcht der Kaiser Nero stand,Verständig strafte Laster er und SchwächenDurch ernste Worte statt mit grober Hand.Ein Kaiser“ – sprach er – soll stets unverwandtNach Tugend streben und Gewalt vermeiden.“Doch für dies Wort ließ Nero wuthentbrannt,In einem Bad die Adern ihm durchschneiden.Daß er vor seinem Meister mit VerehrungIn seiner Jugendzeit das Haupt gesenkt,Erschien ihm späterhin als Selbstentehrung, |
1590 | Weßhalb den Tod er über ihn verhängt.Doch Seneka, dem freie Wahl geschenkt,Zog vor, das Bad mit seinem Blut zu röthen,Daß andre Qualen von ihm abgelenkt.Seht, so ließ Nero seinen Lehrer tödten!Indeß, Fortuna selber ward verdrießlich,Als Neros Hochmuth immer wuchs und schwoll.Zwar war er stark, doch sie blieb stärker schließlich,Und dachte so: Bei Gott! nicht länger sollEin solcher Mann, der aller Laster voll, |
1600 | Die Krone tragen, oder Kaiser heißen.Bei Gott! ganz unerwartet soll mein GrollIhn treffen und von seinem Throne reißen.Zur Nacht empörte wider seine LasterSich einst das Volk. Jedoch zu rechter ZeitSchlich aus der Thüre heimlich sich in Hast erUnd suchte bei Bekannten Sicherheit,Doch wo er immer klopft und fleht und schreit,Man riegelte die Thüre fest von innen;Ihn aufzunehmen war kein Mensch bereit; |
1610 | Das sah er ein, und zog enttäuscht von hinnen.Und lärmend zog des Pöbels Schaar heran;Und ihm zu Ohren diese Worte drangen:Wo ist der falsche Nero, der Tyrann!?“Vor Furcht war die Besinnung ihm vergangenUnd zu den Göttern fleht er voller BangenUm Hülfe – aber keine Rettung kam;So daß zuletzt, von Todesfurcht umfangen,Er ein Versteck im nächsten Garten nahm.Er fand, sobald den Garten er betrat, |
1620 | Zwei Männer, die dort um ein Feuer lagen,Das lodernd flammte, und die beiden batEr flehentlich, sein Haupt ihm abzuschlagenUnd zu verbergen, um nicht zu ertragen,Daß seine Leiche zum Gespött gemacht,Doch mußte schließlich er sich selbst erschlagen;Wozu Fortuna schadenfroh gelacht.
Holofernes.Nie hat ein Feldherr königlicher HeereSo viele große Länder unterjocht;Nie war ein Mann, der auf dem Feld der Ehre |
1630 | Mit solcher Kraft in jenen Zeiten focht,Der prahlerischer je auf Ruhm gepocht,Als Holofernes, den mit WollustschlingenFortuna anfangs schmeichlerisch umflocht,Um ihn dann plötzlich um den Hals zu bringen.Gefürchtet war er rings in allen Ländern;Die Völker büßten Gut und Freiheit ein.Er zwang sie, ihren Glauben abzuändern,Ihr Gott – befahl er – solle nur alleinFür alle Zeit Nebukadnezar sein. |
1640 | Es konnte seinem Willen widerstehenBethuliens starke Veste nur allein,Wo Eliachim das Priesteramt versehen.Dies aber war des Holofernes Ende:Im Lager schlief er, weinberauscht zur NachtIn seinem großen Zelte, als behendeSich Judith einschlich, die trotz seiner MachtUnd seines Pomps im Schlaf ihn umgebrachtUnd dann, nachdem sein Haupt sie abgeschlagen,Sich ungesehen aus dem Staub gemacht, |
1650 | Um seinen Kopf in ihre Stadt zu tragen.
Antiochus.Was soll ich von der Pracht und MajestätDes Königes Antiochus Euch sagen?Wie er, hat Niemand sich vor Stolz gebläht,Noch jemals sich so lasterhaft betragen.Ihr mögt das Makkabäerbuch befragen.Dort stehn die stolzen Worte, die er sprach.Dort seht Ihr, wie er vom Geschick geschlagenAuf einem Hügel starb in Noth und Schmach.Er pflegte stolz sich auf sein Glück zu steifen, |
1660 | Und glaubte schier in seinem Uebermuth,Er könne mit der Hand die Sterne greifen,Die Berge wiegen, und des Meeres FluthBeherrschen – und beschloß aus Haß und WuthDas Volk Jehovas gänzlich zu vernichten.Er ließ es grausam martern bis aufs Blut,Und wähnte stolz, ihn könne Gott nicht richten.Doch als Timotheus und NikanorDer Macht des Judenvolkes unterlagen,Erschwoll sein Haß gewalt'ger, denn zuvor. |
1670 | Und eiligst ließ er schmieren seinen Wagen,Um spornstreichs nach Jerusalem zu jagen;Und fluchte höchst verächtlich und er schalt,Sie sollten schwer an seinem Zorne tragen.Indeß zu Schanden ward sein Vorsatz bald.Zur Strafe für sein Drohen schlug ihn kläglichMit unheilvollen Wunden Gottes Hand.In seinem Innern ward ganz unerträglichIhm das Gedärm zerrissen und verbrannt,So daß er die gerechte Strafe fand |
1680 | Für Qualen, die er Andern auferlegte.Doch trotz der Schmerzen blieb er unverwandtBei dem verruchten Vorsatz, den er hegte.Auf sein Geheiß stand bald sein Heer gerüstet;Doch unerwartet ward ein Ziel gesetztAll seinem Stolz, mit dem er sich gebrüstet.Vom Wagen stürzend, ward er schwer verletzt,Sein Leib zerschmettert, seine Haut zerfetzt.Zum Gehen weder fähig noch zum Reiten,Trug ihn in einer Sänfte man zuletzt |
1690 | Mit wundem Rücken und gebrochnen Seiten.Denn Gottes Zorn schlug ihn mit schwerer Plage.Von eklen Würmern ward sein Leib verzehrt,In Folge dessen er bei Nacht und TageSo gräßlich stank, daß vom Geruch beschwert,Die Dienerschaft den Rücken ihm gekehrt,Die voller Abscheu dem Gestank entrannte,So daß er endlich, durch sein Leid belehrt,Die Allmacht Gottes weinend anerkannte.Dem ganzen Heer und auch ihm selbst zumal |
1700 | Ward unerträglich der Gestank der Wunden;Unmöglich war's, trotz seiner Höllenqual,Noch einen Träger für ihn auszukunden.Auf einem Berge hat den Tod gefundenDer Räuber und der Mörder, dessen HandDie Menschheit so gemartert und geschunden.Das war die Strafe, die sein Hochmuth fand.
Alexander.Schon oft erzählt ist Alexanders Leben.Bald mehr, bald weniger davon bekanntIst jedem Manne, dem Verstand gegeben. |
1710 | Das Facit bleibt, daß er mit starker HandDen ganzen Weltkreis rühmlich überwand,Daß er der Menschheit Stolz zu Boden drückte,Wohin er kam, bis zu der Erde Rand,Und Friedensboten jedes Volk ihm schickte.Mit ihm verglichen werden kann kein HeldUnd kein Erobrer, den es je gegeben.Aus Furcht vor ihm erbebte rings die Welt.Frei war sein Sinn und ritterlich sein Leben.Und Ehre gab als Erbtheil ihm daneben |
1720 | Fortunas Gunst. Nichts hemmte, als die LustZu Wein und Weibern, je sein kühnes Streben,Und Löwenmuth beseelte seine Brust.Was nützt es seinem Ruhme, Euch zu melden,Wie er Darius überwand und schlug,Wie Kön'ge, Fürsten, Herzoge und HeldenZu Hunderttausend er ins Elend jug.So weit ein Roß je einen Reiter trug,War sein die Welt. Was bleibt hinzuzufügen?Nie schrieb' ich und erzählte nie genug |
1730 | Von seinen Thaten, seinen Ritterzügen.Zwölf Jahre lang saß er auf seinem Thron,Und war – wie uns schon Makkabäus lehrte –Des ersten Griechenkönigs Philipp Sohn.O, edler Alexander, Dir bescheerteEin schlimmes Loos Fortuna; denn sie kehrteZur Eins des Würfels Sechs, und ihr entfloßNicht eine Thräne, als Dich Gift verzehrte,Das Freundeshand in Deinen Becher goß.Wer aber leiht mir Thränen, diesen Fall |
1740 | Von Edelmuth und Freisinn zu beklagen?Ihm unterthänig war das Weltenall;Doch schien, beseelt von Muth und kühnem Wagen,Er mit noch höhern Plänen sich zu tragen.Indeß, was soll ich von dem UnbestandDes Glückes und vom Gifte weiter sagen,Als daß den Tod durch Beider Schuld er fand.
Julius Cäsar.Durch Klugheit, Muth und unverdross'nes StrebenVerstand zur Majestät aus niederm StandSich Julius, der Erobrer, zu erheben, |
1750 | Der durch Verträge, wie mit starker HandDen ganzen Occident zu Meer und LandGezwungen hat, Tribut an Rom zu zollen,Und welchen Rom als Herrscher anerkannt,Bis daß Fortuna anfing ihm zu grollen.Pompejus, Deinem Schwiegervater, standestDu gegenüber in Thessaliens Feld,O, mächt'ger Cäsar, und Du überwandestDie Ritter, welche jeder Gau gestellt,Soweit der Tag den fernsten Ost erhellt. |
1760 | Mit einem Häuflein Krieger war entronnenPompejus zwar, doch war des Orients Welt,Dank Deinem Glück, durch diese Schlacht gewonnen.Pompejus, Roms Beherrscher, zu beweinen,Sei eine kleine Weile mir erlaubt.Verrätherisch hat einer von den SeinenIhn seines Lebens auf der Flucht beraubt.Wodurch er Julius zu erfreu'n geglaubt,Dem er das Haupt des Feindes eingehändigt.Pompejus, Du des Orients Oberhaupt, |
1770 | Hast schmählich, ach! in dieser Art geendigt.Als triumphirend darauf JuliusIn Rom, bekrönt mit Lorbeern eingezogen,Geschah's nach ein'ger Zeit, daß CassiusUnd Brutus, die, durch Neid dazu bewogen,Längst im Geheimen Rachepläne pflogen,Sich wider ihn verschworen, und den Ort,Wo sie die Dolche wider ihn gezogenZum Todesstreiche, nenn' ich Euch sofort.Als nämlich Julius, wie sein Brauch es war, |
1780 | Zum Capitolium eines Tags gegangen,Ward er vom falschen Brutus und der SchaarVon seinen andern Feinden dort empfangen,Die alsobald die Dolche auf ihn schwangen.Er fiel, durch manche Wunde bald entseelt.Doch nur ein Dolchstich oder zwei entrangenIhm einen Seufzer – wie mein Buch erzählt.So voller Mannesmuth und so beherztWar Julius und so sittlich von Betragen,Daß er, wie auch die Todeswunde schmerzt, |
1790 | Den Mantel um die Hüften noch geschlagen,Um nicht zur Schau die Heimlichkeit zu tragen.In Ohnmacht liegend, rang er mit dem Tod;Doch selbst im Sterben wollt' er nicht entsagenDer kleinsten Pflicht, die Sittsamkeit gebot.Zur weitern Einsicht kann ich Euch empfehlen:Lucanus, Valerian und Sueton,Die Wort für Wort Euch klar genug erzählen,Wie diese zwei Bewerber um den ThronDas Glück verzog und dann verließ mit Hohn. |
1800 | Wie kurze Zeit Fortunas Launen währen,Wie wenig ihr zu trauen ist, kann schonEuch das Geschick der Welterobrer lehren.
Krösus.Des weisen Lyderkönigs Krösus MachtErfüllte Cyrus selbst mit Furcht und Zagen;Doch wurde bald sein Stolz zu Fall gebracht:Gefangen, ward zum Holzstoß er getragen.Doch sieh, das Feuer ward rasch ausgeschlagenDurch Regenströme, so daß er entkam.Fortuna aber sann auf neue Plagen, |
1810 | Bis daß am Galgen er sein Ende nahm.Denn kaum entronnen, war sein ganzes SinnenDem Kriege gleich aufs Neue zugewandt.Er dachte: ließ Fortuna ihn entrinnen,Als ihre Gunst den Regen ihm gesandt,Sei, ihn zu tödten, auch kein Feind im Stand.Und durch ein Traumbild, das ihn Nachts umschwebte,Gewann sein Stolz so sehr die Oberhand,Daß er fortan stets Rachepläne webte.Auf einem Baume saß er, wie ihm deuchte, |
1820 | Wo Jupiter ihm Rücken wusch und Schoß,Und Phöbus ihm ein schönes Handtuch reichte,Sich abzutrocknen – und sein Stolz war groß.Und über das ihm zugedachte LoosLieß er von seiner Tochter sich belehren,Und da ihr offen lag der Zukunft Schoß,Begann den Traum sie also zu erklären:Der Baum“ – so sprach sie – stellt den Galgen dar,Und Jupiter bedeutet Schnee und Regen,Und Phöbus' weißes Handtuch ist ganz klar |
1830 | Als Strahlenschein der Sonne auszulegen:Dem Galgen gehst, mein Vater, Du entgegen;Dich wäscht der Regen, trocknet Sonnenbrand.“So wußte klar sein Schicksal zu erwägenDie Tochter, welche Phania genannt.Der stolze König Krösus ward gehangen.Ihm half zu Nichts des Thrones Herrlichkeit.Der Stoff zu Klagen wär' schon ausgegangenLängst der Tragödie, wenn mit PlötzlichkeitDie stolzen Reiche nicht zu jeder Zeit |
1840 | Fortuna wüßte in den Staub zu strecken.Sie flieht, sobald man ihr Vertrauen leiht,Um ihr Gesicht in Wolken zu verstecken. |