Adelbert von Chamisso
1781 - 1838
Gedichte in zeitlicher Folge
1832
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Roland ein Rosskamm.(Orlando furioso 30. 5.)
Herr Roland ein seltsamer Roßkamm,Als feil er die Stute bot.Ausnehmend schön war die Stute,Sie aber war leider todt.
«Sieh her, die vortreffliche Stute,Du kaufst sie, das sag ich dir!Mein Ohm, der mächtige Kaiser,Besitzt kein schöneres Thier.
Betrachte den Hals und die Hüften,Den zierlichen Gliederbau;Kein Fehler an ihr zu rügen,Und forschest du noch so genau.
Ist leider sie todt, was verschlägt das?Ein Unglück ist es doch nur,Kein Fehler, es lieget das TodtseinIn solcher Stuten Natur.
Sieh her, die untadliche Stute,Du kaufst sie, das sag ich dir!Mein Ohm, der mächtige Kaiser,Besitzt kein schöneres Thier.» –
Ist musterhaft auch geschriebenUnd regelrecht das Gedicht,Wir kaufen die todte Stute,Wir lesen die Verse doch nicht.
Hans Jürgen und sein Kind.
Hans Jürgen, läßt du das Trinken nicht sein,Und läßt nicht vom leidigen Branntewein,Du wirst zur Verzweiflung mich bringen;Im Weiher dort ist's bald geschehn,Da wirst du dein Kind mich ertränken sehn,Mich selbst hinunter springen. –
Ach Frau, sei mir darum nicht gram,Weiß selber kaum, wie gestern es kam,Der goldene Löw ist schuldig;Ich kam an der Schenke vorüber und sann,Das Thier mich anzuglotzen begann,Der Löw, er gleißte so guldig.
Ich gieng hinein, das war nicht gut,Ich trank, hinaus zu gehn, mir Muth,Kam unter dem Tische zu liegen;Wenn abermals es dem Teufel gelang,Sei, liebes Herz, darum nicht bang,Er soll nicht wieder mich kriegen.
Die Augen zu! Ein Wort, ein Mann.Ich bringe dir heut, was ich alles gewann,Und eine trockene Kehle.So gieng er zu seinem Meister hin,Es lag ihm schwer in seinem Sinn,Es quält' ihn in seiner Seele.
Und als es Feierabend warUnd heim er kam, da fühlt' er garDen leidigen Durst ihn beißen.Die Augen zu! Er kam mit GlückDer Klippe vorbei, da schaut' er zurück,Er sah den Löwen so gleißen. –
Jedweder Tugend ihren Lohn!Verdient, wahrhaftig, hab ich ihn schon,Ein Schluck darauf wird schmecken! –Und taumelnd gelangt' er und spät nach Haus,Die Frau saß da, sah finster aus,Er mußte vor ihr erschrecken.
Sie prüft' ihn mit den Augen stumm;Sie gieng ihm seltsam im Kopf herum,Gedenkend der eigenen Schwüre.Sie aber schritt zu der Wiege hin,Und nahm das Kind, das gelegen darin,Und eilte hinaus zur Thüre.
Er ist da nüchtern geworden fast,Ein kaltes Entsetzen hat ihn erfaßt: –Dahin, dahin gekommen! –Hans Jürgen, rette, rette dein Kind!Zum Weiher, zum Weiher! geschwind, geschwind!Sie hat den Weg genommen. –
Er eilt ihr nach in vollem Lauf,Ein Plätschern schallt vom Weiher herauf, –Nur noch die Mutter zu sehen: –Zurück! das Kind, ich hol es hervor,Noch halten's die schwimmenden Tücher empor,Zurück! genug ist geschehen. –
Er schreit es und springt in das Wasser hinein, –Das Wasser, das mochte so tief nicht sein,Die Beute leicht zu erhalten.Er trägt das Wickelkind im Arm,Und drückt's an die Brust so innig und warm,Und steigt aus dem Bade, dem kalten. –
«An meinem Herzen, an meiner Brust,Du meine Wonne, du meine Lust!»Doch mußt du mich nicht so kratzen.Ein gutes, schönes Kind, alleinEs kratzet doch ganz ungemein;Was hast denn du für Tatzen? –
Und wie er's näher untersucht,Erkennt er den schwarzen Kater und flucht,Den Kater, ihm zum Possen. –Ach Frau, ach Frau, wo bist denn du? –Die sitzt zu Hause, die Thür ist zu,Die Thüre bleibt verschlossen. –
Ach Frau, das ist ein frostiger Spaß;Es ist so kalt, ich bin so naß. –Die Thüre bleibt verschlossen;Und wie er pocht und flucht und lärmt,Und fleht und winselt und sich härmt,Die Thüre bleibt verschlossen.
Die Nachbarsleute, die Gäste zu HaufVom goldenen Löwen paßten wohl auf,Das kann leicht einer sich denken;Die haben wacker ihn ausgelacht,Und haben ein Lied auf ihn gemacht,Und singen's in allen Schenken:
Hans Jürgen, rette, rette dein Kind!Zum Weiher, zum Weiher! geschwind, geschwind!Doch lasse dich ja nicht kratzen.Und schmeckt, Hans Jürgen, der Branntewein,Komm her zu dem goldenen Löwen herein,Wir singen ein Lied dir zum Platzen.
Hans im Glücke.
Willst zurück zu deiner Mutter?Hans, du bist ein braver Sohn;Hast gedient mir treu und redlich;Wie die Dienste, so der Lohn;Gebe dir zu deinem SoldDiesen Klumpen da von Gold;Bist du mit dem Lohn zufrieden,Hans im Glücke?
Ja, zufrieden! und die Mutter,Ja, die gute Mutter sollMich beloben und sich freuen,Alle Hände bring ich voll;Alles, alles trifft mir ein,Muß ein Sonntagskind wohl sein,Und auf Glückeshaut geboren,Hans im Glücke!
Und er ziehet seine StraßeRüstig, frisch und frohgesinnt,Doch es sticht ihn bald die Sonne,Die zu steigen schon beginnt,Und der Klumpen Gold ist schwer,Drückt die Schulter gar zu sehr;Du erliegest unterm Golde,Hans im Glücke!
Kommt ein Reiter ihm entgegen; –Schimmel! ei, du muntres Thier!Aber schleppen muß ich, schleppenDen verwünschten Klumpen hier;So ein Reiter hat es gut,Weiß nicht, wie das Schleppen thut;Hätt ich diesen Schimmel, wär ichHans im Glücke. –
Lümmel, sage mir, was ist es,Was du da zu schleppen hast? –Nichts als Gold, mein werther Ritter, –Gold?! – und mich erdrückt die Last –Nimm dafür den Schimmel. – Topp!Und so reit ich, hopp, hopp, hopp!Trabe, Schimmel! trabe, Schimmel!Hans im Glücke.
Hopp, hopp, hopp! der dumme TeufelSchwitzt nun unter meinem Schatz;Hopp, hopp! Hopp, hopp! sachte, Schimmel!Pfui dich! – Plautz! ein Seitensatz,Und er lieget da zum Spott,Danket aber seinem Gott,Daß er nicht den Hals gebrochen,Hans im Glücke.
Kommt ein Bauer, treibt gemächlichVor sich hin ein magres Rind;Halt den Schimmel! halt den Schimmel!Schreit ihn an das Glückeskind;Ja! es lief sehr glücklich ab,Aber hart ist doch der Trab,Und ich will nicht wieder reiten,Hans im Glücke!
Eine Kuh giebt Milch und Butter,Der Besitzer hat's nicht schlecht. –Wollt Ihr mit den Thieren tauschen?Mir ist schon der Schimmel recht. –Mit den Thieren tauschen?! Topp.Trabe, Bauer, hopp, hopp, hopp!Selig, überselig preist sichHans im Glücke.
Erst den Dienst, und dann die Bürde,Wieder nun den Schimmel los!Immer besser! immer besser!Nein, mein Glück ist allzu groß! –Und im heißen SonnenscheinFindet bald der Durst sich ein:Hast ja deine Kuh zu melken,Hans im Glücke. –
Melken also; er versucht es,Nicht gedeiht es ganz und gar,Weil er Melken nicht gelernt hat,Und die Kuh ein Ochse war;Und er stößt und wehret sich:Prr! Prr! ruhig! denkst du mich,Wilde Bestie, todt zu schlagen?Hans im Glücke.
Und des Weges zog ein Metzger,Der ein Schwein zur Metzig trieb:Esel! bleibe von dem Ochsen,Hast du deine Knochen lieb! –Von dem Ochsen?! – Tritt zurück! –Ist's ein Ochse? welch ein Glück!Ich erfahr es noch bei Zeiten,Hans im Glücke.
Aber ach! die Milch? die Butter?Nun! der wird zu schlachten sein.Aber Schweinefleisch ist besserUnd ich lobe mir das Schwein;Schweinebraten, Rippenspeer,Speck und Schinken, ja, noch mehr,Frische Wurst und Metzelsuppe!Hans im Glücke! –
Dieses alles kannst du haben,Gib dafür den Ochsen hin;Willst du tauschen? – Herzlich gerne!Ja! der Handel ist Gewinn.Auf! mein Schweinchen, trabe duLustig unserm Dorfe zu;Ja! die Mutter wird mich loben,Hans im Glücke! –
Und es hat ein loser BubeBei dem Handel ihn belauscht,Hätte gern auf gute WeiseSich von ihm das Schwein ertauscht,Kommt daher mit einer Gans,Schaut das Schwein an, dann den Hans: –Hast du selbst das Schwein gestohlen,Hans im Glücke? –
Schwein gestohlen?! – Wie denn anders!Ja! das ist gestohlnes Gut.Sei du mir im nächsten DorfeVor dem Schulzen auf der Hut;Auf der Inquisitenbank,Dort im Amthaus... – Gott sei Dank!Das erfahr ich noch bei Zeiten,Hans im Glücke! –
Nun! dir wäre schon zu helfen,Mach ich doch mir nichts daraus;Gib das Schwein und nimm den Vogel,Ich gehöre hier zu Haus,Weiß die Schliche durch den Wald,Man ertappt mich nicht so bald. –Ei! schon wieder außer Sorgen,Hans im Glücke!
Freuen wird sich doch die Mutter,Eine Gans ist gar kein Hund,Und nach gutem GänsebratenWässert lange mir der Mund;Und das edle Gänsefett!Und die Daunen für das Bett!Ei! wie wirst darauf du schlafen,Hans im Glücke!
Nicht das Beste zu vergessen,Auch der Federkiele viel!Nichts ist mächtiger auf Erden,Als ein solcher Gänsekiel,Wenn der Kantor Wahres spricht;Aber schreiben kannst du nicht,Hättest schreiben du gelernt,Hans im Glücke! –
Und ein lust'ger ScherenschleiferKam daher die Straß entlang,Machte Halt mit seinem Karren,Rieb die Hände sich und sang:Geld im Sack und nimmer Noth!Meine Kunst ist sichres Brod. –Könnt ich diese Kunst, so wär ichHans im Glücke. –
Kerl, wo hast du diese Gans her? –Hab getauscht sie für mein Schwein. –Und dein Schwein? – für meinen Ochsen. –Diesen? – für den Schimmel mein. –Und den Schimmel? – für mein Gold. –Gold?! – ja; meiner Dienste Sold. –Blitz! du hast dich stets gebessert,Hans im Glücke!
Aber eins mußt du bedenken:Eine Gans ist bald verzehrt,Mußt auf eine Kunst dich legen,Die ein sichres Brod gewährt. –Meister, ja, das mein ich auch;Lehrt mich Scherenschleifer-Brauch,Bin ich Scherenschleifer, bin ichHans im Glücke. –
Willst dafür die Gans mir geben? –Ja! es lohnet wohl der Kauf. –Zwei der Steine, die da lagen,Hebt der Schalk vom Boden auf,Wohlgerundet, glatt und rein,Nicht zu groß und nicht zu klein:Wirst ein tücht'ger Scherenschleifer,Hans im Glücke.
Her die Gans, und nimm die Steine,Trage sie im Arme, so!Auf dem klopfst du, auf dem schleifst du,Und das ist das A und O.Geld im Sack und nimmer Noth,Deine Kunst ist sichres Brod;Alles andre wird sich finden,Hans im Glücke. –
Und er nimmt mit Gans und KarrenSchnell den nächsten Seitensteg;Hans mit seinen Steinen ziehetJubilierend seinen Weg:Alles, alles trifft mir ein,Muß ein Sonntagskind wohl sein,Und auf Glückeshaut geboren,Hans im Glücke! –
Aber späte war's geworden,Fern das Dorf, und Essenszeit,Nichts gegessen, nichts getrunken,Hunger, Durst und Müdigkeit;Und die Steine waren schwer,Drückten, wie das Gold, auch sehr:Holte die der Teufel, wär ichHans im Glücke! –
Dort am Brunnen will er trinken,Setzt, wie ein bedächt'ger Mann,Auf den Rand die Steine nieder,Schaut sich um und stößt daran;Plump! sie liegen in dem Grund,Und er lacht den Bauch sich rund;Auch der Wunsch ist eingetroffen,Hans im Glücke!
Zu der Mutter! ruft er freudig,Zu der Mutter, leicht zu Fuß!Sollst mich loben! sollst dich freuen!Bringe Glückesüberfluß;Alles, alles trifft mir ein,Muß ein Sonntagskind wohl sein,Und auf Glückeshaut geboren,Hans im Glücke!
Im Herbst.
Niedrig schleicht blaß hin die entnervte Sonne,Herbstlich goldgelb färbt sich das Laub, es trauertRings das Feld schon nackt und die Nebel ziehenUeber die Stoppeln.
Sieh, der Herbst schleicht her und der arge WinterSchleicht dem Herbst bald nach, es erstarrt das Leben;Ja, das Jahr wird alt, wie ich alt mich fühleSelber geworden!
Gute, schreckhaft siehst du mich an, erschrick nicht;Sieh, das Haupthaar weiß, und des Auges SehkraftAbgestumpft; warm schlägt in der Brust das Herz zwar,Aber es friert mich!
Naht der Unhold, laß mich ins Aug ihm scharf sehn:Wahrlich, Furcht nicht flößt er mir ein, er komme,Nicht bewußtlos raff er mich hin, ich will ihnSehen und kennen.
Laß den Wermuthstrank mich, den letzten, schlürfen,Nicht ein Leichnam längst, ein vergeßner, schleichenWo ich markvoll einst in den Boden SpurenHabe getreten.
Ach! ein Bluthstrahl quillt aus dem lieben Herzen:Fasse Muth, bleib stark; es vernarbt die Wunde,Rein und liebwerth hegst du mein Bild im HerzenNimmer vergänglich.
Vetter Anselmo.
1
Noch war zu Toledo in hohem FlorDie heimliche Kunst, die sonst sich verlor;Ein weiser Meister war dort bekannt,Yglano, der Magier und Nekromant.
Wie abends er einst vor dem StundenglasIn seinem Museum sinnend saß,Trat ein zu ihm demüthig fastSein Vetter Anselmo, ein seltener Gast. –
«Herr Vetter Anselmo, wie hat man das Glück?Was führt Euch endlich zu uns zurück?Ihr wart ja sonst auf der rechten Bahn,Was giengen Euch da die Verwandten an?» –
«Seid grausam nicht und ungerecht,Herr Vetter; versteht mich endlich recht.Mich hielt von Toledos leuchtendem Stern,Von Don Yglano nur Ehrfurcht fern.
O wüßtet Ihr, wie der Busen mir schwoll,Wann Euer Lob mir entgegen erscholl!Wie stolz und jubelnd ich eingestimmt:Der ist uns allen zum Muster bestimmt!
Der eine rief, der andere schrie:So einen sah die Welt noch nie,Der zaubermächtig und weise zugleichBeherrscht der Geister nächtliches Reich!
Er ist das Gold der Wissenschaft,Und ist das Erz und ist die Kraft;So mannlich fest, so kindlich mild,So aller Tugend vollendetes Bild!
Doch hat Euch einer zu tadeln gewußt,Den alle so preisen zu meiner Lust,Und dieser Tadel, daß Ihr es wißt,Ist eben der Wurm, der das Herz mir frißt.
Er sprach: wie kommt es, wer macht mir das klar,Daß euer Löw und Lamm und AarDen Biedermann, der sein Vetter doch ist,Den guten Anselmo so schmählich vergißt?» –
«Was sagtet denn Ihr, wenn ich bitten darf,Zu solchem Tadel, so spitz und scharf?Ich machte die Lehre mir gerne zu Nutz;Ihr nahmt mich, Vetter, doch wacker in Schutz?» –
«Vermocht ich es denn, der ich da standDem hämischen Kläger bequem zur Hand,Um so mich zu legen ad acta gleich,Zerlumpt, verhungert, hager und bleich?
Ich frag Euch, o blickt doch auf mich herab,Sah je ein Bettler als Leiche im GrabErbärmlicher aus? o tilgt doch die Schmach!Sie trifft Euch zumeist, wie der Neider sprach.
Mir eine Pfründe, ein Bischofsstab!Das macht nur bald mit dem Teufel ab,Und ihm und Euch mit Haut und HaarVerschreib ich mich auf immerdar.» –
«Herr Vetter, Herr Vetter! ei, ei! mit Vergunst!Von Gott allein ist meine Kunst,Versteht mich recht, von Gott allein;Hab mit dem Teufel nichts gemein.» –
«Von Gott, versteht sich! sagt ich es nicht?Es ist der Hunger, der aus mir spricht.Mit Gott, Herr Vetter, verhelft mir zu BrodUnd rechnet auf mich auf Leben und Tod!» –
«Ihr wolltet dankbar, erkenntlich sodannVergelten, was Gutes ich Euch gethan,Wann einen Gönner und SchutzpatronIch einmal suchte für meinen Sohn?» –
«Ja, dankbar, ja! mit unendlicher Lust!Die Dankbarkeit ist die Tugend just,Die einz'ge vielleicht, deren, unverblümt,Mit Fug und Recht mein Herz sich rühmt.
Man hat von mir Euch Böses gesagt,Mich manches Lasters angeklagt,Mich angeschwärzt zu aller Stund,Oft, leider! vielleicht nicht ohne Grund.
Ich weiß, Herr Vetter, ich habe gefehlt,Das Gute versäumt, das Böse gewählt,Gewatet in Sünden bis an die Knie;Undankbar aber, das war ich nie.
O Dankbarkeit, du süße Pflicht,Du Himmelslust, du Himmelslicht!Wie hab ich dich mir eingeprägt,Wie hab ich stets dich heilig gehegt!
Und Euer vortrefflicher, teurer Sohn –Wie lieb ich den lieben Vetter doch schon!O welch ein Glück ist Dankbarkeit!O wär ich doch erst, Herr Vetter, so weit!» –
«Gemach, gemach! das liegt noch fern,Und nicht das Nächste versäum ich gern.Da kommt Frau Martha, die eben fragt,Was mir zum Abendessen behagt.
So hört, Frau Martha; seid eben gefaßt –Nicht wahr, Herr Vetter? – auf einen Gast;Ihr habt zwei Hühner; das zweite HuhnSteckt erst an den Spieß, wenn ich's heiße thun.
Jetzt aber nehmt die Flasche dort,Und dort den Humpen von seinem Ort,Und schenkt mir langsam den edlen WeinVon hoch, recht perlend und schäumend ein.
Ihr, Vetter, indeß kommt näher zu mir,In diesen Kreis auf dem Estrich hier;Da, nehmt das Stundenglas in die Hand,Und schaut nur scharf auf den rinnenden Sand.
Es ist nur so ein Experiment.Ihr wißt den Anfang, ich weiß das End.Sie hocus pocus, bracadabra!Wir sind noch hier und wähnen uns da!» –
Er hatte die Worte murmelnd gebraucht,Und heimlich zugleich ihn angehaucht;Anselmo stand die Augen verdrehtUnd starr, wie ein hölzerner Heiliger steht.
2
Die Boten sind kommen, Anselmo, du bistBischof geworden zu dieser Frist;Vernimmst du's? Bischof! erschrickt dir vor LustDas schlagende Herz in der schwellenden Brust?
Wirf ab die schlechten Lumpen geschwind,Die grau und zerschlitzet vor Alter sind;Leg an das seidene Purpurgewand;Zum Segen lerne falten die Hand.
Das Kreuz auf die Brust, das blinkende Ding,An deinen Finger den Siegelring;Leg an, Anselmo, den vollen Ornat,Und zeige dich uns als stolzer Prälat.
Und wie im Palast er heimisch war,Umglitzerten rings ihn die Wände so klar,Er legte sich, strahlend vom Widerschein,Ins Fenster und sah in die Straße hinein.
Da hätt er gerne die Leute gefragt:Ihr Lumpenvolk da unten, sagt,Wie nehm ich denn hier oben mich aus?Steht trefflich mir nicht das prächtige Haus?
Doch ward es ihm bald zu öd und zu weit,Ihm graute schier in der Einsamkeit;Da kam ihm eine... Nichte nach,Von welcher man schon zu Toledo sprach.
Hoffährtig war und launisch das Kind,Wie solche Nichten zu Zeiten es sind;Die trug nun auch ein seidenes KleidUnd brauchte Perlen und andres Geschmeid.
Das Regiment, wie sich's gebührt,Ward bald allein von ihr geführt,Und Regen kam und SonnenscheinIn Haus und Kirche von ihr allein.
Wie wetterwendisch sie's immer trieb,Er ärgerte sich und hatte sie lieb,Und also kam es, bei Aerger und Spaß,Daß ganz er Vetter Yglano vergaß.
Wie einst beim Vespern er fröhlich war,Bedünkte es ihn fast sonderbar;Die Thür gieng auf und herein gewalltErschien Yglanos vergeßne Gestalt.
«Gott grüß Euch, Herr Vetter; ich bin erfreutEuch wohl zu finden; mit nichten gereutEs mich, was immer ich für Euch gethan,Sofern Ihr seid ein zufriedener Mann.
Doch seht: die Welt ist kugelrund,Der Supplikant, der bin ich zur Stund,Entsinnt Euch, ich sprach Euch von meinem Sohn,Versorgt mir ihn jetzt, das sei mein Lohn.
Die kleine Pfründe, die eben vakantGeworden ist, wie wohl Euch bekannt,Und die Ihr erst vergeben sollt,Die wäre so recht, was für ihn ich gewollt.» –
«Die Pfründe», versetzte hastig die Maid,«Ist schon vergeben, es thut mir leid;Mein Bruder bekommt sie; Ihr seht selbst ein,Das nächste Recht war doch wohl sein.
Und nächstens, – künftig, – einst vielleichtWird Eurem Sohn das Seine gereicht;Geht's heut nicht an, ist's unsre Schuld?Der Vetter muß warten; Geduld! Geduld!» –
«Muß warten!» erhub in demselben TonDer würdige Bischof seinen Sermon;«Ihr Bruder... mein Neffe... wir ändern es nicht;Die Sache verhält sich so, wie sie spricht.
Ein Bistum ist kein Königreich!Ich werde geplagt dem Besten gleich,Von Schranken und aber Schranken beengt,Von Supplikanten und Bettlern bedrängt.
Sie haben den Vortheil, ich habe die Qual;Ich kann nicht helfen allen zumal,Nicht jeden fördern nach seinem Begehr; –Ein Kardinal, der könnte schon mehr.
Ja, Vetter, hättet Ihr mich gemachtZum Kardinal, und entspräche die MachtDem redlichen Willen des Herzens nur,So wollt ich Euch helfen, bei meinem Schwur!»
Darauf mit großer SeelenruhDer Vetter Yglano: «Da drückt Euch der Schuh;Der rothe Hut, der rothe Hut!Nicht wahr, das ist, was Noth Euch thut?» –
Darauf erglühend im AngesichtDer geistliche Herr: «Ich leugn' es nicht,Und wenn Ihr den mir noch verschafft,So wahr mir helfe des Zaubers Kraft!»...
Ihm fiel der Wunderthäter ins Wort:«Genug! kein Schwur ist hier am Ort;Ich lasse mich den Versuch nicht reun,Euch mag der rothe Hut noch erfreun.»
Er hub die Hand bedrohlich fast,Zog Kreis auf Kreis in die Luft mit Hast.«Sie hocus pocus Schiboleth!Es wird erst Tag, wann die Nacht vergeht!» –
Ihm schaute zu, und atmete kaum,Der geistliche Herr, wie im Fiebertraum;Das Wort war gesprochen, das Werk vollbracht;Er rieb sich die Augen, es war noch Nacht.
3
Da kam vom Heiligen Vater der Brief,Der unsern Prälaten nach Rom berief;Zum Fürsten der Kirche, zum KardinalErhebt ihn des Dreimalgekrönten Wahl.
Der alten Günstlinge junger GenoßErschien er am Hof, wo bald ihn umfloßDer trüglichen Sonne blendendes Licht,Das dort auf schwankendem Boden sich bricht.
Selbstsüchtig schritt, ehrgeizig hinanEr unverdrossen die schwindliche Bahn,Und hatte, bei üppiger Lust und Pracht,Mit nichten noch an Yglano gedacht.
Einst saß er am offenen Fenster alleinIn der scheidenden Sonne verlöschendem Schein,Und starrte, befallen mit finsterem Muth,Hinaus in die bluthig dämmernde Gluth.
Da regte Geräusch sich im Säulengang,Hin warf er den Blick, noch schimmerte langEin farbiges Spiel dem Geblendeten vor;Yglano erschien, als der Schein sich verlor;
Und wie er ihn scharf in das Auge gefaßt,Ward eines ihm klar, er erzitterte fast:Die Sonne sinkt, dein Stern geht auf!Der lenkt für dich des Geschickes Lauf.
Wie kühn er den Wurf schnell überschaut,Trat hastig er vor und grüßt' ihn vertraut,Und sprach, als ein welterfahrener Mann,Geflügelten Wortes zuerst ihn an:
«Du kommst mich zu mahnen an deinen Sohn,Mich anzuspornen, das merk ich schon;Doch solches, mein Alter, ist nicht am Ort;Vergaß ich denn je ein gegebenes Wort?
Und was ich bin, dir schuld ich es nur,Dein bin ich, deine Kreatur;Ich sag es laut, ich bekenn es frei; –Du zweifelst, ob ich erkenntlich sei?
Du hast mich erzogen und meiner gepflegt,Hast, guter Vetter, mich liebgehegt,Du halfest dem Liebling nach deiner Macht;Doch eines hast nicht recht du bedacht.
Du hättest gern recht hoch mich gestellt,Zu wirken, zu schaffen in Kirche und Welt;Ein Kardinal! das Wort schallt recht, –Sein Sinn ist: der Knechte niedrigster Knecht.
Mein guter Vetter, o wüßtest du doch,Wie gespannt du mich hast in ein schmähliches Joch!Der Neid umlagert die Pfade der Gunst;Es gilt, sich zu drehn und zu wenden, für Kunst.
Dich lockt die Larve, du trauest ihr wohl?So schlag an das Herz, da klingt es hohl;Von Ränken und aber Ränken umgarnt,Der stellt dir ein Bein, der vor Schlingen dich warnt.
Die Schuld, die heimlich im Finstern schleicht,Die hat das Ziel am ersten erreicht;Verworfene Dirnen, um Sünde und Geld,Und Schächer beherrschen die christliche Welt.
Du wähnest annoch, gutherziger Mann,Daß deinen Sohn ich befördern kann?Ich bin, ob sündenhaft, zu rein,Um irgend in Rom vermögend zu sein.
In meinem Bistum vermocht ich's einmalZu schalten, zu walten nach Einsicht und Wahl;Das schlechteste Dorf ist ein kleines Reich,In Rom ist der Zweite dem Letzten gleich.
Der Heilige Vater ist schwach und alt, –Der müden Hand entsinkt die Gewalt, –Er ist sehr krank, – er leidet viel, –Er sehnt sich selbst nach dem letzten Ziel.
Er könnte... sterben, der alte Mann,Er könnte! mein lieber Vetter, und dann...Ich meine nicht... versteh mich nur:Er könnte, es liegt im Lauf der Natur.
Sieh krampfhaft deine Knie mich umfahn!Verbeßre, vollende, was du gethan,Zieh mich empor aus dem SündenpfuhlUnd bahne den Weg mir zum heiligen Stuhl!
Dann bricht mir an der gehoffte Tag,Wo alles ich dir zu vergelten vermag;Dein Sohn... Gebiete, Vetter, du bistMein einziger Gott, mein Heiland, mein Christ!»
Gelassen darauf Yglano: «Genug,Zuviel gesprochen in einem Zug;Was aber dahinter verborgen, und nicht,Wir fördern es, mein ich, sogleich an das Licht.
Der Kardinal ist Euch zu gering,Es dünkt Euch Pabst sein ein anderes Ding;Wir wollen sehn, wir wollen sehn!Euch mag nach Eurem Glauben geschehn.»
Er hub die Hand bedrohlich fast,Zog Kreis auf Kreis in die Luft mit Hast:«Sie hocus pocus Schiboleth!Es wird erst Tag, wann die Nacht vergeht!» –
Ihm schaute zu, und atmete kaum,Der Kardinal, wie im Fiebertraum;Das Wort war gesprochen, das Werk vollbracht;Er rieb sich die Augen, es war noch Nacht.
4
Und bald sprang auf ein verschlossenes Thor;Der Pabst Anselmo trat hervor,Und ward geweiht in Sankt Petri Dom;Ihm jauchzte entgegen das heilige Rom.
Darauf von den hohen Stufen herabEr urbi et orbi den Segen gab,Und sah vor seiner HeiligkeitSich beugen die sämtliche Christenheit.
Dann eilten herbei von nah und fernDie Abgesandten der Fürsten und Herrn,Den Fuß in Demuth zu küssen bestelltDem dreimalgekrönten Beherrscher der Welt.
Drauf saß er geruhig im Vatikan,Der niedern Sorgen abgethan,Und nicht war an Lust und Freuden kargDer enge Raum, der ihn verbarg.
Der Tisch war gut, die Pfühle weich,Der Kämmerling dem geübtesten gleich;Ein Kardinal gieng ihm zur Hand,Der Lesen und Schreiben trefflich verstand.
Und was das lästige Volk betrifft,Das nicht zufrieden noch mit der Schrift,Redselig uns oft viel Kummer macht, –Da hielten die Pförtner schon gute Wacht.
Die Sonne stieg am Morgen auf,Beschloß am Abend ihren Lauf,Es wurde Tag, es wurde Nacht,Und alles gieng, wie hergebracht.
Der Frühling kam mild, der Sommer warm,Der Herbst kam reich, der Winter arm;Es wurde Tag, und wurde Nacht,Und alles gieng, wie hergebracht.
Da wiegte der Heilige Vater sein HauptUnd sprach: «Ich hätte nimmer geglaubt,Bevor ich selber die Macht erreicht,Es sei die Welt zu regieren so leicht.»
Und wie im Traum ein Bild uns erscheint,Das längst wir todt und verschollen gemeint,Trat einst ein Vergessener mahnend vor ihn,Der schier ihm unheimlich, gespenstisch erschien:
«Ich bin's, Herr Vetter; erkennt Ihr mich nicht?Es ist Yglano, der mit Euch spricht;Ich ließ Euch Zeit, ich hatte Geduld;Nun komm ich einzufodern die Schuld.»
Erröthend, erblassend in einem Nu,Sprang auf der Pabst und schrie ihm zu:«Hinweg aus meinem Angesicht!Hinweg! entfleuch! ich kenne dich nicht.»
Yglano blieb geruhig, und tratZwei Schritte noch vor, dann lächelnd thatEr auf den Mund mit leisem Hohn,Und sprach in schaurig flüsterndem Ton:
«O Dankbarkeit, du süße Pflicht,Du Himmelslust, du Himmelslicht!Wie hat sich dieser dich eingeprägt?Wie hat er stets dich heilig gehegt?
Ich zog dich, Wurm, aus deinem Staub,Und mästete dich mit der Kirche Raub;Du stiegest und stiegest im schwindelnden FlugAuf meinen Flügeln, nichts galt dir genug.
Ich machte, nach deiner gierigen Wahl,Zum Bischof dich, zum Kardinal,Und machte dich gar am Ende zum Pabst, –Wo blieb das Wort, das du mir gabst?»
Der Heilige Vater hub an zu schrein:«Wer ließ mir den groben Gesellen herein?Trabanten und Wachen herbei! wir sindGefährdet, ergreift den Alten geschwind!»
Da keiner erschien, fuhr Yglano fort:«Erfülle mir, Pabst, dein gegebenes Wort;Zum andern, zum dritten, fodr ich dich auf,Ich, welcher noch lenkt des Geschickes Lauf.»
Und laut und lauter inzwischen erschollDie Stimme des Pabstes, er schrie wie toll:«Verruchter! Zauberer! Ketzer! dein Lohn,Der Scheiterhaufen erwartet dich schon!»
Yglano darauf: «Herr Vetter, Ihr wißtAus Erfahrung jetzt, was des Brauches ist:Ein jeder für sich; – was frommte mir nunDas Allergeringste für Euch zu thun?»
Dann trat er vor ihn und gab ihm zugleichMit fliegender Hand einen Backenstreich;Anselmo starrte erwachend empor;Ihm schallten die letzten Worte im Ohr.
Er sah sich um; im BüchersaalYglanos stand er, wie dazumal;Zerlumpt, das Stundenglas in der Hand,Und unvermindert rann der Sand.
Dort stand Frau Martha und schenkte den WeinMit erhobener Hand in den Humpen ein,Und wie er gefüllt bis zum Rande war,So reichte sie ihn dem Hausherrn dar.
Yglano nahm den Humpen und trank,Und setzte ihn weg, und sagte: «Schön Dank!»Erbat sich sodann das Stundenglas,Und stellte es hin zu dem Tintenfaß.
Und sprach: «Wir haben uns bedacht,Frau Martha; ein einziges Huhn zu Nacht. –Es thut, Herr Vetter, mir herzlich leidDaß Ihr zu fasten gesonnen seid.
So lebt denn wohl! – Frau Martha, das Licht,Daß nicht der Vetter den Hals noch bricht;Ihr leuchtet ihm hübsch die Treppe hinab,Und schließt die Hausthür hinter ihm ab.»
Der vortreffliche Mantel.
Liebe Tochter, was klagst du so sehrUm diesen Einen?'s giebt ja der hübschen Jünglinge mehr,Laß ab zu weinen.
Liebe Mutter, es fällt mir nicht einUm ihn zu klagen;Um den Mantel klag ich allein,Ich will's dir sagen.
Ach der gute Mantel, beschwertMit silbernen Ketten!Den behielt er noch unverzehrt,Wenn den wir nur hätten!
Ein Baal Teschuba.
Noch hatte der Rabbiner nicht begonnenZu unterrichten, im gedrängten KreiseDer Schüler hatte sich Gespräch entsponnen;Gespräch von jenem räthselhaften Greise,Der in die Synagoge war gekommenFast eigentümlich schauerlicher Weise;Der auf der Trauerbank den Platz genommen,Dem Sträfling gleich, andächtig immerdar,Ein Vorbild der Erbauung allen Frommen,Und wie das Schlußgebet gesprochen war,Aufspringend mit befremdlicher Geberde,Sein Haupt verhüllt im faltigen Talar,Sich quer am Eingang auf die harte ErdeVor allen niederstürzend hingestreckt,Auf daß mit Füßen er getreten werde.Doch keiner that's, denn jeder wich erschrecktZur Seite, daß den Starren er vermeide,Den erst der letzten Schritte Hall erweckt.Ein Pole müßt er sein nach seinem Kleide,Doch haben, die ihn sprachen, ausgesagt,Daß ihn die deutsche Mundart unterscheide.Nach seinem Namen haben sie gefragt,Worauf er seufzend Antwort nicht gegeben;Sie haben, mehr zu fragen, nicht gewagt.Da trat, wie so die Schüler sprachen, ebenDer Greis herein, dem Winter zu vergleichenVon jugendlichem Frühlingsreis umgeben.Es sahn die Ringsverstummenden ihn schleichenDem letzten Platze zu, um den er bat,Ihn sollte da das heil'ge Wort erreichen.Und der Rabbiner sich erhebend tratMit ernstem Worte zu dem seltnen Gast:«Hier gilt es, auszustreuen gute Saat.Wie du im Tempel dich betragen hast,Erscheint vielleicht in zweifelhaftem LichteDem, der den Gang des Lebens nicht erfaßt;Was aber dich bewogen, das berichteDu diesen hier, damit auch sie es wissen;Ich fodre deine düstere Geschichte.Gar mancher ist der Weisheit nicht beflissen,Der wahrlich anders würde sein, verstünd erDen Ernst der That im strafenden Gewissen.» –«Ich bin ein Baal Teschuba, bin ein Sünder,Der wallend durch das Elend Buße thut,Und jetzt der eignen Missethat Verkünder.Nach meinem Namen forschet nicht, der ruhtBei meinen Hinterlaßnen, Weib und Kindern,Und liegt bei Haus und Hof und Hab und Gut.Ich handelte, geehrt und reich, mit RindernUnd sah mit Stolz auf meines Hauses Flor,Der sollte jähen Sturzes bald sich mindern.Ich stand indeß dem Ehrenamte vor,Die Spenden der Gemeinde darzureichenDen fremden Armen vor des Tempels Thor.Ein Weib, ihr Bild will nimmer von mir weichen,Ein schwangres Weib schalt einst mich einen Wicht,Und zankte, schrie und schmähte sondergleichen.Da faßte mich der Zorn, ich hielt mich nicht,Ich hob die Hand zu unheilvoller StundeUnd schlug die Keiferin ins Angesicht.Das Wort erstarb in ihrem blassen Munde,Sie wankte, fiel, da lagen scharfe Scherben,Es quoll ihr Bluth aus einer tiefen Wunde.Ich sah das grüne Gras sich purpurn färben,Sah krampfhaft noch sie zucken eine Zeit,Dann starr gestreckt zu meinen Füßen sterben.Nicht in die Hände der GerechtigkeitGeliefert hätte mich die Brüderschaft,Ich war von jeder äußern Furcht befreit.Doch einen Richter giebt's, der Rache schafft,Gewissen heißet, der die scharfen KrallenIns Herz mir eingerissen voller Kraft.Und ich erkor, ein Fragender, zu wallenZu einem frommen Greise: Rabbi, sprich,Wie büß ich, der ich so in Schuld gefallen?Und harter Bußen viele lud auf michDer strenge Mann mit Beten, Baden, Fasten,Nur eine, eine nur war fürchterlich.Mit meinem Fluche sollt ich mich belasten,Ins Elend willig gehn am Bettelstabe,Und sieben Jahre nicht auf Erden rasten.Ich hab's gethan, ein Baal Teschuba habeSechs Jahr ich schon vom Mitleidsbrod gezehrt,Sechs Jahre mich genähert meinem Grabe.Die Heimath zu betreten war verwehrt;Ich habe mich, zu machtvoll angezogen,In immer engern Kreisen ihr genäh'rt.Und einst, da stand ich vor des Thores BogenDer Vaterstadt, da stand ich, wie gebannt,Mit ausgestreckten Armen vorgebogen.Ich hätte fliehen sollen; übermanntVon namenloser Sehnsucht trat ich ein, –Wie selbst so fremd! wie alles so bekannt!Des langen Haupt- und Barthaars Silberschein,Der Stirne Furchen und die fremde Tracht –Ich mochte jedem wohl unkenntlich sein.Wie schlug das Herz mir in der Brust mit Macht!Ich schlich daher, so wie der Sünder schleicht,Und wo die Straß am Markt die Biegung macht...Gott Israels! mein Haus! – Ein Kind – vielleichtMein eignes Kind! – ein Mädchen tritt heraus, –Hat Rahel solch ein Alter wohl erreicht? –Der Ew'ge segne dich und dieses Haus,Mein süßes Kind! ein Bettler ruft dich anAus bittern Elends namenlosem Graus.Sie sah mich freundlich an, und schritt sodannIns Haus zurück, und kam nach kurzer Frist:Die Mutter schickt dir das, du armer Mann. –Es war ein Kreuzer nur – die Mutter!? IstBekannt auch deiner Mutter, daß so kleinDie Gift sie einem Baal Teschuba mißt?Sie sah mich staunend an, und gieng hinein,Und kam sogleich auch wieder her zu mir:Die Mutter sagt: es kann nicht anders sein.Sie hat's jetzt nicht, denn Vater ist gleich dirEin Baal Teschuba; würdest mehr bekommen,Wär unser armer guter Vater hier.Nun hatt ich's ja aus ihrem Mund vernommen!Ich habe schluchzend schnell mich abgewandtUnd nicht mein Kind an meine Brust genommen,Ins Elend hab ich mich zurückgebannt.»
Das Gebet der Witwe.Nach Martin Luther.
Die Alte wacht und betet alleinIn später Nacht bei der Lampe Schein:«Laß unsern gnädigen Herrn, o Herr!Recht lange leben, ich bitte dich sehr.Die Noth lehrt beten.»
Der gnädige Herr, der sie belauscht,Vermeint nicht anders, sie sei berauscht;Er tritt höchst selbst in das ärmliche Haus,Und fragt gemüthlich das Mütterchen aus:«Wie lehrt Noth beten?»
«Acht Kühe, Herr, die waren mein Gut,Ihr Herr Großvater sog unser Bluth,Der nahm die beste der Kühe für sichUnd kümmerte sich nicht weiter um mich.Die Noth lehrt beten.
Ich flucht ihm, Herr, so war ich bethört,Bis Gott, mich zu strafen, mich doch erhört,Er starb, zum Regimente kamIhr Vater, der zwei der Kühe mir nahm.Die Noth lehrt beten.
Dem flucht ich arg auch ebenfalls,Und wie mein Fluch war, brach er den Hals;Da kamen höchst Sie selbst an das ReichUnd nahmen vier der Kühe mir gleich.Die Noth lehrt beten.
Kommt Dero Sohn noch erst dazu,Nimmt der gewiß mir die letzte Kuh –Laß unsern gnädigen Herrn, o Herr!Recht lange leben, ich bitte dich sehr.Die Noth lehrt beten.»
Der vertriebene König.
Cento novelle antiche. Ed. Manni. Nov. VII
Die alle freien Stimmen ihr verdächtigt,So ihr, dasjenige euch vorzusagen,Was nur ihr hören wollt, nicht selbst ermächtigt;Vernehmt die Stimme denn uralter Sagen;Hie bin ich, schlicht die Worte des VerstandesAus eurer Väter Zeit euch vorzutragen.Es war einmal ein König Griechenlandes,Dem segnend der Allmächtige verliehenMacht, Weisheit und die Liebe seines Landes.Er ließ von Weisen seinen Sohn erziehen;Die kamen denn und sprachen: «Nimm ihn hinUnd prüf ihn, unser Werk ist wohl gediehen.»Und daß er prüfe seines Sohnes Sinn,Hieß vieles Gold aus seines Schatzes HallenEr holen und es legen vor ihn hin.Und vor den Rittern und Baronen allen,Das Gold ihm schenkend, sprach er zu dem Sohne:«Verwende dieß nach deinem Wohlgefallen»,Und er befahl, die andern sollten, ohneIhm Rath zu geben, scharf auf ihn nur sehen,Und dann Bericht erstatten vor dem Throne.Da sah der Königssohn vorübergehenDie Karavanen aus den fernsten Orten,Und hieß die Reisenden ihm Rede stehen.Gewandt und kühn, mit wohlerwognen WortenSprach einer: «Herr, ich bin ein HandelsmannUnd mir gehören die Kamele dorten.Durch eigene Betriebsamkeit gewannIch Schätze, die ich keinem sonst verdanke,Da mir das Land und mancher danken kann.»Ein zweiter sprach, verloren in Gedanken, –Er wäre lieber unbefragt geblieben, –Indem zur Erde seine Blicke sanken:«Ich bin der König Syriens, den vertriebenDie aufgeregten Völker; mein VerhaltenWar so, daß sie die Schuld mir zugeschrieben.»Und alles Gold, worüber er zu schalten,Gab diesem alsobald das Königskind,Darob entrüstet die Barone schalten.Sie klagten vor dem Throne: «Herr, es sindNicht deines Sohnes Thaten lobenswerth;Er schlug der Weisheit Lehren in den Wind,Er ließ den Wohlverdienten unbeehrt,Indem er unbesonnen seine GabeDem andern Unbesonnenen beschert.»Es wurde vorgefodert nun der Knabe,Daß Rechenschaft er gäbe, wie verwendetDas seiner Hand vertraute Gut er habe.«Ich habe nichts verschenkt und nichts verschwendet»,Sprach zuversichtlich da der Königssohn,«Und nicht vom Würdigen mich abgewendet.Bezahlet hab ich nur verdienten Lohn;Von dem ich nichts gelernt, den ließ ich ziehen,Des andern Lehre galt um meinen Thron,Sein Beispiel hat mir gellend zugeschrieen:Nur mächtig ist, den seine Völker lieben,Denn über uns ist ihnen Macht verliehen.Was ich ihm gab, sein Schuldner bin ich blieben.»
Aus der Vendée.
1Im Jahre 1832.
Wer stört der stillen Gegend Widerhall?Ich sehe durchs Gebüsch die Rosse nicht,Ich höre nur der flücht'gen Hufe Schall.Dort windet eine Schlucht sich an das Licht;Ich seh daraus den rüst'gen Führer steigen;Ein Landmann, der die Bahn durchs Dickicht bricht.Wer wird in dem Geleite doch sich zeigen?Ein Weib allein, – sie ist's! schau nicht ihr nach,Du hast sie nicht gesehn, du weißt zu schweigen.Und wie der Tag den Flüchtlingen gebrach,Sein letzter Schein im Westen sich verlor,Da sahn sie im Gebüsch ein einsam Dach.Und sie: «Halt an! und klopf an dieses Thor,Ich bin erschöpft, ich will zur Nacht hier rasten.»Darauf der Landmann: «Sei uns Gott davor!Die Höhle da gehöret dem Verhaßten,Der dein Verderben spinnt mit Rath und That;Das Roß gespornt! wir müssen fürder hasten.»Sie aber schwang vom Pferde sich und tratAns Thor und klopfte: bald erschien ein Licht,Der Hausherr forschte selber, wer genaht.Und sie zu ihm: «Ich bin's, erschrecke nicht,Ich bin's, die Schirm und Schutz von dir begehrtUnd Obdach hier zu finden sich verspricht.» –«Entfleuch, Unselige! denn meinen HerdUmlagern, die dich suchen.» – «Mir den Arm!Dein Ruf mir volle Sicherheit gewährt.»Sie tritt mit ihm ins Haus; es theilt der SchwarmSich der Bewaffneten, mit Ehrfurcht weichenZur Seite der Gardist und der Gensd'arm.Und wie das innre Zimmer sie erreichen,Wo seine Töchter saßen am Klavier,Sieht, angestaunt von ihm, sie ihn erbleichen.Und sie beginnt: «Das wundert dich von mir?Verdopple seine Wachten doch in steterBefürchtung, den nun drückt der Krone Zier!Geächtet, ehrt der Landmann mich und Städter;Ich schweife sicher durch das KönigreichUnd find in Frankreich nirgends den Verräther.»Drauf er entrüstet: «Und bewundr ich gleich,Ich selbst bin Vater, deinen Heldenmuth,Macht doch das Mitleid nicht das Herz mir weich.Dich mahn ich an den Fluch, der auf euch ruht;Es hat euch Frankreich zürnend ausgespieen,Das du mit Schmach bedecken willst und Bluth.Der eurem Rechte seine Kraft verliehen,Der Fremde wird, zum dritten Male schon,Von deinem Frevel laut herbeigeschrieen;Durch Bluth und Schande willst du deinem SohnDen düstern, unheilvollen Weg von neuenEröffnen zu dem angestammten Thron.Am Bluthe mag der Löwe sich erfreuen!Doch Schande, hörst du? Schande...! – Hör mich an:Hier schärfst du nur das Beil für deine Treuen;Dir ebnet sich zur Flucht der Ozean;Verzichtend laß die schnöde Selbstsucht fahrenUnd nimmer mich bereun, was ich gethan.»Und sie mit Wehmuth, ihre Augen warenVon Thränen feucht: «Was Selbstsucht und was Schande?!Und soll ich solche Kränkung noch erfahren!Dein blinder Eifer lodert auf zum Brande,Du brichst den Stab, erkenne mich erst recht:Ich opfre ja mich selbst dem Vaterlande.Was gelt ich hier, was gilt hier mein Geschlecht?Es gilt bei meinem bluth'gen UnterwindenAllein das göttliche, das ew'ge Recht.Im Recht ist Heil für Frankreich nur zu finden;Auf Schmach gerichtet, meinst du, sei mein Streben;Was zögerst du? hier bin ich, laß mich binden.Mißachtet mag ich Dulderin nicht leben;Laß mich ein Opfer deines Wahnes sein,Du meinst es gut, ich habe dir vergeben.»Die Thür sprang auf, Gensd'armen traten ein:«Wir sitzen auf, es ist zu reiten Zeit;Giebt's heute Neues zu berichten?» – «Nein!» –«Nicht Nachricht von der Fliehenden?» – «Verzeiht!Laßt mich allein mit meiner Sorgen Last,Und ehrt die Schatten meiner Häuslichkeit.»Wie sie hinausgegangen, sprach gefaßtZu seinen Töchtern er mit leisem Munde:«Ihr sorgt mit Ehrfurcht für den hohen Gast.Wohl quoll der Zorn, wie Bluth aus tiefer Wunde,Aus meinem Herzen, euch geziemt das nicht;Mit stiller Andacht feiert diese StundeUnd überlaßt dem Höchsten das Gericht.»
2Im Jahre 1833.
«Und überlaßt dem Höchsten das Gericht!»So sprach ich einst, und seht: er hat gerichtet.Nicht ward im Bluthe dieser Zwist geschlichtet,Es hatte da das Eisen kein Gewicht.
Die blinden, schwachen Menschen haben nichtDurch Weisheit oder Kraft es ausgerichtet;Blickt hin! die Macht des Gegners ist vernichtet,Der Höchste sprach im Zorn: es werde Licht.
Seht, strafend regt die Frucht sich ihres Leibes,Zerstoben ist des Widersachers Reich,Sein Stolz und seine Hoffnung sind gewesen.
Kein Spott, kein Hohn dem Jammer dieses Weibes!Sie ist, dem blitzgetroffnen Felsen gleich,Ein von dem Waltenden gezeichnet Wesen.
Dichters Unmuth.(Nach Fouqué)
Wir tragen gar im Herzen manche Pfeile,Und bluthet's in dem stillen Schoß der Nacht,So wird vom Schmerz das Lied hervorgebracht,So reihet wunderbar sich Zeil an Zeile.
Sie lesen's nun, so, für die Langeweile,Wann träg und laß sie die Verdauung macht,Und finden's hübsch, und finden's schlecht erdacht,Und hier ist's schwach, und dort entbehrt's der Feile.
Wir haben's aber so in der Natur,Wir schreiben ganz mit unsers Herzens Bluth,Was sie bekritteln zwischen Schlaf und Wachen.
O Pelikanes-Wirthschaft! wär's doch nurFür keine gar so miserable Brut!Was thut's, wir werden's drum nicht anders machen.
Der Soldat.(Nach dem Dänischen von Andersen)
[1833 als 3. Lied im Zyklus «Nach dem Dänischen von Andersen»]
Es geht bei gedämpfter Trommel Klang;Wie weit noch die Stätte! der Weg wie lang!O wär er zur Ruh und alles vorbei!Ich glaub, es bricht mir das Herz entzwei!
Ich hab in der Welt nur ihn geliebt,Nur ihn, dem jetzt man den Tod doch giebt.Bei klingendem Spiele wird paradiert,Dazu bin auch ich kommandiert.
Nun schaut er auf zum letzten MalIn Gottes Sonne freudigen Strahl, –Nun binden sie ihm die Augen zu, –Dir schenke Gott die ewige Ruh.
Es haben die neun wohl angelegt,Acht Kugeln haben vorbei gefegt;Sie zitterten alle vor Jammer und Schmerz –Ich aber, ich traf ihn mitten ins Herz.
Θανατοσ.(Fiebertraum, durch die Erzeugnisse der neueren französischen Romanenliteratur veranlasst)
In meiner Mutter Hütte, – laßt mich weinen!Ja, bringt die alten Thränen mir zurück,Ihr alten Bilder, wollt ihr mir erscheinen! –In meiner Mutter Hütte war das Glück;Die Liebe schaffte still mit leiser HandUnd leuchtet' über uns im Mutterblick.Da hing ein seltsam Bildniß an der Wand,Davor wir lernten unsre Hände faltenUnd Worte sprechen, die ich nicht verstand;Und hatten wir am Tag uns fromm verhalten,So nahten unsern Wiegen sich die TräumeAls lichter Engel segnende Gestalten.Vor unsrer Hütte lagen sonn'ge Räume,Um diese breiteten ein duft'ges ZeltDie dichten Reihen hoher Lindenbäume.Noch war der Umkreis unsre ganze Welt,Und von dem Bache jenseits längs dem HageDie äußerste der Grenzen uns gestellt;Und hier am Ufer stand ich lange Tage,Hier zog und hielt mich wie ein böser TraumMit fieberhaft erhöhtem Herzensschlage,Zu schaun hinüber nach dem fernen Saum,Dem blauen Nebelring, beschränkend dortDen grünen, weiten, ausgespannten Raum;Zu sehnen mich hinüber fort und fortIn jene räthselhafte blaue Weite,Der Schranke zürnend, die mich hielt am Ort.Da dacht ich: wärst du erst auf jener SeiteDes Wassers! dieses Wasser aber mußSo tief nicht sein. Ich war mit mir im Streite.Bald reifte der Gedanke zum Entschluß,Ich stieg hinein, es wuchs mir das Vertrauen,Es trug an jenes Ufer mich mein Fuß.Und vorwärts, ohne hinter mich zu schauen,In grader Richtung hub ich an zu wallenDem blauen Streifen zu durch blühnde Auen.Der Mutter Nachruf hört ich wohl erschallenUnd, wie ich unaufhaltsam vorwärts schritt,In schauerliche Stille bald verhallen.Grün ward der Boden rings um meinen Tritt,Da vor mich hin, so wie ich vorwärts drang,Der blaue Nebel fern und ferner glitt.Und wie ich so im Zauberkreise rang,Besann ich mich; da war ich müd und alt,Die Heimath hinter mir verschwunden lang.Und vorwärts, unablässig vorwärts galtEs durchzudringen; wie die Hoffnung schwand,Da änderte der Boden die Gestalt.Das Grün erstarb, es schien das öde LandBeraubt des Schmuckes lechzend zu erblassen,Ein ausgebrannter, windbewegter Sand.Die Ferne schien in Formen sich zu fassen,Ich sah den blauen Nebel halb zerrissenUnd halb erstarren zu begrenzten Massen;Und Ebenmaß und Ordnung zu gewinnenSchien meinem Aug ein riesenhafter BauMit luft'gen Thürmen und mit zack'gen Zinnen;Der stieg vor mir, entfaltend sich zur Schau,Aus nackter Ebne mehr und mehr emporAm Horizonte fern noch blau auf blau.Zu wogen schien ein klarer See davor,Den Durstgequälten lockend lügenhaft,Der staunend in Gedanken sich verlor.Beharrlich setzt ich fort die WanderschaftMit wundem Fuß und ausgedorrten Lippen,Und strengte standhaft an die letzte Kraft.Das Wasser floh vor mir, es stiegen KlippenAus dessen Spiegel und dem sand'gen Plan,Der Bau zerfiel zu schroffen Felsgerippen.Ich stieg auf nacktgebrannter Felsenbahn,Auf scharfen Steinen und zerspaltnem GrundeDen Abhang des Gebirges schon hinan.Und steiler ward der Pfad mit jeder Stunde,Der Kiesel schärfer in der Schluchten Schoß,Darüber troff mein Bluth aus mancher Wunde.Die zack'gen Gipfel starrten nackt und bloß,Die Wüste schwieg, des Lebens ganz beraubt;Kein Wurm und kein Gethier, kein Halm, kein Moos!Und wie bereits erklommen ich geglaubtDen Scheitel des Gebirges, sah ich ragenHoch über mir ein andres Felsenhaupt.Kaum wollten meine Glieder noch mich tragen,Ich kroch hinauf; von dorten sah ich nurEin Meer von Trümmern starre Wellen schlagen.Kein Quell, kein Grün, von Leben keine Spur!Hier hält mich, sonder Ausgang, fast erschrocken,Die todte, die entgötterte Natur.Ich schüttle mit Verzweiflung greise Locken;Der Durst! der Durst! o gebt mir meine Thränen!Das Herz ist dürr, die Augenhöhlen trocken.Wie lange wird sich diese Marter dehnen?Wird Wahnsinn grinsend mir ins Auge starren?Wirst du, Vernichtung, hungrig nach mir gähnen?Du läßt den schon Erstorbenen noch harren!
Die Ruine.
Ich schweifte rastlos auf den höchsten BergenAllein und fern von aller Menschenspur,Mich selbst und meinen Unmuth zu verbergen.Behaglich war's mir, wo die Gemse nurDie flücht'ge Bahn sich über Gletscher bricht,Recht einsam in der wildesten Natur.Was mir im Busen tobte, frage nicht:Entblößest du, der so mich fragen darf,Die eignen Wunden an das Tageslicht?Der Abend sank, die Winde wehten scharf;Ein Feuer hatt ich mir zu Nacht geschüret,Das auf das Schneefeld rothe Strahlen warf.Bald ward vom mächt'gen Zugwind aufgerühretDer Schnee in Wirbeln, und der Felsenwand,Die Schutz mir geben sollte, zugeführet.Zur Flucht gedrängt, ergriff ich einen Brand,Und suchte durch die Klüfte mich zu schlagenZu Thal, zur Burgruin am Waldesrand.Die Wolken, die erst um die Gipfel lagen,Ergossen jetzt sich wogend durch den RaumUnd schienen ein Gewitter anzusagen.Wie ich den Ort erreicht, ich weiß es kaum,Doch standen sie vor mir, die alten Mauern,In Brandes-Flackerschein an Waldessaum:«Beschirmt mich vor den kalten Regenschauern,Seid gastlich, Trümmer ihr der alten Zeit;Wo klafft ein Spalt, wo kann ich unterkauern?»Ein Riß im Mauerwerke, nur so breit,Daß mich hindurch zu pressen kaum gelang,Gewährte vor dem Sturm mir Sicherheit.Der führte mich in einen schmalen Gang,In dem vorschreitend bei des Brandes HelleIch tief und tiefer in das Innre drang.Hier eine Thür, ich hielt auf deren SchwelleDen düstern Ort betrachtend, zu erfahren,Ob das ein Grab sei, ob die Burgkapelle.Denn Bilder, halbverstümmelt, Waffen warenRings aufgestellt, zerstreut auch hin und wieder,Verschüttet und verstaubt von vielen Jahren.Ich lagerte zur Ruhe meine GliederAuf Schutt gestreckt, das Haupt auf einen Stein,Doch mied der Schlaf die müden Augenlider.Es wirkten jene Bilder auf mich ein,An denen ich mit stieren Blicken hing;Der Brand verglimmend warf den letzten Schein;Und nun die Nacht, die tiefste, mich umfieng –Vermag ich mein Entsetzen da zu schildernBeim Anblick dessen, was nun vor sich gieng!Ein bleicher Schein entströmte jenen Bildern,Ich sah sie in der Finsterniß sich regen,Sie wurden laut, sie huben an zu wildern.Und dumpf erscholl's: «Auf! aus dem Schlaf, ihr Trägen!»Ein Herrscher war es, der das Wort gesprochen,Die Hand versucht' er an das Schwert zu legen;Das war von Holz gewesen und zerbrochen;Nach seiner Krone griff er, – goldesbar,Ein altes, morsches Holz, vom Wurm zerstochen.Dem Rufe stellte bald sich eine Schar,In Holz gewappnet halb und halb in Eisen,Die nicht geheuer anzuschauen war.Und ihm zur Rechten sah ich einen Greisen,Der schwach und zornig, geistlich angethan,Verdrossen schien, ihm Ehrfurcht zu erweisen.Er musterte die Seinen Mann für Mann,Dann naht' er seltsam lächelnd sich dem Alten,Zu dem er leise flüsternd so begann:«Schwach worden bist du, mußt an mir dich halten,Und ich an dir, es ist nicht Hadernszeit;Bedecke mich mit deines Mantels Falten.»Und zu den Mannen: «Seid zum Kampf bereit;Ihr habt noch Eisen, gut! ich muß euch loben;Altar und Thron! das ist ein guter Streit.Nun gilt's, einander Eintracht zu geloben:Durch euch, für euch! ihr wißt, ich weiß es nun;Ich weiß, ihr wißt auch, was sie schwatzen oben.Sie wollen, Abgestandnes müsse ruhn;Ihr aber seid noch ein bewehrter Haufen,Und nächtlich werdet ihr das Eure thun.Sie sagen, unsre Zeit sei abgelaufen,Nun sei es Tag; doch, seht! es ist ja Nacht,Und mögen sie's mit anderm Worte taufen!Das Licht–! es ist zum Lachen! lacht doch, lacht!»Und wie er selbst darüber wollte lachen,Hat doch das Licht ihn stumm und starr gemacht.Der Blitz ergoß, der grause Feuerdrachen,Durch einen Spalt der Wölbung Lichtesgarben,Und hell erklang des Donners zürnend Krachen.Die Bilder, die zu Holz und Stein erstarben,Erwachten spät und zögernd nur zum Leben,Bis wiederum die Sprache sie erwarben.Da sah ich jenen Priester sich erheben;Der nahm das Wort und schüttelte sein Haupt:«Der Himmel hat ein Zeichen euch gegeben!Er hat, daß ihr's mit Augen seht, erlaubt,Wie Untergang er euren Feinden drohe;Ihr aber lobt die Finsterniß, und glaubt!Und weil ich euch die Deutung gab, die frohe,Und klärlich ihr erkannt des Herrn Gefallen,Der zu euch sprach in seines Zornes Lohe;So laßt vor ihm uns auf die Kniee fallen,Lobpreisend ihn mit unsern schwachen Zungen,Laßt Te deum laudamus laut erschallen.»So wurde denn der Lobgesang gesungen,Mißtönig, unerhört! mir mußte deuchten,Als hielte Fieberwahn mich fest umschlungen.Ich sah die zweifelhaften Wesen leuchtenMit bleichem Schimmer, der ich spähend lag;So schimmert morsches, faules Holz im Feuchten.Die Zeit verstrich, die nimmer ruhen mag,Durch jenen Spalt drang ein ein schwacher Strahl,Verkündigend den neugebornen Tag.Und bei dem Schein erblaßten allzumalDie Wundersamen, ihr Gesang verhallte,Es schwieg bald der, bald jener aus der Zahl.Ein Angstgeschrei des Oberherrn erschallte:«Hilf Priester du! es tagt! es darf nicht tagen!Den Mantel her! verhänge du die Spalte!Besteige den Altar, ich will dich tragen,Dich halten; das Entsetzen quillt von dortUnd drohet unsre Herrschaft zu zerschlagen!»Wohl that der Priester nach des Fürsten Wort,Doch wollte nicht der alte Mantel frommen,Es wuchs die Tageshelle fort und fort.Er aber bebte heftig angstbeklommen,Und sank zuletzt erstarrt zu den Erstarrten,Denn allen war des Lebens Schein genommen.Und in der Dämmerung, der lang erharrten,Sah ich von Holz und Stein die Bilder nur,Die halbverstümmelten, in Schutt verscharrten.Beim Priester lag am Pfeiler die FigurDes Oberherrn, der nächtlich wüste GrausZerronnen und verschollen ohne Spur.Da lacht ich ob dem tollen Traum mich aus,Und von des Fürsten Krone mir zum MalBrach ich ein Stück und nahm es mit nach Haus.Ich stieg zu Tag: im heitern MorgenstrahlErglühten rings des Schneegebirges ZinnenUnd schon ergoß das Licht sich in das Thal.Anbetend fühlt ich meine Zähren rinnen.
Lebens-Lieder und Bilder
1Der Knabe.
Gehört vom Lindwurm habt ihr oft,Ihr meine Spielgesellen,Nun wird es wahr, was ich gehofft,Den Drachen werd ich fällen.Er liegt gekrümmt am dunklen OrtIm kleinen Schrank am Spiegel dort,Da hat er seine Höhle.
Ihr seid die beiden Doggen traut,Die ich zum Kampfe brauche,Ich treib euch an, ihr heulet lautUnd packt ihn unterm Bauche.Ich geh mit Schwert und Schild voran,Mit Helm und Panzer angethan,Und schrei ihn aus dem Schlafe.
Hervor, hervor! du Höllenbrut!Da, seht den grimmen Drachen!Hu wie er Feuer speit und BluthAus weit gesperrtem Rachen!Wir kamen unbedachtsam nichtZu diesem Strauß, thut eure Pflicht,Ihr meine guten Doggen.
Und schnappt er gierig erst nach mir,Ich werd ihn listig fassen,Die aufgehäuften Bücher hierSind schwere Felsenmassen,In seinen Rachen werf ich sie,Du Unthier, erst verschlucke die,Bevor du mich kannst beißen.
Die Schlacht beginnt, wohl aufgepaßt!Wir wollen Gutes hoffen;Er denkt: er hält mich schon gefaßt,Sein weites Maul ist offen, –Der dicke Scheller fliegt hinein,Die andern folgen, groß und klein,Der Bröder und der Buttmann.
O Buttmann! o was tust du mir,Du dummer, zum Verderben?!Du triffst den Spiegel, nicht das Thier,Da liegen, ach, die Scherben!Der dumme Spiegel nur ist Schuld,Und tragen soll ich in GeduldDeshalb noch viele Schläge.
Das Glück hat feindlich sich erprobt,Getrost, ihr Spielgesellen!Ich werde, wenn der Meister tobt,Mich selbst für alle stellen.Er schlage mich nach Herzenslust,Daß er es kann, ist mir bewußt,Doch wird es so nicht dauern.
Ich bin auf immer nicht ein Kind,Es wird das Blatt sich wenden,Die durch die Rute mächtig sind,Die Ruten werden enden.Ich hab als Kind den Schwur gethan,Und bin ich erst erwachsner Mann,Dann weh den Rutenführern!
2Das Mädchen.
Mutter, Mutter! meine PuppeHab ich in den Schlaf gewiegt,Gute Mutter, komm und siehe,Wie so englisch sie da liegt.
Vater wies mich ab und sagte:«Geh, du bist ein dummes Kind»;Du nur, Mutter, kannst begreifen,Welche meine Freuden sind.
Wie du mit den kleinen Kindern,Will ich alles mit ihr thun,Und sie soll in ihrer WiegeNeben meinem Bette ruhn.
Schläft sie, werd ich von ihr träumen,Schreit sie auf, erwach ich gleich, –Meine himmlisch gute Mutter,O wie bin ich doch so reich!
3Er.
Möchte doch einer die Fäuste sich nagen!Also zu jung! nicht stark noch genug!Hören muß ich die Trommel schlagen,Sehen die andern Waffen tragen,Fernab ziehen, verschwinden den Zug.
Hören muß ich, und ruhig kauern,Schelten der Fremden Uebermuth;Sehen die Mutter beten und trauern,Aber gefangen in diesen MauernKühlen am Tacitus meine Wuth.
Ziehet, ihr glücklichen fröhlichen Fechter,Sorget, daß ihr vom Joch uns befreit,Aber bestellt mich vertrauend zum WächterUeber die künftigen Schergengeschlechter,Einst auch kommen wird meine Zeit.
4Sie.
Mutter, Mutter! unsre Schwalben –Sieh doch selber, Mutter, sieh!Junge haben sie bekommen,Und die Alten füttern sie.
Als die lieben kleinen SchwalbenWundervoll ihr Nest gebaut,Hab ich stundenlang am FensterHeimlich sinnend zugeschaut;
Und wie erst sie eingerichtetUnd bewohnt das kleine Haus,Haben sie nach mir geschauetGar verständig klug hinaus.
Ja, es schien sie hätten gerneManches heimlich mir erzählt,Und es habe sie betrübet,Was zur Rede noch gefehlt.
Also hab ich, liebe Schwalben,Unverdrossen euch belauscht,Und ihr habt, mit euren Räthseln,Wunderseltsam mich berauscht;
Jetzt erst, jetzt hat das Geheimniß,Das ihr meintet, sich enthüllt,Eure heimlich süße HoffnungHat sich freudig euch erfüllt.
Sieh doch hin! die beiden AltenBringen ihnen Nahrung dar.Giebt es Süßeres auf Erden,Als ein solches Schwalbenpaar!
5Er.
Kraft der Erde, Licht der Sonne,Schäumt der edle Wein;Laßt, ihr Brüder, ernst und heiligUnsre Stimmung sein.
Heute nicht dem Rausch der Freude,Nicht der eiteln Lust,Nein dem Gotte soll er geltenTief in unsrer Brust.
Gleich dem Weine warm und kräftig,Lauter, rein und klar,Bringen wir das volle LebenIhm zum Opfer dar.
Schmach der Feigheit! Krieg der Lüge!Allem Schlechten Krieg!Herrlich für die Freiheit sterben,Herrlicher der Sieg!
Wir für Menschenrecht und WürdeKämpen allzumal,Weihen den gefallnen HeldenFunkelnd den Pokal.
6Sie.
Rose, Rose, Knospe gesternSchliefst du noch in moos'ger Hülle,Heute prangst in SchönheitsfülleDu vor allen deinen Schwestern.Träumtest du wohl über NachtVon den Wundern, die geschahen,Von des holden Frühlings NahenUnd des jungen Tages Pracht?
7Er.
Ich hab in den Klüften des Berges gehaustGar manche schaurige Nacht,Und wann in den Föhren der Sturm gesaust,Recht wild in den Sturm gelacht.
Da, wo die Spur sich des Menschen verlor,Ward's erst mir im Busen leicht;Ich bin geklommen auf Gipfel empor,Die sonst nur der Adler erreicht.
Das Land, vom luftigen Horst geschaut,Lag unten, von Wolken verdeckt;Da schallte mein Lied gar grimmig und laut, –Das Lied – hat schier mich erschreckt.
Und nieder trieb mich die grausige LustAm Strom der Wildniß entlang;Ihn überschrie aus bewegter BrustMein seltsam brausender Sang.
Der Strom vertobt in ein friedliches Thal,Dort liegt ein einsames Haus –Ein Rosengarten – ein Gartensaal –Es schaut wohl jemand heraus.
Und wie ich schweifend vorübergewalltAm Hag, wo die Rosen sind,Sind alle die schaurigen Lieder verhallt,Ich ward so ein sanftes Kind!
8Sie.
Ich muß den Zweig, den bösen RosenzweigVerklagen.Er bat so sanft, wie sollt ich den ihm gleichVersagen?
Doch war's, daß ich ihn selbst zum Strauch geführt,Nicht weise,Wo seine Hand die meinige berührt,So leise.
Und als er zögernd aus dem Garten warGegangen,Stand zitternd ich, als hätt ich Böses garBegangen.
O hätt ich seiner holden Rede nichtGelauschet!Mich nicht an seines Auges klarem LichtBerauschet!
Nun trag ich unablässig, schreckhaft, bang,Mit Schmerzen,Das Licht des Auges und der Stimme KlangIm Herzen.
9Er.
Ein Rosenzweig dich schmücken?Du Wilder, wie will sich's schicken?Was hast du mit Rosen gemein? –Es stehen drei Sterne am Himmel,Die geben der Lieb ihren Schein.
Zwei Knospen am Zweig und die RoseEntscheiden nun meine Lose,Die Dreie, die mein ich allein. –Es stehen drei Sterne am Himmel,Die geben der Lieb ihren Schein.
Die Rose, die zarte, blühet,Die Liebe blühet und glühet,Das fühl ich im Herzen mein. –Es stehen drei Sterne am Himmel,Die geben der Lieb ihren Schein.
Noch Knospen im grünen Laube,Die Hoffnung und der Glaube,Sie müssen zur Blüthe gedeihn. –Es stehen drei Sterne am Himmel,Die geben der Lieb ihren Schein.
Ich pflanz ihn in meinen Garten,Den Zweig, und seiner zu warten,Dem will ich ernst mich weihn. –Es stehen drei Sterne am Himmel,Die geben der Lieb ihren Schein.
Ich seh ihn im freudigen TraumeErwachsen zum starken Baume,Mein Obdach soll er sein. –Es stehen drei Sterne am Himmel,Die geben der Lieb ihren Schein.
Und hat der Traum mich betrogen,Verdorrend der Zweig mich belogen,Mag alles dann Lüge sein;Dann steht kein Stern am Himmel,Kein Stern giebt der Liebe den Schein.
10Sie.
Hör ich seine Stimme wieder?Weh mir, weh mir! welche Lieder!Ach! was hab ich ihm gethan?Mitleid sollt er an mir üben,Aber nur mich zu betrüben,Sinnt der schonungslose Mann.
Vor den Liedern sollt ich fliehen,Mich verbergen, mich entziehenDer bezaubernden Gewalt –Aber lauschen muß ich, lauschen,Gierig, schmerzlich mich berauschen,Bis der letzte Ton verhallt.
Schweigt es, hallt in mir die WeiseNach, gar unbegriffner Weise,Traurig mild, und schaurig wild. –Und die Träume! Wehe, wehe!Wann ich leuchtend vor mir seheWundersam sein hohes Bild.
11Er.
Am Rosenhag im Thal, am Quell der Linden,Da haben meine Lieder oft gerauscht;Sie hofften gläubig Widerhall zu finden;Hast, Widerhall, den Liedern du gelauscht,Und ahndungsvoll gebebt bei ihrem Klange? –Lange!
Geahndet hättest du, daß ich dich meinte,Und dich in Schmerz und Lust mit mir vereint?Und hättest bald, wann ich verzagend weinte,Betrübet und verzagend auch geweint?Und bald gehofft, wann ich ermuthigt hoffte? –Ofte!
Du kennst das unbegriffne bange Sehnen,Den Widerstreit in der bewegten Brust?Den Hochgesang der Freuden und die Thränen,Den liebgehegten Schmerz, die herbe Lust?Der Hoffnung Honigseim, des Zweifels Galle? –Alle!
Wohlan! Ich werde gehn, mein Haus zu bauen;Sei fest, wie ich es bin, gedenke mein.Den dreien Sternen will ich fest vertrauen,Die dort der Liebe geben ihren Schein;Und wirst auch du vertrauen ihrem Schimmer? –Immer!
So lebe wohl, du Seele meiner Lieder,Und nur auf kurze Zeit verstumme du,Gar bald erweckt dich meine Stimme wieder,Dann rufen wir es laut einander zu,Was ungesagt verschwiegen nicht geblieben, –Lieben!
12Sie.
So still das Thal geworden! – ach! die Lieder,Seitdem er fortgezogen, sind verhallt;Und sorglos wandl ich, aber trauernd wiederAm Quell der Linden, wo sie sonst geschallt.
Der Winter schleicht heran, die Bäume zeigenDie Aeste schon vom falben Schmuck beraubt,Mein Rosenbaum wird bald die Krone neigenVom Reife schwer und schimmernd neu belaubt.
Und auch auf meinen Wangen, hör ich sagen,Entfärben sich die Rosen, sie sind bleich;Und mir ist wohl, ich habe nicht zu klagen,Ich bin in der Erinnerung so reich!
Er hat, der Morgensonne gleich, dem Traume,Dem nächtlichen, der Kindheit mich entrückt;Er schreite vor im lichterfüllten Raume,Es sinkt mein Blick geblendet und entzückt.
Ich werde nicht, einfält'ges Kind, begehren,Daß mir die Sonne nur gehören soll;Mag flammend mich ihr mächt'ger Strahl verzehren,Ich segne sie und sterbe freudenvoll.
13Er.
Wie stürmte der Knab in das LebenSo feindlich schroff und ergrimmt! –Ein Blick in dein klares Auge,Ein Blick in den reinen Himmel,Wie friedsam ward er gestimmt!
Er liegt, der Wilde, besänftigt,Gelassen, besonnen und mild,Zu deinen Füßen gebändigt,Und hebet zitternd die HändeZu dir, du friedliches Bild!
Ich habe mir einen GartenBestellt nach allem Fleiß;Da seh ich die Rosen erblühen,Sich härmen und still verglühen,Von denen die Herrin nicht weiß.
Ich hab ein Haus mir erbauet,Begründet es dauerhaft;Das seh ich so düster trauern,Weil nicht in den öden MauernDie segnende Hausfrau schafft.
Ich habe von reinem GoldeBestellt mir einen Ring,Den Ring... ich zittre verstummend –Den Ring, du Reine, du Holde,Nimm an den goldenen Ring.
Den Gartenhag und die Rosen,Das Haus, des Ringes Zier,Mein Herz und meinen Frieden,Mein Leben und mein Lieben,Die leg ich zu Füßen dir.
14Sie.
Mein güt'ger Herr, du willst herab dich lassenBeseligend zu deiner armen Magd!Mir hat die Sonne deiner Huld getagt!Ich kann es nicht ermessen, nicht erfassen.
Du sollst nicht wirre Träume neu beleben,Mein innres Herz nicht rufen an das Licht,Laß ab, du täuschest dich, du kennst mich nicht,Ich habe nichts als Liebe dir zu geben.
Laß ab, du Vielgeliebter, von der Armen,Die schon der Liebe Schmerz um dich beglückt;Sie heißt dich fliehn, und fest und fester drücktSie wonnetrunken dich in ihren Armen.
15Er.
Wie klang aus deinem MundeDas Ja so wunderbar?Ich bin nun zwei geworden,Der ich so einsam war.
Sie.
Wie klang es aus deinem MundeBeseligend meinem Ohr?Ich habe Ruhe gefunden,Da ich in dir mich verlor.
Er.
Mein Kind, mein Weib, mein Liebchen,Mein süßes Eigenthum,Du meines Laubes Blume,Du meine Freude, mein Ruhm!
Sie.
Dein Kind, dein Weib, dein Liebchen,Und deine Magd, und dein!Mein teurer Herr, mein Gebieter,Du Vielgeliebter mein!
Er.
Wie anders ergeht in die ZukunftSich nun der Gedanken Flug!Nun gilt es, stark zu erhalten,Beharrlich, besonnen und klug.
Sie.
Vergessen aller ZeitenAn deiner lieben Brust!Der Gegenwart genießenIn süßer himmlischer Lust!
Beide.
Wirf, segenreicher Vater,Den Blick auf die Kinder dein,Und laß ihre fromme LiebeEin Dankgebet dir sein.
16Sie.
Du schlummerst, feiner Knabe,Du meiner Freuden Kind,So sanft in meinen Armen,Die deine Welt noch sind.
Nun wachst du auf, du lächelst,Ich blicke wonnereichIn deines Vaters AugenUnd in mein Himmelreich.
Laß schwelgend mich genießenDer süßen kurzen Frist,Wo noch an meinem HerzenDu ganz der Meine bist.
Es will sich bald nicht passen,Es treibt und dehnt sich aus,Es wird dem lock'gen KnabenZu klein das Mutterhaus.
Es stürmt der Mann ins Leben,Er bricht sich seine Bahn;Mit Lieb und Haß gerüstetStrebt kämpfend er hinan.
Und der verarmten MutterIst nun Entsagung Pflicht;Sie folgt ihm mit dem Herzen,Ihr Aug erreicht ihn nicht.
O Liebling meines Herzens,Mein Segen über dich!Sei gleich nur deinem Vater,Das andre findet sich.
17Er.
Dein Vater hält dich im Arme,Du goldenes Töchterlein,Und träumt gar eigene Träume,Und singt und wieget dich ein.
Es eilt die Zeit so leise,Gewaltig und geschwind,Aus enger Wiege steigetHervor das muntere Kind.
Das Kind wird still und stiller,Es drängt an die Mutter sich;Wie blühet heran die JungfrauBewußtlos so minniglich!
Ein Himmel, welcher Tiefe!Ihr Auge so blau und klar!Wie bist du gleich gewordenDer Mutter, die dich gebar!
Nun überthauen PerlenDes hellen Blickes Glanz,Nun will der Zweig der MyrteSich biegen zum bräutlichen Kranz.
Dein Vater hält dich im Arme,Du goldenes Töchterlein,Und träumt von deiner Mutter,Und singt und wieget dich ein.
18Sie.
Du liebst mich wohl, ich zweifle nicht daran,Und lebte nicht, wenn mir ein Zweifel bliebe;Doch liebst du mich, du lieber böser Mann,Nicht so, wie ich dich liebe.
Getheilten Herzens, halb, und halb wohl kaum,Wann eben Zeit und Ort es also geben;Du aber bist mein Wachen und mein Traum,Mein ganzes Sein, mein Leben.
Du kennst nicht deiner süßen Stimme Macht,Wenn du dich liebeflüsternd zu mir neigest;Ein armes Wort, das schon mich selig macht,Du sprichst es nicht, du schweigest.
Noch winde dich aus meinem Arm nicht fort,Laß lesen mich aus deinen lieben Augen,Und von dem kargen Lippenpaar das Wort,Das ungesprochne, saugen.
19Er.
Ich werde nicht mit dir, du Süße, rechten, –Dich lieben, so wie du mich liebest? nein.Aus Rosen laß den Siegerkranz dir flechten,Der Liebe Preis ist dein.
Die Lieb umfaßt des Weibes volles Leben,Sie ist ihr Kerker und ihr Himmelreich:Die sich in Demuth liebend hingegeben,Sie dient und herrscht zugleich.
Gekehrt nach außen ist des Mannes Trachten,Und bildend in die Zukunft strebt die That;Als Pflegling muß die Liebe den betrachten,Dem segnend sie sich naht.
So hab ich dir im allgemeinen Bilde,Beglückende, dein eigenes gezeigt,Dein Bild, vor dem der Ungefüge, WildeSich sanft gebunden neigt.
O lasse mich in deinen lieben ArmenVergessen dieser Zeiten düstern Schein,An deiner lieben treuen Brust erwarmenUnd reich und glücklich sein.
20Sie.
Es wallt das Gewölk herüber,Verhüllt, verfinstert meinen Stern.Es faltet sich trüb und trüberDie Stirne meines teuern Herrn.
Zu dir erhebet die Hände,Erbarmer, die gebeugte Magd;Du, schaffe des Grames Ende,Der meinem Herrn am Herzen nagt.
Wo nicht sie vermag zu heilen,Vertraut die Liebe dir allein;Befiehl dem Gewölk sich zu theilen,Gib meinem Stern du seinen Schein.
21Er.
Sei stark, du meine Männin, reiche mirUnd weihe, sie berührend, meine Waffen;Nicht thöricht gilt's die Welt mehr umzuschaffen,Sei stark, für Recht und Ordnung kämpfen wir.
Bricht selbstverschuldet Unheil auf ein Land,Und krächzet mahnend links am Weg der Rabe,Wird ihm verderblich seine Sehergabe,Ihm giebt des Unheils Schuld der Unverstand.
Es hob sich wider mich der Thoren Zunft,Sie stürmten auf mich ein, mich zu zerreißen;Ich, Rabe, schrie: die schwangre Zeit will kreißen! –Nun bebt die Welt bei ihrer Niederkunft.
Das haben ja die Kinder schon gewußt,Und jene haben doch das Wort gesprochen;Nun ist der Tag des Bluthes angebrochen;Mit Erz umgürte sich jedwede Brust.
Wir ziehen trauernd in die Männerschlacht,Und über Trümmer kämpfen wir und Leichen.Fluch über sie, die uns den Oelzweig reichenVerschmähend sahn, und Krieg uns zugebracht!
Fluch über sie! denn losgerissen stürztAnwachsend die Lauvin' und schafft Verderben.Für Recht und Ordnung gilt's annoch zu sterben –Wer weiß, wie morgen sich der Knoten schürzt?
In Zwietracht auf erkämpftem Boden magSich leicht die Schar zerspalten der Genossen;Die heut um mich den Heldenkreis geschlossen,Sind Feinde mir vielleicht am nächsten Tag.
Ich werde stehen, wo ich soll und darf,Und fallen, muß es sein, wo Edle starben,Für Recht und Ordnung wehen meine Farben,Für Recht und Ordnung ist der Tod nicht scharf.
Ich deck euch kämpfend mit dem eignen Leib,Umarme mich noch einmal, laß das Weinen,Bring her mir meine beiden armen Kleinen,Und nun – – Leb wohl, du vielgeliebtes Weib.
22Sie.
Bestreut mit Eichenlaub die Bahre dort – –O meine Kinder! so wird hergetragen,Der unser Vater war und unser Hort,Sein Herz hat ausgeschlagen.
Heb auf das Tuch, du bist sein einz'ger Sohn,Dem Sohne wird die Wunde dieses Helden,Was Mannestugend sei, und was ihr Lohn,Gar unvergeßlich melden.
Des Namens Erbe, den er sich erwarb,Sollst trachten du dereinst nach gleichem Adel,Und sterben, muß es sein, so wie er starb,Stets ohne Furcht und Tadel.
Du, Auge meiner Freude, fielest zu,Dich, süßer Mund, erschließet nicht mein Sehnen, –Ja, weine, meine Tochter, weine du,Ich habe keine Thränen.
Der Klapperstorch.
1
Was klappert im Hause so laut? horch, horch!Ich glaub, ich glaube, das ist der Storch.
Das war der Storch. Seid, Kinder, nur still,Und hört, was gern ich erzählen euch will.
Er hat euch gebracht ein BrüderleinUnd hat gebissen Mutter ins Bein.
Sie liegt nun krank, doch freudig dabei,Sie meint, der Schmerz zu ertragen sei.
Das Brüderlein hat euer gedacht,Und Zuckerwerk die Menge gebracht,
Doch nur von den süßen Sachen erhält,Wer artig ist und still sich verhält.
2
Und als das Kind geboren war,Sie mußten der Mutter es zeigen;Da wird ihr Auge voll Thränen so klar,Es strahlte so wonnig, so eigen.
Gern litt ich und werde, mein süßes Licht,Viel Schmerz um dich noch erleben.Ach! lebt von Schmerzen die Liebe nicht,Und nicht von Liebe das Leben!
3
Der Vater kam, der Vater frug nach seinem Jungen,Und weil der Knabe so geweint,So hat ihm auch der Alte gleich ein Lied gesungen,Wie er's im Herzen treu gemeint.
Als so ich schrie, wie du nun schreist, die Zeiten warenNicht so, wie sie geworden sind,Geduld, Geduld! und kommst du erst zu meinen Jahren,So wird es wieder anders, Kind!
Da legten sie, mit gläub'gem Sinn, zu mir dem KnabenDes Vaters Wappenschild und Schwert;Mein Erbe war's, und hatte noch, und sollte habenAuf alle Zeiten guten Werth.
Ich bin ergraut, die alte Zeit ist abgelaufen,Mein Erb ist worden eitel Rauch.Ich mußte, was ich hab und bin, mir selbst erkaufen,Und du, mein Sohn, das wirst du auch. |