BIBLIOTHECA AUGUSTANA

 

Magdalena von Dobeneck

1808 - 1891

 

Briefe und Tagebuchblätter

aus Frankreich, Irland und Italien

 

1843

 

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und auch das Herz, voll von Wünschen und Hoffnungen, fühlt den Auferstehungsmorgen der erwachenden Natur. Reisen! Reisen ist das Losungswort! Nächstens wird die Familie P... nach Malta sich einschiffen, und mein Weg geht dem Vaterlande zu – nach Nürnberg. So trennen sich die Lebenswege! Die Kinder sind zärtlicher als je, und ihre Mutter bietet alles auf, mir die Trennung zu erleichtern. Demohngeachtet fühle ich nur zu tief, was es heißt, sich scheiden von denjenigen, die wir mit warmer Liebe umfassen.

 

 

[Bericht über den Aufenthalt in der

Nervenheilanstalt Winnenthal 1839.]

 

Einige Jahre waren verflossen, als mein Leben plötzlich aufhörte ein Leben zu seyn. Denn allmählig hatte ich den kindlichen Glauben an das alleingültige Verdienst Christi verlassen, und eigene Heiligkeit, in martervollem Gottesdienste, zu erringen gesucht. Fasten, Entbehrungen aller Art sollten die Flammen irdischer Begierden in mir auslöschen, – als ob man Trauben von den Disteln lesen könne! – Da folgte bald Verblendung auf Verblendung, bis der Berg gleisnerischer Werke zusammen stürzte, die stolze Seele zu begraben, und dieß zur Bestättigung der Wahrheit, daß Gott die hohen Augen erniedriget. – Nach langen, tiefen Seelenleiden, schlug aber auch mir wieder die Erlösungsstunde, und die Schatten des Todes theilten sich, und die Stimme Gottes rief: es werde Licht!

 

Im Juny 1839 beschloß meine Familie mich in die K. Würtembergische Heilanstalt Winnenthal zu bringen, da meine bereits neun Monate andauernde Geisteszerrüttung und körperlichen Leiden sich nur verschlimmerten, und mein letzter Aufenthalt auf dem Lande, unter Aufsicht liebender Freunde, keine Besserung zur Folge hatte.

Mein Bruder L[udwig] unternahm es daher mit auf­opfernder Liebe mein Begleiter für diese traurige Reise zu seyn. Auch meine Schwester E[lisa], von Gott mit selt­ner Kraft ausgerüstet, und noch Genesung für mich hoffend, kam mit mir, Auf ihre Fragen, ob ich zu einer Er­holungs-Reise geneigt wäre, schwieg ich nach gewohnter Weise still. Kein Wort war je, seit dem verhängnisvollen Sep­tember über meine Lippen gekommen, ausser ein wider­spenstiges Nein! so oft man mich zum Genuß der Speise zwang.

Meine Gestalt, einer Leiche ähnlich, war blaß, abge­zehrt, die Züge wie versteinert, die Hände kalt. Es schien meine Seele nur noch in diesem halberstorbenen Leibe zu vegetiren. Mein Wachen war ein furchtbarer Traum, mein Schlaf ein qualvolles Wachen. Die Leiden der Seele hatten sich in den Körper und umgekehrt die des Körpers in die Seele geflüchtet. Das Band schien gelöst. Rastlos irrte der Geist  von  Bildern  zu  Bildern  und weidete  sich, mord­lustig  geworden,  an  der Erfindung unterschied­licher Schmerzen. Auch die Welt meiner Sinen war verändert, verfinstert. In der Bewegung nichtiger Dinge  hörte das Ohr  menschliche  Stimme  und  Rede.  Der  leiseste  Laut in der Schöpfung  sagte  mir:  du bist verflucht!  Die Augen

 

 


 

Magdalena und ihr Bruder Ludwig, der sie nach Winnenthal begleitete