Annette von Droste-Hülshoff
1797 - 1848
Gedichte
1844
Gedichte vermischten Inhalts
|
|
______________________________________________________________________________
|
|
Das Spiegelbildentstanden 1841/42
Schaust du mich an aus dem KristallMit deiner Augen Nebelball,Kometen gleich, die im Verbleichen;Mit Zügen, worin wunderlich | |
5 | Zwei Seelen wie Spione sichUmschleichen, ja, dann flüstre ich:Phantom, du bist nicht meines Gleichen!
Bist nur entschlüpft der Träume Hut,Zu eisen mir das warme Blut, |
10 | Die dunkle Locke mir zu blassen;Und dennoch, dämmerndes Gesicht,Drin seltsam spielt ein Doppellicht,Trätest du vor, ich weiß es nicht,Würd' ich dich lieben oder hassen?
|
15 | Zu deiner Stirne Herrscherthron,Wo die Gedanken leisten FrohnWie Knechte, würd ich schüchtern blicken;Doch von des Auges kaltem Glast,Voll todten Lichts, gebrochen fast, |
20 | Gespenstig, würd, ein scheuer Gast,Weit, weit ich meinen Schemel rücken.
Und was den Mund umspielt so lind,So weich und hülflos wie ein Kind,Das möcht' in treue Hut ich bergen; |
25 | Und wieder, wenn er höhnend spielt,Wie von gespanntem Bogen zielt,Wenn leis' es durch die Züge wühlt,Dann möcht ich fliehen wie vor Schergen.
Es ist gewiß, du bist nicht Ich, |
30 | Ein fremdes Daseyn, dem ich michWie Moses nahe, unbeschuhet,Voll Kräfte, die mir nicht bewust,Voll fremden Leides, fremder Lust;Gnade mir Gott, wenn in der Brust |
35 | Mir schlummernd deine Seele ruhet!
Und dennoch fühl ich, wie verwandt,Zu deinen Schauern mich gebannt,Und Liebe muß der Furcht sich einen.Ja, trätest aus Kristalles Rund, |
40 | Phantom, du lebend auf den Grund,Nur leise zittern würd ich, undMich dünkt – ich würde um dich weinen! |