BIBLIOTHECA AUGUSTANA

 

Magdalena von Dobeneck

1808 - 1891

 

Briefe und Tagebuchblätter

aus Frankreich, Irland und Italien

 

1843

 

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ein junger blasser Mann, war mehr betrachtender Natur, der andere runden, glänzenden Gesichts; eine zierliche Brillle umklammerte die kleine, pikante Nase, und mit Augen, Mund und Ohren schien er die reizende Land­schaft zu verschlingen. Wir kamen an eine Station, wo man die Pässe abforderte, der des blassen Abbé's war nicht gehörig geordnet und da gab es Schwierigkeiten Der Muthwille regte sich wieder in mir, und somit beruhigte ich ihn mit den Worten: «Mein Herr, ich werde Sie als meinen Beichtvater ausgeben, wenn gleich ich eine Prote­stantin bin.» Der Rothwangige lachte aus vollem Herzen, der Blasse meinte, daß trotz dem Allen er einen Keim zum Katholicismus in meinem Herzen bemerke. Das Gespräch wurde ernster. Sie schilderten mir den Orden der barm­herzigen Schwestern, für welchen ich mich stets lebhaft interessirte, und sagten, daß wenn ich Lust zu diesem Berufe fühlte,. sie mir den Weg dazu bahnen würden. Sie riethen mir mehrere Schriften zu lesen, die von Bossuet, und die Nachfolge von Kempis besonders empfahlen sie mir dringend. Sie sangen das Salve Regina, erklärten die Messe, und als eben der Wagen in den Posthof zu Lausanne rollte, und alles ausgestiegen war, gab der Blasse mir noch zum Abschied seinen priesterlichen Segen. Von Lausanne eilte ich hinab in's Thal nach Ouchy. Man wies mich links in ein schönes Landhaus, von hohen Kastanienbäumen umgeben. Eingetreten in den Vorsaal, empfing mich auf das freundlichste Madame P..., umgeben von ihren lieblichen Kindern. Ihre Erscheinung hat durchaus  nichts  von  jenem  kalten,  berechnenden Wesen

 

der gewöhnlichen Engländerinnen; in ihren Zügen liegt viel Geist und Zartheit und eine Bescheidenheit, die, weil sie ächt in ihr ist, Ehrfurcht und Liebe erweckt. Meine geliebte Luise, die älteste meiner Zöglinge, hatte die Aufmerksamkeit, mein Stübchen allerliebst mit Blumen zu zieren, und so hat denn jede Umgebung hier etwas anziehendes, friedvolles für mich. Mein Herz erkennt diese große Wohlthat Gottes, wiewohl in großer Schwachheit. Begegnet man doch im Leben so vielen Puppen, und nur wenigen, die Menschen sind. Als ich der lieben Dame erzählte, daß jene Reisegefährten mir den Kempis zu lesen gerathen, ging sie eiligst in das Nebenzimmer, mir eine schöne französische Ausgabe zu überreichen. Sie überläßt mir ganz die Eintheilung der Lehrstunden, und will ihre Kinder nicht zu Vielwissern, aber zu guten Menschen erzogen haben. Sie wünscht, daß ich jeden Morgen den Unterricht mit Lesen aus der H. Schrift beginne. Diese Ordnung erscheint mir heilig und besser als alles Moralisiren. Auch wird gewiß auf diesem Weg mir das System der Kindererziehung um vieles erleichtert. Ich athme freier, hier ist mir wohl.

 

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Schon in einigen Wochen verlassen wir diese Gegend, um in Nizza unsern Winteraufenthalt zu nehmen. So viel es meine Zeit erlaubt, gedenke ich meinem Tagebuch treu zu bleiben. Was ich auch sehe, höre, denke, soll wo möglich    schon    im    Fahren   mit   Bleistift  aufgezeich­net  werden,  erst  auf  den  Halt-Stationen mag es schwarz

 

 


 

Die Route der Reise in den Winteraufenthalt in Nizza