BIBLIOTHECA AUGUSTANA

 

Magdalena von Dobeneck

1808 - 1891

 

Briefe und Tagebuchblätter

aus Frankreich, Irland und Italien

 

1843

 

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kleines, rundes Fensterchen, was ich zuweilen öffnete, wenn ich dem Ersticken nahe war. Dann athmete ich den stinkenden Qualm von Steinkohlen, Pech und Thran, hörte das wunderliche Schreien der Matrosen. Ich war diesmal kränker, als das erstemal. Die See schlug hohe, hohe Wellen. Taktmäßig stieg und sank das Schiff, und nun das Sympathisiren mit der Bewegung der See muß mitgefühlt werden, dann weiß man's – Ein kalter Todesschweiß rann mir von der Stirne, und eine Gleichgültigkeit empfand ich, daß selbst Tod und Schiffbruch mir erfreulich gewesen wären. Um zwei Uhr des Morgens wurde der Sturm heftiger, so daß man das Ängstliche der Wellen fühlte und das Arbeiten des Schiffes, was jeden Augenblick krachte und stöhnte. In der großen Cajüte hörte ich Schreien und Wehklagen, und auf dem Verdecke  ward  es  lebendiger. Die  Matrosen  verdoppelten  ihre  abgebrochenen  Laute; – plötzlich  hielt  das  Schiff  –  noch  donnerten  die Räder der  Maschine  fort,  denn  man  untersuchte,  ob man  auf eine  Sandbank  gerathen  sey,  und  wiederholte dies wenigstens  sechsmal.  Um  fünf  Uhr  kam  die Wärterin an  jedes  Bette,  mit  dem  Gruße:  We  are  near  land! (Wir sind  dem  Land  nahe!)  Das  Wort  land!  klang  mir so zauberisch,  daß  ich  mit  einem  Satze  hinabsprang  und taumelnd  hinfiel,  weil  der  Boden  heftig  unter  mir schwankte.  Ich  warf  meinen  Mantel um,  und  kroch die schmale   Treppe   hinauf,   um   Luft   zu   athmen.   Es war noch   finstere   Nacht.   Der   Regen   schlug   mir   heftig in's    Gesicht,    und    eben   wollte   ich   wieder   umkeh­ren,   als   ich  gefesselt   stehen   blieb.    Durch    den   Ne­bel   hindurch   erkannte   ich   die   dunkeln   Maste   vieler

 

Schiffe, mit rothen Lampen beleuchtet, und die Beweglichkeit der schwarzen, phantastischen Gestalten erregte in mir allerlei Bilder und Träume. – Um acht Uhr rauschten wir ganz majestätisch in den Hafen ein, und gemächlich im Wagen sitzend, ließen wir uns hinauf, durch Maschinen, an's Land ziehen. Nachdem wir in Liverpool gefrühstückt, und in Liechfield übernachtet hatten, ging es wieder durch das schöne, reiche England, mitten durch die Ländereien und Parks der englischen Lords. „Der König von England ist doch der ärmste von allen Königen,“ rief ich aus, „was hat er? London eine Steinmasse, aber seine smaragdnen Wiesen gehören den Pairs des Landes – eine Wiese für London!!“

Die Unregelmäßigkeit der englischen Häuser, ihre dun­kelbraune Farbe, zur Hälfte mit einer Rosenhecke und Epheu tapezirt, finde ich allerliebst; jedes Häuschen ist eine malerische Celle, und gäbe schon ein hübsches Bild. Die Landtracht der Irländer sind Lumpen, die der Eng­länder: ein schwarzer Sammtrock, kurze, graue Beinkleider und Kamaschen, die Frauen der Pächter und Bürger tragen scharlachrothe Mäntel. Nirgends sieht man eigentliche Dör­fer und Hütten. Man fährt über mit Obstbäumen durchschnittene Wiesen und zwischen Hügeln mit Laub­holz bewachsen, und durch reinliche Städtchen. Recht abentheuerlich fand ich einen englischen Jagdzug. Die Männer, scharlachroth gekleidet, jagen wie toll auf prächtigen Pferden einher; ein Dutzend Jagdhunde werden nachgetrieben, und ein eleganter Wagen mit vier Pferden ist im Gefolge.

Freitag   den   2.  November  blieben  wir  in  Brickfield

 

 


 

Dampfschiff um 1850.