BIBLIOTHECA AUGUSTANA

 

Magdalena von Dobeneck

1808 - 1891

 

Briefe und Tagebuchblätter

aus Frankreich, Irland und Italien

 

1843

 

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und kamen am nächsten Tage nach H..., dem Schlosse des Lord C... Das Gebäude ist im gothischen Styl und war lange Zeit der Sommeraufenthalt der Königin Elisabeth gewesen. Die Familie C... ist die liebenswürdigste, die ich kenne, auch ist sie enthusiastisch für Deutschland eingenommen, und von dem Vorurtheil befreit, welches die deutschen Frauen nur stricken und rauchen, und ihre Männer nur Bären erjagen und trinken läßt. Meine kleinen Lieder mußte ich oft wiederholen. Abends bei Tafel hatte ich als vis à vis einen persischen Gelehrten, der alle durch seine Laune erheiterte; er erzählte trefflich, und man mußte ihm nach, durch dick und dünn. Er sprach uns auch persisch vor, und ich fand, was den Klang betrifft, einige Verwandtschaft mit meiner Muttersprache. Dies bestätigte auch Mirza I... und mein deutsches Herz hüpfte vor Freuden.

 

Die drei Tage in H... flogen lieblich und nur allzurasch dahin. Am vierten folgten Abschied und Reise nach Lon­don. Am nächsten Morgen sah ich die Vorbereitungen zu Visiten, und entnahm, daß wieder nichts gesehen werden möchte. Ich bat also mir den Tag als mein Eigenthum aus. Dir, lieber Vater! die Merkwürdigkeiten Londons abzuleiern, die du doch so gut als auswendig kennst, fände ich ebenso überflüssig als ermüdend für Dich. Nur etwas von der Westmünsterabtey. – Nachdem ich die Adresse unserer   Wohnung   mit   mir   genommen,   befand   ich mich,   ohne   Führer,   allein,   und   zwar   aus eigensin­niger   Laune,   auf   dem   Wege   zur   Abtey. Bald schickte man  mich  links,  bald rechts, und ein undurchdringlicher,

 

orangegelber Nebel machte, daß man nur zwei Schritte vor sich sehen konnte. Dennoch steuerte ich muthig fort. Ich kam durch die Kingstreet. Da sah ich, in Mitte hoher Gebäude, ein altes, vergittertes Häuschen, zu dessen beiden Seiten Wachen zu Pferde standen. Neugierig trete ich näher und frage einen Vorübergehenden: Whose house is this? „Wessen Haus ist dieß?“ Ich träumte nämlich von nichts anderem als von einem Staatsgefängnis, und bemitleidete schon die armen Gefangenen von ganzem Herzen, wie ohngefähr jener ehrliche Handwerksbursche den Tod des Kannitverstan [Novelle von Johann Peter Hebel].

It is the King's Palais!“ brummte ein vorübereilender finsterer Bürger oder Kaufmann, und die Wache lächelte. Ich erinnerte mich, daß, als ich das erstemal in London war, mir dasselbe wiederfuhr, nun sah ich diesmal den sogenannten King's Palais von einer anderen Seite, so daß diese Täuschung sehr natürlich war. Endlich, halb er­schöpft vor Müdigkeit, stehe ich vor einem Riesenbau wie ein Käferchen, und starre hinauf. Denkt Euch drei Nürnberger Kirchen, aber zweimal so hoch als jene, an einander gereiht. Nachdem ich wieder zu mir selbst gekommen, trat ich ein. Ich  glaubte,  dieß  sey  die  Abtey; es  war  die  Margarethen-Kirche,  zwischen  ihr  liegt  die Pairskammer,  ein  uraltes  Gebäude,  und  dicht  an diesem  meine  liebe,  ersehnte  Westmünsterabtey.  Ein zusam­men­gekrümmtes,  graues  Männchen,  das  die Hallen  der  Margarethenkirchen  reinigte,  wies  mich zurecht    [mir    den    Weg].    Nicht    satt    konnte    ich mich  sehen  an  dem  herrlichen  Bau  der  Abtey!  Sech­zehn   durchbrochene   Säulen  oder  Thürme  umschließen

 

 


 

Die Westmünsterabtey.