Annette von Droste-Hülshoff
1797 - 1848
Das geistliche Jahr
in Liedern auf alle Sonn- und Festtage
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Pfingstmontag.
[Evang.:] «Also hat Gott die Welt geliebt, daß er ihr seinen eingebohrenen Sohn gesandt hat, damit Keiner, der an ilm glaubt, verloren gehe» [Joh. 3, 16-31].
Ist's nur der Glaube, dem dein Wort verheißt?Dann bin ich todt.Der Glaube, so lebendig kreis't,Er thut mir Noth; | |
5 | Ich hab ihn nicht.Ach, nimmst Du statt des Glaubens nicht die LiebeUnd des Verlangens thränenschweren Zoll,So weiß ich nicht, wie mir noch Hoffnung bliebe;Gebrochen ist der Stab, das Maß ist voll |
10 | Mir zum Gericht.
Mein Heiland, der Du liebst, wie niemand liebt,Fühlst du denn keinErbarmen, wenn so krank und tiefbetrübtAuf hartem Stein |
15 | Dein Ebenbild vergehend kniet und flehet?Ist denn der Glaube nur dein Gotteshauch,Hast Du nicht tief in unsre Brust gesäetMit deinem eig'nen Blut die Liebe auch?O sey doch mild!
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20 | Ein hartes, schweres Wort hast Du gesagt:Daß wer nicht glaubt,Gerichtet ist. - Ich seh' nicht wo es tagt.Doch so beraubtLäßt Er mich nicht, |
25 | Der hingab seinen eingebornen SohnFür Sünder wie für Fromme allzugleich.Zu Ihm ich schau', ach nicht um Preis und Lohn,Nur um ein Hoffnungswort; Du bist so reich,Mein Gnadenlicht.
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30 | Du, der die Taufe des Verlangens hatSo gnädiglichBesiegelt selbst mit Sakramentes Statt,Nicht zweifle ich,Du hast gewiß |
35 | Den Glauben des Verlangens, Sehnens WeiheGesegnet auch; sonst wärst Du wahrlich nichtSo groß an Milde und so stark an Treue,Brächst du ein Zweiglein, draus die Knospe brichtUnd Frucht verhieß.
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40 | Was durch Verstandes Irren ich verbrach,Ich hab es jaGebüßt so manche Nacht und manchen Tag;So sey mir nah!Nach meiner Kraft, |
45 | Die freilich ich geknickt durch eigne Schulden,Doch einmal aufzurichten nicht vermag,Will hoffen ich, will tragen ich, will dulden;Dann gibst Du, Treuer, wohl den Glauben nach,Der Hülfe schafft. |