BIBLIOTHECA AUGUSTANA

 

Magdalena von Dobeneck

1808 - 1891

 

Briefe und Tagebuchblätter

aus Frankreich, Irland und Italien

 

1843

 

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eine derselben überhäufte den Arzt mit Schmähungen, und da er sich ruhig verhielt, kam mir plötzlich der Muth, ihm auch etwas vorzutragen.

Meine Bitte war: mich von den lästigen Medicinen zu befreien, deren Wirkungen sich durch heftige Leib­schmerzen äußerten, und mich in der Idee der Vergiftung bestärkten.

Ich ahndete nicht, daß durch die paar Worte, welche ich mich auszusprechen unterwand, ein Schritt zur Gene­sung geschehen war. Herr B... sah mich freudig erstaunt an, besann sich und sagte: „nur unter der Bedingung, daß Sie Ihrer Familie einige Zeilen schreiben.“ Diese Rede schlug wieder alle Hoffnung nieder; sie empörte meinen Hochmuth, der sich nicht in die Schranken des Gehorsams fügen wollte. Meine Wärterin, von der Sache noch nicht unterrichtet, kam des andern Tages mit der mir so verhaßten braunen Mixtur; ich glaubte: Herr B... habe sein Wort gebrochen und nun mit einemmal erzählte ich ihr den Vorgang der Sache. Das Mädchen, voll Freude mich reden zu hören, lief zu dem Arzt, und bald brachte sie Tinte und Papier, um mich an die Bedingung zu mahnen. Es kämpften in mir Hochmuth, Furcht und Hoffnung, doch letztere siegte. Ich schrieb einige Worte des Grußes an meine Mutter und daß ich sie zu sehen wünschte. Die ersten  Buchstaben  machten  mir  große  Mühe,  da  ich alle  Orthographie  vergessen  hatte.  Herr  Hofrath  kam von  der  Reise  zurück.  Alle  meine  Aufmerksamkeit  war darauf  gerichtet,  ob  nun  wirklich  mein  geäußerter Wunsch  sollte  erfüllt  werden,  er  aber  sagte  mir sogleich freundlich meine Bitte zu. Nun faßte ich Zutrauen.

 

 

Gottlob! dachte ich, das kommt vom guten Hofrath, denn sonderbarer Weise bildete ich mir anfänglich ein: es gäbe im Hause zwei Hofräthe, einen guten und bösen, und nur der böse besuche mich. Nun begannen neue Kämpfe; ich mußte stricken, was ich für eine meiner ganz unwürdige Beschäftigung hielt. Das Uebel wurde nun in der Wurzel angegriffen. „Wer nicht arbeitet, soll auch nicht essen.“ sagte einst mein väterlicher Freund, und wirklich erging diese Strafe über mich.

An  einem  der  schönsten  Herbsttage  fuhren einige Kranke  und  ich,  in  Begleitung  der  Familie  Z[eller], nach  dem  schön  gelegenen  Jägerhäuschen  Bug.  Hier wohnte  seit  einiger  Zeit  eine  interessante  Engländerin. Herr  Hofrath  sprach  mit  ihr  englisch;  dies  machte  mir Freude,  da  sich  an  diese  Sprache,  welche  ich  zum Theil  in  Irland  erlernt,  manche  Erinnerungen  knüpfen ließen.  Sie  erzählte  von  einem  Missionar,  der  mit Segen in  Irland  wirke.  Da  horchte  ich  hochauf.  Gibt's noch Missionare,  dachte  ich  richtig,  so  kann  die Wiederkunft des  Herrn  noch  nicht  geschehen  seyn.  Ach!  hätt'  ich doch  eine  englische  Bibel,  seufzte  ich.  Ich  will  die Dame  bitten  –  ich  kämpfe  und  komme  zu  keinem Entschluß.  Während  der  Nachhausefahrt  hatte  ich  nur ein  Verlangen,  das:  die  heilige  Schrift  in  englischer Sprache  zu  besitzen.  Warum  gerade  in  englischer? Deswegen  wohl,  weil  ich  in  dieser  Sprache  die  Kraft des  Wortes  Gottes  früher am  öftesten  erfahren.  Auch am  folgenden  Tage  beschäftigte  ich  mich  nur  mit diesem einen Gedanken und schloß bei mir, daß, wenn es Missionare gäbe, auch eine Bibelgesellschaft noch bestehen

 

 

 


 

Hofrat Dr. Albert Zeller (1804-1877) und seine Frau Marie geb. Reimer (1807-1847)