Annette von Droste-Hülshoff
1797 - 1848
Das geistliche Jahr
in Liedern auf alle Sonn- und Festtage
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Pfingstsonntag.
Still war der Tag, die Sonne standSo klar an unbefleckten Tempelhallen;Die Luft in Orientes BrandWie ausgedorrt, ließ matt die Flügel fallen. | |
5 | Ein Häuflein sieh, so Mann als Greis,Auch Frauen, knieend; keine Worte hallen,Sie beten leis!
Wo bleibt der Tröster, treuer Hort,Den scheidend Du verheißen hast den Deinen? |
10 | Nicht zagen sie, fest steht dein Wort,Doch bang und trübe muß die Zeit wohl scheinen.Die Stunde schleicht; schon vierzig TagUnd Nächte harrten wir in stillem WeinenUnd sehn Dir nach.
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15 | So Tag an Tag Stund' an Stund',Minute will sich reihen an Minuten.Wo bleibt er denn? Und schweigt der Mund:Die Seele spricht es unter leisem Bluten.Der Wüste stäubt, der Tiger ächzt |
20 | Verschmachtend durch die sand'gen Fluthen,Sein Rachen lechzt.
Da, horch, ein Säuseln hebt sich leicht!Es schwillt und schwillt, und steigt wie Sturmes Rauschen.Die Gräser stehen ungebeugt; |
25 | Die Palme starr unfl staunend scheint zu lauschen.Was zittert durch die fromme Schaar,Was läßt sie bang und glühe Blicke tauschen?Schaut auf! Nehmt wahr!
Er ist's, er ist's; die Flamme zuckt |
30 | Ob jedem Haupt; welch wunderbares Kreisen,Was durch die Adern quillt und ruckt!Die Zukunft bricht; es öffnen sich die Schleußen,Und unaufhaltsam strömt das Wort,Bald Heroldsruf und bald im flehend leisen |
35 | Geflüster fort.
O Licht o Tröster, bist Du, ach!Nur jener Zeit, nur jener Schaar verkündet?Nicht uns, nicht überall, wo wachUnd Trostes baar sich eine Seele findet?Ich schmachte in der schwülen Nacht;O leuchte, eh' das Auge ganz erblindet!Es weint und wacht. |