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auf weiß ins dicke Buch einwandern. Meine lieben Kleinen sind die Freude meines Herzens. Luise besonders ist geistreich und gern in meiner Nähe.
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Montag, den 29. September.
Von Genf bis Annecy sehe ich Hügel an Hügel, die Ferne von einer Gebirgskette begränzt. Bald erscheinen die Ueberreste einer Brücke, die einst zwei Thäler verband. Die Straße schlängelt sich so, daß von allen Seiten dieser Schwingbogen eine neue Ueberraschung gewährt, denn er ist die Seele der Landschaft. Nächst Annecy ist ein Gebirg von Felsen, in Form einer Riesenburg, und die Höhen von angesetzten Kalksteinen leuchten im Strahl der Abendsonne. Eben sinkt sie hinab hinter phantastischen Wolken, und ein dunkler Streif mit goldenem Saum schwimmt im blauen Aether. Manches vergangene Jahr zieht an mir vorüber, vieles ist mir gegenwärtig, und es ist mein Leben jener Wolke ähnlich, dunkel wohl, aber vom Strahl der Liebe Gottes berührt. Die hin und wieder zerstreuten Hütten riefen mir meine lieben Savojardenjungen ins Gedächtniß, für die ich in Paris stets offene Geldbeutel und herzliches Mitleiden hatte; ich grüßte ihr Vaterland in ihrem Namen. Die Bauart Annecy's erinnerte mich an die der niederländischen Städte, doch mindert hier ein klarer See das Düstere der Gegend. Es war eben Markt, und ein Zusammenfluß von Landleuten, unter denen interessante Gesichter, meistens aber
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mit einem Ausdruck von Melancholie, dafür aber Abbées, angeschwollen wie gutgenährte Blutegel. An dem Theater von Annecy prangt in goldener Inschrift: vive le Roi! eine Ironie, möchte man glauben.
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Das erste Dorf nach Annecy auf dem Wege nach Aix liegt auf Felsen zwischen Felsen da. Ein schwarzes Kreuz am Abhange, eine dunkelbraune Kirche mit Kreuz geben der Gegend etwas Feierliches. Chambery hat schon italienischen Charakter, eine reiche Ebene ist vor mir ausgebreitet, durchschnitten von leichten schlanken Pappeln, die mir weit idealischer vorkommen, als unsere deutschen. Der Weinstock wird hier schon Baum und rankt sich in Guirlanden. Auch hat jeder Savoyer, wie mir schien, in seinem Gang, in seiner Haltung viel Eigenthümliches. Kastanienbraunes Haar, blonde Gesichtsfarbe, hellbraune Augen, eine hohe Gestalt, dieß sein Bild. Die Tracht ist gewöhnlich ein grauer Rock mit großen Taschen, eine rothe, wollene Kappe oder ein grüner Hut mit breitem Rand. Die Frauen tragen ein blaues oder rothes Mieder, einen groben Strohhut, des Sonntags umgetauscht gegen ein Häubchen mit schmaler Spitze; ihre Sprache ist eine Art Patois, eine Mischung von italienischen und französischen Wörtern. Z. B. er wird sagen: porta-lui son mantel (mantile cappe) à causa de l'oura (aura vent.) a ben vestie (vestis, habit.) Der Tarentiner Dialekt ist mehr italienisch, wie folgendes Liedchen im ächten Volkston zeigt:
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