Adelbert von Chamisso
1781 - 1838
Gedichte.Ausgabe letzter Hand
1837
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Übersetzungen.
Die Heiden, heißt es, waren Nicht Christen, so wie wir: Sie schlachteten die Leute, Und brauten schlechtes Bier. Franz Kugler
Das Lied von Thrymoderdie WiedereroberungMioellners, des Hammersdes DonnersAus dem Isländischen 1)
1
Zornig ward Thor,Als beim ErwachenEr seinen HammerVorhanden nicht fand.Schüttelnd den Bart,Schlagend sein Haupt,Der Sohn Odins suchteUmsonst umher.
2
Und es war sein Wort,Welches zuerst er sprach:«Höre nun, Loki,Hör, was ich sage,Was weder auf ErdenWeiß irgend einer,Noch hoch im Himmel:Mein Hammer ist geraubt.»
3
Sie giengen zum herrlichenHause der Fraya,Und es war Thors Wort,Welches zuerst er sprach:«Wolle mir, Fraya,Flügel verleihen,Ob erlauschen vielleichtMein Hammer sich läßt.»
4Fraya sang:
«Und wären von Gold sie,Ich gäbe sie dir;Und wären sie Silber,Du solltest sie haben.»Da flog auf Loki flugs,Der Flügelschlag rauschte,Bis hinten er ließDas Land der Götter,Und er erreichteDer Riesen Reich.
5
Thrym saß auf dem Hügel,Der Herrscher der Riesen,Fert'gend den HundenFesseln von Gold,Glättend den RossenDie Mähnen zurecht.
6Thrym sang:
«Wie steht's mit den Göttern?Wie steht's mit den Elfen?Was reisest allein duNach Riesenheim?»
7Loki sang:
«Schlecht steht's mit den Göttern,Schlecht steht's mit den Elfen, –Du hälst wohl verborgenDen Hammer des Thors.»
8Thrym sang:
«Ich halte verborgenDen Hammer des ThorsWohl unter der ErdeAcht Morgen tief,Und wieder erwerben,Fürwahr, soll ihn keiner,Er führe denn FrayaZur Frau mir heim.»
9
Da flog auf Loki flugs,Der Flügelschlag rauschte,Bis hinten er ließDas Land der Riesen,Und er erreichteDas Reich der Götter.Er traf den Thor anVor der Thür seiner Halle,Und es war sein Wort,Welches zuerst er sprach:
10
«Hast das Geschäft duGeschafft mit der Arbeit?Laß von der Höhe michHören die Kunde;Oft im Sitzen gestört,Stocket die Rede,Leicht im Liegen ersinntLüge sich nur.»
11Loki sang:
«Hab das Geschäft wohlGeschafft mit der Arbeit.Thrym hat den Hammer,Der Herrscher der Riesen,Und wieder erwerben,Fürwahr, soll ihn keiner,Er führe denn FrayaZur Frau ihm heim.»
12
Sie giengen zu fragenFraya, die herrliche,Und es war Thors Wort,Welches zuerst er sprach:«Bräutliches LeinenLege dir an, Fraya,Wir beide wir reisenNach Riesenheim.»
13
Zornig ward Fraya,Sie zitterte heftig,Der ganze PalastDer Götter erbebte,Es sprang und entfiel ihrDer funkelnde Halsschmuck:«Wohl möchtest du meinen,Daß männlich ich sei,Wenn beide wir reistenNach Riesenheim.»
14
Rasch kamen die GötterZum Rathe zusammen,Die Göttinnen raschZu reden bereit.Die himmlischen HäupterVerhandelten da,Wie den Hammer des ThorsZu holen gelänge.
15
Da hub Heimdall an,Der helleuchtende Gott,Welcher da weiseWußte die Zukunft:«Bräutliches LeinenLegen dem Thor wir an;Er habe den hehren,Den funkelnden Halsschmuck;»
16
«Klug laß er erklingenGeklirr der Schlüssel;Ein weiblich GewandUmwalle sein Knie;Laß blinken die Brust ihmVon breiten Juwelen,Hochgethürmt und gehülltDas Haar ihm auch sein.»
17
Da hub Thor an,Der hochernste Gott:«Es würden die GötterMich weibisch schelten,Legt ich das bräutlicheLeinen mir an.»
18
Da hub Loki an,Loveyias Sohn:«Thor, solcher WorteWoll dich enthalten;Rasch werden die RiesenVom Reich uns verdrängen,Holst deinen HammerHeim du nicht schnell.»
19
Bräutliches LeinenLegten dem Thor sie an;Er hatte den hehren,Den funkelnden Halsschmuck;Klug ließ er erklingenGeklirr der Schlüssel;Ein weiblich GewandUmwallte sein Knie;Es blinkte die Brust ihmVon breiten Juwelen;Das Haar war gehüllt ihmUnd hoch gethürmt.
20
Da hub Loki an,Loveyias Sohn:«Ich will dich gleichfallsBegleiten als Maid;Wir beide, wir reisenNach Riesenheim.»
21
Hastig die HirscheHeimgetrieben,Wurden dem Wagen geschürtWohl zur eiligen Fahrt.Die Steine zerstoben,Flamme stieg auf.So reiste Odins SohnNach Riesenheim.
22
Da hub Thrym an,Der Herrscher der Riesen:«Auf! Auf! ihr Riesen,Bereitet die Bänke,Nun führt mir Fraya,Die Frau, herein.»
23
Heim kamen die Farren,Die goldgehörnten,Die schwarzen Rinder,Dem Riesen zur Lust:«Habe der Schätze viel,Habe der Spangen viel,Fehlte mir FrayaZu freien annoch.»
24
Früh fanden die GästeZum Feste sich ein,Und reichlich gereicht wardDen Riesen der Trank.Thor aß einen Ochsen,Er aß acht Lachse,Zusammen was SüßresSonst gab für die Frauen;Er trank wohl des MetesDrei Maße allein.
25
Da hub Thrym an,Der Herrscher der Riesen:«Wann hast du BräuteHungriger je gesehn? –Nie hab ich BräuteHungriger je gesehn;Nie Mägdlein des MetesMehr genießen, als sie.»
26
Saß Loki dabei,Die löbliche Maid,Bereit dem RiesenRede zu stehn:«Seit acht Nächten nichtsGenossen hat Fraya,Rasend vor ReiselustNach Riesenheim.»
27
Thrym lüftet' das LeinenAus Lust sie zu küssen,So weit der Saal war,Ward zurück er geschreckt.«Wie sind doch furchtbarFrayas Augen,Dünkte mich Feuer hervorFunkeln zu sehn!»
28
Saß Loki dabei,Die löbliche Maid,Bereit dem RiesenRede zu stehn:«Seit acht Nächten nichtGenoß sie des Schlafes,Rasend vor ReiselustNach Riesenheim.»
29
Da trat in den Saal ThrymsTraurige Schwester,Die gar sich die GabenZu begehren erkühnt:«Ich reiche die rothenRinge dir dar,Verlangt' dich in LustNach Frayas Liebe,Nach Frayas LiebeUnd freudiger Huld?»
30
Da hub Thrym an,Der Herrscher der Riesen:«Bringt zur Weihe der Braut,Bringt den Hammer herbei,Leget den MioellnerDer Maid in den Schoß;Vollbringet die Bräuche,Die Braut sei mein.»
31
Da lachte dem Thor wohlIm Leibe sein Herz,Als mitten im HarmeEr den Hammer erkannte.Da traf er zum erstenThrym den Herrscher,Und schlachtete dannSein ganzes Geschlecht.
32
Da traf er auch ThrymsTraurige Schwester,Die gar sich die GabenZu begehren erkühnt;Ihr klangen nicht Münzen,Ihr klangen nur Schläge;Für tönende RingeDer tötende Hammer. –So hat seinen HammerOdins Sohn sich geholt.1) Thryms quida edr Hamarsheimt. Edda Saemundar Hafn. 1787. p. 183. Der gelehrte Forscher des nordischen Altertums möge mir den Versuch nicht verargen, das isländische Lied in einer leichten Verdeutschung den Laien und Ungelehrten vorzutragen. Ich habe den Geist und die Weise des Originals in unserer Sprache wieder zu beleben gesucht, und mich sonst bemüht, jedes Wort zu entfernen, zu dessen Verständniß es gelehrter Erörterungen bedurft hätte.
Idylle.
Möglichst treue Uebersetzung aus der Tonga-Sprache Mariner's Account of the Tonga-islands. Second edition, with additions. London 1818. V. II. Grammar (Ohne Seitenzahl)
Müßig plaudernd von dem äußern StrandeWeilten wir und weilten, als daher kamUns auffodernd eine Schar von Mädchen:Kommt, wir wandern nach dem äußern Strande, | |
5 | Schaun von dort den Untergang der Sonne,Lauschen dort dem Zwitschern von den VögelnUnd der Klage von der wilden Taube.Blumen wollen wir am Fuß der KlippenBei Matówto pflücken, und das Mahl dort, |
10 | Das von Óne man uns bringt, genießen;In dem Meere schwimmen, in den süßenWasserbächen uns das Salz abspülen,Dann mit duft'gem Sandelöl uns salbenUnd zu Kränzen unsre Blumen flechten. |
15 | Wann vom Scheitelpunkt der VogelhöhleAthemlos wir in die Tiefe starren,Und des Meeres Fernen überschauen;Weht zu uns, den Träumen hingegebnen,Von der Ebne her der mächt'ge Landwind |
20 | Durch die Wipfel schlanker Kasuarinen;Und betrachtend, wie die Brandung unten,An den festen Fuß des Felsen schlagend,Sich unsinnig müht ihn durchzubrechen,Fühlen wir uns das Gemüth erweitert; |
25 | Wohler wird uns also, denn beharrendIn des Lebens niederm Kreis befangen.
Spät wird's, laßt zur Stadt zurück uns kehren. –Horcht! der Sänger Stimme schallt herüber;Mögen wohl zum Fackeltanz sich üben, |
30 | Ihn zu Nacht beim Grabplatz von TanéaAufzuführen. Laßt dahin uns wandern.
O der Tage müssen wir gedenken,Eh der Krieg das arme Land zerrissen!Wehe! furchtbar ist der Krieg; o sehet |
35 | Das Gesträuch auf unsern Marken wuchernd,Und die frühen Gräber vieler Helden!Unsre Fürsten irren ohne Wohnsitz,Schleichen nicht mehr einsam bei dem Mondlicht,Das geliebte Mädchen aufzusuchen. |
40 | Eitles Sinnen! Lasset ab zu grübeln,Wüthet doch der Krieg auf unsern Inseln;Die von Fiji haben uns, von Tónga,Krieg gelehrt; nun heischt's, wie sie zu handeln.Lasset uns des flücht'gen Tags genießen, |
45 | Gilt's vielleicht doch morgen schon zu sterben!Wollen uns mit Blumenkränzen schmückenUnd mit bunten Zeugen uns umgürten;Wollen duft'ge Blumen um die Stirne,Aber weiße um den Hals uns winden, |
50 | Unsre Bräune lieblich zu erhöhen.Hört die Männer, hört, wie sie uns preisen!
Aber schon der Fackeltanz vollendet,Und bereits umhergereicht das Festmahl.Morgen kehren wir zur Stadt zurücke.
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55 | Nicht begehren unsrer wohl die Männer?Bitten dringend nicht um unsre Kränze?So mit Schmeichelreden uns erhebend:Nicht wohl sind ausnehmend schön zu nennenUnsre Mädchen von dem äußern Strande?! |
60 | Nicht wohl reizend ihre Sonnenbräune?!Duftverbreitend, wie die blumenreichenSchluchten Máta-lóco's und Vi-búa's!Uns verlangt es nach dem äußern Strande,Laßt am nächsten Morgen uns dahin gehn.
Vers 1. 4. 59. 63. Der äußere Strand. Licoo, der Rücken der Insel, die windwärts gelegene, den Schiffen unzugängliche Küste im Gegensatz zu der Küste unter dem Winde, wo die Landungsplätze und die Wohnungen der Menschen sind. Auf den niedern, sogenannten Korallen-Inseln und Inselgruppen: der Strand am äußern Meere, Illüch der Karoliner, Iligieth der Radacker, im Gegensatz zu dem Strande am Binnenwasser, Ïar der Radacker. Vergleiche meine Schriften Tl. 2. S. 109 u. 206 u. ff. Vers 3. 59. Mädchen. Fafine. Frauen im weitern Sinne, und hier solche, die dem Manne noch nicht unterthan sind. Vers 13. Sandelöl. Fango nanomoo. Das wohlriechende Oel von Tónga wird aus dem Sandelholz gewonnen. Vers 27. 54. Die Stadt. Mooa. Unbedenklich die Hauptstadt, die Stadt, urbs, τὸ ἄστυ, obgleich ohne Mauern und aus Strohhäusern bestehend. Vers 37. Fürsten. Egi, ho-egi. Edle, Fürsten, und zwar durch göttliches Recht und ohne Anfechtung. Wo der Adel, wie bei uns, erworben und verwirkt werden kann, ist er kein Adel mehr. Vers 42. Wie im Verkehr mit den kriegerischen Bewohnern der Fiji-Inseln die Insulaner von Tónga sich deren Sitten angeeignet, siehe bei Mariner. Vers 44. Carpe diem. Hor. Und die also dichten und singen, werden meist von unsern Schriftgelehrten, ja von unsern Reisenden «Wilde» genannt! Ein Sprachgebrauch, dem ich mich nicht fügen kann. |