BIBLIOTHECA AUGUSTANA

 

Magdalena von Dobeneck

1808 - 1891

 

Briefe und Tagebuchblätter

aus Frankreich, Irland und Italien

 

1843

 

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Uhr, nicht wahr? Nun denn! dieses Souper nimmt der Engländer um Ein Uhr und tauft es um und nennt es luncheon, und nimmt abermals Euer Diner und verzehrt es statt um Ein Uhr zur Stunde Eures Soupers. Hierin liegt das große Geheimniß. Die Gerichte kommen mit schönen, silbernen Deckeln auf die Tafel, der Lord tranchirt und servirt selbst; kräftige Suppe, dann Fisch, Cotelettes, Blumenkohl (wozu die Sauce apart gegeben wird), dann eine Rinds- oder Hammelskeule, im Blute schwimmend, scharfen Senf, chicken, das heißt Hühnchen; niemals aber Salat, weil dieser den rothen Wangen der Damen könnte schädlich seyn. Den Pudding nicht zu vergessen, der oft nichts weiter als ein Matsch ist, und dann verdient noch der orangegelbe Chester-Käß genannt zu werden, und etliche Pfefferbüchsen. Dabei fließt Ale oder Porter in die Gläser und Madeira-Wein in Menge. Ich lobe mir ein Gläschen Ale, es ist dieß nicht der Saft der Berge, nicht eure schnöde Bierlatwerge [wohl eine Art Pflaumenmost] , nein! etwas viel edleres! Nach Tische wirft sich Jedes auf ein Sopha, an denen es nie mangelt; man dämmert oder schläft in süßem Frieden. Hie und da seh' ich sogar ganz idyllisch auf Teppichen einen blonden Britten zu den Füßen  einer  Schönen  gelagert.  Diese  Sitte  kam  mir  etwas  spanisch  vor,  und  ich  fragte  ganz  einseitig  kürzlich  die  geistreiche  Lady  S  ...  ob  diese  Digestions-Partien  etwa  aus  Spanien  oder  sonst  woher  sich  nach  England  verpflanzt  hätten?  Geben  Sie  mir  Bescheid,  sagte  ich,  ich  schreibe  ein  Tagebuch  –    alles  wird  notirt.  „Mein  Gott!“    rief  sie  aus.  „Nun!  machen   Sie   es  nur   nicht   wie   der   Verfasser   der   Briefe  eines  Ver-

 

 

storbenen, der, nachdem er es sich hatte bei uns wohl seyn lassen, davon geht und uns in seinen Schriften lächerlich macht.“ Ich beruhigte sie damit, daß, auch ohne Mitglied eines Mäßigkeits-Vereins zu seyn, ich, als Dame, die Laune in Schranken zurückzuweisen für Pflicht hielte.

Wir reisten Samstag den 21. April von London ab. Die Paläste, längs dem Regents-Park, sind in edlem Styl, prächtig anzusehen, und nicht ganz war ich es zufrieden, daß die Pferde wie toll dahinflogen. Denkt Euch, daß wir in drei Stunden zwei und dreißig Meilen zurücklegten. Statt unserer schwerfälligen deutschen Postillione schwingen sich hier schnell auf die bei jeder Station bereitstehenden Pferde kleine Jockeys; sie sind leicht und knapp gekleidet, geschmückt mit einer scharlachrothen Jacke und rothem Käppchen. An einer Station versagte man uns die Pferde, da alle bereits engagirt wären, einer von einem englischen Ritter entführten Dame nachzujagen. – Die Pferde werden, wie an Equipagen, leicht geschirrt. Nur mit dem famösen Meilenstiefel unsrer Mährchenwelt kann ich diese kühne, fliegende Reiseart vergleichen. Wir übernachteten in Dunstable, dann in Litchfield und Montag in Warrington. Die ganze Reise durch England fand ich reizend und eigentümlich. Hügel mit saftigem Grün, smaragdne Wiesen, auf denen stattliche Herden weiden, und alle Bäume sah ich von dem Stamm bis zu den kleinsten Nebenzweigen mit breiten Epheublättern bedeckt.  Auch  ist  das  kleinste  und  größte  Haus  der  Dör­fer reich und malerisch mit Epheu bewachsen.  Reinlich  glänzen  zwischen  dem dunkeln Grün die blanken   Fensterscheiben   und   hinter   diesen  sieht   man

 

 

 


 

Hermann Fürst

von Pückler-Muskau,

Briefe eines Verstorbenen,

Stuttgart 1831.

Faksimile: Erster Theil

Faksimile: Zweiter Theil

 

Englische Übersetzung

dieses Buches von

Sarah Austin unter dem Titel:

Tour in England, Ireland,

and France, in the years

1826, 1827, 1828, and 1829,

London 1832.

Faksimile: Erster Theil

Faksimile: Zweiter Theil

 

Kutsche an einer Station

Smaragdne Wiesen, auf denen stattliche Herden weiden