Adolf von Düring
1880
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Die Canterbury-Erzählungen
Fragment VI
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Erzählung des Ablaßkrämers.Vers 469 - 974
In Flandern war von jungen Zechgenossen | |
470 | Einst eine Bande, die Hasard und PossenUnd Rauferei in jeder Schenke trieb,Beim Würfelspiele Tag und Nacht verblieb,Zum Lauten-, Harfen- und GinternenklangDort tanzte, speiste und gewaltig trank.So hielten in des Teufels eigenem HausVerruchter Weise sie bei üpp'gem SchmausIhr Teufelsopfer, fluchten laut und schworenSo grauenhaft, daß es für reine OhrenEntsetzlich klang. Auch rissen sie in Stücke |
480 | Des Herren Leib, als ob der Juden TückeNicht zur Genüge schon zerfetzt ihn hätte,Und spotteten der Sünde um die Wette.Dann kamen hübsche, schlanke TänzerinnenUnd junge Obst- und Waffelhändlerinnen,Und Huren, Harfenmädchen und was mehrAls Officier dient in des Teufels Heer,Die fleischlichen Begierden zu entflammen.Denn Völlerei und Kitzel wohnt beisammen.Die heil'ge Schrift kann darin Zeuge sein: |
490 | Zur Ueppigkeit reizt Trunkenheit und Wein.Seht Loth Euch an! wie er in trunk'nem MutheBei seinen beiden Töchtern schamlos ruhte,Unwissend, was er in dem Rausch begann.Auch von Herodes führen Bücher an,Daß, an der Tafel sitzend bei dem Mahl,Im Rausche zu enthaupten, er befahl,Johann den Täufer, schuldlos wie er war.Ein gutes Wort sprach Seneka, fürwahr,Als er uns sagte: Zwischen einen Mann, |
500 | Der trunken ist, und einem Tollen kannIch wesentlichen Unterschied nicht sehen.Nur wird die Tollheit nicht so rasch vergehen,Wie Trunkenheit, die meistens bald vorbei.“O, schändliche, verruchte Völlerei!O, Quelle jedes Jammers und Verderbens!O, Urgrund der Verdammniß und des Sterbens,Eh' durch sein Blut erkauft uns Jesus Christ!Mit kurzen Worten: Seht, so theuer istDie Welt erkauft und von dem Fluch befreit, |
510 | Der sie getroffen durch Gefräßigkeit!Denn eben dieses Lasters wegen stießZu Müh' und Arbeit aus dem ParadiesGott unsern Vater Adam und sein Weib.So lang er fastete, war sein VerbleibIm Paradies ihm sicher. Als indessenEr die verbot'ne Frucht vom Baum gegessen,Ward er zu Weh' und Pein daraus verjagt.O, Schwelgerei! mit Recht wirst Du verklagt!Ach! wüßte nur der Mensch, wie mancherlei |
520 | Beschwerden zeugt maßlose Völlerei,So würd' er sich weit mäßiger im SpeisenBei seiner Mahlzeit sicherlich beweisen.Doch für die zarten Gaumen, kurzen Kehlen,Sieht man in Nord, Süd, West und Ost sich quälenDie Menschen, daß aus Wasser, Luft und ErdeEin leck'rer Bissen oder Trunk uns werde.Von dieser Sache sprichst Du, Paulus, auch,Wenn Du besagst: die Speisen für den Bauch,Der Bauch für Speise; aber Gott vernichtet |
530 | Diesen und jene“ – so hast du berichtet.Ein schlimmes Wort! – Doch schlimmer unbedingtIst noch die That, wenn man sich so betrinktIn Roth- und Weißwein, daß vor UeberflußZum Abtritt man die Kehle machen muß.Es klagte der Apostel unter Thränen:Wie viele wandeln auf der Welt, von denenIch Euch gesagt – nun sag' ich es mit Weinen –Die Christi Kreuz gering zu achten scheinen.Ihr Gott heißt Bauch; ihr Ende ist der Tod!“ |
540 | O, Bauch! o, Wanst! Du Stinktopf voller Koth,Voll von Verderbniß, Unrath und Gestank,Wie faul aus beiden Enden ist Dein Klang!Was kostest Du? – Wie müssen wir uns placken?Wie müssen Köche stampfen, mahlen, hacken,Eh' aus dem Stoff die Speise hergestellt,Die Deiner Schlinglust mundet und gefällt!Den harten Knochen wird das Mark entnommen,Nichts wirft man fort und nichts läßt man verkommen,Was sanft uns lieblich durch die Gurgel gleitet. |
550 | Aus Wurzeln, Lauch, Gewürz und Zimmt bereitetMan leck're Brühen, die vortrefflich schmecken,Und stets von Neuem Appetit erwecken.Doch ist der Mann, der nach Genüssen jagt,Lebendig todt, bis er der Lust entsagt.Ein geiles Ding ist Wein und Trunkenheit,Voll Jammer, voller Elend und voll Streit.Verzerrt ist dein Gesicht, o, trunk'ner Mann!Faul ist dein Kuß! dein Athem widert an!Durch deine trunk'ne Nase kommt ein Ton, |
560 | Als sprächest Du nur stets: Sims?n, Sims?n!“Und dennoch liebte Simson nicht den Wein;Doch du fällst um, wie ein gestoch'nes Schwein.Lahm ist die Zunge; Anstand, Sitte fort!Denn Trunkenheit ist der BegräbnißortFür Manneswitz und Umsicht und Verstand.Gewinnt der Trunk bei uns die Oberhand,So ist's vorbei mit der Verschwiegenheit.Nun, auf der Hut vor Weiß- und Rothwein seid,Besonders vor dem weißen Wein von Lepe, |
570 | Den man verkauft in Fishstreet und in Chepe!Mit diesem Wein aus Spanien versetztMan unsern Landwein schlauer Weise jetzt,Was einen solchen Rausch zu Wege bringt,Daß, wenn man nur drei Züge davon trinkt,Und glaubt in Chepe sich zu Hause – soIst man nicht in Rochelle mehr und Bordeaux,Nein, längst im Spanierland, in Lepe schon,Und sagt beständig nur: Sims?n, Sims?n!“Ein Wort, ihr Herren! bitt' ich noch zu sagen: |
580 | Was sich im alten Bunde zugetragen,Was dort durch Gottes allgewalt'ge MachtAn Thaten und an Siegen je vollbracht,Geschah allein durch Fasten und Gebet.Seht in die Bibel, wo's geschrieben steht.Schaut, Attila, den großen Sieger trafEin scham- und ehrenloser Tod im SchlafDurch Nasenbluten in der Trunkenheit.– Ein Hauptmann lebe stets in Nüchternheit. –Vor allem macht es der Befehl Euch klar, |
590 | Der einst dem Lamuel gegeben war;– Nicht Samuel, nein Lamuel sag' ich –Lest nur die Bibel, da wird nachdrücklichDer Weingenuß beim Richterstand gerügt.Nicht's mehr davon! Was ich gesagt, genügt.Sprach ich bislang vom Unmaß im Genuß,Ich vorm Hasardspiel nunmehr warnen muß.Spiel ist die wahre Mutter alles Lügens,Des gottverfluchten Schwörens und Betrügens,Des Mord's, der Läst'rung Christi, und dabei |
600 | Zugleich auch Zeit- und Geldvergeuderei.Als ehrenrührig und als Vorwurf gilt,Wenn man uns liederliche Spieler schilt.Je höher Jemand seinem Stande nach,Um desto größer ist für ihn die Schmach,Ein Fürst, der dem Hasardspiel sich ergiebt,Wird auch – und sei er noch so sehr beliebt,Durch sein Geschick im Herrschen und Regieren –Die öffentliche Achtung bald verlieren.Stilbon, ein großer Staatsmann voll Verstand, |
610 | Ward ehrenvoll einst nach Korinth entsandtVon den Spartanern, um mit jenem ReichEin Bündniß abzuschließen. – Doch sogleichNach seiner Ankunft es ihm höchst mißfiel,Als er des Landes höchste Herr'n beim SpielDort sitzen fand. – Drum stahl er sich nach Haus,So rasch es ging, und sagte frei heraus:Ich will nicht meinen Ruf dadurch verlieren,Mit diesem Spielervolk Euch zu alliiren!Ich will nicht meinen guten Namen schänden! |
620 | Ihr möget and're Diplomaten senden.Fürwahr, zu Grunde will ich lieber geh'n,Als Euch im Bunde mit den Spielern seh'n!Zu ehrenhaft ist Euer Ruf und Wandel,Als daß ich solches Bündniß, solchen HandelJe schließen könnte, jemals schließen würde.“– So sprach der weise Philosoph mit Würde.Ein Paar von gold'nen Würfeln ward aus HohnVom Partherkönig – nach der Tradition –Dem Könige Demetrius gesandt, |
630 | Der ihm schon längst als Spieler war bekannt.So zeigt' er ihm, daß sich trotz Ruhm und MachtUm seine Achtung jener Fürst gebracht.Denn, wahrlich, mit weit ehrenhaftern DingenKann seinen Tag ein großer Herr verbringen.Nun sollt Ihr noch vom Fluchen und vom SchwörenEin Wort bis zwei aus alten Büchern hören:Abscheulich ist und höchst zu tadeln nurDas laute Fluchen und der falsche Schwur,Und allgemein vom lieben Gott verdammt. |
640 | Dies Zeugniß giebt Matthäus uns, mitsammtDem heil'gen Jeremias, welcher spricht:Den Schwur nimm ernst und lüge dabei nicht.Heilig, gerecht und weise sei dein Eid,Denn eitel Schwören ist Verworfenheit!“Auf des Gesetzes erste Tafel seht,Wo Gottes Wille aufgeschrieben steht,Und gleich das zweite der Gebote spricht:Mißbrauch' den Namen Deines Herren nicht!“Seht! Schwören ist so gut verboten dort, |
650 | Wie andre Sünden, so zum Beispiel Mord.Wer die Gebote Gottes kennt, vergißtAuch nicht, was ihre Reihenfolge ist.Und weiß, daß dies im zweiten wird befohlen.Und fernerweit sag' ich Euch unverhohlen:Von Rache wird das Haus stets heimgesuchtVon dem, der übermäßig schwört und flucht.Bei Deinem Leib und Deinen Nägeln, Christ!Beim Blute Gottes, das in Hailes ist!Mein Wurf war sieben – Deiner fünf und drei! |
660 | Bei Gottes Arm! treibst du Betrügerei,Fährt Dir mein Messer durch das Herz sofort!“Seht! Fluchen, Falschheit, Zorn und Menschenmord,Das sind die Früchte, welche Knöchel tragen!Beim Heiland, der ans Kreuz für uns geschlagen,Das Schwören laßt im Ernst und Scherze sein!Doch, werthe Herr'n, jetzt lenk' ich wieder ein.Die drei erwähnten Spieler saßen, lang'Bevor die Glocke noch die Prime rang,Bei ihrem Trinken in der Schenke schon. |
670 | Da hörten sie des Todtenglöckleins Ton,Als eine Leiche man zu Grabe trug.Der eine rief den Knecht herbei und frugWas giebt's? – Sieh' zu, und forsche schleunigst aus,Mit welcher Leiche man an diesem HausVorüber zieht? und merke Dir den Namen!“Das thut nicht Noth! Bevor die Herren kamen,Wußt' ich schon seit zwei Stunden“ – sprach der Knabe –Den alten Freund von Euch trüg' man zu Grabe,Dem man in dieser Nacht das Leben nahm. |
680 | Betrunken saß er auf der Bank, da kamEin Dieb heran geschlichen, Tod genannt,Der alle Menschen umbringt hier zu Land,Und der sein Herz mit einem Speer durchstach,Und darauf fortging und kein Wörtchen sprach.Der Pestilenzkerl hat schon umgebrachtAn Tausende. Drum, Herr, nehmt Euch in Acht,Ihm in den Weg zu kommen. Wie mir scheint,Thut große Vorsicht Noth bei solchem Feind.Genug! Ihm zu begegnen, stets parat |
690 | Zu sein, gab meine Herrin mir den Rath.“Bei St. Marie! das Kind spricht nur zu wahr!“– Begann der Schenkwirth – Er hat dieses JahrIn einem Dorfe, eine Meile fern,Erschlagen Knechte, Kinder, Frau'n und Herr'n.Dort hat er seinen Wohnsitz, wie mir scheint;Am klügsten ist, man sieht sich vor dem Feind,Bevor er Schaden thun kann, weislich vor.“Bei Gottes heil'gen Arm!“ – der Raufbold schwor –Wenn's so gefährlich ist, ihm in den Weg |
700 | Zu kommen, will ich jeden Pfad und StegNach ihm durchsuchen! Bei des Herrn Gebein!Beschwör ich das! – Gesellen, kommt, schlagt ein!Laßt alle drei die Hand uns darauf geben,Daß wir fortan als treue Brüder leben.Wir wollen den Verräther Tod erschlagen,Dem schon so viele Menschen unterlagen– Bei Gottes Würde! – noch vor Abendzeit!“So schwuren dann die dreie sich den Eid,Einander Beistand stets auf Tod und Leben, |
710 | Wie dies gebor'nen Brüdern ziemt, zu geben.In trunk'ner Wuth verließen sie das HausUnd zu dem Dorfe zogen sie hinaus,Sobald den Namen sie vom Wirth erfuhren.Des Herren Leib zerrissen sie und schwurenDabei entsetzlich: Packen wir am KragenNur erst den Tod, so wird er todtgeschlagen!“Doch kaum nach einer halben Meile WegesSah'n bei dem Ueberschreiten eines StegesSie einen armen Greis an jenem Ort, |
720 | Der sie bescheiden grüßte mit dem Wort:Gott schenke, werthe Herren, Euch Gedeih'n!“Gleich rief der schlimmste Raufbold von den drei'n:Warum, bis auf dein trauriges Gesicht,Verhüllst Du, Schuft, Dir Deinen Leib so dicht?Warum lebst Du so lange, alter Mann?“Mit festen Blicken sah der Greis ihn anUnd sprach: Fürwahr, in keinem Dorf und FleckenVon hier bis Indien weiß ich zu entdeckenDen Menschen, welcher meines Alters Bürde |
730 | Mit seiner Jugend gern vertauschen würde.Ich muß darum, so lange Gott es will,Mein Alter tragen in Geduld und still.Der Tod, – o, weh! – begehrt mein Leben nicht,Und rastlos wandern muß ich armer Wicht,Ob früh und spät geklopft mit meinem StabeIch an dem Thor der Mutter Erde habe,Und stets gerufen: Mutter! laß mich ein!Verschrumpft und morsch sind Fleisch, Haut, Blut und Bein'!Wann finden meine armen Knochen Ruhe? |
740 | Ach, Mutter! gern vertauscht ich meine Truhe,Die ich bewahrte schon seit langer ZeitIn meinem Zimmer, für ein hären Kleid,Mich drein zu wickeln. – Doch sie hört mich nichtUnd bleich und welk ist darum mein Gesicht.Jedoch, ihr Herr'n, nicht höflich ist's, noch gut,Daß einem Greis ihr solchen Schimpf anthut,Der sich in Wort und Thaten nicht versündigt.Lest in der heil'gen Schrift. Da wird verkündigt:›Vor einem alten Mann mit greisem Haupt |
750 | Erhebet Euch!‹ – und meinen Worten glaubt:Fügt alten Leuten keine Kränkung zu,Wenn Ihr nicht wollt, daß man Euch Gleiches thu'In Eurem Alter, falls der Tod Euch spart.Nun, Gott sei mit Euch auf der Wanderfahrt!Denn meines Weges muß ich weiter zieh'n.“Nein, alter Schuft, das sollst Du nicht!“ – fuhr ihnDer zweite der drei Spieler darauf an. –So leicht entkommst Du nicht, bei St. Johann!Du hast hier den Verräther Tod genannt. |
760 | Der alle Freunde uns erschlägt im Land.Ich glaube sicher, Du bist sein Spion!Sag' wo er ist, sonst kriegst Du Deinen Lohn!Du bist – beim heil'gen Sakrament von Gott! –Ganz ohne Zweifel mit ihm im Complott,Uns junges Volk zu tödten, falscher Dieb!“Nun, Herren!“ – sprach er – ist es Euch so liebDen Tod zu finden, folgt dem krummen Saume;In jenem Haine unter einem BaumeVerließ ich ihn; und dort wird er noch sein; |
770 | Er läuft nicht fort vor Euren Prahlerei'n!Bei jener Eiche könnt ihr ihm begegnen.Gott, der die Welt erlöste, mög' Euch segnenUnd besser machen!“ – sprach der alte Mann.Dem Baume zu gleich jeder Raufbold rann.Sie langten an und sahen – welch' ein Fund! –Dort gold'ne Gulden liegen, neu und rund;Beinah acht Scheffel schienen sie zu messen.Gleich auf der Stelle war der Tod vergessen,So selig waren sie in ihrem Glücke |
780 | Beim hellen Glanz der blanken Guldenstücke.Zu ihrem Schatze setzten sie sich nieder,Und es begann der schlimmste der drei Brüder:Merkt Freunde, was ich sagen will, genau.Trotz Spiel und Spaß bin ich gewitzt und schlau.Fortuna hat uns diesen Schatz gegeben,Damit in Lust und Fröhlichkeit wir leben.Leicht kam er uns, leicht sei er durchgebracht!Ei, Gottes Würde! hätten wir gedacht,Es sei das Glück uns heute noch so hold? |
790 | Ich wünschte nur, wir hätten erst das GoldIn mein Haus oder Euer Haus geschafft;Denn uns gehört es ganz unzweifelhaft.Wir könnten jubeln, wär' es erst geschehen.Jedoch bei hellem Tage wird's nicht gehen.Für Diebe würden wir sofort von AllenGehalten werden, und dem Strick verfallen.Den Schatz so klug wie heimlich fortzubringen,Kann nur allein uns in der Nacht gelingen.Aus diesem Grunde schlag' ich Euch jetzt vor, |
800 | Wir wollen Loose zieh'n, und wer verlor,Der muß gutwillig nach der Stadt sofortIn größter Eile laufen, um von dortMit Brod und Wein zu uns zurückzuwandernHeimlich und rasch, indeß die beiden AndernDen Schatz getreu bewachen. Und bei NachtWird er von uns an einen Ort gebracht,Den als den besten wir vorher bereden.“Zur Hand nahm er die Loose und bat JedenZu seh'n, auf wem das kürzte würde fallen; |
810 | Und, sieh'! – es traf den Jüngsten unter Allen,Der dann zur Stadt in großer Eile ging.Sobald er seinen Rücken wandte, fingDer Eine zu dem Andern an zu sprechen:Willst du geschwor'ne Brüderschaft nicht brechen,Erfährst Du deinen Vortheil gleich von mir.Sieh! unser Mitgesell ist fort – und hierIst Gold in Fülle und in Ueberfluß,Das in drei gleiche Theile gehen muß.Indessen sollte mir der Plan gelingen, |
820 | Nur zwischen uns zur Theilung es zu bringen,Das wäre doch ein Freundschaftsstück für Dich?“Wie soll das angeh'n?“ – rief der zweite – sprich!Er weiß genau, wie viel uns übertragen;Was bleibt zu thun? was sollen wir ihm sagen?“Der erste rief: Willst Du Dir rathen lassen,So könnt' ich's schon in kurze Worte fassen,Wie dies am besten auszuführen wäre.“Der zweite sprach: Auf Glauben und auf Ehre!Ich werde niemals ein Verräther sein!“ |
830 | Nun“ – sprach der erste – wir sind hier zu zwei'n,Und zweie können einen leicht bezwingen!Setzt er sich nieder, hast Du aufzuspringen,Als wolltest Du im Scherze mit ihm streiten;Und ich durchsteche rasch ihm beide Seiten,Wenn ihr im Spiele miteinander ringt, und DuStößt mit dem Messer ebenmäßig zu.Ist das gescheh'n, mein theurer Freund! so fälltZu gleichem Theil an mich und Dich das Geld.Dann fröhnen wir der Lust, soviel wir wollen, |
840 | Und lassen munter unsre Würfel rollen!“So waren einig beide bald geworden,Den dritten – wie ihr hörtet – zu ermorden.Zur Stadt indessen ging der Jüngste hin.Doch nimmer wollten ihm aus seinem SinnDie schönen, neuen, blanken Gulden weichen,O, Herr!“ – sprach er – vermöcht' ich zu erreichen,Allein nur zu besitzen alles Geld,Wär' sicherlich auf Gottes weiter WeltKein Mensch so selig und beglückt wie ich.“ |
850 | Der Teufel aber in sein Herz sich schlichUnd rieth ihm, Gift zu kaufen ohne Säumen,Um die Genossen aus dem Weg zu räumen.Dem Bösen freilich konnt' es leicht gelingenBei solchem Hang in Schaden ihn zu bringen.So war zum Morde seiner zwei GenossenEr ohne Reue daher fest entschlossen.Und ohne Zögern lief er dann sofortZu einem Apotheker in dem Ort,Und etwas Gift bat er ihm zu verkaufen. |
860 | Er sei von vielen Ratten überlaufen,Gefressen sei schon mehr als ein KapaunVon einem Iltis, der durch seinen ZaunGekrochen sei; und dieser Thiere wegenGedächte Gift er in der Nacht zu legenDer Apotheker sprach: Ich will Dir geben– So wahr mir Gott mag gnädig sein im Leben! –Ein Gift, durch welches jede Kreatur– Frißt oder säuft sie von der Mischung nurSoviel, als wie ein Weizenkörnchen wiegt – |
870 | Ganz unbedingt dem Tode unterliegt;Ja, sterben muß und schon verendet ist,Eh' eine Meile Du gegangen bist.So stark und heftig wirkt es auf der Stelle.“Mit seiner Hand ergriff der SchandgeselleDie Dose mit dem Gifte, und lief dannZur nächsten Gasse hin zu einem Mann,Um sich drei große Krüge dort zu leih'n.In zwei von ihnen goß er Gift hinein,Doch rein ließ er den dritten mit Bedacht, |
880 | Um selbst zu trinken, wenn er in der NachtDas schwere Gold vom Platze heimwärts trüge.Und als den Wein in die drei großen KrügeDer jämmerliche Raufbold dann gegossen,Ging er zurück zu seinen Spießgenossen.Doch was bedarf es vieler Worte mehr?Wie seinen Tod beschlossen sie vorher,So ward er auch erschlagen auf dem Fleck.Als dies vollbracht war, sprach der eine keck:Erst laßt uns trinken, laßt uns lustig sein! |
890 | Dann scharren später wir den Leichnam ein.“Und mit dem Wort ergriff durch Zufall's WaltenEr einen Krug, in welchem Gift enthalten.Er trank daraus; – so that sein Mitgeselle,Und sterben mußten beide auf der Stelle. –Ich glaube, selbst bei Avicen trifft manIm ganzen Kanon keinen Abschnitt an.Mit solcher wunderbaren Giftgeschichte,Wie dieser Tod der beiden Bösewichte.So kamen die zwei Mörder um das Leben |
900 | Mitsammt dem Schurken, der das Gift gegeben.O, aller Thaten höchste Frevelthat!O, Meuchelmord! heimtückischer Verrath!O, Schlemmerei und Ueppigkeit und Spiel!Ach, Menschenkind! Du lästerst Christ so viel,Du prahlst, Du wucherst, fluchst und schwörst so gern,Sag' an, wie kannst Du gegen Deinen Herrn,Der Dich erschaffen hat und für Dein LebenSein theures Herzblut hat dahingegeben,So äußerst falsch und undankbar nur sein? |
910 | Nun, Eure Sünde möge Gott verzeih'n,Ihr liebe Herr'n! – Doch scheut des Geizes Laster!Mein Ablaß ist das beste Sündenpflaster,Bringt ihr zum Opfer Nobel mir und GroschenUnd Silberlöffel, Ringe oder Broschen. –Vor meiner heil'gen Bulle senkt das Haupt!Ihr Weiber kommt! gebt Wolle her, und glaubt,Trag', ich in meine Rolle hier Euch ein,So werdet selig Ihr im Himmel sein!Euch wasch' ich dann, bringt Ihr mir Opfer dar, |
920 | Wie neugebor'ne Kinder rein und klarVon aller Schuld! – Seht, das ist, was ich pred'ge!Verzeihen möge Jesus Christ, der gnäd'geArzt unsrer Seelen, Euch die Sündenlast!Das ist das Beste! – Mir ist Trug verhaßt. –Doch, Herr'n! ein Wort vergaß ich einzuschalten:Reliquien sind in meinem Sack enthalten,Und Ablaßzettel von des Papstes Hand,Wie sie kein Mensch hat in ganz Engeland.Wenn einer unter Euch aus Devotion |
930 | Mir opfern will und sich AbsolutionVon mir erholen, mag er niederknien,Und seine Schuld sei ihm von mir verzieh'n.Sonst nehmet Ablaßbriefe für die FahrtIn jeder Stadt von Frischem Euch, und spartBeim Opfern nicht. – Nein, gebt stets mehr und mehrAn echten Nobeln, vollen Groschen her!Ein großes Glück für Jeden, der hier reitet,Ist, daß ein Ablaßkrämer Euch begleitet,Der auf der Fahrt Euch absolviren kann. |
940 | Durch Zufall kommt oft Mancher übel an.Der eine oder andre fällt vom PferdeUnd bricht sich seinen Nacken an der Erde.Seht! welche Sicherheit gewährt Euch allen,Daß in Gesellschaft ich mit Euch gefallen!Denn, eh' die Seele aus dem Leibe flieht,Seid absolvirt ihr sonder Unterschied.Zuerst beginnt – so denk' ich – unser Wirth,Der auf den schlimmsten Sündenpfaden irrt!Komm' her, Herr Wirth! Erst gieb Dein Opfer mir, |
950 | Dann küsse jede der Reliquien hierFür einen Groschen! – Thu' den Beutel auf!“Nein, nein!“ – rief er – das ist ein schlechter Kauf!Mich möge Christ verfluchen, wenn ich's thu!Zum Küssen hieltest als Reliquie DuVielleicht mir Deine alten Hosen hin,Obschon die Farben Deines St[eißes] d'rin.Beim heil'gen Kreuz, das St. Helene fand,Hätt' ich, anstatt Reliquien, in der HandJetzt Deine zwei T[estikel] – Ei! Dir würde |
960 | Durch einen Schnitt genommen Deine BürdeUnd eingeschreint in Schweinedreck sofort!“Der Ablaßkrämer sprach kein Sterbenswort;So schnürte Wuth ihm seine Kehle zu.Mit zorn'gen Leuten“ – sprach der Wirth – wie DuTreib' ich am besten länger nicht mein Spiel!“Doch ihm ins Wort der würd'ge Ritter fiel– Denn lachen sah er ringsumher die Leute –Nichts mehr davon! – Es ist genug für heute!Herr Ablaßkrämer! sei vergnügt und fröhlich! |
970 | Und Dir, mein vielgeliebter Wirth, befehl' ich:Du küssest auf der Stelle diesen Mann.Nun, Ablaßkrämer, bitte, tritt heran!Kommt! scherzen, lachen wir nach alter Weise.“ –Sie küßten sich – und weiter ging die Reise. |