Adelbert von Chamisso
1781 - 1838
Gedichte.Ausgabe letzter Hand
1837
|
|
_______________________________________________________________________
| |
In dramatischer Form.
Ich seh die Fehler jetzt. Oehlenschläger. «Correggio», 3. Handl.
Der Tod NapoleonsNach Alessandro Manzoni
Vergin di servo encomio E di codardo oltraggio. A. Manzoni Napoleon.Montholon.Antomarchi, der Arzt.Europa, Geschichte und Poesie, Erscheinungen.Stumme Umgebung:Bertrand, seine Frau und vier Kinder;der Abt Vignali;Marchand und sechs Bedienten.Zwei englische Offiziere.
Longwood am 5. Mai 1821.
Napoleon auf dem Sterbebette, Montholon, Antomarchi.
MONTHOLON.Des Fiebers Gluth hat ausgetobt, er scheint zu ruhn.NAPOLEON im Schlafe.Mein Heer!MONTHOLON.Er träumt –NAPOLEON.Dem Adler folgt und mir; hinan!MONTHOLON.Von Schlachten, lenkt im Geiste noch die Völker.NAPOLEON.Sieg!MONTHOLON.O scharfer Mißlaut dieses Wortes hier und jetzt!NAPOLEON erwachend.Wer bin ich?MONTHOLON.Herr und KaiserNAPOLEON.Wo?MONTHOLON.Du bist, o Herr,Inmitten deiner Treuen.NAPOLEON.Wo?MONTHOLON.Ein Felsensitz...NAPOLEON.Sankt Helena?!MONTHOLON.Du sprachst es aus.NAPOLEON.Die Zeit ist um.Abtrünnig werd ich selber mir, so wie die Welt. –Die mein annoch sich nennen, ruft herbei; ich willAbrechnen mit dem Leben.MONTHOLON die Thüre öffnend.Tretet alle her!
Gefolge. Die Kinder knieen am Bette.
NAPOLEON.Daß ich geliebt bin worden, legt ihr Zeugniß ab.Habt Dank. Ich aber scheide hin. Bald haben sie,Mit deren Kronen ich gespielt, den Haß gekühlt.Sie ließen uns nur unsrer Thaten Ruhm zurück.Ihr werdet bald, aus selbsterkorner Haft erlöst,Mein stolz durch mich gewesnes Frankreich wiedersehn,Und trauern an dem vielgeliebten Seinestrand.O grüßt mein Frankreich, grüßet mir mein heimisch Land!Wär Frankreich dieser nackte, sturmgeschlagne Fels,Ich wollt ihn lieben.MONTHOLON.Frankreich finden wir, o Herr,Nur immerdar, wo dein geweihtes Haupt verweilt.NAPOLEON.Nicht also, nein – mein Frankreich grüßt und ... meinen Sohn.Entfernet euch; nicht sollet ihr mich weinen sehn, –Grüßt meinen Sohn, den grausam mir entfremdeten; –Mein Sohn, mein Sohn!ANTOMARCHI.Gehorcht dem Kaiser, tretet ab!
Napoleon ist mit verhülltem Antlitz zurückgesunken. Alle heften fragend die Augen auf Antomarchi, der unverwandt den Kranken betrachtet. Sie entfernen sich zögernd.
ANTOMARCHI allein bei Napoleon. Lange Pause.Er wirft sich in einen Sessel im Vordergrundeund verhüllt sein Antlitz.Lösch aus, du Stern der Herrlichkeit!
Es erscheinen Europa, Geschichte und Poesie. Napoleon streckt die Arme nach ihnen aus.
EUROPA.Napoleon!Weltherrscher einst, in Fesseln nun Verschmachtender;Zurück von dir nicht fordernd das vergoßne Bluth,Das teure meiner Kinder; nein, den hohen Preis,Um welchen fließen es gesollt, erschein ich dir.Es rangen zwei Weltalter um die Herrschaft; duStiegst auf, du Schicksalsmächtiger, da ward es still;Nicht Friede; schweigsam lagen sie zu Füßen dir;Du Franklin nicht, nicht Washington, du hast gebautVergänglich für die trunkne Lust des Augenblicks.Du sankst, du stirbst – ich frage bang: wem beug ich nunDen jochgewohnten Nacken? Weh!NAPOLEON.Mein Sohn, mein Sohn!EUROPA.O hättest Freiheit du geschafft nach deiner Macht,Noch ständen aufrecht deine Bilder, unentweihtVon Händen, die zu heben unvermögend sindDas dir entsunkne, dein gewicht'ges Herrscherschwert.GESCHICHTE.Standbilder eines Mannes stürzen Knaben um,Umsonst bemüht, zu tilgen meines Griffes SpurZukünft'gem Alter, schwerem Urtheil aufbewahrt.POESIE.Zu schmähn, zu schmeicheln haben Knechte nur vermocht;Jungfräulich deines Namens ist annoch mein Mund,Hinfort geweiht zu ewigem Gesang, mein Held!EUROPA.Ihr Griffel, ihre Lyra, meine Thränen, dieDer eignen Schmach ich weine; rückgewendet dießHienieden. – Jenseits ...? Kaiser auf! der Schleier reißt!
Napoleon stirbt, die Erscheinungen verschwinden. Bei dem Ausatmen Napoleons erhebt sich Antomarchi schnell und tritt zu dem Todten, den er lange betrachtet, er geht sodann nach der Thür. – Montholon und das Gefolge kommen ihm entgegen.
MONTHOLON.Der Kaiser?ANTOMARCHI.Weint! Das war er! Länger zügelt nichtDie bleiche Furcht, von diesem Kerker aus, die Welt.Verbeugt vor dem euch, der ihn schlug; – zerstreuet euchDas Liebesopfer eures Lebens ist erfüllt!
Montholon hat den Kaiser-Mantel über die Leiche ausgebreitet, der Abt ein Kruzifix darauf gelegt; alle weinen. Zwei englische Offiziere dringen ein. Der Vorhang fällt.
Faust.Ein Versuch.1803.
Doch wozu ist des Weisen Thorheit nütz? Schlegels Shakespeare («Was ihr wollt.» III. 1)
Faust. Sein Guter und sein BoeserGeist, zwei Stimmen
Faustens Studierzimmer, von einer einzigen Lampe erleuchtet.
FAUST.Der Jugend kurze Jahre sind dahin,Dahin die Jahre kräft'ger Mannheit, Faust!Es neigt sich schon die Sonne deines Lebens –Hast du gelebt? hier, fremd in dieser Welt,Verträumtest du die karggezählten Stunden,Nach Wahrheit ringend, die PygmäenkräfteAnstrengend in dem Riesenkampf – o Thor!
Du, der in wildem Jugendfeuer schwelgend,Uneingedenk der Zukunft, deiner selbst,Des großen Weltalls, das um dich sich kreist,Genuß nur kennst, Genuß nur kennen willst;Beglückter Liebling du der Gegenwart,Dich muß ich weis, so wie du glücklich bist,Auch preisen. – Weis! – und Thor? – Sinnleere Namen!Nur Kranke gibt's, ich kenne keine Thoren.Ein Funke glomm im Busen mir, (ihn legteDie fremde Hand,) er mußte hoch entlodern,Und ewig ungelöschten Durst mir flammen; –Vom Allerschaffer fordr ich alle Schuld,Wir müssen wollen, ja wir müssen! – müssen?Nicht frei denn? – also, wollend, nur ein Stein,Der in die Tiefe fällt, und fühlt – er wolle.
Was bist du Mensch denn? gier'ger AllumfasserDes Universums kühner Freier du,Der blind, in Nacht, in zwiefach ew'gem DunkelGebannt zu irren, nichts erkennen kannst,Ein ewig ungelöstes Räthsel dir;Erschaffer deiner Welt nach ewigenGesetzen, selbst von ihr erschaffen,Was bist du mächt'ger, nicht'ger Erdenwurm?Ein Gott in Banden, oder nur ein Staub?Was ist des Denkens, was der Sinnen Welt?Die Zeit, der Raum, die Allumfassenden,Und ihre Schöpfungen, durch die sie werden?Was außer ihnen, das Unendliche?Was ist die Gottheit, jeder großen KetteEin erstes ewig unbegriffnes Glied,Das, nicht getragen, alle Glieder trägt? –Erscheinung nur und Wahn ist alles mir.Es wirft das Licht, das innre, dort hinausAuf ausgespannte Nacht die Bilder hin,Ein leerer Widerschein des eignen Ichs,Und so entsteht die Welt, die ich erkenne.So hat – vielleicht der Zufall es geordnet,Der große Bildner, den sie Gottheit nennen.Und wenn, nicht bloß gedacht, dort Geist und KörperUnd Gottheit sind, – wie faß ich sie? – umsonst!Es treten ewig zwischen sie und michDer Sinne Lügen, der Vernunft Gesetze.
Ihr ew'ge Räthsel, schrecklich grimm'ge Nattern,Die stets ihr euch erzeugt und euch verzehrt,Und mir das Herz verzehrt im grausen SpieleDer stets verschlungnen und erzeugten Kreise;Ich kann euch nicht verscheuchen, nicht erdrücken,Ihr stürmet rastlos mir die bange Seele;Weh dem, den ihr zum ernsten Kampfe reizet!Es furchet tief des Denkers Stirne sich,Und Zweifel ist der schwererrungne Preis.
Nein! länger soll der Schlangenbiß des ZweifelsNicht langsam mir am kranken Herzen nagen,Nicht giftig reizen mehr der Wunden Schmerzen.Ich will gesunden in der Wahrheit Scheine,Erschwingen kühn das sternenferne Ziel,Das eitel strebend nimmer ich erklommen.
Er sucht eine magische Rolle hervor, entfaltet sie auf seinem Tische und spricht, indem er die Hand auf die Zauberschrift legt.
Sind's keine Träume, die du hingezeichnet,So folg ich, Seher, deiner Riesenspur,Ich schreite deine Bahn und zage nicht.Wenn horchend deinem mächt'gen Rufe, Geister,Dir dienend, ihres Reiches Nacht entstiegen;Wird mir die Geisterwelt sich auch eröffnen.Belehrung zollen mir die finstern Mächte.
Die Geisterbeschwörung
Die ihr, gehüllt in furchtbar dunklen Schleier,Die Seele mir umwallt, gehorchet, Geister,Dem ernsten, festen Willen, der euch ruft.BOESER GEIST Eine Stimme zur Linken.Dem ernsten, festen Willen wird gehorchet.Du Sohn des Staubes, ihm entschwungen kühnUnd ähnlich uns, sprich dein Begehren aus.GUTER GEIST Eine Stimme zur Rechten.Faust! Faust!FAUST.Auch du! Dir hab ich nicht gerufen, fleuch!Abschütteln will ich deiner Knechtschaft Joch,Entfleuch! Nicht du, Unmächtiger, vermagstDen heißen Durst des Lechzenden zu stillen,Die sturmgeschlagnen Wellen zu besprechen.Du lähmst den Flug mir, hebe dich von dannen!Ich will ihn männlich fliegen und nicht zagen.Ich wende mich von dir, ich folge dem;Belehrung fordr ich, Wahrheit und Erkenntniß.BOESER GEIST.Nicht menschlich sprichst du Worte hohen Sinnes.Hast du mit Mannes Ernst mich hergebannt.So schwöre mir den Preis zu – deine Seele;Und öffnen will ich dir der Wahrheit Schätze,Und was der Mensch vermag, sollst du erkennen.GUTER GEIST.Faust, Faust!Den seligen MenschenGewährte der Vater,Von allen den FrüchtenDes Gartens zu kosten;Den seligen MenschenVerwehrte der VaterDie einzige Frucht.Und listig schmeichelnd hob die Schlange sich:Ihr würdet Göttern gleich, wenn ihr die Frucht,Die herrliche, zu kosten euch erkühntet,Die euch der Vater streng verwehrt zu brechen,Nicht Vater er, der neidische Tyrann!Faust, Faust!Dem kindlichen Menschen,Die Freuden des Lebens,Sie knospen ihm alle.Er weilet, wo duftendDie Rosen ihm blühen,Die Früchte ihm winken.Geflügelten SchrittesLeicht hin über DornenZu schweben, zu eilen,Gesellt' ihm der VaterDie holden Gefährten,Den Glauben, die Hoffnung,Treu ihm in wechselndem Glück.Faust, Faust!Es gab zu ahnden das UnendlicheDer Vater dir den Geist,Gab, liebend anzubeten, dir das Herz:Und, rechtend mit dem Vater, wagest du,Vom Strahle seiner Liebe mild beschienen,Zu fordern jene Frucht, des Todes Frucht.Verschmäh, verschmäh des Lebens Glück und Kronen,Und ringe nach der Gottheit fernem Ziele;Des Rächers Rache trifft den schuld'gen Scheitel!FAUST.Erschuf zu ausgesuchten Qualen michEin Gott des Hasses, den der Schmerz erfreut?GUTER GEIST.Das Glück umblühte deines Lebens Pfade.FAUST.Es ist Erkennen mir das einz'ge Glück.GUTER GEIST.Die Hoffnung blüht dem Dulder, lern entbehren.FAUST.Sie welkte in der schwer erkrankten Brust.GUTER GEIST.Der Tugend Kranz umgrüne deine Locken.FAUST.Auch diesen Kranz entriß der Zweifel mir.GUTER GEIST.Du willst, du willst, und deine Freuden welken.FAUST.So wähl ich denn, nicht frei, das eigne Weh.GUTER GEIST.Faust! handle glaubend, wie du frei dich fühlest.FAUST.Nein, nein! ich bin nicht frei, ich will's nicht sein.GUTER GEIST.So treffe denn die schwere Schuld den Frevler.FAUST.Die schwere Schuld wälz ich dem Schöpfer zu,Der mich zu hoch begabt, zu tief gedrückt,Der feindlich mir den regen Geist gegeben.GUTER GEIST.Und ihn zu bändigen, den Willen dir.Des Rächers Rache trifft den schuld'gen Scheitel!FAUST.Dich, Geist der frühen Rache, schrecklicher,Der furchtbar ahndend nicht begangne Sünden,Gedanken nur des Herzens, angstumzischendDer Hölle Schlangen furchtbar um mich schlingst,Erschütternd nicht des Mannes ernsten Willen,Dich straf ich Lügen; nein, ich bin nicht frei;Ein ehrnes Schicksal waltet über mirUnd unaufhaltsam reißt es mich dahin,Und eisern fällt, und trifft das grause Los.BOESER GEIST Halb laut.Der Falsche lügt sich deinen guten Geist.FAUST.Du lügst dich meinen guten Geist, entfleuch!Ich wende mich von dir, ich folge dem.Belehrung fordr ich, Wahrheit und Erkenntniß.BOESER GEIST.Wohlan! so schwöre mir den Preis zu, Faust;Und öffnen will ich dir der Wahrheit Schätze,Und was der Mensch vermag, sollst du erkennen.Selbst brich den Stab denn über deine Seele.Der Stab des Gerichtes wird Fausten in die Hand gezaubert, er erschrickt, und faßt sich rasch wieder.
FAUST.Du, rascher Sohn des Augenblickes, Wille,Gebäre rasch die That.GUTER GEIST.Die ernste That.Die spät fortwirkend in der Zeiten Schoße,Entfallen dir, ein Raub der fremden Mächte,Gehöre ewig der Nothwendigkeit.Noch, Faust, gehört des Herzens Willen dir.BOESER GEIST Halblaut und langsam.Und öffnen will ich dir der Wahrheit SchätzeUnd was der Mensch vermag, sollst du erkennen.FAUST.Gehört noch mir, – gedacht, gewollt, gehandelt!GUTER GEIST.Und wagtest du zu denken ihn, den großen,Den schrecklichen Gedanken: Ewigkeit?FAUST.Ich dacht ihn, ja! doch der Moment alleinGehört dem Menschen, im Momente lebt er,Drum kauft er um der Zukunft teuren PreisDes Augenblickes rasch entflohne Lust.Es kann die Zukunft auch ein Traum nur sein.GUTER GEIST.Und wenn auf Wahrheit jener Traum hindeutet?FAUST.So mag der Schreckenstraum sich dann entfalten.Du wetzest selbst des Zweifels gift'gen Zahn,Der mich zerfleischt. Nicht Wahrheit kann das HerzZermalmend treffen, das für sie nur schlägt,Nur schrecklich ist die Qual mir, die ich dulde;Sie muß sich enden. Stählern ist die Brust,Und jedes Schmerzes Pfeil entprallt unmächtig,Den nicht des Zweifels Schreckensarm geschnellt.Ich will der ew'gen Rache männlich harren,Und festen Blickes ihr entgegen sehn.Ich fluche dir, und deinem Gott, und brecheEntschlossen selber des Gerichtes Stab.GUTER GEIST.Wehe dem Menschenerzeugten!Wehe! zerbrechet die Krone.Er stürzet, nachhallendEmpfängt ihn die TiefeZerschmettert vom jähligen Fall.
Es wandle im TaleDer Menschenerzeugte,Und weide die BlickeAn blumigen Auen.Nicht wag er zu hebenIn blendende HöhenZur Sonne den Blick.Vom lieblichen KleideDer nährende ErdeRückstrahlt ihm die Farbe,Ein sanfteres Licht.Ihm g'nüge der bunte,Der liebliche Schein.Nicht gierigen HerzensErheb er die WünscheZur Sonne empor.Erklimmt er der BergeBeschneiete Gipfel,Zu nahen der SonneVerzehrendem Licht;Nicht näher der fernen,Erblindet das Aug ihm,Und schwankenden SchrittesEntgleitet der Fuß.Der schwindlichten HöheEntstürzt er, nachhallendEmpfängt ihn die TiefeZerschmettert vom jähligen Fall.
Wehe dem Menschenerzeugten!Wehe! zerbrechet die Krone.Entwunden den ArmenDer sorgenden Liebe,Hin eilt er – und stürzet;Er stürzet, nachhallendEmpfängt ihn die TiefeZerschmettert vom jähligen Fall.FAUST den Stab zerbrechend.Zerbrochen ist der Stab.GUTER GEIST.Er ist zerbrochen.BOESER GEIST.Er ist zerbrochen.
Lange Stille
FAUST.Nun?BOESER GEIST.Ich lache deiner, leichtes Spielwerk duDer gier'gen Wünsche deines stolzen Herzens;Ich lache deiner, Thor, den ich verachte,Und zolle dir den Preis, den du bedungen.
Der Zweifel ist menschlichen Wissens Grenze,Die nur der blinde Glaube überschreitet.Dich bann ich, ohne Anker, ohne SegelZu irren auf dem feindlich dunklen Meere,Wo dir kein Grund, wo keine Ufer dir,Dem ohne Hoffnung Strebenden erscheinen;Bis vor dir nächtlich sich das Thor eröffnet,Das furchtbar dir geahndete, des Todes,Und neue Schauder schrecklich dich ergreifen;Denn mir gehöret deine Ewigkeit:Ich zolle dir den Preis, den du bedungen.
Des Glaubens Blume blühte kindlich dir,Du hast sie stolz zertreten, forderst Wahrheit.Wohl! schreckend ruf ich dir die Wahrheit zu:Aus deiner Weisen Widersprüchen strahlteSie dir entgegen, die geahndete:Der Zweifel ist menschlichen Wissens Grenze,Es kann der Staubumhüllte nichts erkennen,Dem Blindgebornen kann kein Licht erscheinen.
So wie die Sprache, wie des Wortes SchallDir Mittler des Gedankens ist und Zeichen;So ist des Sinns Empfinden, der Gedanke selbstDir Sprache bloß und eitles leeres ZeichenDer ewig dir verhüllten Wirklichkeit.Du kannst nur denken durch den Mittler Sprache,Nur mit dem Sinne schauen die Natur,Nur nach Gesetzen der Vernunft sie denken.Und hättest hundert Sinne du und tausend,Du kargbegabter, und erhöbe freierSich dein Gedanke ins vielseitiger –Befühlte All; so würdest immer du,Getrennt, vereint mit ihm durch Körpers Bande,Nur eigne Schatten schaun und nichts erkennen.Es strebe, trachte angestemmt der Mensch;Ihm fiel das Los. Der reine Geist allein,Der ruhende, erkennt; nicht ihn umfaßtDie ew'ge Mauer, die sich zwischen dirUnd der ersehnten Wahrheit trennend hebt.Die Mauer stürzt der Tod; die Rächerin,Sie harret furchtbar deiner in dem Lande,Wo nicht gestrebet, nicht getrachtet mehr,Wo zollen einer wird des Lebens Lohn.
Nachhallen muß ich deiner Worte Schall,Nachspiegeln deines Denkens Schatten dir,Nachlügen deiner Weisen Traumgebilde,Dir, einem Menschen, ich, ein Geist, zu nahen;Gedanken, Worte, Menschenträume fassenKein ähnlich Bild der ewig dir Verhüllten.Doch Wahrheit, Wahrheit hast du dir bedungen;Nun! was der Mensch vermag, sollst du erkennen:
Der Zweifel ist menschlichen Wissens Grenze, –Ist furchtbar rächend deines Lebens Schlange.Verzweifle, niedrer Erdenwurm, den tieferIn seinen Staub zurück ich niedertrete;Nicht heben darfst du jenen dunklen Schleier,Es bringt die Zeit dir keine Blume mehr,Und mir gehöret deine Ewigkeit.So öffn ich rächend dir der Wahrheit Schätze,So zoll ich dir den Preis, den du bedungen.FAUST im Begriff, sich niederzuwerfen gegen die Seite,woher die Stimme des guten Geistes hallte,erhebt sich rasch wieder und spricht.Nein! niederknieen nicht vor dir, VerkünderDes siebenmal erfüllten schweren Fluches,Der mir das Haupt umflammt, und nicht vor ihm.Vernichtung heißt der Gott, den ich anrufe.Ihr seid unmächtig, der VergangenheitIhr leicht erworbnes Eigenthum zu rauben.
O könnt ich wieder fluchen euch! o könnt ichIn Menschenqualen euch verzagen sehn,In ew'gen Menschenqualen euch verzweifeln,Und laut auflachend gräßlich euch verhöhnen!Fluch selber mir, daß ich ohnmächtig bin,Daß nur ein leiser, eitler Laut der LippeEntbebet, in dem Winde zu verhallen!
Ersehnte Spornerin der eitlen Wünsche,Ich habe, Wahrheit, deine DunstgestaltVerfolgt, und unermeßlich weit verfolgt,Und ihr geopfert jeden Hoffnungsschimmer;Gestrandet steh ich nun auf schroffer Klippe,Rings um mich her die dunkle tiefe Fluth,Und um das Haupt mir donnerschwangre Wolken.Ich werde nimmer, nimmer sie umfangen,Um die ich hin den teuren Preis geworfen!BOESER GEIST.Die Mauer stürzt der Tod; die Rächerin,Sie harret furchtbar deiner in dem Lande,Wo nicht gestrebet, nicht getrachtet mehr,Wo zollen einer wird des Lebens Lohn.FAUST.Die Mauer stürzt der Tod; – sie harret meinerIn jenem Lande... – Schlange meines Lebens!Wo nur das Aug ich wende, starrest duMich gräßlich an. – Verdammniß, – Ewigkeit,Laßt eure Qualen nicht den Zweifel sein!Umstürze du, Erfüllung, jene Mauer;Verhüllte Rächerin, sei Rettung mir,Ich will in jenem Lande dich verfolgen.
Wie er sich gegen den Geist wenden will, den Tod zu erflehen, wird ihm ein Dolch in die Hand gezaubert, er wendet die Spitze gegen sein Herz, und stößt ihn langsam hinein.
Verdammniß, ewige, in deinen Schoß! –Vielleicht Vernichtung nur, vielleicht Erkenntniß,Gewißheit doch.
Er stürzt, die Lampe erlischt, das Theater ist tief verfinstert. Langsam fällt der Vorhang. |